Der Stoff aus dem die Opern sind (11) - Opern der Mozartzeit: Zeitgeist, Gesellschaft und Politik

  • Schon sind wir bei Folge 11 unserer Serie: "Der Stoff aus dem die Opern sind" angelangt.
    Eigentlich sollte es hier ursprünglich lediglich um Mozarts Opern gehen, aber ich bin zur Überzeugung gekommen, dass man hier auch Zeitgenossen wie Dittersdorf oder Cimarosa mit einbeziehen könne.
    Worum geht es hier eigentlich? Immer wieder wird behauptet, Mozarts Opern enthielten "Geheimbotschaften" oder verschlüsselte "politsche Aussagen" etc etc. Diese Aussagen wird man schwerlich beweisen oder widerlegen können, aber die Libretti sind in manchen Fällen durchaus hilfreich, wenn es um weltanschauliche Zeitströmungen geht. Moralische Grundwerte, religiöse Ausrichtungen, hierarchische Strukturen zwischen Schein und Sein - all das kann man bis zu einem gewissen Grad aus den Texten herauslesen - und manches, das hier zum Vorschein kommt - so meine ich jedenfalls - ist durchaus geeignet, Vorstellungen, die wir über die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts haben - ins Wanken zu bringen.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



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    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei den Vorgaben müßte sicherlich erst einmal festgestellt werden, welche Opern damals "en vogue" waren. Wenn ich mal von den Opern Haydns, der mir spontan einfiel, absehe, dann fängt aber das Problem an: Wer und was wurde gespielt? Woher bekommt man die Informationen über die Spielpläne der damaligen Zeit (sofern "man" nicht selber das Wissen um die aufgeführten Werke hat - und wer hat das schon)?


    Immerhin kann aus Büchern erfahren werden, daß es eine Veröffentlichung "Allgemeiner Theater Allmanach auf das Jahr 1782" gab, worin der Spielplan von 1781 mit enthalten war. Es nennt nicht nur die Titel und Autoren der aufgeführten Stücke (Schauspiel wie auch Ballette und Opern), sondern ebenso die Mitwirkenden (von denen ich eine Namens-Liste der männlichen und weiblichen Interpreten habe - wohlgemerkt: nur jene Spielzeit betreffend). Darunter sind manche Namen, die mit Mozart in Verbindung gebracht werden können.


    Der Oper waren, so lese ich, 101 Abende vorbehalten, davon 44 mit Werken deutscher Komponisten, 35 italienischer und 22 französischer "Provenienz". Ganz vorne stand Gluck mit 32 Vorstellungen seiner Opern.


    Große Erfolge erzielten beispielsweise Paisiello mit "I filosofi immaginari", Salieri mit "Der Rauchfangkehrer", Ignaz Umlauf mit den "Bergknappen" oder auch "Der Stein der Weisen" von Henneberg, Gerl, Mozart, Schack, allerdings erst
    1790 uraufgeführt.


    Gibt es davon Aufnahmen? Offenbar nicht, ich fand keine. Infolgedessen gibt es auch keine Libretti, aus denen man den Zeitgeist bzw. die gesellschaftlich-politische Situation extrahieren könnte.


    Der Blick ins Land der Oper, Italien, gelingt mir, was die damals aktuellen Opern anbelengt, mit meinen wenigen Büchern nicht. Frankreich schon gar nicht.


    ?(

    .


    MUSIKWANDERER

  • "Der Stein der Weisen" von Henneberg, Gerl, Mozart, Schack, allerdings erst 1790 uraufgeführt.
    Gibt es davon Aufnahmen? Offenbar nicht, ich fand keine.



    NB: von Giovanni Paisiellos "Gli astrologi immaginari (= Gli filosofi immaginari) gibt es m.W. mind. 4 od. 5 Aufnahmen (s.Ommer-Verzeichnis).


