Die langsamsten Aufnahmen von Werken

  • Ein spontaner Einfall. Die Thematik wurde natürlich schon oft in verschiedenen Themen diskutiert. Aber zum eigenen Thread brachte es die Thematik noch nicht, glaube ich.


    Hier sollten also die langsamsten Aufnahmen aller möglichen Werke gefunden werden. Natürlich könnte man beizeiten auch mal einen gegenteiligen Thread mit den schnellsten eröffnen.


    Aber fangen wir mal an:


    Was Beethovens Neunte angeht, so bin ich mir ziemlich sicher, dass Klemperer mit dem New Philharmonia Orchestra (London 1970) alles in den Schatten stellt: Gut 82 Minuten Spielzeit.


    Bei der Eroica wieder Klemperer mit dem New Philharmonia Orchestra (Bonn 1970) mit über 60 Minuten knapp vor Giulini mit dem Scala Philharmonic Orchestra (Mailand 1991) mit knapp 60 Minuten (der allerdings mit über 21 Minuten den langsamsten Kopfsatz vorzuweisen hat, Klemperer "nur" knapp 19).


    Blickt man auf Beethovens Fünfte, dann könnte den Rekord Knappertsbusch mit dem Symphonie-Orchester des Hessischen Rundfunks (Frankfurt 1962) halten: fast 41 Minuten.


    Eine schleppend langsame Zweite von Schumann legte wiederum Klemperer mit dem New Philharmonia Orchestra (London 1968) vor, die es auf 41 Minuten bringt.


    Bei Tschaikowskijs Fünfter dürfte Celibidache mit den Münchner Philharmonikern (Bremen 1993) mit 60 Minuten vorne liegen.


    Welche Beispiele fallen euch sonst noch ein? Es dürfen natürlich auch andere Werkgattungen wie Oper, Klavier- oder Kammermusik genannt werden.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph,


    da fällt mir jetzt Svjatoslav Richter ein mit seinem besonders langsamen Vortrag des 1. Satzes von Schuberts Klaviersonate B-Dur D 960.


    Auch der späte Emil Gilels bevorzugte dle Langsamkeit. Dazu eine schöne Anekdote: Bei einer Probe mit dem Schumann-Konzert meinte Gilels´ Freund Wolfgang Sawallisch: "Emil, das ist zu langsam!" Daraufhin spielte ihm Emil über eine Stunde "langsam" aus Schumanns Klavierwerk vor. Sawallisch war von der unglaublichen Schönheit dieses langsamen Schumann so beeindruckt, daß er nichts mehr sagen konnte!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ein schönes Beispiel:


    "An den Frühling" spielt Svjatolav Richter bedächtig langsam - und hält dieses langsame Tempo auch im bewegten zweiten Teil durch. So wird aus diesem spätromantischen Stück eine Klaviermeditation. Richters Langsamkeit adelt diese Musik:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Mir scheint, lieber Joseph, dass du keinen Bruckner von Celi hast:


    Vierte: 78:25;
    Fünfte: 87:39;
    Siebte: 79:08;
    Achte: 104:13;
    Neunte: 76:50;


    Dann weiter Celi:


    Beethoven Sechste: 51:03?;
    Schumann Zweite: 43:38!!;


    Bernstein (W Ph.):


    Brahms Erste: 51:55?;
    Brahms Zweite: 48:15?;


    Bei den Fragezeichen bin ich mir nicht ganz sicher.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Als ich gerade Holgers Postings gelesen habe, fiel mir noch dieses ein:


    Michael Korstick (2003)


    Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 29 B-dur op. 106: "Hammerklaviersonate":


    08:59-02:24-28:42-11:08 -- 51:13;


    Noch langsamer als den Kopfsatz der B-dur-Sonate D.960 spielt Richter den Kopfsatz der G-dur-Sonate D.894:
    D.960: 24:16,
    D.894: 26:18;


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Hallo Willi,


    sicher habe ich Celibidachs Bruckner. Ich wollte nur nicht alles im Anfangsbeitrag vorwegnehmen. ;)


    Bruckners Vierte toppe ich übrigens mit Celibidache (1993) noch deutlich: über 86 Minuten.


