Von Mozart oder doch nicht? Sinfonia concertante KV 297b

  • Hallo!


    In diesem thread geht es um die


    Sinfonia concertante Es-dur für Flöte, Oboe, Horn und Fagott und Orchester KV297b,


    die vermutlich von Wolfgang Amadeus Mozart stammt. Es ist ein Werk, das ich schon lange kenne und immer wieder sehr gerne höre. Es wird trotz seiner umstrittenen Urheberschaft regelmäßig aufgeführt und liegt in vielen Einspielungen auf Tonträgern vor, in mindestens zwei verschiedenen Fassungen. Die "klassische" Version habe ich zweimal auf CD, nämlich auf diesen Samplern:

    Württembergisches Kammerorchester Heilbronn/ Jörg Faerber und
    English Chamber Orchestra/ Leopold Hager.
    Dann gibt es die Neukonstruktion von Robert Levin auf diesen CDs:

    Academy of St. Martin in the Fields/ Neville Marriner.


    Ich hoffe, Ulli äußert sich über die verzwickte Entstehungsgeschichte dieses Werkes und die Argumente, die für oder gegen Mozart als Komponisten sprechen, da weiß ich wahrscheinlich nicht so lückenlos bescheid.


    Alle Interessierten (nicht nur Ulli) hoffe ich, zum posten anregen zu können!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    der Thread freut mich, habe ich ihn doch bereits lange erwartet.


    Ich liebe diese Concertante seit frühester Kindheit über alles und habe sie - dank arkadischer Mithilfe - versehentlich mitgekauft [beim Erwerb ging es mir um das Klarinettenkonzert KV 622, gespielt mit Bassettklarinette]:



    Stephen Taylor, Oboe
    David Singer, Clarinette
    William Purvis, Horn
    Steven Dibner, Fagott


    ORPHEUS CHAMBER ORCHESTRA



    Zudem steht sie noch in meiner Lieblingshörtonart Es-Dur!


    Zum Glück ist die [derzeitige] Sachlage so, dass ich ruhig die Kuh aus dem Sack lassen kann, ohne groß in Meinungen zu beeinflussen:


    Von Mozart ist aus seinem Brief vom 5. April 1778 aus Paris an den Vater zu erfahren:


    Nun werde ich eine sinfonie concertante machen, für flauto Wendling, oboe Ramm, Punto waldhorn, und Ritter fagott [...].


    Am 1. Mai 1778 gibt es weitere Informationen:


    Nun aber mit der Sinfonie Concertante hat es wieder ein Hickl-Hackl. da aber glaube ich ist wieder was anders dazwischen. ich habe die Sinfonie machen müssen, in grösster Eyl, habe mich sehr befliessen, und die 4 Concertanten waren und sind noch ganz darein verliebt. Le gros hat sie 4 täg zum abschreiben. ich finde sie aber noch immer am nemmlichen Plaz liegen. Endlich den vorletzten Tag finde ich sie nicht - suche aber recht unter den Musikalien - und finde sie versteckt. thue nichts dergleichen. frage den Le gros. apropós. haben sie die Sinf: Concertant schon zum schreiben gegeben? - nein - ich habs vergessen. weil ich ihm natürlicher weise nicht befehlen kann daß er sie abschreiben und machen lassen soll, so sagte ich nichts. gieng die 2 täg wo sie hätte executirt werden sollen ins Concert. da kamm Ram und Punto im größten feüer zu mir, und fragten mich, warum den meine Sinfoni Concert: nicht gemacht wird? - das weis ich nicht. das ist das erste was ich höre. ich weis von nichts. der Ram ist fuchswild geworden, und hat in den Musique Zimmer französisch über den Le gros geschmählt, daß das von ihm nicht schön seye etce: was mich bey der gantzen sache am meisten verdriest, ist, daß der Le gros mir gar kein wort davon gesagt hat, nur ich hab nichts davon wissen därfen - [...]


    Mozart hat also eine Sinfonia Concertante für Flöte, Oboe, Clarinette und Fagott komponiert - in Paris, Frühjahr 1778. Diese wurde jedoch, aus welchen Gründen auch immer, nicht aufgeführt. Es ist auch bis heute kein Autograph dieser von Mozart beschriebenen Sinfonia Concertante in Erscheinung getreten. Deshalb ordnet Köchel das Werk unter KV 297B [man beachte: groß-B] mit dem Zusatz "verschollen" ein.