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Den "Stein der Weisen" hat ja Helmut Kral dankenswerterweise schon als Link eingestellt, diese Oper wurde 1790 am Theater an der Wieden uraufgeführt und zwar in etwa mit dem selben Sängerensenble, welches Mozart ein gutes Jahr später für seine Zauberflöte zu Verfügung stand.
    Das Libretto stammte von Emanuel Schikaneder, die Musik von Gerl, Schack und Schikaneder. Erst 1996 entdeckte der Musikwissenschaftler David Buch in einer Abschrift Mozarts Namen in der Liste des Komponistenkollektivs. Diese Entdeckung gab er in einem 1997 erschienen Buch bekannt - Es folgte daraufhin die "Uraufführung" der Oper in neuer Zeit durch "Boston Baroque" - Im November 1998 folgte dann mit ebendiesem Orchester (Originalinstrumente) die noch heute lieferbare Ersteinspielung auf CD
    Gewisse Ähnlichkeiten der Charaktäre der Rollen mit der später entstandenen Zauberflöte sind unübersehbar...


    Das ist aber noch nicht alles. 1791*) - also im gleichen Jahr wie die Zauberflöte hatte eine weitere Märchenoper mit einem Libretto von Schikaneder dort Premiere: "Der wohltätige Derwisch" oder "Die Schellenkappe".


    Wieder ist die Handlung nicht weit von der "Zauberflöte" entfernt, wieder findet man das selbe Komponistenteam wie beim "Stein der Weisen", Mozarts Name taucht diesmal auf keiner Kopie auf, der Beweis, daß er hier mitkomponiert hat wird nicht mehr zu erbringen sein. Dennoch geht man davon aus, daß er (anonym) auch hier mitgemischt hat. Die Musik ist sehr wirkungsvoll, aber auch sehr volkstümlich (manche Chrorstellen erinnern mich an Webers diverse Jägerchöre und nehmen die Frühromantik teilweise vorweg....) - vielleicht wollte Mozart hier nicht genannt werden (???)
    In gewisser Weise stellen die drei Werke eine "Trilogie" von drei Märchenopern dar, wobei Mozarts "Zauberflöte" sich natürlich von ihren "Geschwistern" qualitativ abhebt, wenngleich das die Zeitgenossen nicht so gesehen haben dürften.....


    Auch diese Märchenoper wurde von TELARC von Boston Baroque unter Martin Pearlman eingespielt, nämlich 2001



    Mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred





    *) Das früher angenommene Datum 1793 wurde von David Buchs Forschungen widerlegt.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gibt einige weitere Opern dieser Zeit, wovon es Aufnahmen gibt. Auf diese werden wir später zu sprechen kommen. Allein Mozarts Opern an sich geben viele Hinweise auf ungeschriebene gesellschaftliche "Normen" oder Verhaltensweisen. Als Beispiel nehme ich hier die Stellung der Frau. Sie wird uns ja stets als unterprivilegiert geschildert, als unterdrückt von den Männern. In den besseren Kreisen dürfte das allerdings nur bedingt der Fall gewesen sein.
    Beispiele gefällig ? Bitte sehr:
    In der Entführung aus dem Serail erklärt Blondchen ihrem Gegenspieler Osmin ganz genau was man in England unter Freiheit für Frauen versteht, was Osmin mit "O Engländer seid ihn nicht Toren - ihr lasst Euren Weibern den Willen"
    Cosi Fan tutte: Der Text mit dem Despina die beiden tugendhaften Schwester Dorabella und Fiordilidgi in die zeitgenössischen Usancen der Liebe einführt ist auch nicht ohne - er könnte glatt dem ausgehenden 20. Jahrhundert entstammen.
    Aber auch ihr sonstiges Verhalten ist - je nach Standpunkt - selbstbewusst oder aber geradezu frech und unverschämt - ohne daß irgendjemand Anstoß daran nimmt. Also kein besonders auffälliges Verhalten um 1780......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    in der aristokratischen Gesellschaft der prärevolutionären Epoche, der sich Mozart -Goethe würde wohl sagen- "anverwandelt" hat, war die Stellung der Frau sicher völlig anders definiert als im Wertekodex, oder auch Wertekorsett des in der Folge an Bedeutung gewinnenden Bürgertums. Man muß nur die fürstlichen Höfe des Spätabsolutismus mit denjenigen des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts vergleichen, die dann-zumindest nach außen hin- ein Musterbild an Tugend und "Wohlanständigkeit" darstellen sollten.
    Die französische Revolution hat in vieler Hinsicht letztendlich das Gegenteil von "Befreiung" hervorgebracht: anstelle der aristokratischen "Tyrannen" herrschte die geldgierige Bourgoisie, bzw. der begabte Parvenü Napoleon, und für die gebildete Frau und Salonniere der vorrevolutionären und revolutionären Zeit begann die Ära der berühmten drei K, bis schließlich doch im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts wieder -z.B. in Berlin im Salon der Rahel Varnhagen u.a.- die Zeit der Prä-Emanzipation anbrach. Unter diesen Aspekten kann das Verhalten einzelner weiblicher Protagonisten in Mozarts Opern uns tatsächlich seltsam modern vorkommen.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Besten Dank für die interessante Analyse, bzw Einschätzung.
    Ein weiterer Aspekt ist das Verhältnis der Dienerschaft zur Herrschaft. Natürlich darf man von Opern nicht absolute Realitätsnähe erwarten, aber gewisse Tendenzen sind schon sichtbar und werden auch durch frühere Theaterstücke anderer Autoren gestützt.
    Diener des 17. und 18 Jahrhunderts dürften nicht allzu unterwürfig gegenüber ihrer Herrschaft gewesen sein - obwohl man das eigentlich erwarten würde. Wenn wir aber Toinette in Molieres "Eingebildeten Kranken" mit Despina in "Cosi Fan Tutte" vergleichen, dann gibt es da wohl eine gewisse Übereinstimmung. Auch in der Entführung herrst zwischen den Paaren Pedrillo/Blondchen und Belmonte/Constanze ein sehr vertraulicher Umgangston - der scheinbar schon VOR der Extremsituation bestanden haben dürfte, die solch eine Vertrautheit erklären würde. Wir finden ein ähnliches Verhalten zwischen Don Giovanni und Leporello - geradezu den Inbegriff des listig-koboldhaften Dieners dier stets zwischen Zu- und Abneigung für seinen Herrn schwankt, den er beneidet, bewundert - und verabscheut - und sich in letzter Konsequenz von ihm distanziert. Das Verhältnis zwischen Almavia imd Figaro ist ein ähnlich vertrautes - wenngleich nicht so konfliktbeladenes. Hier kommt erstmals eine oper eines Mozart-Zeitgenossen ins Spiel: "Il Barbiere di Siviglia" von ..Paisiello. Sie ist textlich fast identisch mit der später von Rossini komponierten Oper.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    das ist ein interessanter Aspekt!
    Ich denke schon, daß die Herrn/Diener-Kombinationen z.B. in den Mozart-Opern durchaus Realität widerspiegeln.
    Die Kammerdiener bzw. Kammerzofen "großer" Herren oder Damen kannten ihre Herrschaft oft schon seit deren Kindheit und Jugend. Da sie in wörtlichem Sinne den "Kaiser ohne Kleider" täglich sahen, als stille Zuhörer in die Intrigen und sonstigen Machinationen ihrer Herren und Damen eingeweiht waren und -abgesehen von leicht zu bewerkstelligen Gefälligkeiten der Herrschaft für ihre Familien und sie selbst- auch sonst relativ pflegeleicht waren, z.B. im Gegensatz zu den königlichen Mätressen keine Herzogwürden, Gouverneursposten oder Marschallstäbe für ihre Brüder und Vettern forderten, konnten sie sich im Gegenzug sicher schon einige Vertraulichkeiten herausnehmen.
    Es gibt ein Buch über die Verwaltung von Versailles. Hier wird geschildert, daß die Wäscherinnen des Hofes zum Ärger des Verwalters ihre Wäsche in einem bestimmten Wasserbecken des Parks wuschen und damit das Wasser verschmutzten. Der Verwalter hatte wohl Sorge. daß der König bei seinem nachmittaglichen Parkspaziergang irgendwann einmal -horribile dictu- durch den Anblick des Schmutzwassers in einer Fontäne inkommodiert werden könnte.
    Es gelang dem Verwalter -der immerhin selbst ein Marquis war- nicht, die Wäscherinnen zu vertreiben, da diese sich der persönlichen guten Bekanntschaft der Cousinen und sonstigen weiblichen Verwandten des Königs rühmen konnten, sodaß der arme Mann von weiteren diesbezüglichen Versuchen lieber Abstand nahm, wie er verdrossen in seinem Diensttagebuch vermerkte.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Dass in der Komödie die Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf gestellt werden, also Diener die Herren und Männer die Frauen übertölpeln, gibt es meines Wissens seit der Antike. Ebenso, dass ein Herr ohne den findigen Diener aufgeschmissen ist (Rossinis Figaro und noch Wodehouses Jeeves und Wooster).
    Es ist jedenfalls für sich noch nichts, woraus man auf (vor-)revolutionäre Verhältnisse schließen könnte.