    Was Brahms' Erste und Zweite angeht, ist aber auch Giulini mit den Wienern nicht ohne: 51:42 und 47:27. Bei der Dritten 40:27, bei der Vierten 46:20.


    :hello:

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    – Luís de Camões

  • Michael Korstick spielt vermutlich den langsamsten Adagio-Satz der Hammerklaviersonate: 28:42. Normals sind 15-18 min. Besonders bemerkenswert, weil seine Ecksätze zu den schnellsten gehören. Anscheinend war Beethovens Metronom nur fürs Adagio kaputt...
    Berüchtigt Goulds Appassionata mit dem Kopfsatz etwa im halben Tempo (15 min statt 8-10), auch das andante (11 min) ist wohl das langsamste.
    Die Langsamkeitsexzesse von Richter und einigen Nachfolgern (Afanassiev) in Schuberts späten Sonaten wurden anderswo schonmal angesprochen. Vermutlich gibt es da inzwischen noch ein paar neue "Rekorde"
    Mit Celi habe ich ja nur drei Brucknersinfonien, aber da ist er von meinen Aufnahmen mit Abstand der langsamste, soviel ich weiß. Ebenso gibt es eine grotesk langsame Aufnahme von Tschaikowskys Romeo&Julia-Ouverture.
    Bei den Brahms-Sinfonien frage ich mich, ob jemanden Giulini übertroffen hat, wie ich neulich schon sagte.


    1. Sinf: 15:49 (ohne Wdh!) - 10:49 - 5:18 (das ist im Rahmen) 19:46
    2. Sinf: 18:00 (ohne Wdh!) - 12:20 - 6:02 - 11:05
    3. Sinf. 14:59 (mit Wdh) - 9:32 - 7:00 - 8:56
    (das Finale ist o.k., der Rest vermutlich im Rahmen; ich habe nicht ausgerechnet, wieviel die Wdh. ausmacht; "normal" ist ca. 13 min mit, ca. 9-10 min. ohne)
    4. Sinf. 14:18 - 13:01 - 7:10 - 11:51


    Kurt Sanderling (Staatskapelle Dresden), der wahrlich nicht flott unterwegs ist, ist fast überall erheblich (1-2 min) zügiger (außer im Finale der 3. und einigen 3. Sätzen)


    Für Tempo-Extreme in beiden Richtungen ist zB Scherchen ein Beispiel. Mit etwa 95 min. eine der langsamsten Mahler 2.
    25'10 - 11'58 - 12'31 - 6'55 - 37'45 (Die Sängerin in Urlicht kann einem leid tun...)
    Ebenso dehnt er das largo aus Haydns Sinfonie Nr. 88 auf über 10 min (normal 6-7), dafür ist seine Eroica (1958) wohl immer noch eine der schnellsten. In der Matthäuspassion (ca. 1953) hat er einen für damals außergewöhnlich schnellen Eingangschor (gut 7 min), aber vermutlich das langsamste "O Mensch bewein" (10:25) und "Wir setzen uns mit Tränen nieder " (10:46!!!)
    (Lt "http://schadock.macbay.de/misc/mapa.htm" ist Klemperer im "O Mensch bewein" noch langsamer.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Celibidache bei Bruckners Fünfter am 12. April 1993 im Gasteig: 91:30.


    Für die offizielle EMI-Aufnahme hat man 12., 14. und 16. April zusammengeschnitten und irgendwie vier Minuten eingespart.

