Ergeben sich aus der musikalischen Sozialisation bleibende Prägungen?

  • Ausgegliedert aus Musik verstehen - von Gustav Mahler



    Ich habe meine Zweifel, dass der Geschmack für bestimmte Musik "Veranlagung" ist, da sich (zumindest bei manchen) der Geschmack weiterentwickelt und durchaus auch in unvorhergesehener Weise. Eher glaube ich, dass man sich, durch jahrelanges intensives Hören bestimmter Musik selbst so konditionieren kann, dass einem manch anderes nicht mehr gefällt bzw. man erstmal ziemliche Schwierigkeiten damit haben kann.
    In jedem Falle weiß man aber vorher normalerweise nicht, ob man die Veranlagung hat, bestimmte Musik (nicht) zu mögen, oder ob man eben nur etwas mehr Zeit für einen Zugang benötigt (etwa aufgrund vorheriger einseitiger Hörerfahrung o.ä.). Andererseits muss man sich natürlich nicht quälen, wenn einem etwas nicht gefällt. Für beinahe jede Musik werden sich musikalische und kundige Leute finden, denen sie nicht gefällt. Aber viele kennen eben auch Erlebnisse, dass auf einmal der Groschen gefallen ist, nachdem man bestimmte Musik vorher lange nicht mochte oder nichtssagend fand.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe meine Zweifel, dass der Geschmack für bestimmte Musik "Veranlagung" ist, da sich (zumindest bei manchen) der Geschmack weiterentwickelt und durchaus auch in unvorhergesehener Weise. Eher glaube ich, dass man sich, durch jahrelanges intensives Hören bestimmter Musik selbst so konditionieren kann, dass einem manch anderes nicht mehr gefällt bzw. man erstmal ziemliche Schwierigkeiten damit haben kann.
    In jedem Falle weiß man aber vorher normalerweise nicht, ob man die Veranlagung hat, bestimmte Musik (nicht) zu mögen, oder ob man eben nur etwas mehr Zeit für einen Zugang benötigt (etwa aufgrund vorheriger einseitiger Hörerfahrung o.ä.). Andererseits muss man sich natürlich nicht quälen, wenn einem etwas nicht gefällt. Für beinahe jede Musik werden sich musikalische und kundige Leute finden, denen sie nicht gefällt. Aber viele kennen eben auch Erlebnisse, dass auf einmal der Groschen gefallen ist, nachdem man bestimmte Musik vorher lange nicht mochte oder nichtssagend fand.


    Meine Aussage war in dieser Form sicherlich zu apodiktisch, aber in der Tendenz, denke ich stimmt das schon. Ich nehme an, du spielst nicht zuletzt auf deine "Karriere" als Bachhörer an, die ja anfangs nicht so glatt lief. In diesem Fall kommt natürlich ganz einfach der Faktor der zeitlichen Distanz dazu (obwohl Bachs Musik zeitlos ist ;) ), was eine gewisse Fremdheit bzw. Emotionslosigkeit suggerieren kann. Hier kann einhören tatsächlich nützen. Bei Mahler, der uns zeitlich und "emotional" wesentlich näher steht, halte ich das schon für sehr unwahrscheinlich, umso mehr bei einem "alterfahrenen" Musikliebhaber wie Yorrick.


    Meines Wissens warst du ja von Beethoven sofort gepackt, und dieser Komponist ist auch dein Favorit geblieben. In den hinteren Rängen kann sich immer etwas zum im gewissen Maße besseren wenden, häufiger scheint es mir aber vorzukommen, dass man gewisse Komponisten später weniger schätzt als anfangs.


    Die Erfahrung, dass wiederholtes Hören, meine Zuneigung zu gewissen Stücken fördert, habe ich persönlich jedenfalls relativ selten. Ein Beispiel wäre vielleicht Brahmsens Violinsonate in A-Dur, die ich anfangs überhaupt nicht leiden könnte, jetzt aber mein Favorit unter den dreien ist. Die zweite Cellosonate aber, z.B, ist mir nach wie vor unsympathisch.

