Antisemitische Äusserungen im "Opernfreund" ?

  • Gestern habe ich diesen Link auf Facebook entdeckt ( wurde auf Tamino auch zitiert) - heute ist er immer noch online.


    http://www.deropernfreund.de/kontrapunkt.html


    Wie nicht anders erwartet, hat sich Peter Bilsing in seinem Online Magazin verärgert über die Absetzung des Tannhäusers gezeigt. In seinem "Kontrapunkt" nimmt er auf die Kritik (nicht Absetzugsforderung) der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf Bezug.
    In diesem Artikel sind einige Passagen offen und ungeniert antisemitisch, etwas derartiges habe ich selten gelesen und es liess mir offen gestanden die Haare zu Berge stehen.



    Zitat

    Jüdische Verbände & Nazis im Kampf gegen diesen Tannhäuser! Vereint im Kampf gegen die Kulturfreiheit in Deutschland.

    Ein deratiger Satz könnte direkt aus einem antisemitischen Propagandablatt der Nazis zur jüdischen Weltverschwörung entnommen worden sein. Er selbst ist dabei natürlich einer der unschuldig Leidtragenden - schliesslich sind ALLE die diesen Tannhäuser, sagen wir unangemessen fanden, Nazis. Dies impliziert dieser zutiefst beleidigende Satz jedenfalls.



    Zitat

    Dass die jüdische Gemeinde der Stadt Düsseldorf, ohne dass überhaupt jemand die Aufführung gesehen hatte, deren Absetzung forderte ist unglaublich. Angeblich (!) hat sich sogar der israelische Botschafter bei der Rheinoper gemeldet.

    Ja und? Dürfen Juden jetzt etwa nicht an Opern oder gar Wagneropern interessiert sein? Diese beiden Sätze basieren auf puren Vorurteilen und antisemitischen Unterstellungen. Woher weiß der Mann, dass niemand in der jüdischen Gemeinde Düsseldof den Abend gesehen hat? Und der israelische Botschafter hat sich definitiv zu der Aufführung geäussert, auch hier hat der Schreiber keine Ahnung ob dieser den Abend besucht hat oder nicht. Und selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, kann er sich durchaus dazu äussern, dass er eine Vergasung von Juden während der Ouverture zu Wagners Tannhäuser "daneben" findet.


    Es würde mich interessieren ob derartige Äusserungen noch im Bereich des Legalen sind.
    Man kann nur hoffen, dass dieser Herr in Zukunft für seine fachlich auch völlig inkompetenten Rezensionen keine gratis Pressekarten mehr erhält.
    Ich bin entsetzt und betroffen.

  • Das bin ich auch, lieber Figarooo. Aber wundert dich das wirklich bei dieser Sorte Mensch? Der israelische Botschafter hat brav Gedenksteine einzuweihen, aber aus der "Kunst" möge er sich doch bitteschön raushalten. Die darf natürlich nur der "Opernfreund" beurteilen, werten und erklären. :hahahaha::hahahaha::hahahaha:

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Lieber Figarooo, nun lass doch diesen Herrn Bilsing mal links liegen. Der verdient die Aufmerksamkeit wirklich nicht.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Figarooo, nun lass doch diesen Herrn Bilsing mal links liegen. Der verdienst die Aufmerksamkeit wirklich nicht.


    Teils, teils, lieber Rheingold. Was die "Opernkritiken" des Herrn Bilsing anbetrifft, so stimme ich dir zu, aber wenn er antisemitische Äußerungen von sich gibt, dann hört der "Spaß" auch mal auf, und juristische Aufmerksamkeit wäre ihm da schon zu wünschen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat

    Jüdische Verbände & Nazis im Kampf gegen diesen Tannhäuser!Vereint im Kampf gegen die Kulturfreiheit in Deutschland.


    Ehrlich gesehen sehe ich darin nicht antisemitisches - allenfalls eine tollpatschige Formulierung deren Unlogik für sich selbst spricht - Das ist ohnmächtigem Zorn geschuldet - und offenbart veräterisch wie hilflos man doch den "unerwünschen Ereignissen" gegenübersteht.


    Man muß sich nur vor Augen führen, was da WIRKLICH passiert ist.