    Rein theoretisch geht es bei den aufgezeigten Einspielungen von Pius und mir nicht um diese Sinfonia Concertante, wenn hier KV 297b [klein-b!] genannt wird. Köchel verschiebt das Werk [297b] in die Abteilung "unterschobene Werke und Werke von zweifelhafter Autorschaft" nach KV Anh. C14.01.


    Jedenfalls ist meiner Ansicht mach folgendes festzuhalten:


    Erstens: Mozart komponierte im April/Mai 1778 eine Sinfonia Concertante
    Zweitens: Die Besetzung ist die nämliche für Flöte, Oboe, Clarinette und Fagott
    Drittens: Das Werk entstand in größter Eyle.


    An Drittens kann man nun einhaken und behaupten, dass Mozart - wie gewohnt - wegen der großen Eile nur die wesentlichen Teile des Werkes, also die Ritornelle, die Soli, die Kadenzen und gewisse spezielle Begleitfiguren ausschrieb und den Rest offen bzw. dem [gelernten] Kopisten überliess, wie es üblich war. Solange kein Autograph einsehbar ist, kann allerdings auch dies nur als vage Vermutung stehen bleiben. Aber: Wir können es mit ziemlicher Sicherheit annehmen. Daraus liesse sich dann in Verbindung mit der vereitelten Aufführung schliessen, dass Mozart das Werk in Paris zurückliess [er hatte es schliesslich an den Directeur der Concerts Spirituels, Jean Le Gros, verkauft] und irgendjemand es einige Jahre später ergänzt und vollendet, womöglich noch das Original vernichtet und [unter seinem Namen] veröffentlicht hat. Doch auch dafür gibt es letztlich bis heute keinen Beweis. Da Mozart nicht mehr Korrekturlesen konnte, sind einige Fehler in der Ergänzung, unüberhörbar.


    Die andere Seite ist, dass - je öfter ich das Werk höre - mir immer mehr Parallelstellen zu anderen Werken Mozarts ins Ohr fallen, welche ich allerdings in einer größeren Arbeit, die ich bereits begonnen, aber noch nicht abgeschlossen habe, erörtern und überprüfen will. Einige Wendungen im Werk sind absolut mozartuntypisch, was aber kein rund ist, das Werk selbst als Dilettantenwerk abstempeln zu müssen. Möglicher Weise hat hier jemand aus großer Verehrung gegen Mozart diese Concertante so geschickt zusammengeflickt, dass es bis auf den heutigen Tag eine Sysiphusarbeit ist, diesen Flickenteppich zu analysieren.


    Meiner persönlichen Hörmeinung nach hat dieses Werk noch weitaus mehr echte Mozartanteile, als die kürzliche beschriebenen Violinkonzerte Nrn. 6 u. 7, die in die selbe mutmassliche Entstehungszeit fallen und damit ggfs. auch dem selben Bearbeiter "zum Opfer gefallen" sind [wofür ich danke].


    Was allerdings Robert Levin da schon wieder rumfingert, ist mir nicht ganz klar [ist mir schon klar, macht aber keinen Sinn].


    Adieu
    Ulli


    Nachtrag:
    Möglicher Weise befand sich das Original einst in der Bibliothek des Conservatoire Paris, welche im 19. Jahrhundert von Flammen heimgesucht wurde. Dabei sind vermutlich auch etliche Werke Juan Crisóstomo Arriagas [er lebte von 1806 bis 1826 und starb in Paris, wo er am Conservatoire lernte und lehrte. Ihm wird ein immens großes kompositorisches Schaffen nachgesagt; erhalten sind nur 2 Ouvertüren, 3 Streichquartette und eine Sinfonie]zernichtet worden und - weil niemals gedruckt oder abgeschrieben - für immer verloren.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, Ulli!


    Danke für die ausführliche Informationen!


    Mir gefällt das Werk ebenfalls ganz außerordentlich gut. Was meinst Du damit, daß Du den thread lange erwartet hast? Eigentlich bist Du ja normalerweise derjenige, der solche threads eröffnet...


