Füttern Subventionen das ungeliebte Regietheater ?

  • Es gibt in diesem Forum - und erfreulicherweise auch im fremdsprachigen Internet - Themen, die sich mit dem ungeliebten Regietheater befassen. Immer wieder wird - meist unterschwellig - zur Sprache gebracht, daß das Regietheater und (vor allem) seine Vertreter - sich nur deshalb solange halten können, weil Subventionen zudecken, daß viele Häuser viel zu wenig ausgelastet sind. Ich gehöre zu den Vertretern jener Gruppe, die der Meinung sind man müsse die Szene "aushungern", also Häuser mit hohem Regietheateranteil (das sind sehr viele) die Macht des Publikums spüren zu lassen...
    Als Gegenargument wird hier oftmals angeführt, dies könnte zu Schliessungen von Häusern kommen. Zum einen glaube ich das nicht - zum anderen erhebt sich die Frage, wie groß denn der Schaden wäre, wenn manche Häuser, welche nur mehr verschandelnde Inszenierungen anbieten in der Tat geschlossen werden müssten. Die zweite Frage wäre - was die weiteren Folgen wären.
    Mein Denkmodell geht hier davon aus, daß kein Intendant gerne seinen Sessel räumen möchte. Schliessungen von Opernhäusern wären aber mit diesen Maßnahmen verbunden. Also glaube ich, daß in absehbarer Zeit eine Anpassung an den Publikumsgeschmack im eigenen Interesse erfolgen könnte - schliesslich ist dem Intendanten die eigene Karriere näher als jene eines ungeliebten progressiven Regisseurs . EIN Beispiel konnten wir ja ansatzweise bereits erleben....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn also der Protest nicht hilft, selbst nicht, wenn ein Stück in Missfallenskundgebungen des Publikums völlig untergeht, aber der Regisseur sich gerade dies als Erfolg zuschreibt, dann ist sicherlich Aushungern die einzige Methode. Denn was sollen wir noch mit den Opernhäusern und Festspielhäusern, in denen nur noch dieser Schwachsinn verzapft wird, wie gerade im Augenblick wieder beim Parzifal in Salzburg? Nur ist die Menge der Laufsteg- und Abonnementsgäste, wie LaRoche sie so treffend in seinem Beitrag 115 unter "Mordandrohungen" schildert; also derjenigen, die ohne eine Ahnung von Stück einfach nur gehen, weil sie ihre Garderobe ausführen wollen oder heute ihr Theaterabend fällig ist (egal was geschieht) noch zu groß. Wenn auch diese etwas wählerischer wären, könnte der "Streik" gelingen. Bayreuth ist so ein Beispiel (Salzburg sicherlich auch). Wenn all die geladene Prominenz mit ihren Freikarten nicht wäre, bei denen ich der Überzeugung bin, dass sie weitgehend zu der genannten Gruppe gehören, wäre es sicher um die dortigen Festspiele wohl auch schlechter bestellt. Die Subventionen, die alle mitzahlen, kommen doch zur Hauptsache dieser Gruppe zugute.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Alfred, lieber Gerhard,


    ich glaube Ihr setzt als engagierte, glühende Klassikfreunde zu viel voraus. In den Gremien, die über Subventionen entscheiden, sitzen leider meist wenig Kenner der Materie. Entscheidungskriterien sind neben gewissen Prestige- und Imagegründen wirtschaftliche Zahlen und Entwicklungen, also Auslastung des Hauses, Zuschauer- Abonnentenzahlen, Einspielergebnisse, Zuwächse, Abgänge, Zuschuss pro Besucher, Vergleiche mit anderen Städten und Kulturträgern usw. Verschlechtern sich nun diese Faktoren z. B. durch Rückgang der Besucherzahlen, dann wird diese Entwicklung gerne dazu benutzt, um zu streichen, zu kürzen, zu fusionieren, zu schließen. Für diese bedauerliche Entwicklung gibt es gerade in letzter Zeit bittere Erfahrungen und Beispiele. Das von Euch vorgeschlagene "Aushungern" oder Protest durch Nichtbesuch von kulturellen Veranstaltungen ist ein Spiel mit dem Feuer und der Schuss geht oft nach hinten los. Wahrscheinlich bleibt nichts anderes übrig, als in einem zähen, ständigen Überzeugungsprozess und Kampf Missstände anzuprangern und für eigene Überzeugungen zu vertreten. Wir erleben es doch hier in unseren Diskussionen ganz direkt, dass es Argumente für verschiedene Interpretationsansätze gibt.
    Eines glaube ich allerdings auch, egal wie stark die Lobby auch sein mag, man kann nicht auf Dauer eklatant gegen Geschmack, Vorlieben und Empfindungen der Publikumsmehrheit vorgehen. Nach meinen Beobachtungen hat die "Götterdämmerung" bereits eingesetzt. Die großen Entgleisungen, wie z. B. der Biogas-Tannhäuser in Bayreuth und gerade jetzt der Krematoriums-Parsifal bei den Salzburger-Festspielen beschleunigen das Ende des all zu großen Regieunsinns und die Rückbesinnung auf die Arbeiten richtungsweisender Opernregisseure wie Wieland und Wolfgang Wagner, Rennert, Everding, Herz, Schenk, Lehmann usw.
    Die Zeitenwende hin zu allgemein akzeptierterem Opernschaffen scheint mir nahe zu sein - also weiterkämpfen, aber bitte mit Sachverstand, Argumentation und Überzeugungskraft und nicht mit verbalem Totschlag von Andersdenkenden.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zitat

    Zitat von Operus: Das von Euch vorgeschlagene "Aushungern" oder Protest durch Nichtbesuch von kulturellen Veranstaltungen ist ein Spiel mit dem Feuer und der Schuss geht oft nach hinten los.