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    – Luís de Camões

  • Der Kopfsatz von Beethovens 4. Klaviersonate kommt mir hierzu gerade in den Sinn: länger als Benedetti Michelangeli mit seinen 9:47 dürfte dafür keiner brauchen, nachzuhören auf dieser Aufnahme:




    (zum Vergleich: Buchbinder, Schnabel, Gulda liegen alle unter 7.30).
    In der Gesamtspieldauer liegt AMB durch das relativ straffe Largo dann aber schnell wieder im Bereich des Normalen.

  • Lieber Joseph,


    da fällt mir jetzt Svjatoslav Richter ein mit seinem besonders langsamen Vortrag des 1. Satzes von Schuberts Klaviersonate B-Dur D 960.


    Lieber Holger,


    ist er langsamer als Valery Afanassiev, der 28:25 dafür benötigte?
    In der Edition Lockenhaus ist Afanassiev dagegen mit 22:40 schon fast über die Maßen rasant...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Meine Angaben zu Celis Vierter Bruckner beziehen sich auf die Aufnahme vom 16. Oktober 1988, wohl einer Liveaufnahme. Ist die von dir gepostete Aufnahme denn auch live, und ist sie lieferbar?

    Zitat

    Johannes Roehl: Berüchtigt Goulds Appassionata...

    Berüchtigt auch seine A-dur-Sonate KV 331, namentlich der Kopfsatz mit dem berühmten Variationenandante. Was Gould da spielt, ist ein Witz, und auch die beiden folgenden Sätze sind grenzwertig. Da kann man bei Goulds Kapazität nur zu der Auffassung gelangen, dass er das Ganze nicht ernst genommen (gemeint) hat. Wenn Mozart das gehört hätte, würde er heute noch im Grabe rotieren oder sicherheitshalber schauen, ob nicht doch "sein Kaiser" Joseph II. (nicht du, lieber Joseph), am Flügel gesessen hätte.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Norbert: Lieber Holger, ist er langsamer als Valerry Afanassiev, der 28:25 min. dafür brauchte?

    Falls es nicht noch eine Aufnahme Richters davon gibt, lieber Norbert, ist Richter (24:16) in der Tat 4:09 min. kürzer.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Zu Celi: Er hat begründet - glaubhaft, nachvollziehbar (rational und emotional) - warum er "langsam" ist.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler


  • ist er langsamer als Valery Afanassiev, der 28:25 dafür benötigte?
    In der Edition Lockenhaus ist Afanassiev dagegen mit 22:40 schon fast über die Maßen rasant...


    Richter liegt in seiner Studio-Aufnahme bei 24:30, aber viele Jahre vor Afanassiev. Er hat meines Wissens mit den extrem breiten Schubert-Tempi angefangen.
    Gilels Beinahe-GA der Beethovensonaten weist ebenfalls einige sehr breite Tempi auf. Meistens zwar in ohnehin langsamen Sätzen, aber den Kopfsatz der Sonate op.10,1 habe ich auch noch nie so langsam gehört. Er braucht glatt 7 min, normal sind 5-5:30 (Gould fetzt den Satz ohne Wdh. in 2:40 runter...)


    Ein Interpret, bei dem sowohl ungewöhnlich langsame als auch sehr schnelle Tempi vorkommen, ist Harnoncourt. Zwar ist das wegen der unterschiedlichen Kadenzen (oder selbst bei identischen wegen der großen Freiheiten des Pianisten in der Kadenz) schlecht zu vergleichen, aber seine Aufnahmen der Beethovenkonzerte mit Aimard sind ungewöhnlich breit, ich gebe mal die Spieldauern der jeweils ersten Sätze, bei denen es besonders auffällt:
    op.15: 19:19
    op.19: 15:35
    op.37: 17:58
    op.58: 19:37 (Gould/Bernstein: 19:16)
    op.73: 21:05
    Beim 5. sind Gould/Stokowski noch langsamer: 21:58 - 9:22 - 11:14, damit über 42 min. für das Konzert (würde mich freilich nicht wundern, wenn Arrau oder so jemand im Alter noch langsamer wäre)