    Ich zitiere nun aus dem Beitext zur CD mit der Levin-Rekonstruktion, den ich glücklicherweise im WWW finden konnte:


    The Symphonie concertante in E flat (K. Anh. 9/297B) has a
    complicated history. According to Mozart's letters, it was
    commissioned in April 1778 by Jean Legros, director of the leading
    Paris concert series, the Concert spirituel. It was written for
    flautist Johann Baptist Wendling, oboist Friedrich Ramm, hornist
    Johann Wenzel Stich (alias Giovanni Punto), and bassoonist Georg
    Wenzel Ritter. Punto was a travelling virtuoso - perhaps the greatest
    hornist of all time - and the others were members of the Mannheim
    orchestra. However, Mozart's work was apparently replaced on the
    programme by an identically scored symphonie concertante of Giovanni
    Maria Cambini, and was never performed. Mozart suspected Cambini of
    intriguing against him in this case, and he was probably correct.
    Cambini was selling his symphonies concertantes by subscription in
    batches of 20, and had reason to fear the comparison that Mozart's
    work would have invited.
    Mozart sold the only score of his wind concertante to Legros. It has
    never been found. The nineteenthcentury Mozart biographer Otto Jahn
    subsequently discovered a concertante for oboe, clarinet, horn, and
    bassoon. We do not know where or how he found it, but the copy he had
    made for his personal library is the only source for the work known as
    the Sinfonia concertante in E flat, K. 297b/ Anh. C 14.01. Although
    this work has enjoyed world-wide popularity and is available in many
    recordings, there is no circumstantial evidence linking it with
    Mozart, and its authenticity has been challenged with increasing
    vigour. Nonetheless, a recent computer-assisted study by Daniel N.
    Leeson and myself demonstrates that while the solo parts to the
    disputed work are for a different instrumentation than Mozart's
    original, they display a specific pattern of proportions and thematic
    content found only in authentic Mozart concertos. We believe that a
    set of solo parts to Mozart's work somehow survived, and that someone
    missing orchestral accompaniment. Further details concerning Mozart's
    work (K. Anh. 9/297B), the dubious sinfonia concertante (K. 297b/Anh.
    C 14.01), the tests I performed on K. 297b/Anh. C 14.01, and the
    methods I used to reconstruct K. Anh. 9/297B from it, are contained in
    a book published by Pendragon Press. In the end, however, the music
    makes the best case, and my reconstruction (heard here for the first
    time) seeks to convince the listener directly that its essence is
    genuine Mozart.
    Robert D. Levin.


    Wie man sieht, wurden modernste Methoden zur Lösung der Fragestellung verwendet.
    Außerdem enthält der erste Abschnitt noch ein paar historische Hintergrundinformationen.


    Ach ja, noch eine Frage: Ist das wirklich ein Unterschied, ob "B" oder "b"?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    nun in dem Text steht ja nun auch nichts anderes drin, als ich's mir eben mit viel Mühe aus den Fingern gezapft habe... :motz:


    Ich bin sicher, dass das Werk in der existenten Urfassung, also in den vorliegenden Einspielungen besser ist, als eine "Rekonstruktion" aufgrund theoretischer und mathematischer Vergleiche mit anderen Werken Mozarts, obwohl ich die Levin'sche Fasung nicht kenne. Was nun, wenn das Autograph gefunden würde und sich herausstellt, die Sinfonia ist echt so wie sie ist? Aus diesem Grunde würde ich wirklich niemals ein [angebliches] Werk Mozarts in irgendeiner Form anrühren und "berichtigen" bzw. auf eine spekulative Form zurückrekonstruieren. Geldmacherei, soetwas finde ich zum :kotz:


    Das Werk erfreut sich bereits in der herkömmlichen Form großer Beliebtheit. Hätte ich in dem Wunsch, 297b zu erwerben versehentlich und unwissend die Levine-Version erwischt, - ich weiß nicht, was passiert wäre... Frisbie oder so.


    :stumm:


    Ulli



    Achso: 297B ist die verschollene Sinf: Concert:, welche Mzt. in seinem Briefen 1778 erwähnt. 297b ist die existente Sinf: Conc:, welche als unterschoben und nicht authentisch gilt; ist aber auch im unteren Absatz des engl. Textes angerissen.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Habe das Stück auch in der Bearbeitung von Levin mit Marriner.
    Hatte mir sogar die Mühe gemacht, den Rückseitentext von Livin hier reinzuschreiben, während im Hintergrund die Platte lief.
    Als ich sie nach ca 30 min umdrehen wollte und mich wieder an meinen Computer setzte berührte ich versehendlich mit dem linken Fuß den ein-/aus Knopf und alles war weg.
    Ich schreibs vielleicht morgen noch einmal

  • Hallo!


    Zunächst vielleicht etwas zum Werk selbst (hatte ich wohl vergessen zu erwähnen):


    Die Sinfonia Concertante ist dreisätzig: allegro-adagio-andantino con variazioni. Alle drei Sätze "klingen nach Mozart", sind sehr melodisch und klangschön. Ein Höhepunkt ist sicher die Kadenz im ersten Satz (ist original vorhanden) mit den vier Solisten. Am liebsten mag ich den Schlußsatz, ein schönes Thema mit 10 (schönen) Variationen.