    Die Gefahr sehe ich natürlich auch, lieber Hans, aber bisher ist ja jeder Protest ungehört verhallt, wie die letzten Beispiele des "Parsifal" aus Essen und - ganz neu - von den Salzburger Festspiele zeugen. Das Wort, und es ist ja inzwischen nicht nur bei uns, sondern in vielen Protestgemeinschaften sehr laut vernehmbar - bewirkt bisher kaum etwas. In Gegenteil, es ist immer schlimmer geworden und es erwartet uns ja schon wieder - wovor Rodolfo im Thema "Salzburg" schon gewarnt hat - für den 1. April in Baden-Baden eine ähnliche Verunstaltung der "Zauberflöte". Die - allerdings gefährliche - Alternative wäre das Fernbleiben in der Hoffnung, dass die Intendanten einsichtig werden, wenn sie ihre Felle, und damit die Subventionen, schwimmen sehen. Andererseits nützt dem Opernfreund solche Schwachsinnskultur, wie sie zur Zeit herrscht, überhaupt nichts. Da sitzt er besser zu Hause vorm Fernseher - nicht um das zu sehen, was uns das Fernsehen heute bietet, sondern die Oper in einer vernünftigen älteren Inszenierung auf DVD zu sehen. Das ist zwar kein vollwertiger Ersatz, aber immerhin noch besser, als solchen Müll vorgeschüttet zu bekommen, über den man sich nur ärgert und für den ich keinen Cent auszugeben bereit bin, den ich nicht einmal mit einer Freikarte besuchen würde. Und die DVD ist nicht teurer, sondern meist wesentlich billiger als eine Karte, für die ich mir nur Ärger einkaufe.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich sehe in der Gefahr der Schließung eines Opernhauses mit 100% Regietheateranteil überhaupt keine "Gefahr"
    Dort wird sowieso - mit unserem Steuergeld - etwas produziert, das ich für unerwünscht halte.
    Ein oder zwei Schließungen solcher Häuser hätten ein radikales Umdenken in den Direktionsetagen zur Folge - und ich würde ihnen keine Träne nachweinen.
    Den derzeitigen "Theaterzerstörern" sollte man allerdings nicht die Chance einräumen, vorsichtig die nächsten Inszenierungen zu einem Kompromiss aus Tradition und Regietheater zu adaptiern - Sie müssen meiner Meinung nach die Bühne verlassen um Regisseuren mit konventioneller Ästhetik die Szene zu überlassen. "Konventionelle Ästhetik" klingt irgendwie nach "Langeweile"
    Aber Zefirellis Inszenierungen und Ausstattungen sind niemals langweilig - sondern perfekt in jeder Hinsicht.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: "Konventionelle Ästhetik" klingt irgendwie nach "Langeweile" Aber Zefirellis Inszenierungen und Ausstattungen sind niemals langweilig - sondern perfekt in jeder Hinsicht.

    Lieber Alfred,


    ich habe in meinem Leben sehr viele Opern in konventioneller Ästhetik gesehen. Mir ist keine, auch nicht eine einzige jemals langweilig geworden, selbst nich bei den breit angelegten Werken Wagners, wie z.B. Tristan und Isolde oder Parsifal.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Alfred,


    verschwinden sollten vor allem die Schauspielregisseure, die bei Operninszenierungen in fremdem Gebiet wildern. Häufig kennen sie die musikalischen Werke an denen sich versuchen (vergehen) nicht. Zum Teil lehnen sie Oper sogar ab und möchten in ihrer Überheblichkeit den Zuschauer umerziehen und ihrer Meinung nach alte Garde der Unbelehrbaren und Ewiggestrigen aus den Opernhäusern hinaustreiben. Du hast mit Deiner Forderung deshalb recht, ausgewiesene Opernregie-Könner al la Zefirelli und Co. sollten wieder auf ihrem Spezialgebiet dominieren, dadurch würde der Prozess der kreativen Rückbesinnung eingeleitet und voran getrieben werden. Allerdings finde ich einen geglückten Brückenschlag von einer traditionellen Inszenierung hin zu einer gelungenen, nicht verfremdenden und verunstaltenden Interpretation mit neuen schöpferischen Gedanken und Einfällen fast als einen Königsweg.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich sehe in der Gefahr der Schließung eines Opernhauses mit 100% Regietheateranteil überhaupt keine "Gefahr".


    Ich auch nicht - denn so ein Opernhaus gibt es ohnehin nicht.


    Davon abgesehen ist so eine Horuck-Aktion, die das Kind mit dem Bade ausschüttet, gedanklich immer die einfachste und damit dümmste aller möglichen Optionen. Ein Opernhaus spielt ja nicht nur Oper, zumeist wird ja auch Operette und Musical und in manchen Fällen auch Ballett zur Aufführung gebracht. Und wenn ein ausgedünnter Besucherstrom am Sektor Oper zum Anlass genommen wird, das Haus zu schließen, geht die Bevölkerung auch attraktiverer Darbietungen verlustig (so gibt es bei Musicals noch keine Vernichtungen durch Regisseure). Das Schließen eines Hauses ist ein sehr teurer Prozess, der die Gemeinde auf Jahre finanziell belastet. Das bedeutet, dass es auch fast zwangsläufig ein auf lange Zeit nicht umkehrbarer Prozess ist und einen dauerhaften Verlust einer Kulturstätte darstellt. So etwas leichtfertig andenken kann nur jemand, der ohnehin keine intensive Beziehung zum Theater hat...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der zwar modern inszenierende, aber verglichen mit anderen Regisseuren stark gemäßigte Dieter Dorn in einem Interview anlässlich der Rheingold-Premiere in Genf:

    Zitat

    Welche Rolle spielt der Ort der Inszenierung? Würden Sie für Bayreuth anders inszenieren? Es gibt vielleicht einen Unterschied zwischen subventionierten und nicht subventionierten Theatern. Ich denke da an meinen „Tristan“ für die New Yorker Met, die von Privatgeldern sehr abhängig ist. Daraus könnte sich eine andere Regie-Haltung ergeben. Bei subventionierten Häusern droht allerdings ein Problem: Dem Publikum wird nicht mehr die Hand gereicht. Daher kommt ja der Übermut vieler meiner jungen Kollegen. Die sagen: Ist doch sowieso subventioniert, also zeige ich meine eigenen Obsessionen – und komme damit sogar noch in die Zeitung.

    http://www.merkur-online.de/ak…hand-reichen-2782153.html

  • Zum Thema aushungern des Regietheaters: Hier in München, sollten wir vor ein paar Jahren eine neue Zauberflöte bekommen. Zufälligerweise fiel die geplante Premiere mit plötzlichen Subventionskürzungen zusammen. Am Ende wurde unsere alte und geliebte Everding-Inszenierung von 1978 grundauf renoviert. Wer weiß was uns bei einer Neuinszenierung erwartet hätte. Das selbe Spiel wiederholte sich in München im Jahr 2011 mit der legendären Schenk-Inszenierung des Rosenkavaliers.......

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  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    ein Ruf nach Subventionskürzungen oder sogar Schließung für ein Theater oder ein Opernhaus, welches hauptsächlich Neuproduktionen herausbringt, die dem angestammten Publikum sehr missfallen und im Gegenzug aber auch kein "neues" Publikum rekrutieren, ist einerseits natürlich verständlich und nachvollziehbar. Andererseits werden dadurch aber nicht die verantwortlichen Intendanten und Theaterleiter bestraft, sondern vielmehr eine Unzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auf diese Weise ihren Arbeitsplatz unwiderbringlich verlieren.


    Diese Angestellten des betroffenen Theaterbetriebs sind teilweise seit Jahrzehnten dem Haus verbunden, ohne jemals Einfluss auf dessen Spielplangestaltung haben zu können. Sie wären also abhängig von der Kompetenz der Theaterleitung, deren Erfolge und deren Misserfolge. Dieser Abhängigkeit entgegenzuwirken gibt es die befristeten Verträge der Intendantinnen und Intendanten, die entsprechend verlängert werden können oder eben auch nicht.
    Es ist vielen vielleicht nicht bewusst, wie wenig Einfluss selbst SängerInnen und SchauspielerInnen auf die Inszenierung eines Stückes bzw. einer Oper haben. Auch bei absolutem Missfallen sind die Protagonisten dazu verpflichtet - zum einen vertraglich zum anderen aber auch aus professioneller Berufseinstellung - die entsprechenden Produktionen glaubhaft und engagiert allabendlich darzustellen.


    Wir befinden uns derzeit in einem Dilemma, in welches uns Jahrzehnte der Feuilleton-Herrschaft hineinmanövriert haben und aus welchem ein Ausweg nur sehr schwer machbar ist.
    Viele Verantwortliche der Trägerorganisationen der Theaterbetriebe (Stadtparlamente, Landesparlamente etc.) kennen den Theaterbetrieb leider ausschließlich aus der öffentlichen Wahrnehmung, d.h. aus dem Presseecho und entscheiden aufgrund dessen über das Wohl und Weh der Theaterleitung. Hinzu kommt, dass man sich natürlich ungern eingesteht, bei einer politischen Entscheidung, nämlich der Wahl des Intendanten, einen Fehler gemacht zu haben.
    Das Feuilleton feiert seit geraumer Zeit nur noch die Interpretation durch den Regisseur bzw. die Regisseurin und die eigene Brillanz der Formulierung. Und man ist sich in den Medien auch der eigenen Macht über die Zukunft von IntendantInnen und RegisseurInnen bewusst. Und welcher Theaterträger wirft sich schon gerne selbst den Medien zum Fraß vor?
    Premierenkritiken widmen sich mittlerweile zu mindestens 80% der Regie und zu maximal 20% der musikalischen Interpretation - Letzteres dann oftmals noch in peinlichen Allerweltsphrasen.


    Wie wäre allerdings ein Ausweg aus diesem Dilemma zu finden?
    Vermehrte Theaterbesuche der Verantwortlichen der Theaterträger zum einen,
    eine selbstbewusste Unabhängigkeit gegenüber des Feuilletons auf der anderen Seite.
    Sollte eine Neuproduktion mehr Schaden als Gutes anrichten (im Bezug auf Zuschauerzahlen) sollte es möglich sein, den verantwortlichen Intendanten unmittelbarer zur Rechenschaft ziehen zu können, ohne jedoch den ganzen Betrieb und damit teilweise hunderte von Arbeitsplätzen zu gefährden oder sogar aufzugeben.
    Und bei der Neueinstellung der Theaterleitung sollte mehr Wert auf deren künstlerischen Vorstellungen gelegt werden als ausschließlich auf deren Einsparungsversprechen.


    Dies sind nur einige wenige Punkte, die ich zu bedenken gebe und in die Diskussion miteinbringen möchte.


    Mit freundlichen Grüßen,
    Ihr
    Markus Brück

    "Provinz ist nicht, wo man singt, sondern wie man singt."

