Cosima Wagner - Lordsiegelbewahrerin der Bayreuther Festspiele

  • Die Geschichte der Cosima Wagner ist an sich schon lesenswert, wenngleich uns hier im speziellen ihre Rolle als "Lordsiegelbewahrerin" der Bayreuther Festspiele interessieren wird.
    Am 24. Dezember 1837 in Bellagio am Comersee als uneheliche Tochter von Franz Liszt und der Comtesse d’Agoult geboren, lebte sie vorerst unter dem Mädchennamen ihrer Mutter „de Flavigny“, bevor sie 1844 von Franz Liszt als dessen Tochter anerkannt wurde und von nun ab dessen Namen trug.
    1857 heiratete sie den Dirigenten Hans von Bülow, einen Schüler ihres Vaters. Bülow war ein glühender Wagner-Verehrer und zudem dessen Freund. Cosima fühlte sich seit den früher 60er Jahren immer mehr zu Richard Wagner hingezogen – eine Zuneigung die erwidert wurde, was letzlich in eine Liebesbeziehung überging.
    Bülow wusste nichts davon, oder er negierte es – denn seine Verehrung für Wagner war ungebrochen. 1879, als sich die Affaire jedoch nicht mehr geheimhalten ließ willigte Bülow in die Scheidung ein und noch im gleichen Jahr heirateten Cosima und Wagner.
    1876 fanden die ersten Bayreuther Festspiele statt, welche Wagner und Cosima gemeinsam organisiert hatten.
    Nach Wagners Tod , 1883 übernahm Cosima die Leitung der Festspiele. Was sie daraus gemacht hat, wie sie ihre Aufgabe gelöst hat, das soll Inhalt dieses Threads sein…..


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Meine angelesenen Informationen besagen, daß unter Cosima Wagner die Festspiele in kommerzieller Hinsicht blühten. Daß die zum "Grünen Hügel" strömenden Wagnerianer dabei ein "konservativ-gleichförmiges und nervtötendes Inszenierungseinerlei" geboten bekamen, störte sie nicht. Möglicherweise liebten jene Kreise noch nicht einmal Wagners Musik, vielleicht sahen sie im Festspielhaus eine Art Wallfahrtsort, an dem sie national-patriotischen Gemeinschaftsgeist demonstrieren konnten. Aber die als "durch und durch chauvinistisch, fremdenfeindlich und rassistisch" beschriebene Cosima achtete trotzdem darauf, daß ausländische Besucher nicht beleidigt wurden, schließlich war man auch von deren Geld abhängig. Wenn es also ums Geld ging, scheint sie ihre Einstellungen "versteckt" zu haben...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Daß die zum "Grünen Hügel" strömenden Wagnerianer dabei ein "konservativ-gleichförmiges und nervtötendes Inszenierungseinerlei" geboten bekamen...


    Ich glaube, daß es sich hier um Propagada und Meinungsmache dreht, die ein HEUTIGES Publikum in eine gewisse Richtung hin beeinflussen soll. Ich glaube nicht, daß das Publikum von 1885 oder etwas später, Cosimas Festival als "nervtötend" empfunden haben wird. Cosima hat gelegentlich selbst inszeniert und hat jeglicher Verfremdung von Wagners Werk rigoros den Kampf angesagt. Sie führte das Festspiele-Projekt mit EISERNER Faust zum Erfolg und liess sich nichts dreinreden.


    Der Erfolg gibt ihr recht.
    Generell kann gesagt werden, dass es Cosima zu danken ist, dass es die Bayreuther Festspiele überhaupt noch gibt.


    auf der Website FEMBIO


    http://www.fembio.org/biograph…biographie/cosima-wagner/


    schreibt Eva Rieger:


    Zitat

    Ihre große kulturgeschichtliche Leistung bestand darin, schon 1884 einen fünfjährigen Festspielplan zu entwerfen und ab 1886 Opern selber zu inszenieren, wodurch sie mit beispielloser Energie künstlerisch hochstehende Aufführungen gewährleistete und somit das Fortbestehen der Institution ermöglichte.