    Was gegen Mozart als Komponisten sprach, ist die Tatsache, daß der zweite Satz ebenfalls in Es-dur steht. Das hat Mozart wohl sonst nie (?) gemacht.


    Ulli:

    Zitat

    Mozart hat also eine Sinfonia Concertante für Flöte, Oboe, Clarinette und Fagott komponiert


    Das stimmt so nicht und ist ein weiterer kritischer Punkt. Bekannt ist, daß Mozart das Werk für die Soloinstrumente Flöte, Fagott, Horn und Oboe komponiert hat. In der überlieferten Version ist aber eine Klarinette anstelle der Flöte vorgesehen. Mozart hatte aber zur Entstehungszeit nicht für Klarinetten komponiert.


    Zur Levin-Fassung: Ich habe mir heute konzentriert den dritten Satz in beiden Versionen angehört. Die Levin-Fassung ist deutlich länger, es werden also einige Abschnitte wiederholt, die in meinen anderen beiden ("ursprünglichen") Aufnahmen nicht wiederholt werden, außerdem schien mir die Reihenfolge einiger Variationen vertauscht.
    Zum Vergleich: 1.Satz - 2.Satz - 3.Satz
    Faerber: 13'17 - 9'12 - 9'49
    Hager: 13'45 - 9'08 - 8'45
    Marriner (Levin): 9'36 - 6'27 - 12'19 (auffällig anders)
    Zu der Neu-Orchestrierung: Keine Angst, die hat kein Compiuter erstellt, der war nur zum Noten-Daten-Auswerten da. Mir schien in der Levin-Fassung das Orchester "zurückhaltender". Die Bläserstimmen sind die selben.


    Fazit: Die alte Fassung klingt sehr schön und die Levin-Version - auch.


    Verwirrend finde ich die Opuszahlen: Auf zwei meiner drei Aufnahmen steht 297B, auf der anderen und in meinem einen Mozart-Buch steht 297b. Vielleicht wissen das die Leute selbst nicht so genau? In meinem anderen Mozart-Buch steht das Werk unter KV Anh.9 (Anh. C 14.01) , mal was anderes...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Verwirrend finde ich die Opuszahlen: Auf zwei meiner drei Aufnahmen steht 297B, auf der anderen und in meinem einen Mozart-Buch steht 297b. Vielleicht wissen das die Leute selbst nicht so genau? In meinem anderen Mozart-Buch steht das Werk unter KV Anh.9 (Anh. C 14.01) , mal was anderes...


    Salut,


    ich erklär's Dir gerne nochmals, wobei ich zugeben muss, dass ich es unterliess, die KV Anh. Nr. zu erwähnen:


    297B - ist die von Mozart brieflich erwähnte Concertante für Flöte, Oboe, Horn und Fagott


    297b - ist die existente, aber als unterschoben geltende Concertante für Oboe, Clarinette, Horn und Fagott, welche - da sie als nicht authentisch gilt - von den Köchlern in den Anhang unter C14.01 verschoben wurde.


    Die vorhandenen Einspielungen können sich daher nur auf KV 297b [alte, aber durchaus gängige Zählung] oder auf KV Anh. C14.01 [neue Zählung] beziehen.


    Von KV 297B kann es mangels irgendwelcher Notentextüberlieferungen keine Aufnahme geben.


    Zitat

    Ulli: Zitat:


    Das stimmt so nicht und ist ein weiterer kritischer Punkt. Bekannt ist, daß Mozart das Werk für die Soloinstrumente Flöte, Fagott, Horn und Oboe komponiert hat. In der überlieferten Version ist aber eine Klarinette anstelle der Flöte vorgesehen. Mozart hatte aber zur Entstehungszeit nicht für Klarinetten komponiert.


    Hier ist mir tatsächlich ein Fehler unterlaufen, der sich aber wie folgt klären lässt: Der Irrtum beruht auf einer Aussage Mozarts in seinem Brief vom 3. Oktober 1778 aus Nancy an den Vater, worin er u.a. von seiner Rückkehr nach Salzburg schrebt:


    [...] mithin werde ich nichts fertiges mitbringen als meine sonaten; - denn die 2 ouvertüren und die sinfonie Concertante hat mir Le gros abgekauft; - er meint er hat es allein, es ist aber nicht wahr; ich hab sie noch frisch im kopf, und werde sie, sobald ich nach hause komme, wieder aufsetzen; [...]


