Aktuell zum Wagner-Verdi-Jahr: Wie viele verschiedene Opernnaturen gibt es im Publikum?

  • Liebe Taminos,


    es ist doch sehr interessant, wie hoch es wieder her geht bei der Frage, ob Richard Wagner nun der Größte der Größten sei, oder Josef Grün den Singvogel schlechthin abgeschossen habe. Bei der Frage, welche Maßstäbe eigentlich für derartige Aussagen maßgeblich sind, und vor allem bei der Frage, warum großartige Opern (vorwiegend aus dem slawischen Bereich, nach meiner Befürchtung) nicht den Weg in den Westen finden, kam mir des Öfteren der Gedanke, dass es bei einer Oper, der (im besten Sinne des Wortes) merkwürdigsten Kunstgattung, möglicherweise drei verschiedene Naturen im Opernpublikum geben könnte. Eventuelle leichte Polemik ist gewollt, und falls jemand von Euch Ironie findet, darf er sie behalten:


    Gruppe I: Die Theaternaturen. Die Inszenierung muss "stimmen", die Handlung sollte fesselnd, vielleicht auch dramatisch, sein. Und wenn die Musik der Diener der Handlung ist, um so besser: so ist sie auch dem Ganzen dienlich. Das Gesamte setzt sich zusammen aus einer Dichtung, die eigentlich keine sein darf (im Sinne Oskar Werners kann der Zuhörer "durch die Jalousie schauen, und sehen, wie das Ganze gemacht ist", was bei einer echten Dichtung nicht möglich ist), weil die Musik ebenfalls ihren Raum beansprucht, einerseits weil sie ergänzen muss, was "undicht" ist, und andererseits zwei Paralleluniversen von Dichtung und Tondichtung dem Gesamtkunstwerk nicht unbedingt zuträglich ist. Das Ergebnis ist eine hervorragende Schauspielmusik mit harmonischen Neuerungen, einigen großartigen formalen Details -- nur eben kein "musikalisches" Kunstwerk im "eigentlichen" Sinne.


    Gruppe II: Die Zirkusnaturen und die kulinarischen Genießer. Auch das hat seine volle Berechtigung! Welche Koloratur ist die schwierigste der Welt, wer meistert sie heutzutage am Besten? Die Handlung muss nicht gerade in Gestalt einer Norne aus einer verstaubten Kiste entsteigen und sich Gnitaheides Staub aus dem Gewande klopfen. Die Musik ist das Entscheidende. Eine Ouvertüre, die der Meister gleich dreimal verwendet, gleichgültig, ob für eine komische Oper oder für eine tragische -- egal! Der Genuß ist entscheidend. Wenn die Musik in mir etwas verändert -- um so besser. Aber das Ergötzen ist ebenso wichtig.


    Gruppe III: Besucher, die eine Oper in erster Linie als musikalisches Kunstwerk betrachten (leider fällt mir keine einzelne Bezeichnung dafür ein, die passend wäre). Das Problem: Für derartige Werke ist nicht unbedingt eine Bühne nötig. Die Geschichten müssen nicht unbedingt "dramatsich" sein oder in dem Sinne aristotelische Tiefe aufweisen, als dass die Erde nur durch den Menschen mitsamt seinem Wohl und Wehe ausgetauscht wurde. Entscheidend ist die Frage, ob die Verse musikabel sind und eine in allen Details feine Charakterzeichnung zulassen. Das wartende Mütterchen an der Bushaltestelle ist ja schließlich schon Drama genug.


    Alle drei Gruppen haben ihre Berechtigung, meine ich, aber so unterschiedlich wie die Naturen sind natürlich auch ihre Maßstäbe, was die Größe eines entsprechenden Meisters betrifft. Könnte es sein, dass eine beträchtliche Zahl slawischer Werke gerade zu dritten Gruppe gehören? Was meint Ihr? Die westliche Oper hat ja durchaus ihre Mühen, junge Ohren anzulocken. Aber noch vor nicht allzu langer Zeit gingen in Russland und in Tschechien (immer noch) Kinder, sogar sehr junge, in die Oper; Volkstheater im besten Sinne des Wortes (?).