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  • Ich habe noch mal ein wenig nachgeschaut, und danach hat Swjatoslaw Richter die B-dur-Sonate wohl sechs mal aufgenommen, und zwar am
    - 09. 05. 1957 in Moskau,
    - 13. 11. 1961 in Moskau,
    - 20. 06. 1964 in Aldeburgh,
    - 06. 08. 1972 in Anif,
    - 09. 11. 1972 in Anif,
    - 24. 09. 1972 in Prag.
    Diese 'Aufnahmen sind laut trovar.com bei einer ganzen Reihe von Labels erschienen. Davon konnte ich die Spielzeiten von drei Aufnahmen eruieren:


    Moskau 1957: 23:14 min.,
    Moskau 1961: 24:16 min.,*
    Prag 1972: 25:46 min.,


    Da ist schon eine gewisse Entwicklung zu erkennen. Die Aufnahme mit Sternchen habe ich in meiner Sammlung in der 5-CD-Box von Brilliant Classics:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Willi,


    um Deine Ausführungen zu ergänzen:


    Die unten abgebildete Aufnahme in meiner Sammlung (die Aufnahme aus Prag und die von Dir abgebildete Brilliant-Classics-Box besitze ich auch):



    ist die Studioaufnahme von 1972 (Angaben: 6.8.-9.11.1972, Schloß Anif, Salzburg.). Spieldauer des 1. Satzes: 24.28 min.


    Richter notiert wohl zu dieser Aufnahme in sein Tagebuch in Innsbruck (zu den Sonaten c-moll und B-Dur):


    "Meine Aufnahme dieser beiden posthumen Sonaten von Schubert hat mehr Vorzüge als Fehler; vor allem der erste Satz der B-Dur setzt meiner Meinung nach im richtigen Rempo ein und hält es durch."


    Richter, ansonsten selbstkritisch bis zur Selbstzerfleischung, ist hier offenbar ausnahmsweise mit sich selbst "fast" zufrieden, vor allem was die Tempowahl angeht.


    Interessant ist auch das Verzeichnis der Aufführungen der Sonate - darüber führte er genau Buch. Die erste Aufführung stammt aus dem Jahr 1949. In den 40igern 1 Auff., in den 50igern 5, den 60igern 16, den 70igern 20, in den 80igern und 90igern keine mehr. Richter hat praktisch in den 80igern und 90igern keinen Schubert mehr aufgeführt - mit ganz wenigen seltenen Ausnahmen wie der Wanderer-Fantasie.


    Sehr amüsant und zugleich geradezu tragisch ist auch die Geschichte, die Lazar Berman mit dem ihm eigenen Humor erzählt. Er war von Richters "langsamer" Aufnahme der B-Dur-Sonate sehr beeindruckt. Dann bat ihn die EMI, die Sonate aufzunehmen. Das Sowjetregime hat seine Künstler damals despotisch wie Leibeigene behandelt, das Honorar (also die westlichen Devisen, die das Regime brauchte) erst einmal selber einkassiert und ihnen dann als Ausgleich "großzügig" und penibel buchhalterisch 8 Rubel pro Minute bezahlt (unfaßbar grotesk, ein Hunger-Arbeitslohn, der wie ganz normale Arbeit nach der geleisteten Arbeitszeit bezahlt wird, für einen Musik-Arbeitssklaven wahrlich!) als Entlohnung. So kam Berman auf die Idee, da er Geld brauchte, die Sonate noch langsamer als Richter zu spielen, um sein Budget etwas aufzubessern. Nachher lobte ihn die Kritik dafür. Von einem Meilenstein der Schubert-Interpretation war die Rede. Die Aufnahme kenne ich leider nicht - wohl aber einen überragenden Konzertmitschnitt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Den Rekord beim Parsifal müsste Sir Reginald Goodall halten: 286 Minuten. Zumindest von den auf Tonträger überlieferten Aufnahmen. Toscanini soll ja noch langsamer gewesen sein. Knappertsbusch kommt 1951 "nur" auf 267 Minuten, seine späteren Aufnahmen waren alle etwas flotter.