    Hierzu äußerte die Mozartforschung einst, Mozart habe bei diesem Arbeitsschritt die Soloinstrumente ausgetauscht. Für Salzburg selbst wäre das allerdings kaum denkbar gewesen, da hier gute Solo-Clarinettisten derzeit eine Seltenheit waren. Clarinetten tauchen in Mozarts Werk erst wieder im Idomeneo auf, welchen er zwar teils in Salzbrug - aber für München - komponierte. Dies wiederspricht aber nicht der grundsätzlichen Annahme, dies nach wie vor als möglich einzustufen. Um so interessanter ist die Tatsache, dass Mozart in seiner Pariser Sinfonie Clarinetten [gar zwei] verwendet, nicht aber in der Concertante [auch nicht im Orchester].


    Oft werden die "beiden" Concertanti in einen Topf geworfen - im Prinzip auch bei mir -, denn es ist nachweislich nur eine komponiert worden. Sollte KV 297b = KV Anh. C14.01 die in Salzburg aus dem Kopf notierte sein, so gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit enorme Übertragungsfehler - anders wären in diesem Falle verschiedene dilettantisch wirkende Passagen [oh Gott! Hoffentlich ist sie jetzt nicht wirklich echt!] nicht erklärbar...


    Die beiden Ouvertüren, welche Mozart in dem Briefzitat anspricht [KV 311A und 311a :D = Anh. C11.05] müssen ebenfalls als verloren gelten. Teils wurde und wird auch davon ausgegangen, dass es sich bei zumindest einer der erwähnten Ouvertüren um die Pariser Sinfonie [Sinfonia = Ouvertüre] handelt. Interessant wäre dann hier der Aspekt, dass das Manuskript der "Pariser", welches ebenfalls Le Gros erworben hat, bis heute erhalten ist, nicht aber die auch von Le Gros erworbene Concertante.


    Als Sinfonia concertante wurden übrigens auch [von Mozart selbst] die Werk-in-Werk-Sätze, d.h. einige Sätze aus den Serenaden, bezeichnet [z.B. Haffner- oder Posthornserenade, hier 4ter bzw. 3ter Satz], in denen Instrumente solistisch verwendet wurden.


    Man wird auf weiteres Material aus der Pariser Zeit hoffen müssen...


    Addio
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, Ulli!


    Zitat

    Was bitte ist die "Urfassung" von KV 297b ?( ?( ?(


    Ich nehme die Frage hier auf.
    Ich denke, damit ist eine der hier erwähnten Fassungen gemeint, eine Rekonstruktion oder die überlieferten Noten mit angepaßter Instrumentierung.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    oha - dann war jemand so mutig, und hat die Clarinetten-Stimme gegen eine Flötenstimme getauscht. Das will ich lieber nicht hören...


    Davon abgesehen kann es keine Urfassung von 297b geben, es wären dann eine rein fiktive Rekonstruktion von 297B.


    Danke!


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,
    ich habe heute beide Sinfoniae (d.h. Violine+Viola und Oboe+ Klarinette) in der Einspielung von Böhm mit den Berliner Philharmonikern als "dg-Original" entdeckt.
    Wer - Alfred? - kennt diese Einspielung und kann sie beurteilen? Gibt es andere Empfehlungen?

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Salut,


    Du meinst diese:



    Die Solisten Thomas Brandis und Giusto Cappone [KV 364] sagen mir leider gar nichts.
    Ebensowenig Karl Steins, Gerd Seifert, Günther Piesk, Karl Leister [KV 297b].


    Da muß wohl Alfred ran...


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Leister ware der langjährige Soloklarinettist der Berliner; ich nehme an die anderen Herren hatten entsprechende Positionen inne (aber kennen tu ich diese Aufnahmen nicht).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    ich dachte mir auch, dass es Rekruten aus den eigenen Reihen sein könnten, getraute mich aber nicht, das zu formulieren. Deswegen aber muß es keinesfalls schlecht sein.


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Thomas Brandis war erster Konzertmeister der Berliner und Begründer des Brandis-Quartetts! Der Mann sollte in Deutschland bekannt sein....


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Nach fünf Jahren krame ich diesen Thread mal wieder hervor...


    Neulich erwarb ich eine CD mit Bläserwerken von Werner Egk (1901-1983). Warum erwähne ich das hier?