    Gruß an alle
    Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Nachdem dieser Thread so lange ohne Resonanz blieb getraue ich mich, hier mitzuteilen, daß ich mich KEINER der drei Gruppen zugehörig fühle.
    Die Handlung sollte natürlich - je nach Oper - gruselig oder heiter sein, wobei es mir im ersteren Fall durchaus auf die Bühneneffekte ankommt. Wie sollte mich eine Oper in Atem halten, wo ich den Ausgang schon im vorhinein weiß ?
    So gesehen stehe ich auch "Werkseinführungen" einigermaßen kritisch gegenüber. Man kann- ja soll sie sogar lesen, wenn man eine Oper ein bis 2 mal gesehen hat - Aber die Überraschungseffekte die bei manchen Handlungsverläufen eintreten - wirken genau EIN MAL, nämlich dann, wenn man die Oper das erste Mal sieht.
    Ich bin ein absoluter Verfechter von historisierenden Bühnenbildern mit höchster Realitätsnähe. Sowas ist sogar bei Opern möglich die in keiner gewissen Zeit spielen - es muß auch bei Phantasielandschaften und -Architekturen Realität SUGGERIERT werden.
    Die Filmindustrie macht es hier vor. Es war ja letztlich auch der farbige Tonfilm in Cinemascope, welcher in Punkto Wirkund das Theater in den Schatten stellte. Die Bühnen- Kostüm und Maskenbilner -und auch die Lichttechniker haben die Herausforderung angenommen - und Aussattungen geschaffen die kaum zu überbieten waren.
    Das ist es was ich verlange - jegliche Vereinfachung oder Beschränkung auf symbolische Bühnenbilder sind mir ein Graus.


    Die Musik muß natürlich stimmen - das Spiel sollte nicht hölzern sein - auf akrobatische Gesangs-Zirkuskunststückchen lege ich indes keinen Wert...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,

    Nachdem dieser Thread so lange ohne Resonanz blieb getraue ich mich, hier mitzuteilen, daß ich mich KEINER der drei Gruppen zugehörig fühle.

    und ich war sehr überrascht, dass sich nach so langer Zeit doch noch jemand meldet. Manchmal habe ich mich gefragt, ob es daran liegt, dass ich als Anfänger bezeichnet werde. Dann wieder, ob ich so naiv formuliert habe, dass es viele nicht interessiert, obwohl ich es für eine grundsätzliche Überelegung halte.



    Ich bin ein absoluter Verfechter von historisierenden Bühnenbildern mit höchster Realitätsnähe.

    Da bin ich mir Dir völlig d'accord. Allerdings hatte ich die Gruppen wohl eher nach der Wichtigkeit der außermusikalischen Elemente eingeteilt.



    Es war ja letztlich auch der farbige Tonfilm in Cinemascope, welcher in Punkto Wirkung das Theater in den Schatten stellte.

    Vielleicht im Allgemeinen. Aber ich habe noch keinen Film gesehen, der es auch nur annähernd mit der Schlusszene des 2. Aktes von Jenufa hätte aufnehmen können. Ich bin nicht der Meinung, dass der farbige Tonflm das Theater in den Schatten stellt. Er ist eine ganz andere Welt, Volkstheater in einem gewissen Sinne, aber was die Wunderbarkeit der Verwandlung betrifft, von der Oskar Werner spricht, kann ein Film dem Theater kein Paroli bieten.


    Das ist es, was ich verlange - jegliche Vereinfachung oder Beschränkung auf symbolische Bühnenbilder sind mir ein Graus.