  • Ich habe meine Zweifel, dass der Geschmack für bestimmte Musik "Veranlagung" ist, da sich (zumindest bei manchen) der Geschmack weiterentwickelt und durchaus auch in unvorhergesehener Weise. Eher glaube ich, dass man sich, durch jahrelanges intensives Hören bestimmter Musik selbst so konditionieren kann, dass einem manch anderes nicht mehr gefällt bzw. man erstmal ziemliche Schwierigkeiten damit haben kann.

    Dieser Meinung bin ich unbedingt! Wie sich Genetik und Sozialisation auch sonst die Hand geben und wechselseitig durchdringen!

  • Für beinahe jede Musik werden sich musikalische und kundige Leute finden, denen sie nicht gefällt. Aber viele kennen eben auch Erlebnisse, dass auf einmal der Groschen gefallen ist, nachdem man bestimmte Musik vorher lange nicht mochte oder nichtssagend fand.


    Absolut richtig. Nichts hinzuzusetzen. Glatte 1.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Meine Aussage war in dieser Form sicherlich zu apodiktisch, aber in der Tendenz, denke ich stimmt das schon. Ich nehme an, du spielst nicht zuletzt auf deine "Karriere" als Bachhörer an, die ja anfangs nicht so glatt lief.

    Bachs Klaviermusik waren bei mir ein solcher Fall unter sehr vielen; wie weiter oben schon gesagt, gehört auch Mahlers 9. dazu. Debussy, auch Wagner war für mich als Anfänger eine "Klangwolke", Bergs Lyrische Suite oder sein Streichquartett op.3 selbst mit 10 oder mehr Jahren Hörerfahrung weitgehend unverständlich. Händels Messiah hörte ich mit 18 auf deutsch im Konzert, mit ca. 24 kaufte ich mir eine Aufnahme und fand das insgesamt eher langweilig; ein Jahr oder so später hörte ich dann nochmal eine Aufführung und dann hat es geklingelt, und das ist nun verglichen mit Mahler oder Berg ein sehr eingängiges Stück, von dem ich heute ein dutzend Ohrwürmer habe. Schuberts 9. ist bis heute nicht mein Lieblingswerk, aber beim Ersthören war ich ziemlich enttäuscht, beinahe abgestoßen, mochte nur das Trio und Teile des langsamen Satzes.


    Natürlich hängt es von der Hörerfahrung ab und im konkreten Falle bei Yorick vs. Mahler magst Du recht haben, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist. "Hörerfahrung" kann jedoch auch eine einseitige Selbst-Konditionierung sein. (Gutes Beispiel: unser Tamino-Adminstrator, der sich nach 40 Jahren Haydn bis Rossini plus Vivaldi und ein wenig Verdi nur sehr zögerlich anderer Musik nähern kann und meistens eh schon weiß, dass ihm X nicht gefallen wird. Daher lieber noch ein unbekannter Meister des italienischen Spätbarock oder der Wiener Klassik.)
    Veranlagung ist für mich so etwas wie Musikalität überhaupt, die ist ohne Zweifel stark erblich, obwohl sicher auch in vieler Hinsicht ausbildbar; dass ein so spezifischer Geschmack wie Bruckner hui, Mahler pfui veranlagt sein soll, leuchtet mir aufgrund meiner (natürlich laienhaften und rudimentären Kenntnisse darüber, was veranlagt ist und was umgegebungsgeprägt, nicht ein. Aber vielleicht habe ich das auch zu wörtlich genommen.



    Zitat

    Meines Wissens warst du ja von Beethoven sofort gepackt, und dieser Komponist ist auch dein Favorit geblieben. In den hinteren Rängen kann sich immer etwas zum im gewissen Maße besseren wenden, häufiger scheint es mir aber vorzukommen, dass man gewisse Komponisten später weniger schätzt als anfangs.