    Egk verband eine enge Beziehung zum Bläser Ensemble Mainz. Neben einer Bearbeitung seiner Ouvertüre zur Oper 'Die Zaubergeige' und einem netten, kleinen Divertissement für eine seltsame Bläserbesetzung (inklusive einer Trompete) hat er für dieses Ensemble auch die Sinfonia Concertante KV 297b (Klein-b, Ulli... :D) umgeschrieben für zwei Bläserquartette und Kontrabass.


    Das Booklet rechtfertig diese Bearbeitung zum einen mit der unklaren Quellenlage, die Ulli ja erschöpfend dargelegt hat, und der Tatsache, dass diese Fassung auch nicht so viel unwahrscheinlicher sei als die bekannte (diesem Argument kann ich mich so nicht anschließen, gebe es hier nur wieder), zum anderen mit der Angewohnheit Mozarts, eigene Werke durchaus immer mal wieder für andere Besetzungen, insbesondere auch Bläser, einzurichten .


    Ein Komponist wie Egk braucht m.E. keine Rechtfertigung, um ein Werk gekonnt zu bearbeiten, solange er den Urheber des Werks nur ordentlich erwähnt.


    Was hier entstanden ist, klingt immer noch nach Mozart. Allerdings erinnert es mich eher an die großen Serenaden (B-dur "Gran Partita" KV 361, Es-dur KV 275 und c-moll KV 388 für Bläser) als an ein Solo- oder Gruppenkonzert.


    Ich betrachte diese Fassung als unterhaltsame Ergänzung zu der bekannten Fassung von 297b, nicht für eine Alternative. Beim vergleichenden Hören der beiden u.g. Aufnahmen liegt bei mir die 'klassische' Fassung immer noch vorne. Nichtsdestotrotz musiziert das Mainzer Bläser Ensemble tadellos und mit großer Spielfreude und Einfühlungsvermögen. Den langsamen Satz fand ich extrem emotional stark.


  • Die Geschichte dieser Komposition ist ja vom ehemaligen User, Mozart-Kenner und Vielschreiber Ulli vom Sirius ausführlich dargestellt worden. Ich persönlich kann dem eigentlich nur hinzufügen, daß mir die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieses Werkes immer wie ein Krimi vorkam.


    Um das Jahr 1970 sagte mir ein befreundeter Dirigent des Hagener Theaters, der diese Konzertante Sinfonie auf das Programm eines Sinfoniekonzerts gesetzt hatte und mit dem ich über die zweifelhafte Autorschaft Mozarts diskutierte, daß die unentschiedene Frage für ihn kein Grund sei, Mozart als Komponisten abzulehnen. Das sei Sache der Forschung und so lange es keine Klarheit gebe, bleibe es eben für ihn bei Mozart. Gleichwohl gab er natürlich zu, daß es kein Konzert, keine Sinfonie, auch kein kammermusikalisches Werk Mozarts gebe, in dem alle Sätze in einer Tonart stünden und das schon Grund sei, das Werk zu hinterfragen.


    Filtert man die Literatur zu KV 297B(b), dann läßt sich (nach Martin Staehelin) folgendes feststellen:


    Mozarts Original ist verschollen. Das heute bekannte Stück (KV Anhang C 14.01) kam in den 1860er Jahren in die Hände von Ott Jahn, der sich eine Partiturabschrift erstellen ließ. Diese wird heute in Berlin aufbewahrt, wobei das Original dieser Abschrift auch schon wieder im Orkus verschwunden ist. Staehelin findet die konzertante Sinfonie bei allen Fehlern und Schwächen nicht nur geschickt ausgeführt, sondern auch in Teilen von erstaunlicher Reife.


    Levin meint, die Solostimmen seien grundsätzlich echt und mozartisch, die Umarbeitungen aber von fremder Hand und (vor allen Dingen) der Orchesterpart von einem französischen Komponisten um 1820/30 nachkomponiert worden.


    Wie dem auch sei: solange keine Klarheit besteht, ist es für mich ein Werk Mozarts. Auf Programmankündigungen kann man ja hinter Mozarts Namen ein Fragezeichen setzen...


    meint der

    .


    MUSIKWANDERER


  • Bereits Mitte der 80 kaufte ich mir diese Marriner-Platte, die lange meine einzige war, da für mich in den Folgejahren für einen Neukauf nur eine HIP-Einspielung in Frage kam. Diese gabs aber damals nicht, insofern war ich damit zufrieden.