    Jahrelang - nein jahrzehntelang - hat man alle jene als "Nazis" oder Sympathisanten bezeichnet die nur ein winziges Wort der Kritik gegen Regietheaterinszenierungen äusserten. Und dann - man wähnt sich sicher - kommt der Angriff von der anderen Seite.
    Und das offenbar mit voller Breitseite. Da kann einer schon mal die Fassung und das Gesicht verlieren angesichts solch eines Schocks. Wie argumentiert man dann dann in Zukunft, wenn die vermeintlich bewährten Methoden nicht mehr funktionieren ? (in Österreich hat das sowieso nicht funktioniert, wir sind hart im nehmen).
    Man kann die Leute nicht mehr als "Nazis" bezeichnen wenn sie regietheaterfeindliche Statements von sich geben, weil eben ........ :D
    Als einzige Möglichkeit sehe ich, diesen Teil des Publikums als senile Deppen abzuqualifizieren oder als Pöbel.
    Wenn aber Linke das Wort "Pöbel" im Umgang mit Herrschaften aus der besseren Gesellschaft benutzen, da kann ein ironisches Lächeln in den seltensten Fällen unterdrückt werden. Ironisches Lächeln ist ja bekanntlich eine Vorstufe zu höhnischem Lachen - und jeder taktische Stratege wird mir beipflichten: "Lachen tötet".


    Dazu kommt, daß in Hinkunft viele Intendanten lange darüber nachdenken werden, mit WELCHEN Regisseuren sie in Zukunft zusammenarbeiten werden - wenn man auf solchen Druck aus dem Publikum gefasst sein muß....


    Kein Wunder, wenn man in solch einer Situation die Contenance verliert - so man überhaupt eine hat ......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • mir ist auch nicht so ganz klar, was daran "antisemitisch" sein soll...


    Und wo der Herr Recht hat, hat er Recht: Die Theaterleitung sieht bei all dem nicht gut aus. Daß sich irgendwelche Leute in ärztliche Behandlung hätten begeben müssen, kann man vielleicht dem Weihnachtsmann erzählen.


    Andererseits verstehe ich auch das Publikum nicht - das hat sich anscheinend die Lunge aus dem Hals gebuht - wußten die vorher nix? Haben die noch nie regiertes Theater gesehen? Oder war das ein von Alfred organisierter Anti-Flashmob?


    Daß man inzwischen keine Lust mehr darauf hat, der Fratze der deutschen Geschichte (oder so) an jeder Straßenecke ins bluttriefende Auge zu sehen, verstehe ich ja irgendwie, insbesondere dann, wenn man eigentlich nur einen entspannten Abend mit scheinbar guter Musik verbringen wollte - aber gleich die Contenance zu verlieren??



    Fragen über Fragen...

  • Zitat

    Andererseits verstehe ich auch das Publikum nicht - das hat sich anscheinend die Lunge aus dem Hals gebuht - wußten die vorher nix? Haben die noch nie regiertes Theater gesehen?

    Zum Teil wird es wirklich nix gewusst haben. Zum Teil wird man sich das ganze nicht so arg vorgestellt haben. Zum Teil war aber einfach die Zeit reif.


    Theaterskandale sind nichts neues, sie konnten sogar Revolutionen auslösen - auch wenn man sich das kaum vorstellen kann.


    Aus Wikipedia:

    Zitat

    1830 La Muette de Portici (Die Stumme von Portici) von Daniel-François-Esprit Auber führte bei der Aufführung im Theater La Monnaie in Brüssel am 25. August, anlässlich des 59. Geburtstages von König Wilhelm I. der Niederlande, zu weitreichenden Folgen. Auslöser war das Duett Amour sacré de la patrie („Die heilige Liebe zum Vaterland“): „Geheiligte Liebe zum Vaterland, Gib uns Wagemut und Stolz zurück; Meinem Land verdanke ich das Leben. Es wird mir seine Freiheit verdanken.“ Die Zuschauer gerieten hierdurch in Erregung und als Massaniello mit einer Axt in der Hand sang: „Laufet zur Rache! Die Waffen, das Feuer! Auf daß unsere Wachsamkeit unserem Leid ein Ende bereite!“ erhob sich das Publikum und rief „Aux armes!“ (Zu den Waffen!). Es handelte sich hier nur bedingt um einen „Skandal“, sondern es kam zu einer revolutionären Mobilisierung des Publikums. Die nach der Opernaufführung ausgelösten Unruhen gegen die ungeliebte niederländische Herrschaft führten zur belgischen Revolution und schließlich zur Unabhängigkeit Belgiens.