    Meine Einstiegswerke waren wohl hauptsächlich Dvoraks Neue Welt, Tschaikowskys 1. Klavierkonzert, 5. und 6. Sinfonie, Ouverture 1812, Capriccio italienne. Die letzten beiden Stücke höre ich mir heute normalerweise nicht mehr freiwillig an, die anderen sind alle keine Lieblingswerke. Von Beethoven hat mir einiges sofort gefallen, anderes wie etliche der Klaviersonaten (einschließlich "Waldstein") fand ich eher langweilig. Von Haydn habe ich eine Handvoll später Sinfonien sehr früh kennengelernt, obwohl die mir gefielen, wurde er erst einmal von Mozart und Beethoven, später auch Brahms u.a. vollkommen verdrängt und zum großen Haydn-Freund wurde ich erst allmählich, beinahe 10 Jahre später. Eher noch länger dauerte es, von je ein paar Einzelwerken abgesehen, bei Chopin und Schumann usw., ich weiß das natürlich oft nicht mehr im Einzelnen.
    Aber in meiner Erfahrung ist es tatsächlich beinahe der Normalfall, dass sich der Geschmack entwickelt. Ich habe aber anscheinend auch weniger stark ausgeprägte Abneigungen als viele andere Hörer. Die Werke, mit denen ich Schwierigkeiten hatte, fand ich meistens eher langweilig oder nichtssagend als direkt abstoßend
    Selbst ein Werk, das ich nicht freiwillig auflege, kann mir einmal im Jahr angehört gefallen. Echter Widerwille würde sich vermutlich aber einstellen, wenn ich zB von "Aus Holbergs Zeit" oder "Marche slave" an einem Nachmittag drei Aufnahmen im Vergleich hören sollte oder so... ;)

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  • Aber vielleicht habe ich das auch zu wörtlich genommen.


    Tatsächlich habe ich das ganze nicht allzu streng oder gar unter dem genetischen Gesichtspunkt gesehen. Es ist auch klar, dass meine These im Detail sehr angreifbar ist, weshalb ich noch ein paar Modifikatien vornehmen möchte. Mehr als "Veranlagung" wäre sicher "Prägung" ein Ausdruck, der hier anwendbar wäre. Ich denke, wenn man beginnt klassische Musik zu hören, hat sich schon einiges in der Persönlichkeitsentwicklung getan. Selbstverständlich reift man auch noch später als Persönlichkeit, aber vielleicht nicht mehr in dem starken Maße wie in der Jugend und Adoleszenz. Außerdem muss man wohl die absolute Anfangsphase (bei dir Tschaikowsky) ausklammern, da hier das Ohr wirklich noch trainiert werden muss, damit man etwas sinnvolles aus dem "Klangbrei" filtern kann. Was sich meiner Meinung nach allerdings sehr früh entscheidet, ist, ob man z.B die Spätromantik mag oder nicht (auch Oper vs. Nicht-Oper wäre ein fundamentaler Punkt). Meiner Beobachtung nach verschieben sich die Vorlieben in solchen Punkten später kaum noch. Dass du Haydn erst später schätzen gelernt hast, hat sicherlich auch mit der Distanz dieser Werke zu unserem heutigen Empfinden zu tun. Dennoch sehe ich das als graduelle Entwicklung. Im Gegensatz glaube ich nicht, dass du jetzt ein Debussyist oder Wagnerianer geworden bist. Auch ich kann viele spätromantische Werke mit Interesse und einem gewissen Wohlwollen hören, aber "Lieblingsmusik" wird das nie werden. Rundherum ablehnen tue ich praktisch kaum Komponisten. Eigentlich fiele mir nur einer ein (Mahler ist es nicht), aber wenn ich auswerten müsste, wie oft etwas von welchem Komponisten in den CD-Spieler wandert, dann schneidet die Spätromantik generell sehr schlecht ab - außer ich habe mir wieder einmal vorgenommen, ein Stück aus quasiwissenschaftlichem Interesse anhören zu wollen.