    Da kann ich Dir allerdings auch nicht zustimmen. Es gibt in Prag eine Aufführung von Rusalka im Nationaltheater von (wahrscheinlich dem Sohn) des Opernsängers Benno Blachhut, die *musikalischer* nicht sein kann. Der Zuschauer wird hier zum Mitschöpfer und ergänzt all das, was dem Auge nicht unmittelbar gezeigt wird. Ich habe selten eine so großartige Aufführung in einem Opernhaus gesehen.



    Die Musik muß natürlich stimmen

    Für mich muss die Musik nicht nur stimmen, sondern sie ist das Entscheidende. Insofern glaube ich mich im Fahrwasser Rimski-Korssakows zu bewegen: Die Oper ist für mich in erster Linie ein musikalisches Kunstwerk.


    Und das war die Absicht meines Threads: Woran liegt es, dass es so viele Opern gibt, die musikalisch geradezu brilliant sind, aber dennoch nicht das Publikum erreichen? Von meinen Angeboten, in den Opernführer von Tamino etwas einzubringen, habe ich bisher nur Smetana Tajemstvi (Das Geheimnis) umgesetzt. Für mich bleibt es nach wie vor ein Rätsel, dass Opern wie diese, die musikalisch geradezu ein Kompositionswunder sind, das Publikum nicht nur nicht erreichen, sondern noch nicht einmal in Opernführern zu finden sind. Was so manches Mal geradezu herablassend über ein Genie wie Michail Glinka zu lesen ist, grenzt an Erbärmlichkeit. Auf der anderen Seite werden Werke von Wagner und Verdi hofiert, die musikalisch weder einem Glinka, noch einem Smetana das Wasser reichen können, dafür aber mit Effekten nicht geizen (das wirkt sicherlich ein wenig polemisch, und ich aus so gedacht; sollte wider Erwarten, der Thread doch noch in Gang kommen, bin ich bereit, gerne detaillierter in diesem Punkt zu werden). Andererseits: Simone Boccanegra halte ich für eine ganz großaritige Oper. Und immer wieder ist zu hören: Es gäbe nur wenig bekannte Arien darin. Wie kann so etwas sein? Debussys *Pelleas* langweilt so manchen Zeitgenossen. Musikalisch gehört sie aber doch zu den ganz großen Meisterwerken.


    Es gibt nicht Wenige, die die Oper als ein *Kasperletheater für Erwachsene* halten. Die Mehrheit der Jugendlichen allemal. Könnte es sein, dass wir zu sehr eine Oper als Schauspielmusik begreifen? Warum sind gerade diejenigen Werke, die tatsächlich Schauspielmusik sind (das Meiste von Wagner zähle ich dazu) so erfolgreich, während selbst ein *Schneeflöckchen* nur sehr wenig bekannt ist?


    Viele Grüße aus Hamburg
    von Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Zitat

    Zitat von Heikos: Und das war die Absicht meines Threads: Woran liegt es, dass es so viele Opern gibt, die musikalisch geradezu brilliant sind, aber dennoch nicht das Publikum erreichen? Von meinen Angeboten, in den Opernführer von Tamino etwas einzubringen, habe ich bisher nur Smetana Tajemstvi (Das Geheimnis) umgesetzt. Für mich bleibt es nach wie vor ein Rätsel, dass Opern wie diese, die musikalisch geradezu ein Kompositionswunder sind, das Publikum nicht nur nicht erreichen, sondern noch nicht einmal in Opernführern zu finden sind.