    Eine Pointe von Mozarts Figaro besteht m.E. darin, dass diese traditionelle Umkehrung durcheinandergebracht wird und Figaro auch nicht viel besser wegkommt. Andererseits ist Blonde in der Entführung die sympathischste und fähigste Figur, Susanna im Figaro (also jedesmal die weibliche Dienerin). Die Figaro-Figuren sind natürlich komplexer, aber in der Entführung sind die Adligen passiv/unfähig, die Diener gutmütige (Pedrillo) bzw. böswillige (Osmin) Tölpel.
    Allerdings scheint die Art und Weise, in der der Adel in Figaro und Don Giovanni vorgeführt wird, schon an der Grenze des seinerzeit Akzeptablen gewesen zu sein und man geht wohl auch nicht völlig in die Irre, wenn man hier an einigen Stellen revolutionäre Stimmungen heraushört. Die Adelsvertreter sind ein hemmungsloser, aber faszinierender Wüstling und ein zögerndes Weichei, Leporello ein opportunistischer Möchtegern-Giovanni, Massetto ein Tölpel, die beiden Damen neurotisch zwischen Obsession und Abscheu gegenüber Giovanni gespalten, selbst Zerlina eher durchtrieben als die Unschuld vom Lande (zuerst verfällt sie Giovanni, dann wickelt sie Massetto wieder um den Finger). Patente sympathische Figuren wie Blondchen sucht man in diesem Stück vergebens.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    man darf m.E. nicht übersehen, daß die französische Revolution nicht vom Pöbel inszeniert wurde, sondern ihren Ausgang vom in der Ausformung begriffenen gebildeten Bürgertum unter Assistenz von Teilen des Adels nahm, sodaß Stellen des Don Giovanni- oder Figaro-Librettos, die uns als praerevolutionär erscheinen, durchaus im Rahmen allgemeiner aristokratischer Lebensbetrachtung als "normal" oder zumindest akzeptabel von den adeligen Zuschauern angesehen wurden. Die Herr/Knecht-Beziehung, die, wie Du richtig sagst, schon seit Urzeiten Dramenstoff gewesen ist, auch in Festivitäten wie Karneval, Wahl des Bohnenkönigs etc. im Sinne einer "verkehrten Welt" zu bestimmten Jahreszeiten ritualisiert wurde, hat für die echte und historische Revolution praktisch keine Bedeutung, verglichen mit dem Verlangen bestimmter Kreise des "Dritten Standes", insbesondere des ökonomisch gut gestellten Bürgertums, Teilen des gebildeten, aber nichtadeligen niederen Klerus sowie den nachgeborenen Sprösslingen großer,aber z.T. total verschuldeter Familien, an der Staatsverwaltung Anteil zu haben, bzw. Karrieren zu machen, ohne von der Gunst des Monarchen abhängig zu sein etc. .