    Wo ich dir absolut rechtgeben mus, dass gewisse "Aha"-Effekte durchaus als Katalysator dienen können. Mendelssohn, z.B. habe ich relativ spät entdeckt (lange nach Bach, Haydn, Schubert, Beethoven) als ich mir mehr oder weniger zufällig eine Naxos-CD mit dem f-moll Streichquartett gekauft habe. Dieses Werk ist für Mendelssohn untypisch und trotzdem hat es eine gewisse positive Grundeinstellung auch zum übrigen Oevre bewirkt.

  • Natürlich hängt es von der Hörerfahrung ab und im konkreten Falle bei Yorick vs. Mahler magst Du recht haben, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist. "Hörerfahrung" kann jedoch auch eine einseitige Selbst-Konditionierung sein.
    ...
    Veranlagung ist für mich so etwas wie Musikalität überhaupt, die ist ohne Zweifel stark erblich, obwohl sicher auch in vieler Hinsicht ausbildbar; dass ein so spezifischer Geschmack wie Bruckner hui, Mahler pfui veranlagt sein soll, leuchtet mir aufgrund meiner (natürlich laienhaften und rudimentären Kenntnisse darüber, was veranlagt ist und was umgegebungsgeprägt, nicht ein. Aber vielleicht habe ich das auch zu wörtlich genommen.

    Sehr schön gesagt: Genau das war ja der Grund für meine besorgte Anfrage, ich möchte vielleicht nicht normal sein! :)


    P.S. Vielleicht kann man das Problem "Zugang zur Musik - Veranlagung, Prägung, Weiterentwicklung" auslagern in einen eigenen Thread, ist ja doch recht spannend und nicht allein auf Mahler bezogen!

  • Dieser Meinung bin ich unbedingt! Wie sich Genetik und Sozialisation auch sonst die Hand geben und wechselseitig durchdringen!


    Und durch welche Sozialisation und Genetik erklärst du meinen "Hörer-Werdegang"?


    Meinen Weg von Jean Michel-Jarre, Mike Oldfield, Toto, Police, Fisher Z, Saga, allen möglichen Pop- und Rockinterpreten und auch Jazz zu Beethoven?


    Ich habe in der Musik immer das originelle, den Einfallsreichtum geliebt. Die Idee von Musik muss mich überzeugen, Musik muss phantasievoll sein, verbunden mit Könnerschaft der Interpreten.


    Auch eine Prise Extase darf sie enthalten, z.B. das fantastische Musikvideo der Doors mit dem Titel "Light my fire", irgendwann aus den Sechzigern, das durch seine Machart, das Spiel mit den Schatten, dazu dieser selbstvergessene Synthi-Sound, eine ganz eigene Atmosphäre schafft.


    Doch, es lässt sich bei mir eine bleibende Prägung , besonders durch die Rockmusik, feststellen. Nämlich das ich immer noch gute Stücke wie von Dire Straits "Telegraph Road" oder von Yes "Changes" immer wieder gerne höre, Yello, die kein Instrument beherrschen aber hervorragende Klangbilder schaffen, die einfach nur eine Idee von Musik ausleben, humorvoll, raffiniert.


    Ich lasse mich in kein Schema pressen, weder von einer Popindustrie noch von irgendwelchen Genetikern oder Genetik-Jüngern.


    Übrigens halte ich Rammstein mit für das Beste, was es an deutschsprachiger Musik gibt :stumm:


    Und über allem schwebt Beethoven :angel:

  • Ein interessantes Thema wie ich finde! Zwar bin ich da auch nur blutiger Laie - aber wenigstens aus eigener Erfahrung / Beobachtung kann ich vielleicht ein paar Worte beisteuern. Die titelgebende Eingangsfrage würde ich dabei tendenziell mit 'ja' beantworten. Üblicherweise fand der erste Kontakt mit klassischer Musik bei den meisten von uns, so behaupte ich, wohl durch die Eltern statt. So war es jedenfalls bei mir (hauptsächlich Musik aus dem klassisch/romantischen Spektrum) - und wenn ich die Klassik auch lange Jahre nicht mit ernsthafter Beschäftigung mit selbiger gewürdigt habe, so hatte sie doch immer ihren Platz an meinem geistigen Horizont. Das Umlegen des sprichwötlichen Schalters verdanke ich übrigens wiederum meiner Mutter, die mich zu einer Aufführung von Mahlers 2. Sinfonie mitgenommen hat. Seitdem ist es um mich geschehen. Auch wenn sich natürlich zeigen wird, was die Zukunft noch bringt...