    Lieber Heikos,


    ich denke mal, das hat mit dem Wort Anfänger überhaupt nicht zu tun. Du wirst sehen, dass eine Reihe Themen auf sehr viel Resonanz stoßen, weil sie vielen am Herzen liegen bzw. weil viele sich dazu äußern können.
    In deinen vorgestellten Opernnaturen fand ich mich selbst auch nicht wieder. Ich selbst habe in anderen Kapitel die Opernbesucher nach ganz anderen Kriterien geschildert, so wie ich sie in der Zeit, in der man noch mit gutem Gewissen in die Oper gehen konnte, erlebt habe.
    Ein großer Teil geht in die Oper, um über den Alltag hinaus etwas anderes zu erleben, um sich zu zeigen oder weil sie sich ein Abonnement sichern, in dem einzelne Vorstellungen ihren Wünschen entsprechen. Meist sind das bekannte und häufig gespielte Opern (Mozart (auch nur ein Teil der Werke) Verdi (etwas die Hälfte seiner Werke), Wagner(außer den frühen Opern fast alle, wobei dessen Fan-Gemeinde nicht so umfangreich wie die der anderen ist), Puccini (Tosca, Bohème, Butterfly, vielleicht noch Turandot, die anderen weniger), andere Italiener - wie Mascagni, Leoncavallo - nur mit je einem Werk, einzelne französische und auch einige osteuropäische Opern) Darin erschöpft sich aber meist die Kenntnis.
    Andere wieder sind spezialisiert auf einzelne Komponisten.
    Leute, die sich so umfangreich (wie z.B. auch ich, der immer wieder Neues kennenlernen will), wirst du seltener finden. Die Opernführer richten sich in der Regel nach dem häufig gespielten Repertoire und enthalten meist nur zwischen 250 und 350 Opern. Deshalb ist auch hier der Opernführer entstanden, der inzwischen schon einen recht guten Umfang an ausführlichen Inhaltsangaben enthält, anhand deren man die Oper auch Szene für Szene verfolgen kann. Ich selbst habe schon nahe an 50 Inhaltsangaben - z.T. unbekannterer Opern, auch z.B. Glinka und Rimski-Korsakow - erstellt. Leider bin ich nur in der Lage, englische, französische und italienische Libretti einigermaßen lesen zu können. Andere kann ich nur bearbeiten, wenn ich eine gescheite deutsche Übersetzung dazu habe.
    Deshalb habe ich auch schon mal andere angeregt, die mit slawischen Sprachen umgehen können, leider bisher ohne großen Erfolg. Ich selbst werde, sobald ich wieder Zeit dazu habe, mir weitere italienische oder französischen Libretti unbekannterer Opern, soweit ich solche beschaffen kann, vornehmen.
    Nun hast du (siehe Zitat) aber die Frage noch auf einen anderen Punkt gelenkt, und da muss ich sagen, bei vielen Opern, die ich kenne, verstehe ich auch nicht, warum diese kaum oder garnicht mehr aufgeführt werden. Nur selten fand ich bisher eine, die auch ich für schwach empfand. Ich glaube aber, dass die Opernhäuser es meist nicht wagen, so etwas anzubieten, weil dann ein Großteil des schon genannten Publikums, die sich weitgehend nur für die "Schlager" aus diesem Genre interessieren, ausbleiben. Opern wie "Die Zauberflöte","La Traviata","Rigoletto" usw. werden wahrscheinlich immer recht gefragt sein. Ich habe es aber z.B. schon bei Giordanos "Andrea Chenier" erlebt, dass ich von Sitznachbarn in der vorausgehenden Vorstellung gefragt wurde, was das das nächste Mal überhaupt für eine Oper wäre. Schade, es gäbe so vieles zu entdecken. Also kümmere dich bitte weiter um die noch nicht enthaltenen slawischen Opern in unserem Opernführer.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Und das war die Absicht meines Threads: Woran liegt es, dass es so viele Opern gibt, die musikalisch geradezu brilliant sind, aber dennoch nicht das Publikum erreichen? Von meinen Angeboten, in den Opernführer von Tamino etwas einzubringen, habe ich bisher nur Smetana Tajemstvi (Das Geheimnis) umgesetzt. Für mich bleibt es nach wie vor ein Rätsel, dass Opern wie diese, die musikalisch geradezu ein Kompositionswunder sind, das Publikum nicht nur nicht erreichen, sondern noch nicht einmal in Opernführern zu finden sind. Was so manches Mal geradezu herablassend über ein Genie wie Michail Glinka zu lesen ist, grenzt an Erbärmlichkeit. Auf der anderen Seite werden Werke von Wagner und Verdi hofiert, die musikalisch weder einem Glinka, noch einem Smetana das Wasser reichen können, dafür aber mit Effekten nicht geizen (das wirkt sicherlich ein wenig polemisch, und ich aus so gedacht; sollte wider Erwarten, der Thread doch noch in Gang kommen, bin ich bereit, gerne detaillierter in diesem Punkt zu werden). Andererseits: Simone Boccanegra halte ich für eine ganz großaritige Oper. Und immer wieder ist zu hören: Es gäbe nur wenig bekannte Arien darin. Wie kann so etwas sein? Debussys *Pelleas* langweilt so manchen Zeitgenossen. Musikalisch gehört sie aber doch zu den ganz großen Meisterwerken.