    Wie man sieht ist hier die Beurteilung der Person und der Qualität ihrer Inszenierungen eine völlig andere, weil von weltanschaulichen und politischen Färbungen weitgehend unbeeinflusst.... :P


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Generell kann gesagt werden, dass es Cosima zu danken ist, dass es die Bayreuther Festspiele überhaupt noch gibt.


    Diesen Satz würde auch ich unterschreiben. Ich gehe sogar noch so weit, dass der Fortbestand der Spiele ohne Schwiegertochter Winifred unvorstellbar ist. Der Preis dafür war - wie wir wissen - hoch. Ist er es wert gewesen? Hätte es Alternativen gegeben? Unter den damaligen konkreten Bedingungen: Nein! Viieles, was wir heute an kulturellen Leistgungen in den Ländern dieser Welt bestaunen, ist auch des Teufels gewesen und bezieht womöglich gerade aus dieser Quelle seine Faszination. Fauenpower in Bayreuth! Zwischen Cosima de Flavigny und Winifred Marjorie Williams gab es viele Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten. Der Zufall will es, dass ich mit schöner Regelmäßigkeit in meiner Heimatstadt Berlin über den Cosimaplatz im Ortsteil Schöneberg komme. Er ist nach der Frau Richard Wagners benannt. Bis 1935 hieß er Wagnerplatz. Um Verwechslungen mit anderen Adressen, in denen sich der Names des Komponisten findet, auszuschließen, erfolgte die Umbennnung. Rings um den Platz gibt es Straßen, die ihre Bezeichnung von Gestalten aus den Opern Wagners beziehen: Isolde, Eva, Kundry, Ortrud. Anstöße, über Cosima nachzudenken. Damit erfüllt sich auch ein wichtiger Sinn von Straßenbennungen. Eine der wichtigsten Quellen, um der Bedeutung Cosimas gerecht zu werden, sind ihre Tagebücher. Auch wenn sie vornehmlich das Ziel hatten, alles, was Wagner von sich gab, zu dokumentieren, sagen sie auch viel über die Verfasserin. Wir begegnen einer außerordentlich hochgebildeten Frau, die ihres Mannes ebenbrürtig ist.



    Die Bücher stehen immer griffbereit. Ich lese gern darin, meist nicht systematisch. An anderer Stelle des Forum ging es neulich bei der Erstellung eines Opernkanons um Frage, welche Werke von Auber aufzunehmen seien. In diesem Zusammenhang wurde auch Wagner zitiert, die viel von Auber hielt. Jede Menge Äußerungen finden sich auch in den Tagebüchern.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    Du hast völlig recht mit Deiner Meinung über die Bedeutunng der Cosima-Tagebücher; jedermann, der sich für Wagner wirklich interessiert, insbesondere auch für die historischen Zusammenhänge, innerhalb derer man seine Musik einordnen muß, sollte die Tagebücher vollständig lesen.


    Was mich allerdings bestürzt hat, ist der massive Antisemitismus, dem Cosima trotz ihrer aristokratischen Weltläufigkeit völlig verfallen war und die herzlose Art, mit der sie ihre Töchter geradezu dressiert hat, auch wenn heutige Erziehungsideale natürlich nicht auf diese Zeit projiziert werden können.


    Ohne Cosima hätten die Festspiele Wagners Tod nicht überlebt, und man darf nicht übersehen, daß selbst die "Meisterin" sich längere Zeit der offenen und versteckten Angriffe der chauvinistischen Altwagnerianer des "Bayreuther Kreises" erwehren musste, die nicht wahrhaben wollten, daß eine "Ausländerin" Wagners Werk fortführen wollte.


    Viele Grüße


    Joachim

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • die nicht wahrhaben wollten, daß eine "Ausländerin" Wagners Werk fortführen wollte.

    Das Schlimmste an der "Ausländerin" war nicht das Ausland (damals gab es in Frankreich ja beinahe mehr überzeugte Wagnerianer als in Deutschland!), sondern: die Frau! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"