    Vermutlich ist es sinnvoller, bei Don Giovanni und Figaro die Psychologie der Figuren und ihre Interaktion im Drama zunächst einmal für sich alleine und ohne direkten Bezug zu der Lebenswirklichkeit der Entstehungsepoche zu betrachten. Letztere bekommt dann wieder Bedeutung, wenn es um die Rezeption geht.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Wir verlassen nun Mozart und wenden uns Cimarosa zu. In seiner Oper "Il Matrimonio segreto" finden wir wieder die Darstellung des Adels des 19. Jahrhunderts.: Aufgeklärt und (scheinbar) leutselig - indes von sich selbst und seiner Bedeutung restlos überzeugt, was hier bei unseren Videobeispielen trefflich gezeigt wird. Leider ist die Bildqualität schon "historisch" und ich kann auch nicht garantieren wie lange die Videos frei zugängig im Netz bleiben - indes existiert zumindesten von den Beispielen 1 und 3 je eine käufliche DVD-Aufzeichnung. Ich besitze sie beide - so vortrefflich sind sie.
    Ich halte die drei ausgewählten Beispiele, für die Besten, die im Netz verfügbar sind. (Wer sich frustrieren möchte, kann nach modernen , aber auch ansonst mißglückten Fassungen suchen)
    Wir sehen hier drei Charaktäre von Sängern, welche stets das selbe zum Ausdruck bringen - jeder nach seiner Fasson
    Beispiel drei liegt mir am nächsten, weil das etwas papageinhafte aber dennoch beeindruckende Outfit mit einem Hang zum Theatralischen ein wenig meine Persönlichkeit in der Jugend trifft :baeh01: Hinter diesen Masken verbergen sich jeweils drei Egozentriker von Format - Und DAS wurde schon zu Zeiten Cimarosas auf die Bühne gebracht.....


    Lasst Euch diesen Spaß nicht entgehen und seht Euch ALLE 3 Beispiele fertig an - Sie sind zudem ein gutes Beispiel dafür, daß "konventionelle" Aufführungen nicht "immer gleich" aussehen müssen.....


    Viel Spaß
    wünscht Alfred





    clck 213

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    das sind wirklich sehr schöne Szenenausschnitte, die das Lebensgefühl des Ancien Regime durchaus zutreffend beleuchten. Durch die zahllosen Memoirenwerke aus dieser Zeit sind wir ja recht gut über das Denken und Fühlen der gehobenen Gesellschaftsklasse dieser Epoche informiert.
    Sehr wichtig war, und das zeigt die Inszenierung sehr gut, die repräsentative Aussendarstellung einer Person. Andererseits war man sich in der Regel auch sehr genau der Verpflichtungen bewusst, die eine bestimmte gesellschaftliche Stellung mit sich brachte. Das Leben in "Saus und Braus" war nur die eine Seite der Medaille, auf der anderen Seite stand die Pflicht, in der Statsverwaltung tätig zu sein (wobei man sich allerdings auch manchmal recht gut bereichern konnte) und der Dienst in den königlichen Armeen. Die Befehlshaber drückten sich dabei nicht in sicheren Kommandobunkern herum, sondern waren auf dem Schlachtfeld in exponierter Stellung anwesend. Prinz Eugen z. B. hat in seinem Leben etwas zwanzig erhebliche Verwundungen erlitten, Friedrich dem Großen wurde mehrfach in der Schlacht sein Pferd unter dem Allerwertesten weggeschossen. In unserer heutigen Zeit bedarf es vielleicht wirklich des Mittels der Kunst, um solche Lebenswelten verstehen zu können.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Auch die hier gebotenen Inszenierungen sind interessant. Jeder Ausstatter, Regisseur, Darsteller bringt die "Noblesse" anders zum Ausdruck - und auch die "Schwächen " des adeligen Freiers.
    So wird zum Beispiel im ersten Beispiel dem Grafen ein Getränk in einer Porzellanschale gereicht - damals die letzte Mode und vornehmer als Gold.
    Im Beispiel 2 kann der Graf seine Verachtung kaum verbergen sich mit "bürgerlichen" abgeben zu müsssen - man beachte, wie schroff er den vom Küchenchef (vermutlich eigens für ihn gebackenen) Kuchen ablehnt....
    Beispiel 3: Der Graf hat alles aufgeboten was Eindruck macht, allein die ausgewählte Kleidung ist eine Meisterleistung an modischem Firlefanz. Selbstsicher wirft sich der gutaussehende Graf in Pose - ja sogar die Geldbörse - mit der er huldvoll Trinkgelder verteilt - lässt er sich von einem Lakaien reichen. Ein hübscher Regieeinfall sind endes die untähligen Koffer und Köfferchen, die aus der Kutsche geholt werden - Realistischerweise hätten die dort gar nicht Platz gehabt - Ein Gag also.....