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    – Luís de Camões

  • Hi


    Arturo Toscanini soll 1931 in einer Vorstellung 4h 48min gebraucht haben. In neuerer Zeit ist Jimmy Levine Sir Reginald am nächsten gekommen (JL ist meist langsamer als Knappertsbusch).


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der Kopfsatz von Beethovens 4. Klaviersonate kommt mir hierzu gerade in den Sinn: länger als Benedetti Michelangeli mit seinen 9:47 dürfte dafür keiner brauchen, nachzuhören auf dieser Aufnahme:


    Lieber Norbert,


    ganz richtig - daran hatte ich natürlich auch schon gedacht! :) Mein verehrter Lehrer, der die Sonate von ABM im Konzert hörte, davon tief beeindruckt war und sie schließlich im Konzertexamen spielte, erklärt mir immer wieder den Grund: Beethoven notiert nicht einen 3/4, sondern 6/8-Takt. Daran orientiert sich ABM - so halbiert sich die Zählzeit und man kommt dann automatisch zu diesem "langsamen" Tempo. Und er fügt hinzu: Nur so stimmt die Tempobalance in allen Teilen. Emil Gilels ist übrigens auch nicht viel schneller. ABM selbst nimmt den Satz in dem späteren BBC-Mitschnitt ein wenig flotter.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zu Celi: Er hat begründet - glaubhaft, nachvollziehbar (rational und emotional) - warum er "langsam" ist.


    zweiterbass

    Celibidache ist wahrscheinlich bei allen seinen jetzt vorgelegten Aufnahmen so ziemlich der langsamste. Warum er darauf stolz war, wird sicher nur er gewusst haben, mir erschließt sich das nicht. Mit geht dabei einfach die Spannung verloren, auch wenn alles so penibel sauber musiziert klingt.


    Bei Bruckners 7. hat er sich selbst übertroffen, bei seinem Benefizkonzert 1992 mit den Berliner Philharmonikern



    braucht er geschlagene 91:13 Minuten!
    28:17 - 31:25 - 12: 47 - 18: 44
    Ich war damals selbst in dem Konzert und fand gefühlsmäßig keinen Unterschied zwischen dem 2. Satz ( Adagio. Sehr langsam) und dem 3. Satz (Sehr schnell). Es erschien mir alles gleich langsam.


    Zum Vergleich meine anderen Aufnahmen:
    Wand Berlin 66:37 (21:06 - 21:44 - 10: 33 - 13: 44)
    Karajan Wien 66:15 (19:47 - 23:12 - 10:10 - 12:42)
    Sanderling Stuttgart 71:14 (21:44 - 25:13 - 10:32 - 13:45)


    Auch Bernstein dürfte sich bei diesemThema wiederfinden.


    Die Jupitersinfonie von Mozart hört bei ihm einfach nicht auf: 38:13
    Meiner anderen sind alle deutlich kürzer: Harnoncourt 31:24, Karajan (1976) 30:07, Suitner 28:16, Böhm (1949) 27:36, Karajan (1942) 25:48, Walter (1938) 27:19.


    Ich könnte jetzt noch viel Zeit beim Durchstöbern meiner Sammlung verbringen, aber sicher finden andere noch andere Beispiele.


    Beste Grüße


    :hello:


    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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  • Der Vergleich zeigt aber doch, dass das Scherzo noch halbwegs im Rahmen ist, da nur etwa 120% der üblichen Spieldauer, die anderen Sätze dagegen > 150% ;)



    Zitat

    Auch Bernstein dürfte sich bei diesemThema wiederfinden.