    Erst kürzlich wurde ich im Rahmen meiner Karl-Böhm-Schwärmerei auf diese CD aufmerksam. Noch vor ein paar Jahre für mich undenkbar erfahre ich hier zwar einen leicht „antiquierten“ Mozart, der absolute Laune macht und in gewisser Weise auch heute noch als ein Maß-der Dinge gelten kann.







    Als ich mich in jüngster Zeit in alte tschechische Aufnahmen verliebte, fiel mit u.a. Diese aus 1949 mit Vaclav Talich in die Hände, die, wenngleich klanglich nicht auf der Höhe der Zeit, absolut und mit großem Genuss zu hören ist. Auf eine andere Art als Böhm auch irgendwie recht „betulich“, aber mit einer Grandezza, die einmalig ist. Fabelhaftes Spiel der tschechischen Philharmoniker. Große Empfehlung.






    Absolut von den Socken haute mich dann diese Einspielung unter Vaclav Smetacek und den Tschechischen Philhamonikern der losfetzt, als ginge es darum, der heutigen Konkurrenz rechtzeitig klarzumachen was Sache ist. Die Klangqualität ist absolut zeitgemäß. Oftmals recht großzügiger Umgang in der Melodieführung und vermutlich nicht immer sklavisch an den Noten festhaltend wird hier ein ausgesprochen launiger und kurzweiliger Mozart gespielt. Mittlerweise meine klare Nr 1. Und die alten tschechischen Bläser hatten halt einfach was….

  • Als ich heute den Thread über Mozarts Sinfonia Concertante KV 364 eröffnete, kam mir natürlich auch ein zweites Werk in den Sinn, über dessen Urheberschaft, wie schon im Thread-Titel gesagt, allerdings bis heute gewisse Zweifel herrschen. Immerhin wird es Mozart zugeschrieben, und nach meinem Empfinden trägt es auch deutlich seine Handschrift, die             

    Sinfonia Concertante Es-Dur für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester KV 297b.


    Wie ich soeben feststellte, ist hier eine ganz bedeutende Aufnahme des Werkes bisher nicht genannt worden, die in dieser 4 CD-Box enthalten ist:

    Herbert von Karajan Edition Vol. 1

    mit den Solisten Sidney Sutcliffe (Oboe), Bernard Walton (Klarinette), Dennis Brain (Horn), Cecil James (Fagott),

    und dem Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Herbert von Karajan (Aufnahme: 11/1953, London, Mono).


    Von den Solisten ist wohl den meisten Musikfreunden der Hornist Dennis Brain noch ein Begriff, der mit Karajan u.a. die inzwischen legendäre Aufnahme der 4 Hornkonzerte Mozarts eingespielt hat (EMI-Columbia, 1953) und am 1. September 1957 auf der Rückfahrt von einem Konzert 36jährig tödlich verunglückte.

    Aber auch die übrigen Solisten waren Meister ihres Fachs und wirkten über viele Jahre im 1946 von Walter Legge gegründeten Philharmonia Orchestra an bedeutender Stelle mit.

    Heute begehen wir den 30. Todestag von Herbert von Karajan, und ich möchte auch mit dieser alten Aufnahme an ihn erinnern. Viele Klassikfreunde halten noch heute Karajans Londoner Aufnahmen (1948 bis 1960) für seine künstlerisch bedeutendsten Aussagen. Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein ….

    Jedenfalls hielt die Redaktion von FonoForum Karajans Aufnahme von KV 297b für so bedeutend, daß man sie sogar für würdig befand, in den "Musik-Report '71" aufgenommen zu werden, der eigentlich nur Stereo-Aufnahmen empfahl. Der Rezensent lobt in seiner Besprechung das integrierte, sinfonische Musizieren des Ensembles.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Nemorino,


    Ich stelle immer wieder verblüffende Gemeinsamkeiten fest wenn es um die Beurteilung älterer Aufnahmen geht.


    Auch diese Sinfonia Concertante KV Anh 297b ist eine meiner Lieblingskonzerte von MOZART, und Du wirst es nicht glauben, genau in dieser Einspielung durch das PHILHARMONIA ORCHESTRA LONDON unter HERBERT VON KARAJAN, mit dem unvergeßlichen genialen DENNIS BRAIN (spielte auch BEETHOVEN's Hornsonate großartig) habe iich mir dieses Werk ausgewählt. Ich ließ mir die LP 1960 aus England kommen, da ich diese in Deutschland damals nicht bekam. Doch sind auch der Oboist SIDNEY SUTCLIFFE (06.10.1918 - 05.07.2001 - 1. Oboist im LSO, PHILHARMONIA ORCHESTRA und BBC SYMPHONY ORCHESTRA) , der Klarinettist BERNARD WALTON (1917 - 03.06.1972 - 1. Klarinettist im LONON PHILHARMONIC ORCHESTRA) und der Fagottist CECIL JAMES (10.04.1913 - 13.01.1999 - 1. Fagottist im PHILHARMONIA ORCHESTRA - die ganze Familie waren Fagottisten) absolute Könner ihres Fachs. Eine Aufnahme, bei der man sich sowohl über die herrliche Bläsermusik, wie auch über die wunderbar harmonierenden Solisten beigeistern kann.