    Auch Tannhäuser hat bereits einen Theaterskandal verursacht und zwar 1861 bei der 'Uraufführung' in Paris.
    In diesem Fall verlinke ich direkt nach Wikipedia - obwohl mir das sonst widerstrebt.
    Der Artikel ist hochinteressant und zeigt auch, daß die Anzahl der veritablen Skandale rapide im Steigen begriffen ist - in einer Zeit, da Tabubruch sich ungestraft als "Kunstwerk" zwangsverkaufen lässt.....


    http://de.wikipedia.org/wiki/Theaterskandal


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nein, antisemitisch ist diese Äußerung nicht, aber schlicht journalistischer Unfug und total geschmacklos. Die jüdische Gemeinde hat die Absetzung der Inszenierung ja gar nicht gefordert. Eine kulturfeindliche "Allianz" mit Neonazis zu konstruieren ist schlichtweg totaler Blödsinn - das ist reine Polemik, der Versuch, es den Polemikern von der anderen Seite mit gleicher Münze heimzuzahlen.
    Einfach nur dämlich!


    P.S.: Der Wikipedia-Artikel über die Theaterskandale ist wirklich sehr lesenswert!


    Beste Grüße
    Holger

  • Daß sich irgendwelche Leute in ärztliche Behandlung hätten begeben müssen, kann man vielleicht dem Weihnachtsmann erzählen.


    Den wirst Du nicht so leicht finden im Mai.
    Aus eigener Erfahrung kann ich vermelden, dass tragische Ereignisse Manchen an den Rand psychischer Invalidität treiben können, unmöglich sind die beschriebenen Reaktionen also keinesfalls. Ob sie nun real oder nur gedacht waren, spielt letztlich keine entscheidende Rolle. Wenn ich total betrunken am Steuer sitze, ist das ein Verbrechen auch wenn es keine ernste Folgen nach sich zieht.


    Übrigens, "ein entspannter Abend mit scheinbar guter Musik" hat es in sich. Ich werde darüber in Stille nachdenken. :thumbup:

  • Hallo.


    die Aufregung über den "Opernfreund" könnte sich z. T. legen unter Beachtung folgender Zitate aus dem "Opernfreund":
    "Immerhin kam der Wind aus geradezu unglaublichen antipodischen Richtungen, um einmal ganz plakativ und provozierend zwei markante Gruppen aus dem großen Heer der Protestschreier zu erwähnen:
    Jüdische Verbände & Nazis im Kampf gegen diesen Tannhäuser!
    Vereint im Kampf gegen die Kulturfreiheit in Deutschland."
    (Die Unterstreichung stammt von mir.)


    Es ist doch überall anzutreffen, dass geäußerte Meinungen von gesellschaftlichen Gruppen mit einem gewissen Selbstverständnis von gesellschaftlichen Gruppen mit einem davon völlig verschiedenen Selbstverständnis aufgenommen und für ihre Zwecke missbraucht/okkupiert werden ("Beifall von der falschen Seite").
    Und der Vorspruch im "Opernfreund" könnte die Aufregung hier nochmals vermindern.


    "Diese Seite ist ein Freiraum - nicht nur für den Herausgeber - für tagesaktuelle Kommentare, Glossen, Meinungsäußerungen von Minderheiten und verbalen Wutausbrüchen - auch außerhalb des Themenbereichs OPER. PB"

    Nebenbei: Im "Opernfreund" wird vor "verbalen Wutausbrüchen" (präventiv) sogar gewarnt, d. h. sie werden zugegeben (sonst könnte nicht gewarnt werden). Dies könnte ein (individuell anzuwendendes) probates Mittel sein, Streit ("wo auch immer er entsteht") in "vorauseilender Einsicht" zu verhindern, anstatt erst auf den "verbalen Wutausbruch" aufmerksam gemacht werden zu müssen.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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