    Es gibt nicht Wenige, die die Oper als ein *Kasperletheater für Erwachsene* halten. Die Mehrheit der Jugendlichen allemal. Könnte es sein, dass wir zu sehr eine Oper als Schauspielmusik begreifen? Warum sind gerade diejenigen Werke, die tatsächlich Schauspielmusik sind ( das Meiste von Wagner zähle ich dazu) so erfolgreich, während selbst ein *Schneeflöckchen* nur sehr wenig bekannt ist?


    Lieber Heiko, vielleicht war die Reaktion auf Deinen interessanten Thread bislang ehr verhalten, weil Du darin zu viele Themen auf einmal untergebrach hast. Am schnellsten kommen nach meiner Beobachtung Debatten zustande, wenn der Ausgangspunkt griffig und übersichtlich ist. Deshalb habe ich ein Zitat gewählt, das mich vom Thema her auch interessiert. Ich sehe eine entscheidende Hürde für die ungenügende Verbreitung slawische Opern zunächst einmal in der Sprache. Es gab - abgesehen von einige Rennern - nie eine Tradition deutscher Übersetzungen, um mal nur vom deutschsprachigen Raum zu reden. Schon dadurch blieben die Stücke fremd. Nicht selten haben sie ganz konkrete historische Hintergründe, die nur die wenigsten kennen. Wenn jetzt irgendwo Janacek, Smetana, Dvorak oder Glinka aufgeführt wird, dann in der Originalsprache oder dem, was mache Sänger dafür halten. Die Partien werden oft nur phonetisch eingepaukt, so dass sich Muttersprachler vor Lachen ausschütten. Das fördert nicht den Zugang. Offenbar gab es an den Häuser immer auch zu wenig Notenmaterial. Ich habe mal eine kleine Statistik für die Staatsoper Berlin in den Jahren 1900 bis 1989, dem Jahr des Mauerfalls. Der erste Titel im 20. Jahrhundert taucht erst 1907 auf. Diese slawischen Opern wurden aufgeführt:


    1907: Pique Dame
    1909: Dalibor
    1916: Verkaufte Braut
    1923: Der goldene Hahn
    1924: Die verkaufte Braut (Semata hat übrigens eine autorisierte deutsche Fassung erstellt)
    1924: Jenufa
    1926: Boris Godunow
    1926: Die Liebe zu den drei Orangen
    1927: Jenufa
    1927: Der Kuss
    1929: Die verkaufte Braut
    1930: Fürst Igor
    1931: Aus einem Totenhaus
    1933: Eugen Onegin
    1935: Eugen Onegin (nach einem Jahr schon wieder in neuer Inszenierung)
    1935: Halka
    1936: Die verkaufte Braut
    1938: Botris Godunow
    1940: Das Leben für den Zaren
    1940: Dalobor
    1941: Die Zauberin
    1945: Eugen Onegin
    1947: Sadko
    1947: Pique Dame
    1948: Die Zarenbraut
    1949: Jenufa
    1949: Boris Godunow
    1950: Russlan und Ludmilla
    1951: Russlan und Ludmilla (nach einem Jahr schon wieder in neuer Inszenierung)
    1951: Eugen Onegin
    1952: Jolante
    1953: Halka
    1955 Eugen Onegin
    1957: Fürst Igor
    1958: Kruthva
    1958 Die Verlobung im Kloster
    1961: Boris Godunow
    1964: Die Geschichte vom wahren Menschen
    1964: Der verlorene Sohn
    1965: Die verkaufte Braut
    1968: Rusalka
    1968: Der goldene Hahn
    1969: Die Nase
    1972: Boris Godunow
    1973: Katerina Ismailowa
    1975: Eugen Onegin
    1975: Die Teufen von Loudon
    1978: Fürst Igor
    1981: Pique Dame
    1986: Jenufa
    1989: Fürst Igor