    Die Jupitersinfonie von Mozart hört bei ihm einfach nicht auf: 38:13
    Meiner anderen sind alle deutlich kürzer: Harnoncourt 31:24, Karajan (1976) 30:07, Suitner 28:16, Böhm (1949) 27:36, Karajan (1942) 25:48, Walter (1938) 27:19.

    Das ist hauptsächlich eine Sache der Wiederholungen. Das kann ca. 3-4 min im ersten, und je 5-6 min im 2. und 4. Satz ausmachen. (Der zweite und vierte Satz haben je zwei Wdh., von denen oft nur eine oder keine ausgeführt wird)


    Harnoncourts Concertgebouw-Aufnahme ist nur im 1.Satz recht langsam (etwa wie Klemperer) und mit 13'15 - 11'35 -5'18 und 11'16, also ca. 41'24 meine längste. Dabei sind, wie gesagt, die Sätze 2-4 im üblichen Tempo oder eher schneller. Harnoncourt hat hier eine seltsame Theorie, dass bei der Jupitersinfonie die Tempi irgendwie von Satz zu Satz schneller werden sollten, bei der g-moll umgekehrt.
    Die ersten 3 Sätze seiner Aufnahme der g-moll sind rasant (besonders 2 und 3), das Finale dagegen eher allegro ma non troppo als "molto allegro".

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hier noch einige Ergänzungen:


    BEETHOVEN-SYMPHONIEN


    Nr. 1
    Celibidache (1989): 8:35 - 7:44 - 4:08 - 5:01 (28:27)
    Giulini (1991): 10:48 - 6:54 - 4:01 - 6:26 (27:33)
    Klemperer (1970): 11:23 - 8:03 - 4:41 - 7:06 (31:13)


    Nr. 2
    Celibidache (1996): 12:51 - 14:05 - 5:03 - 7:20 (39:19)
    Giulini (1991): 14:27 - 12:32 - 3:59 - 7:25 (38:23)
    Klemperer (1970): 11:41 - 13:16 - 4:17 - 7:27 (36:41)


    Nr. 3
    Celibidache (1987): 16:35 - 19:14 - 6:53 - 14:28 (57:10)
    Giulini (1992): 21:04 - 17:40 - 6:40 - 13:59 (59:23)
    Klemperer (1970): 18:46 - 18:50 - 7:49 - 15:06 (60:31)


    Nr. 4
    Celibidache (1987): 11:11 - 12:25 - 6:38 - 5:41 (35:55)
    Celibidache (1995): 10:50 - 13:19 - 6:46 - 6:10 (37:05)
    Giulini (1993): 13:06 - 10:48 - 6:45 - 7:48 (38:27)
    Klemperer (1969): 13:58 - 11:35 - 6:58 - 8:43 (41:14)


    Nr. 5
    Celibidache (1992): 7:09 - 11:43 - 6:17 - 10:41 (35:50)
    Giulini (1993): 8:24 - 10:13 - 5:46 - 10:15 (34:38)
    Klemperer (1969): 7:41 - 12:11 - 6:52 - 11:04 (37:48)


    Nr. 6
    Celibidache (1993): 11:48 - 16:14 - 6:31 - 4:30 - 12:02 (51:05)
    Giulini (1991): 11:04 - 13:51 - 6:22 - 4:22 - 10:56 (46:35)
    Klemperer (1970): 11:52 - 14:33 - 4:00 - 4:07 - 10:17 (44:49)


    Nr. 7
    Celibidache (1989): 16:06 - 9:46 - 9:05 - 7:56 (42:53)
    Giulini (1991): 14:14 - 9:31 - 9:04 - 8:12 (41:01)
    Klemperer (1970): 14:52 - 10:45 - 9:17 - 8:56 (43:50)


    Nr. 8
    Celibidache (1995): 9:15 - 5:03 - 6:11 - 8:11 (28:40)
    Giulini (1992): 10:12 - 4:12 - 5:31 - 7:40 (27:35)
    Klemperer (1970): 11:10 - 4:33 - 5:51 - 9:32 (31:06)


    Nr. 9
    Celibidache (1989): 17:32 - 12:31 - 18:01 - 28:57 (77:01)
    Giulini (1989/90): 17:05 - 12:57 - 18:33 - 27:23 (75:58)
    Klemperer (1970): 18:38 - 17:38 - 16:59 - 27:47 (81:03)


    Wobei man hier anmerken muss, dass manchmal Wiederholungen ausgelassen wurden.