    Viele Grüße

    wok .

    .

  • Ein wenig enttäuscht war ich von dieser Aufnahme:

    ….. weniger von den hervorragenden Solisten, sondern von der ziemlich pauschalen "Begleitung" durch Hans Vonk und die Staatskapelle Dresden (Aufnahme: 1990).

    Es liegt nach meinem Empfinden auch nicht am Orchester, sondern ich werde das Gefühl nicht los, daß der Dirigent nicht den rechten Zugang zu dieser Musik hat (bzw. hatte, als die Aufnahme gemacht wurde).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Die habe ich,


    Sehr klangschön, mit der Begleitung kann ich leben.....aber ich habe mir nun auch noch die Böhm Aufnahme bestellt - die wurde ja auch im KV 364 Thread gelobt.


    Kalli

  • ich habe mir nun auch noch die Böhm Aufnahme bestellt

    Hallo kalli,


    das war eine gute Entscheidung. Bin gespannt auf Deine Eindrücke.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich stelle immer wieder verblüffende Gemeinsamkeiten fest wenn es um die Beurteilung älterer Aufnahmen geht.

    Lieber wok,


    das liegt wahrscheinlich daran, daß wir beide etwa zur gleichen Zeit mit dem Plattensammeln anfingen und damit auch mit den damals führenden Künstlern in Berührung kamen. Es ist jedenfalls schön, wenn man seine Eindrücke über die alten, unvergänglichen Aufnahmen austauschen kann. Andererseits führt es dazu, daß man irgendwann den Anschluß verliert und neuere Aufnahmen nicht richtig wahrgenommen werden.


    Liebe Grüße nach Málaga,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,


    Ja, auch wenn man bei seinen Interpretationsvergleichen auch ältere Aufnahmen, selbst in mono, immer sehr stark mit einbezieht, darf es natürlich nicht so sein, daß man den Blick für das aktuelle Musikleben zu sehr verliert.

    So interessiere ich mich durchaus auch jederzeit für neue Aufnahmen und besuche auch Konzerte junger Künstler (erst am Dienstag ein open-air Konzert mit einem russischen und einem italienischen Pianisten, das mich sehr beeindruckte), und es gibt auch einige jüngere Interpreten, vor allem Pianisten, Geiger oder Kammermusik-Ensembles, für die ich mich begeistern kann, doch stelle ich eben sehr häufig fest, daß es zwar heute Interpreten mit einer schier unglaublichen Technik fast zu Hauf gibt, daß ich bei vielen aber dann doch den Tiefgang vermisse - vor allem wenn es um klassische oder romantische Werke geht - und ich immer wieder zu der Meinung komme, daß ältere Aufnahmen oft mehr Seele hatten und mehr berührten. Man muß natürlich aufpassen, daß man sich nicht an den Duktus einer einstigen Lieblingsaufnahme zu sehr gewöhnt, und man kein objektives offenes Ohr mehr für andere Spielweisen und Deutungen hat, doch kann ich mir z. B. kaum vorstellen, daß es jemals noch einen Pianisten geben könnte, dessen Interpretationsweise mich noch einmal mehr überzeugen könnte als ein BACKHAUS wenn es um BEETHOVEN geht, da dieser das Bild, das ich von BEETHOVEN und seiner Werke nun mal habe, genauso verkörpert wie beethoven'sche Musik in mir selbst erklingt.


    Da es eine solche unglaubliche Zahl neuer Talente im Bereich klassischer Musik gibt, für die oft auch die Werbetrommel sehr stark gerührt wird, besteht natürlich dadurch immer mehr die Gefahr, daß selbst unsere besten "alten" Interpreten und Aufnahmen in Vergessenheit geraten, und es muß ja jemanden geben, der dieser Entwicklung entgegenwirkt, und immer wieder an diese durch entsprechende Beiträge in unserem Forum erinnert.


    Viele Grüße

    wok