    Was auf den ersten Blick viel aussieht, ist es nicht - gemessen am gesamten Repertoire in diesem Zeitraum von fast neunzig Jahren. Auffällig ist die Neigung, immer wieder die selben Stücke zu spielen. Von Janacek tauchen nur Jenufa und Totenhaus auf, sonst nichts. Dvorak ist lediglich mit einer Rusalka vertreten usw. Immerhin gab es Halka und einigen Rimski-Korsakow. Nicht mitgezählt habe ich Strawinsky und die Ballette. Tatsächlich wurden Wagner und Verdi ohne Ende gespielt. Ich halte es aber für nicht so glücklich, Komponisten in dem Sinne gegeneinander zu halten, dass der eine bessere Musik gemacht habe als der andere. Was Du über Wagner oder Verdi schreibst im Vergleich mit Smetana, kann ich nicht verstehen. Es gefällt mir wirklich gut, dass Du die slawischen Komponisten so leidenschaftlich verteidigst. Ich habe auch eine tiefe Zuneigung zu ihnen. Dabei musst man aber doch die anderen nicht gleich abwerten.


    Menschen gehen aus sehr unterschiedlichen Gründen in eine Opernaufführung. Die meisten wollen wohl eine schöne Aufführung sehen, freuen sich, wenn sie eine Arie oder einen Chor so gut kennen, dass sie diese innerlich mitsingen können. Sie wollen gut unterhalten werden. Auch deshalb sind heute mehr denn je Rigoletto, Tosca oder Carmen solche Zugpferde. Ich kann das durchaus nachvollziehen. Theater ist eben nicht die moralische Anstalt und das Bildungswerk, wie ich es mir auch wünschte. Theater ist in der Hauptsache Unterhaltung, Erbauung, Spaß und Gänsehaut. Warum auch nicht. Keine Experiment! Was einst für die CDU in Westdeutschland galt, das scheint mir noch immer an den Opernhäusern zu gelten. Andererseits sehe ich einen der Gründe für das Zustandekommen des sogenannten Regietheaters nicht zuletzt darin, dass es nicht genug Abwechslung in den Spielplänen gab und gibt. Irgendwann kamen Theaterleute wie Pöppelreiter und Berghaus auf die Idee, dass man diese ewigen Opern endlich mal ganz neu aufziehen müsse. Aber das ist nur so eine Idee von mir.


    Mit herzlichen Grüßen verbleibt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Menschen gehen aus sehr unterschiedlichen Gründen in eine Opernaufführung. Die meisten wollen wohl eine schöne Aufführung sehen, freuen sich, wenn sie eine Arie oder einen Chor so gut kennen, dass sie diese innerlich mitsingen können. Sie wollen gut unterhalten werden.
    Theater ist in der Hauptsache Unterhaltung, Erbauung, Spaß und Gänsehaut.