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    – Luís de Camões

  • Wenn bei den Kopfsätzen der 6. und 7. die Wdh. befolgt wird, sind die Spieldauern eher normal, sonst recht langsam. Erstaunlich zügig (verglichen mit dem Rest) sind die lahmen Enten im Adagio der 9., das bei Furtwängler mal 20 min. dauert. In seiner guten Aufnahme der 9. aus den späten 50ern ist Klemperer im Adagio sehr zügig (14-15 min. oder so). Ob die Aufnahmen des kranken und sehr alten Dirigenten um 1970 noch als so intendierte künstlerische Entscheidungen gelten dürfen, wage ich nicht zu beurteilen.
    Das Interessante ist ja, dass in den Aufnahmen aus den 50ern Klemperer häufig eher auf der schnellen Seite ist; ich glaube die Mahler 2 aus dem Concertgebouw (ca. 1951) ist immer noch die schnellste der gesamten Diskographie (ca. 72 min alles zusammen) und auch die EMI-Studio noch auf der zügigen Seite.

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    (Bob Dylan)

  • In den ganz späten Aufnahmen ließ Klemperer die meisten Wiederholungen weg, wobei das um 1970 wohl eher noch Usus war. Im Detail müsste ich allerdings auch nachhören. Absolut sicher bin ich mir, dass die Wiederholung im Kopfsatz der Fünften fehlt. Mit Wiederholung dürfte man knapp 2 Minuten dazu rechnen.


    Es ist richtig und wurde schon öfters angemerkt, dass Klemperer bis in die 50er Jahre hinein teilweise extrem flott unterwegs war. Der schwere Brandunfall 1958 hat, glaubt man einigen Aussagen im Forum, dazu beitragen haben, dass er sukzessive langsamer wurde, wobei es noch in den frühen 60ern Aufnahmen gibt, die erstaunlich beschwingt daherkommen. Auffällig ist dies z. B. in seiner Gesamtaufnahme der Schumann-Symphonien, wo die Vierte (1960) noch keine extremen Ausreißer aufweist, die Zweite (1968) und Dritte (1969) dagegen schon. In seiner letzten Zeit als Dirigent (er hörte im September 1971 bekanntlich zwangsweise auf) scheint er sich sogar monatlich immer mehr verlangsamt zu haben. Ein Indiz dafür ist, dass er die Erste und Dritte von Beethoven in Bonn im September 1970 durchschnittlich pro Satz noch etwa eine halbe Minute langsamer spielen ließ als noch in London im Mai 1970. Insofern kann es durchaus alters- und krankheitsbedingt sein, dass er besonders ab etwa 1968 immer extremere Tempi anschlug. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die berühmt-berüchtigte Studioaufnahme der Siebten von Mahler von September 1968 für EMI, die insbesondere im Finalsatz den Temporekord sprengt (m. E. aber Details offenlegt, die anderswo untergehen). In der Zweiten von Mahler von Mai 1971 schließlich braucht er 100 Minuten, womit er 28 Minuten langsamer ist als 1951 und immer noch 20 Minuten langsamer als 1965. Auch dies spricht dafür, dass die wirklich eklatanten Geschwindigkeitsunterschiede erst ab der 2. Hälfte der 60er Jahre auftreten, aber bis heute das Klischee des ultralangsamen Otto Klemperer, der gleichsam zum Synonym wurde für enorm zurückgenommene Tempi, aufrechterhalten. Dazu beigetragen haben mögen auch die späten Videos des Dirigenten, die damals schon in Farbe gemacht wurden und dieses Bild in den Köpfen von Millionen eingeprägt haben.