  • Sehr geehrter Herr Markus Brück,


    das Tamino-Forum kann sich freuen, ein so prominentes Mitglied gewonnen zu haben. Ein herzliches Willkommen bei uns.!!


    Auch wenn sich allgemein das Du im Forum durchgesetzt hat, werde ich meinen Respekt zollen und Sie mit dem von Ihnen eingeführten "Sie" anreden.


    Ihr Beitrag aus Sicht eines Sängers wird sicher auf lebhafte Resonanz stoßen, auch ich als passiver und infolge mir nicht zusagender Regieleistungen "Opernflüchtling" muß mich noch intensiv damit befassen.


    Eigentlich ging es mir nur um das Thema des Threads. Ja, Subventionen füttern jedes Theater, sowohl verunstaltete als auch konventionelle Inszenierungen. Ich bleibe dabei: Ich persönlich gehe nicht mehr in die Oper, wenn Rigoletto mit dem Moped kommt und Gilda einen Buckel hat. Aber sicher gibt es Leute, die das mögen - aus was für Gründen auch immer. Leider werden gegenwärtig bis in die Provinz vorwiegend die Freunde dieser Art Theater bedient. Mit dem Ergebnis, daß das Stammpublikum ausbleibt, Anrechte kündigt.


    Ich bin ob des prominenten Neuzugangs gespannt, wie es weiter geht.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Markus,


    danke für den analytischen Bericht mit Schlussfolgerungen und Vorschlägen, die mit meinen Überlegungen weitgehend übereinstimmen, s. b. meinen Beitrag Nr. 3 in diesem Thread. Deine Meinung hat natürlich besonderes Gewicht, weil diese aus der Erfahrung eines in den Opernbetrieb aktiv Eingebundenen kommt.
    Bei allem Respekt vor der Persönlichkeit des Einzelnen und des ausübenden, prominenten Sängers im Besonderen, wäre ich froh, wenn Du die im Forum übliche Anrede mit dem vertraulichen Du in der Anrede akzeptieren könntest. Ich habe mir erlaubt, bereits so zu formulieren.
    Meines Erachtens macht das Du auch einen Sinn: Es stellt die gleiche Ausgangsbasis für jedes Forenmitglied her, drückt Partnerschaft und Verbundenheit aus und verhindert ein Denken in "Rang- oder Altersunterschieden". Für mich als einem (oder des) Ältesten hier im Forum ist diese Gleichstellung eine wichtige Basis für eine Gemeinschaft und ein kollegiales Miteinander im Tamino-Klassik-Forum.
    Wahrscheinlich denken wir dabei aber jetzt über eine Frage nach, die gar keine Frage ist. In meiner Funktion als Präsident der Gottlob-Frick-Gesellschaft habe ich Kontakt mit ganz vielen Sängerinnen und Sängern. Ich bin immer wieder freudig überrascht, wie unkompliziert diese Künstler-Persönlichkeiten in der Regel sind und wie schnell sich eine vertrauensvolle persönliche Beziehung aufbaut und auch in der Anrede ganz locker ausdrückt. Selbstverständlich genügt der kleinste Hinweis von Dir und Du wirst so angesprochen wie Du es wünscht.
    Im übrigen bin ich sehr froh, dass Du bei uns bist und hoffe auf viele Beiträge und Impulse von einem Insider wie Dir. Die ersten Äusserungen wecken bereits Hoffnungen und Erwartungen. :hello:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Selbstverständlich ist mir die Anrede mit "Du" sehr recht. Das bin ich aus meinem privaten und beruflichen Umfeld auch gar nicht anders gewohnt.


    Vielen Dank für die freundlichen Willkommens-Grüße und ich freue mich ebenfalls auf regen Gedankenaustausch mit Euch.


    Liebe Grüße,
    Markus

    "Provinz ist nicht, wo man singt, sondern wie man singt."

  • Markus hat da ja etwas sehr Kluges gesagt mit seinem Aufruf zu mehr Theaterbesuch. Denn dass die Leute "Ich geh da gar nicht mehr hin, das gefällt mir nicht mehr" nichts bewirken, ist doch sonnenklar, oder?
    Und nach einem Besuch einer verkorksten Aufführung dann aus eigener Erfahrung Kritik anbringen erscheint mir deutlich stimmiger.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Und nach einem Besuch einer verkorksten Aufführung dann aus eigener Erfahrung Kritik anbringen erscheint mir deutlich stimmiger


    Ja, lieber Klaus, natürlich ist Deine Meinung eine gesunde Meinung. Aber was nützt es, wenn die Intendanten oder Dramaturgen sich hinter einer positiven Rezension verstecken? Ich kann Dutzende Beispiele anführen, wo ich meine Empörung über bestimmte Inszenierungen per Mail, per Zeitung, per Postbrief und auch durch Eintragung ins Besucherbuch unseres Theaters zum Ausdruck gebracht hatte (ich hatte dazu sogar einen eigenen Thread eröffnet).


    Wenn ich überhaupt eine Antwort erhielt, hieß es entweder, daß ich zwar das Recht habe, eine Inszenierung zu kritisieren, aber die Presse hat etwas ganz anderes geschrieben....... oder ich erhielt als Antwort sogar, daß ich ein einsamer Nörgler sei (das habe ich als Brief erhalten, der jetzt praktisch im goldenen Rahmen hängt, vom ehemaligen Intendanten unseres Theaters).


    Manche Inszenierungen werden von Dutzenden Schreibern besonders im Besucherbuch des Theaters abgelehnt. Manchmal fehlen diese Seiten nach einigen Tagen wieder.


    So viel zur Kritikverträglichkeit der Theatermacher.