    Soweit die Sozialisation. Zum Wesentlichen, was die Ausbildung von (Musik-)Geschmack angeht, kommen wir m. E. aber erst mit dem Stichwort der Veranlagung - erst die sorgt dafür, sich ernsthaft für bestimmte Arten von Musik zu interessieren. Oder eben nicht. Wer nicht ein gewisses Grundinteresse an Neuem und eine Begeisterungsfähigkeit für Kunst per se mitbringt, der wird wohl nie etwas ausbilden, was zumindest ich Geschmack nennen würde. Eben den würde ich überheblicherweise z. B. den meisten Leuten absprechen wollen, die morgens meinetwegen 'Antenne Dingdong' einschalten und sich den ganzen Tag willenlos von dem weichgespülten Massenpop berieseln lassen, der ihnen vorgesetzt wird. Im Gegensatz dazu erfordert es eben die 'richtige' Veranlagung, neues zu erforschen und einen eigenen Geschmack auszubilden, sich mithin selbst zu prägen. Und das womöglich durchaus auch gegen die eigenen Sozialisations-Erfahrungen.


    Spannend finde ich den von Johannes in den Ring geworfenen Punkt 'Selbst-Konditionierung'. Der scheint mir gut in diesen Zusammenhang zu passen und muß nach meinem Dafürhalten auch keineswegs negativ besetzt sein. Klar kann ich z. B. an Haydn Gefallen finden, seine Musik mein ganzes Leben ausschließlich hören und so dafür sorgen, daß alles andere gar nicht erst mein Interesse findet. Aber auch das umgekehrte ist möglich: die Intention, bestimmte, mir bisher unbekannte oder rätselhafte, Musik zu verstehen und zu durchdringen hat zumindest bei mir schon manchen der schon beschriebenen Groschen zum fallen gebracht. Wenn das sicherlich auch ein erfreulicher Ausnahmefall ist.

  • Zitat von »Johannes Roehl«
    Ich habe meine Zweifel, dass der Geschmack für bestimmte Musik "Veranlagung" ist, da sich (zumindest bei manchen) der Geschmack weiterentwickelt und durchaus auch in unvorhergesehener Weise. Eher glaube ich, dass man sich, durch jahrelanges intensives Hören bestimmter Musik selbst so konditionieren kann, dass einem manch anderes nicht mehr gefällt bzw. man erstmal ziemliche Schwierigkeiten damit haben kann.


    Dieser Meinung bin ich unbedingt! Wie sich Genetik und Sozialisation auch sonst die Hand geben und wechselseitig durchdringen!

    Dieser Meinung bin ich eher bedingt. Es stimmt schon, dass man sich selbst konditionieren kann und ich habe das auch an mir selbst erlebt, nur glaube ich, dass ein Barockmensch selten ein Wagner-Fan wird. Eine Entwicklung in die gegenseitige Richtung dürfte wahrscheinlicher sein, weil ein kühler Analytiker mit der Romantik seine Probleme hat, wogegen ein Romantiker gerne beweisen möchte, dass er auch logisch denken kann.


    Das Verhältnigs Strawinskijs zu Wagner dürfte als Beispiel dienen, dass gewisse Aversionen nicht überbrückbar sind.

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  • Zitat von hami1799

    Dieser Meinung bin ich eher bedingt. Es stimmt schon, dass man sich selbst konditionieren kann und ich habe das auch an mir selbst erlebt, nur glaube ich, dass ein Barockmensch selten ein Wagner-Fan wird. Eine Entwicklung in die gegenseitige Richtung dürfte wahrscheinlicher sein, weil ein kühler Analytiker mit der Romantik seine Probleme hat, wogegen ein Romantiker gerne beweisen möchte, dass er auch logisch denken kann.