    Lieber Rheingold
    Ich gebe gerne zu, daß diese Definition ganz sicher voll und ganz auf mich zutrifft. Wobei ich aber bitte "Unterhaltung und Spaß" nicht als billigen Klamauk, Spektakel und Schenkelklopfen verstanden wissen möchte. Ich meine schon Unterhaltung = Genuß auf hohem, bis höchstem Niveau.
    Und damit meine ich einen Opernabend, bei dem alles stimmen muß - angefangen bei den Solisten, dem Orchester, dem Chor, bis hin zur selbstverständlichen werkgetreuen Inszenierung (Kostüme und Bühnenbild der Zeit und dem Inhalt der Handlung gemäß).
    Und das hat mir immer gereicht und viele glückliche, unvergeßliche Opernabende beschert. Das waren und sind eigentlich auch heute, meine ganz normalen Ansprüche und Erwartungen. Aus meinen Berichten und persönlichen Erzählungen weißt Du, daß mir das früher in "goldenen Opernzeiten" immer gelungen ist und ich heute noch dankbar in Erinnerungen schwelge.
    Vielleicht bin ich zu einfach und naiv, mag sein... Aber ich hatte noch nie das Bedürfnis oder den Wunsch mich in der Oper vom Regisseur belehren zu lassen, mir irgendwelche Erkenntnisse oder Neudeutungen vermitteln lassen zu wollen. Ich habe die Staatsoper z. B. nie als Lehranstalt wahrgenommen. Ich kann auch nicht behaupten, daß ich am Ende der Vorstellung schlauer aus dem Opernhaus gegangen bin. Das ganz sicher nicht, war nie meine Absicht, wollte ich auch nicht, aber dafür in der Regel immer glücklich und zufrieden. Dabei möchte ich natürlich auch bemerken, selbstverständlich kenne, bzw. kannte ich die Handlung, den Inhalt und den Ablauf der jeweiligen Oper. Aber ich hatte nie die Absicht mich im Sinne einer Unterrichtsstunde oder eines Seminars belehren zu lassen. Ja, ich gebe zu, ich bin in die Oper gegangen um mich von der Athmosphäre, der Musik gefangennehmen und verzaubern zu lassen, um zu genießen. Die Handlung gehört selbstverständlich dazu. Was gibt es Schöneres, wenn alles stimmt, wenn die Musik Gefühle erzeugt und einen mit der Handlung emotional ergreift, wenn einem im letzten Akt der Boheme oder der Traviata die Augen feucht werden wollen? Wenn man früher Gesangsstars wie Tomowa-Sintow und Orofino zujubeln konnte und bis zur Erschöpfung Beifall geklatscht hat?
    Ja, das war für mich Theater/ Oper- mehr wollte ich nicht. Aber wie ich schon sagte, vielleicht bin ich da tatsächlich zu einfach und naiv und nicht anspruchsvoll modern genug. Mag alles sein, aber mir hat es so immer gereicht und Freude und Glücksmomente beschert. Die heutigen "Regieleistungen, Neudeutungen, Belehrungen, Sichtweisen und Verunstaltungen" nehmen mir aber jegliche Freude. Ich muß das nicht haben!!! Da bin und bleibe ich lieber naiv und einfach und schwelge in Erinnerungen.
    Und damit wollte ich auch auf die Eingangsfrage von Heikos nach den "Opernnaturen im Publikum" antworten.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Gerhard,


    ich bitte um Entschuldigung, dass ich erst jetzt auf Deinen sehr netten Beitrag antworte. Leider musste ich die vergangenen Wochen aus beruflichen Gründen vorübergehend abtauchen.



    In deinen vorgestellten Opernnaturen fand ich mich selbst auch nicht wieder. Ich selbst habe in anderen Kapitel die Opernbesucher nach ganz anderen Kriterien geschildert, so wie ich sie in der Zeit, in der man noch mit gutem Gewissen in die Oper gehen konnte, erlebt habe.

    Das ist interessant und ich hatte es leider noch nicht vorher aufgespürt.



    Leute, die sich so umfangreich (wie z.B. auch ich, der immer wieder Neues kennenlernen will), wirst du seltener finden.