    Die Dummen sind immer nicht nur die Zuschauer, sondern wie Markus Brück schreibt auch alle Angestellten eines Theaters. Sie können in der ach so demokratischen Bundesrepublik nicht aufmucken, dann sind sie ihren Job los, die Orchestermitglieder genauso wie die Choristen, die festangestellten Sänger genauso wie das technische- und das Abendpersonal.


    Ich werde auch das von mir seit 12 Jahren abonnierte Opernglas dieses Jahr abbestellen, denn ich kann nur bestätigen, was Markus Brück da schreibt. Das Regiekonzept wird lang und breit erläutert, weil sonst gar kein Mensch mehr weiß, welche Oper er gesehen hat. Und zum Schluß fallen die Namen einiger Sänger, so ganz nebenbei. Dabei erfüllen die Musiker eine Oper mit Leben!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat

    Zitat von »Klaus 2« Und nach einem Besuch einer verkorksten Aufführung dann aus eigener Erfahrung Kritik anbringen erscheint mir deutlich stimmiger


    Ich bin schon lange nicht mehr bereit unsere Opernhäuser zu besuchen, dazu ist mir die Lust vergangen. Und für so einen Sch... noch Geld auszugeben, das fehlte noch! Es sei denn, es gäbe eine "Geld-zurück-Garantie". :love:



    Regietheater? Nein danke, mir ist schon schlecht! ;(

    W.S.

  • Zitat

    Denn dass die Leute "Ich geh da gar nicht mehr hin, das gefällt mir nicht mehr" nichts bewirken, ist doch sonnenklar, oder?

    Das ist eine falsche Betrachtung. Eine Betrachtung, die von allen jenen lanciert und verstärkt unter die Leute gebracht wird, die von der derzeitigen Situation profitieren.
    Dabei wird immer darauf hingewiesen, daß der Publikumsprotest schon vor zig Jahren an Politik und Intendanz abgeprallt ist.
    Indes wird darauf vergessen, daß die Situation eine andere war. Zum einen war genug Geld vorhanden um Publikumsausfälle zu kompensieren - zum anderen war jeder Protest eine willkommene Werbung. Das Publikum ging hin um einen eventuellen Skandal zu sehen - und zahlt dafür auch noch.


    Heute sind die Rahmenbedingungen andere: Es gibt kaum mehr Szenarien, die einen Skandal heraufbeschwören - Ein Teil des Publikums ist ferngeblieben, ein Teil hat sich mit der bestehenden Situation abgefunden. Die Sänger wurden in "Geiselhaft" genommen. Kaum einer traut sich laut zu sagen, was er wirklich übers Regietheater denkt. Weil er sonst Repressalien befürchten muß. Ich würde auch von Markus Brück nicht erwarten, daß er hier eine Tirade gegen das Regietheater loslässt, die ihm gegebenenfalls Schaden könnte.


    Ein weiterer Aspekt ist eine gewisse Verdrossenheit gegenüber dem Regietheater, welche das eigentliche Opternpublikum vergrault, und Geldmangel seitens der Politik. Wenn ich mich an die Linie:


    Zitat

    Und nach einem Besuch einer verkorksten Aufführung dann aus eigener Erfahrung Kritik anbringen erscheint mir deutlich stimmiger

    hielte, dann brächte das nichts, mein Geld würde dann doch dort landen wo es nicht soll. während die Schuldigen sich in Fäustchen lachten. Das Regietheater - ich meine, daß ich ein gewisses Gefühl dafür habe - steht im Moment eher auf tönerenen Füßen- und ist angreifbar. Das geht aus zahlreichen Kritiken der letzten Zeit hervor, auch daß der Regisseur K. das Handtuch geworfen hat, sind gute Vorzeichen.
    Ein ehemaliges Mitglied und ehemaliger Regietheaterbefürworter (Name wird nicht bekanntgegeben) - beendete einen Brief an mich, in dem er mit dem Regietheater abrechnete mit den Worten:

    Zitat

    Solltest Du bis hierher gelesen haben, erfährst Du somit: Du hattest recht, ich unrecht.


    Markus Brücks Einwand hat natürlich auch Gewicht - die Sänger und andere Künstler sind wie Körner zwischen zwei Mühlsteinen. Ich habe diese Nacht auch über dieses Problem nachgedacht - und werde in nächster Zeit versuchen praktiktkable Vorschläge für dieses Problem zu liefern....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Markus,


    auch von mir ein herzliches willkommen und danke für die offenen Worte. Es ist das, was schon häufig hier diskutiert wurde. Das Werk, die Musik, die Meinung des Publikums ist für den Intendanten und den Regisseur uninteressant und die Sänger und sonstigen Angestellten haben keine andere Möglichkeit, als sich zu fügen. Diese alle sind die Leidtragenden. Es wird nur auf eine gute Presse geschielt, deren Berichterstatter - wie ich es selbst auch schon in einem anderen Zusammenhang erlebt habe - von dem Werk keine oder nur wenig Ahnung haben und daher überwiegend nur die Regie behandeln. Und natürlich darf diese nur avantgardistisch sein. Manchmal habe ich den Eindruck, da steckt eine ganze Seilschaft dahinter, vielleicht arbeiten sie ja auch manchmal zusammen oder es fließen Bestechungsgelder.
    Und die Verantwortlichen für Kultur haben - was ich auch schon festgestellt habe - häufig keine Ahnung von dem, was sie da subventionieren.
    Die Reaktion darauf ist da natürlich eine Gradwanderung. Auf der einen Seite machen wir mit unserem Fernbleiben möglicherweise die Sänger und die Angestellten arbeitslos, die nun wirklich nur Geknechtete der Intendanten und Regisseure sind. Andererseits verschleudern wir unsere guten Gelder für Mist, über den man sich nur ärgert, und dafür bin ich nicht begütert genug, um all das in Kauf zu nehmen, vielleicht nur, um ab und zu meine guten Klamotten auszuführen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Und für so einen Sch... noch Geld auszugeben, das fehlte noch! Es sei denn, es gäbe eine "Geld-zurück-Garantie". :love:


    Ernst gemeinte Frage: Hat eigentlich jemand hier wirklich versucht, sein Eintrittsgeld wiederzubekommen? - Denn auch, wenn ich persönlich der Meinung bin, man sollte sich vorher darüber informieren, auf was bzw. auf welche Art der Inszenierung man sich einlässt, hat die Argumentation: "Es steht zwar La Traviata drauf, aber gemessen am Libretto ist etwas anderes drin" ja zugegebenermaßen auch nicht komplett abwegig.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • wenn Rigoletto mit dem Moped kommt und Gilda einen Buckel hat.

    Lieber La Roche


    Vielen Dank. Glaub´mir, ich habe soeben wirklich ganz sehr gelacht, kann mich gar nicht beruhigen. Nochmals danke dafür.
    Bei der Gelegenheit auch von mir ein "Herzliches Willkommen" unserem Neumitglied Markus Brück. Viel Freude in unserem Forum.


    Herzlichst
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Stimmt eigentlich. Sollten doch mal ein, zwei Dutzend Leute tun und ihr Geld zurückverlangen, am besten lautstark an der Kassa. Das brächte das Opernhaus wohl in ziemliche Verlegenheit. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sie können in der ach so demokratischen Bundesrepublik nicht aufmucken, dann sind sie ihren Job los, die Orchestermitglieder genauso wie die Choristen, die festangestellten Sänger genauso wie das technische- und das Abendpersonal.


    So ist es leider. Ich hatte ja schon anderer Stelle und anderen Gelegenheiten hier im Forum berichtet, daß ich mal ein ausführliches gutes Gespräch mit einer Sängerin vom Erfurter Opernhaus hatte, die mir das so bestätigte.
    Die Zeiten, wo ein Tenor in der Berliner Staatsoper dem Regisseur auf dessen Wünsche und Vorstellungen sagte, "Ich spiele hier keine Probleme! Mein Problem ist das Singen und dem hat sich alles (!!!) unterzuordnen", sind wohl vorbei. Allerdings, der konnte sich das auch leisten und erlauben!


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • So ist es leider. Ich hatte ja schon anderer Stelle und anderen Gelegenheiten hier im Forum berichtet, daß ich mal ein ausführliches gutes Gespräch mit einer Sängerin vom Erfurter Opernhaus hatte, die mir das so bestätigte.


    Nur handelt es sich ja hierbei nicht um ein spezifisches Problem des Opern- und Theaterbetriebes!? - Auch als angestellte Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft wird meine Kritik an der diesjährigen Frühjahrskollektion nur auf begrenzte Gegenliebe des Geschäftsführers stoßen und ebenso werde ich als Programmierer bei z.B. SAP noch so sehr der Meinung sein können, Handy-Spiele seien millionenfach lukrativer ... Diese Vergleiche mögen hinken, zeigen m.E. aber, dass die hier gewünschte Veränderung hin/zurück zum non-Regietheater nur in sehr begrenztem Maße von innen heraus kommen kann.


    p.s. Übrigens, das Abendpersonal (Gardrobe, Catering etc.) ist inzwischen vermutlich ohnehin zum größten Teil "outgesourct" und interessiert sich wenig für die Form der Inszenierung.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Sollten tatsächlich die Sänger hier zwischen die Fronten geraten, indem sie immer öfter gezwungen werden in Inszenierungen zu spielen, die sie zutiefst ablehnen, so wäre nur die Gründung einer Sänger-Solidargemeinschaft die Lösung. Angehörige derselbigen würden en bloc die Teilnahme an einer Inszenierung verweigern, wenn die Leitung dies als angezeigt betrachtet. Finanzielle Mittel, durch Beitragszahlungen zur Verfügung gestellt, könnten bei eventuellen Rechtsstreitigkeiten oder Verdienstentfällen helfen.

  • Zitat

    Ernst gemeinte Frage: Hat eigentlich jemand hier wirklich versucht, sein Eintrittsgeld wiederzubekommen? - Denn auch, wenn ich persönlich der Meinung bin, man sollte sich vorher darüber informieren, auf was bzw. auf welche Art der Inszenierung man sich einlässt, hat die Argumentation: "Es steht zwar La Traviata drauf, aber gemessen am Libretto ist etwas anderes drin" ja zugegebenermaßen auch nicht komplett abwegig.


    2001 Gab es bei den Salzburger Festspielen bei einer Insenierung der Fliedermaus durch Hans Neuenfels genau das - Das Publikum buhte - und auf Grund einer Ermutigung das "Opernführers" - Dr. Marcel Prawy wurde eine Klage auf Rückgabe der Eintrittsgelder angestrengt (Damals 7000.-- ös = ca. 530Euro heutiger Zeitwert vermutlich 700 Euro . Die Klage wurde - in erster Instanz mit der Begründung des "Schutzes der Künstlerischen Freiheit" abgewiesen - in zweiter, weil die Salzburger Festspiele schon in ihrer Vorankündigung auf die Abweichungen vom Original hingewiesen hätten.


    Ich bin der Meinung, daß die DERZEITIGE juristische Definition der "Freiheit der Kunst" dem Mißbrauch Tür und Tor öffnet - und daher auf ein vernünftiges Mass beschränkt werden sollte.