    Andererseits zeigt sich selbst noch in den spätesten Aufnahmen Klemperers, dass er für Gefühlsduselei nichts übrig hatte. Verglichen mit dem Kopfsatz und dem Scherzo ist das Adagio der Neunten von Beethoven selbst 1970 noch relativ gesehen flott. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zu den langsamen Darstellungen Beethovenscher Klavierkonzerte gehört sicher Valery Afanassievs Aufnahme für OEHMS Classics. Wenn ich mich erinnere wurde die Aufnahme bei ihrem Erscheinen durchaus kontroversiell beurteilt. Prof Dr. Hans Alberts (seinerzeit Verfasser von Kritiken für Klassik.com) meinte, dies sei ein "Beethoven zum Abgewöhnen", zu harmlose, zu provinziell - eine Meinung die im Gegensatz zu jener von Ingo Harden stand. Er fand die Aufnahme als "neu erlebbar", lobte Dirigent Orchester und - natürlich - den Pianisten. Ich selbst finde die Aufnahme beeindruckend.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Im Brucknerforum wurde seinerzeit mal berichtet von einem Dirigenten, der eine oder mehrere Brucknersynfonien mit genau der halben Geschwindigkeit eingespielt haben soll. Also gut zwei Stunden spielte. Leider habe ich nie mehr was davon gehört, nie eine Aufnahme gefunden.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Im Brucknerforum wurde seinerzeit mal berichtet von einem Dirigenten, der eine oder mehrere Brucknersynfonien mit genau der halben Geschwindigkeit eingespielt haben soll. Also gut zwei Stunden spielte. Leider habe ich nie mehr was davon gehört, nie eine Aufnahme gefunden.


    Celibidache

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Gibt es eine langsamere "Appassionata"?

    Glenn Gould ist ja immer für Überraschungen gut, also tat ich mir diese CD an und war tatsächlich überrascht. Die Pathetique und die Mondschein-Sonate bewegen sich durchaus im Rahmen, sind (op. 13 1. Satz, op. 27/2 3. Satz) z.T. sogar recht schnell, den Vogel schoss aber dann das Meisterwerk, die Appassionata ab.
    1. Satz 15:01 2. Satz 11:08 3. Satz 5:23


    Zum Vergleich:
    Buchbinder 1. Satz 8:55 2. Satz 6:42 3. Satz 7:58
    Gulda 1968 1. Satz 7:35 2. Satz 5:31 3. Satz 7:14
    Gulda 1973 1. Satz 8:37 2. Satz 5:52 3. Satz 4:56
    Im 3. Satz wollte er die Zeit wohl wieder aufholen, dagegen sind die ersten beiden Sätze sind dermaßen schleppend, das ist schon eine Zumutung. Gould hat ja gerne provozieren wollen, das ist ihm hier glänzend gelungen.


    Mit besten Grüßen
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Das war nicht ganz ernst gemeint. Celibidache hat die Stücke nicht bewusst im halben Tempo gespielt. Aber es sind oben im Thread doch schon etliche Spieldauern verzeichnet. Zwar nicht doppelte, aber anderthalbfache Spieldauer ist bei ihm beinahe die Regel.


    Es gibt, auch das wurde im Forum schon einmal diskutiert, eine "Theorie" (die aber eher auf Mozart und besonders Beethoven angewendet wurde), wonach Metronomangaben sich nicht auf einen "Klick", sondern auf ein "Hin-und-Zurück" des Metronompendels beziehen würden. Vertreten wurde das von einem niederländischen Musikologen und der deutschen Musikwissenschaftlerin Grete Wehmeyer. In diesem Umfeld sind dann auch ein paar sehr langsame Einspielungen entstanden.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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