    Vielleicht noch für alle Operneinsteiger - worum es in dieser Szene überhaupt geht.
    Der wohlhabende Kaufmann Geronimo hat Geld über alle Maßen, möchte aber in die gehobene Gesellschaft aufsteigen.Da bietet sich die Heirat eines Adeligen mit einer seiner Töchter (es ist leider die hässlichste)geradezu an.Man hat einen (verarmten ???) Grafen gefunden, der zu solch einem Deal gegen eine horrende Summe an Mitgift bereit ist.Haus und Dienerschaft wurden auf Vordermann gebracht - und nun kommt der große Augenblick: Der adelige Bräutigam erscheint auf der Bildfläche. "Senza, Senza Cerimonie" singt er (Keine Zeremonien bitte - hier würdfe man sagen "Machen sie sich keine Umsrände")- Allein sein Auftritt straft den Text Lügen - sein Auftritt ist eine einzige Zeremonie.
    Bei Wikipedia kann man über den Libettisten Bertati nachlesen, über die vorangehenden Sprechstücke und letztlich der Hinweis auf den eigentlichen Begründer des Stücks - ein Bild von William Hogarth, dessen Bilde ja stets von beissendem Spott durchzogen waren.
    Kaiser Leopold II (1790-92 Kaiser von Österreich) , Bruder und Nachfolger von Joseph II war bei der Uraufführung der Oper anwesend. Sie gefiel ihm so sehr, daß er sie am gleichen Tag komplett wiederholen ließ. Vielleicht hat ihm die Darstellung des Adels so gut gefallen, denn ebenso wie sein Bruder Joseph II war ein aufgeklärter Monarch mit Reformideen - wenngleich nicht so konsequent....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    das Sujet "reicher Bürgerlicher verschwägert sich mit schmarotzerischer adeliger Gesellschaft" kommt ja auch bei Moliere vor, woraus der bekannte Spruch resultiert: " Tu´las voulou, Georges Dandin".
    Auch der Rosenkavalier -in diesem Thread jetzt off topic- behandelt ja eine solche Konstellation.
    Der Graf bei Cimarosa ist wohl nicht verarmt im engeren Sinne, sondern durch Wein, Weib und Gesang total verschuldet.
    Es war im Ancien Regime wahrhaft atemberaubend, wie das an sich große Vermögen bedeutender Familien verschleudert wurde.
    Kardinal Richelieu zählte bei seinem Tode zu den reichsten Männern Frankreichs. Dennoch starb jeder seiner Neffen, Großneffen usw., die den Herzogtitel und einen Großteil der Einkünfte geerbt hatten, jedesmal im Zustand des Bankrotts, wonach der König den nächsten Erben durch ein Lettre de Cachet entschuldete.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)