    Zitate aus WIKIPEDIA - für DEUTSCHLAND gültig:

    Zitat

    Ein Kennzeichen der Kunstfreiheit ist, dass sie verfassungsrechtlich vorbehaltlos gewährleistet ist

    Mit anderen Worten : Nur eine Verfassungsänderung könnte die Kunstfreiheit beschneiden.
    Ein Gesetz das vorschreibt unerwünschte Kunst zu kaufen oder zu fördern kenne ich indes nicht.
    Ein typisch wienerischer Weg wäre beispielsweise, den Künstler lächelnd gewähren zulassen - aber zuzusehen wie er aus Mangel an Aufträgen verhungert.....


    Wenn jetzt mancher entsetzt aufschreit, daß es vorzugsweise Diktaturen waren, die die Freiheit der Kunst beschnitten haben (was in dieser Form sowieso nicht stimmt), dem bringe ich gerne folgendes zur Kenntnis:

    Zitat

    Kunst ist das, was der Künstler als Kunst bezeichnet, wenn auch andere möglicherweise darüber streiten, ob es Kunst ist.

    An dieser Stelle hört sich wohl jede Toleranz auf.


    Aber selbst wenn sich hier wenig machen lässt, dann habe ich doch einige Ideen auf Lager wie man das im Falle des Theaters juristisch in den Griff bekommen könnte:
    Nur als erste Idee -bzw Anregung.
    Man ersetzt den Regisseur durch einen Planposten, der sich dann eben "Szenischer Operateur" (oder ähnlich) nennt.
    Bei der Definition dieser Position liesse sich dann festlegen, daß dessen Aufgabe eine rein handwerkliche und keine künstlerische ist und inwieweit er an die Anweisungen im Libretto gebunden ist. Ein gewisser Freiraum MUSS natürlich sein - aber man sollte - sobald sich der Vorhang hebt schon noch erkennen könne, um welche Oper es sich vermutlich handelt....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nur als erste Idee -bzw Anregung.
    Man ersetzt den Regisseur durch einen Planposten, der sich dann eben "Szenischer Operateur" (oder ähnlich) nennt.
    Bei der Definition dieser Position liesse sich dann festlegen, daß dessen Aufgabe eine rein handwerkliche und keine künstlerische ist und inwieweit er an die Anweisungen im Libretto gebunden ist.

    Wer legt die "Definition dieser Position" fest? Wer zieht die Grenze zwischen noch rein handwerklicher und doch schon künstlerischer Arbeit fest? Wie funktioniert das mit dem "inwieweit er an die Anweisungen im Libretto gebunden ist."?



    Ein gewisser Freiraum MUSS natürlich sein - aber man sollte - sobald sich der Vorhang hebt schon noch erkennen könne, um welche Oper es sich vermutlich handelt....

    Selbstentlarvend scheint mir hier das kleine Wörtchen "vermutlich" zu sein: Sollte die Oper für jeden x-beliebigen zu mindestens 75% erkennbar sein? Oder reicht es, wenn ein Opernkenner auf eine "Trefferquote" von 50% kommt (also z.B. bei der Zauberflöte der erste Akt non-Regietheater, zweiter Akt egal)?


    Entschuldige, Alfred, aber wirklich ernstnehmen kann ich diesen Vorschlag nicht! - Wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob er wirklich ernst gemeint ist :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt:Das Regietheater - ich meine, daß ich ein gewisses Gefühl dafür habe - steht im Moment eher auf tönerenen Füßen- und ist angreifbar. Das geht aus zahlreichen Kritiken der letzten Zeit hervor, auch daß der Regisseur K. das Handtuch geworfen hat, sind gute Vorzeichen.

    Lieber Alfred,


    das Gefühl habe ich die letzte Zeit auch. Immer mehr Zeitungen und Zeitschriften wagen es in letzter Zeit, vom sogenannten "Regietheater" verunstaltete Inszenierungen auch als Flop zu bezeichnen. Und das gibt Hoffnung. Ich hatte die letzte Monate, nachdem wir immer verrücktere Inszenierungen erleben mussten, dass wohl bald die Zeit kommen muss, wo diese Intendanten und Regisseure sich danach sehnen müssen, wieder einmal eine positive Kritik zu bekommen. Vielleicht haben die Berichterstatter auch gemerkt, dass sie mit ihrer positiven Einstellung zu verunstalteten Werken ziemlich einsam dastehen und Opernkenner herausgefunden haben, dass diese sich mit dem inszenierten Werk überhaupt nicht auseinander gesetzt haben. Bis aber der Letzte zur Erkenntnis gekommen ist, werden wir wohl noch weitere Verrücktheiten, wie jetzt in Salzburg und voraussichtlich auch am Montag in Baden-Baden hinnehmen müssen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Meine persönliche Berufsauffassung und vielleicht auch die einiger Kolleginnen und Kollegen ist es, dass ich in dem mir zur Verfügung stehenden Rahmen Einfluß auf die Realisierung einer Neuproduktion nehmen kann und sollte. Dies beinhaltet auch teilweise Deutungen und szenische Interpretationen.
    Jedoch steht natürlich zu Probebeginn einer solchen Neuinszenierung das vom Regiseeur bzw. der Regisseurin erarbeitete Regiekonzept bereits und ist daher ästhetisch eigentlich gar nicht mehr beeinflussbar. Allerdings gibt es auch da noch einen minimalen Handelsspielraum. Zum Beispiel würde es für mich eigentlich nicht in Frage kommen, auf der Bühne komplett die Hüllen fallen zu lassen. Zum einen bin ich der festen Überzeugung, dass das nun wirklich keiner sehen will und zum anderen stören mich die Lichtspiegelungen in den gezückten Operngläsern. :P