    Ja, das ist schade, weil wir auf dem Plattenmarkt die Möglichkeiten besser denn je sind (oder bis vor einigen Jahren noch waren) Neues kennenzulernen. Aber meine Frage zielte ja, wie Du sagtest, wirklich in eine andere Richtung.


    Die Opernführer richten sich in der Regel nach dem häufig gespielten Repertoire und enthalten meist nur zwischen 250 und 350 Opern.

    Ja, und ich denke, es gab auch eine Zeit, in der es sich lohnte, Opernführer zu lesen ;-). Die neueren Produkte, besonders aus dem Reklam-Verlag, schätze ich nicht sehr, obwohl der Umfang zugenommen hat. Der kleine >>Pahlen<< kommt mir vor wie ein Werk aus einer vergangenen Zeit.



    Also kümmere dich bitte weiter um die noch nicht enthaltenen slawischen Opern in unserem Opernführer.

    Ja, mache ich. Bald habe ich sehr viel Zeit dafür ;-)



    Viele Grüße von Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Lieber Rheingold,


    an einer Antwort fuer Deine sehr interessante Reply habe ich eben sehr lange gearbeitet. Nun wollte ich sie absenden, und was ist? Haken vergessen, rausgeflogen, alles weg. Naja, Ihr kennt das ja. Jetzt habe ich leider keine Zeit mehr, das noch einmal alles neu zu schreiben. Aber ich antworte im Laufe der Woche. Vor allem auf Deine sehr interessante Liste, die Du erstellt hast.


    Bis dahin beste Grüße
    Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Lieber Heiko, ich nehme die Absicht für die Tat. :)
    Nicht wenigen von uns dürfte das schon passiert sein - mir schon. Deshalb bunkere ich längere Texte zwischendurch immer in der Zwischenablage. Dann ist nie alles weg.


    Herzlich grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Deshalb bunkere ich längere Texte zwischendurch immer in der Zwischenablage. Dann ist nie alles weg.


    Ja, die einfachste Methode gegen das oben beschriebenen Malheur. Einfach jeden Beitrag vor dem Absenden in die Zwischenablage kopieren. Das sind zwei Tastenklicks und kosten fast keine Zeit (<Strg>+A , <Strg>+C; Cursor noch im Eingabefeld!). Solange das Betriebssystem noch läuft, verliert man damit keine Beiträge. Ansonsten bleiben natürlich die schon oft beschriebenen anderen Sicherungsmöglichkeiten aktuell.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Es gibt ein Firefox-add-on namens Textarea Cache, das automatisch eine separate Zwischenablage für den jeweils neuesten Text, den man in einem Forum (oder einer ähnlichen Eingabemaske) begonnen hat, erstellt. Ich weiß nicht genau, was bei Abstürzen passiert, aber bei Bedienfehlern bleibt einem so der Text auf jeden Fall erhalten. Man darf es nur nicht ausnutzen und in drei threads gleichzeitig Antworten beginnen. Von denen wird nämlich immer nur eine abgespeichert.


    "https://addons.mozilla.org/en-US/firefox/addon/textarea-cache/"

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Es gibt ein Firefox-add-on namens Textarea Cache,...

    Das habe ich bereits einmal empfohlen. Dieses Add-On funktioniert natürlich bei jedem auf Mozilla basierenden Browser (Firefox ist lediglich der bekannteste) und hat den Vorteil, dass er durch das Speichern des Textes auf der Platte gegen mehr "Unfälle" absichert als das Sichern in der Zwischenablage.



    Zitat

    Man darf es nur nicht ausnutzen und in drei threads gleichzeitig Antworten beginnen.

    Das gibt es? Worauf die Leute so alles kommen... ;)
    Aber sogar dafür gäbe es eine Abhilfe: man kann die Standard-Zwischenablage durch Fremdutilities ersetzen, die in der Lage sind, sich mehrere Texte zu merken...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!