    Ich bin auch der Überzeugung, dass die/der verantwortliche RegisseurIn zunächst einmal das Recht hat, das eigene Konzept so genau und konsequent wie möglich durchzusetzen. Sie werden dafür bezahlt, bestens präpariert ab Probenbeginn das ihnen zur Verfügung stehende Ensemble in ihrem Sinne zu leiten und zu inszenieren.
    In den ersten Proben wird schon deutlich, ob der Kollege am Regiepult vorbereitet ist oder nicht. Ist er das, versuche im Sinne seiner Konzeption und meines Verständnisses des Stückes die Produktion positiv und förderlich zu beeinflussen und ihm zuzuarbeiten.
    Ebenso schnell wird deutlich, ob die Verantwortlichen keinen blassen Schimmer von dem haben, was sie da erzählen. Dann wird die in aller Regel sechswöchige Probenzeit zwar zur Qual, aber mit konstruktiver Mitarbeit ist dann nicht zu rechnen. Allerdings auch nicht mit Arbeitsverweigerung, das verbietet mir zum einen mein Vertrag zum anderen aber auch meine Einstellung.


    Nach diesen sechs Wochen der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit den Gedanken und Ansichten des Kreativteams bin ich manchmal über Erfolg und Misserfolg mancher Produktionen völlig überrascht. Das Publikum hat natürlich nicht diese Gelgenheit und kann "nur" in der Premiere oder der besuchten Vorstellung versuchen zu verstehen, welches die Intentionen des Regisseurs oder der Regisseurin waren. Wird dies nicht klar, ist das ein deutlicher Minuspunkt auf Seiten der Kreativen, da ihnen scheinbar das Handwerk oder der Zugang gefehlt hat, es entsprechend deutlich mit den Darstellern umsetzen bzw. inszenieren zu können.


    Wie kann man aber einem solchen Misserfolg vorbeugen?
    In Mannheim hat es das Ensemble einmal geschafft, den Regisseur einer Neuproduktion entfernen zu lassen. Die kollektive Arbeitsverweigerung und ein einsichtiger Intendant haben das ermöglicht. Aber das ist ein absoluter Ausnahmefall. Leider, meine ich. Ich gebe selbstverständlich meine Meinung kund, wenn ich der Auffassung bin, dass eine Produktion mit Pauken und Trompete in den Dreck gefahren wird und manchmal wird dann sogar interveniert, aber auch das ist eher die Ausnahme. Jedoch habe ich immer den Eindruck, dass meine Meinung und auch die der Kolleginnen und Kollegen ernst genommen wurde.


    Es fehlt meines Erachtens nach an Intendanten, die zum einen das Rückgrat oder den Mut und zum anderen das Wissen bzw. das Handwerk besitzen, korrigierend in eine Neuproduktion einzugreifen. Da kann sicherlich noch deutlich nachgebessert werden.


    Und wie bereits in einem anderen Post zu diesem Thema erwähnt sollte es auch ein Instrument der "Abstrafung" von Intendanten geben, die wissentlich oder auch nur billigend Misserfolge in Kauf nehmen und damit Gelder der öffentlichen Hand vergeuden. Vielleicht wäre da eine Art Versicherung anzudenken, in welche ein Intendant einzahlen muss, die dann im Ernstfall zumindest einen Teil des entstandenen Schadens decken muss und somit der Intendant auch finanziell in der Verantwortung steht. Sollte ein Intendant eine Vertragslaufzeit ohne Katastrophen überstehen, sollte er dann aber auch einen Großteil der Versicherungsraten zurückerstattet bekommen.
    Das ist natürlich alles sehr unausgegoren und ein bisschen aus der Hüfte geschossen, aber vielleicht zumindest ein Denkanstoß.


    Bei den europäischen Opernhäusern ist natürlich das Hauptproblem, dass deren Etat zu 100% aus der öffentlichen Hand finanziert wird. Ganz anders in den USA, in welchen das Opernhaus absolut abhängig ist vom Erfolg einer Produktion. Aber leider auch - wie man derzeit fürchterlicher Weise erleben muss - vom wirtschaftlichen Zustand des Staates. Viele Produktionen in den USA mussten aufgrund der wirtschaftlichen Situation abgesagt werden, da die Sponsoren nicht mehr die finanziellen Mittel aufbringen können, um die Theater entsprechend zu unterstützen. Kein Theater dieser Welt kann sich allein durch den Kartenverkauf ernähren, die Kartenpreise wären in derartigen utopischen Höhen, dass man schlicht und ergreifend kein Publikum fände, welches sich das regelmäßig leisten könnte.

    "Provinz ist nicht, wo man singt, sondern wie man singt."

  • Zitat Markus Brück:


    Zitat

    Allerdings auch nicht mit Arbeitsverweigerung, das verbietet mir zum einen mein Vertrag zum anderen aber auch meine Einstellung.


    Hallo, Markus!


    Du würdest also z. Bsp. wie bei Bieito in "Entführung aus dem Serail" als Osmin nackt auf der Bühne singen. Es ist zwar nicht deine Stimmlage, aber ich habe dies nur als Beispiel angeführt. Ich könnte noch andere, schlimmere Beispiele nennen, aber lassen wir das. Du müßtest also laut Vertrag alles mitmachen, sogar die dämlichsten oder perversesten Dinge, ohne dich wehren zu können? Das darf doch wohl nicht wahr sein!



    Gruß Wolfgang

    W.S.

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