    Mehr als anekdotische Belege hat wohl keiner von uns, aber geht's noch klischeemäßiger? ;)
    Barockmenschen gibt es unter uns wohl schon gut 200 Jahre keine mehr und dass Barockmusik etwas mit "kühler Analytik" oder "Logik" zu haben sollte, sagt sehr viel mehr über Deine Sicht auf diese Musik als über sie selbst. (Ich finde sie einigermaßen bizarr.) Abgesehen davon ging es ja nicht zuletzt darum, ob und wie jemand zum "Bachianer" oder "Wagnerianer" wird, nicht dass der "fertige Wagnerianer" vielleicht keine allzu große Neigung für Musik der Bachzeit besitzt. Abgesehen davon, dass es natürlich eine große Zahl von Hörern gibt, die nicht nur gleichermaßen Barock und Wagner, sondern sogar Musik vor 1600 und nach 1940 hören und schätzt.


    Niemand bestreitet wohl, dass es letztendlich unverfügbare und irrationale individuelle Präferenzen/Abneigungen gibt, sowohl für Epochen oder Stile als auch für einzelne Werke. Wenn das aber alles wäre, dann würde all unsere "Entwicklung" als Musikhörer fast nur davon abhängen, was für Werke wir zufällig kennenlernen würden, es gäbe keine Veränderungen im Geschmack.


    Und die interessanteren Präferenzen, die viel eher zu Kontroversen (nicht nur damals) führen, sind ja gar nicht Buxtehude vs. Wagner, sondern gerade die, die einigermaßen gleichzeitig entstandene Musik betreffen. Wagner vs. Verdi vs. Brahms oder Stravinsky vs. Schönberg oder so etwas. Sicher gibt es auch Vorlieben für Epochen/Stile. Aber der Auslöser der Diskussion im anderen thread war kein solcher Fall, sondern der eines Bruckner/Wagner-Hörers, den Mahler kalt lässt.



    Zitat

    Das Verhältnigs Strawinskijs zu Wagner dürfte als Beispiel dienen, dass gewisse Aversionen nicht überbrückbar sind.

    Ich glaube nicht, dass man hier weiterkommt, wenn man Kontroversen oder Aversionen außerordentlicher und stilprägender Komponisten anführt. Niemand von uns hat eine revolutionär neue Weise zu komponieren in sich, die sich von einer, die wenige Jahrzehnte vorher ebenfalls revolutionär war, radikal unterscheidet. Das kann man m.E. überhaupt nicht mit den geschmacklichen Präferenzen von Hörern, die fast immer Musik, die Jahrzehnte oder Jahrhunderte alt ist, betreffen, vergleichen.

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  • Mehr als anekdotische Belege hat wohl keiner von uns, aber geht's noch klischeemäßiger? ;)


    Natürlich geht das, aber nur auf besonderen Wunsch. :)


    Im übrigen finde ich die Ansicht, Bachs Musik hätte mit Logik zu tun, durchaus nicht bizarr und sie stammt auch nicht von mir. Ich teile sie nur mit vielen anderen.
    Meine eigenen Erfahrungen mit meinen Bekannten gehen ebenfalls in diese Richtung, that´s it.


    Im Übrigen habe ich mit keinem Wort verlauten lassen, dass es nicht möglich wäre, seine Vorlieben zu ändern.


    Nach Deinen Hinweisen sehe ich, dass ich am Thema vorbei geschrieben habe und denke, dass unsere Diskussion damit gegenstandslos geworden ist.

  • Wirklich ein schwieriges Thema, genau wie die Frage, was dem Menschen prinzipiell angelegt (vererbt) wurde und was der Sozialisation geschuldet ist. Man sollte vielleicht genauer unterscheiden:


    1. Natürlich wird ein direkter Musikgeschmack nicht angeboren, aber wie jeder Mensch bestimmte Charaktereigenschaften und Wesenszüge in sich trägt, wird er durch seine archetypische Grundsituation bestimmte Aspekte der Kunst mehr oder weniger schätzen - ein Melancholiker etwa wird ernster und tieftrauriger Musik den Vorzug geben, während ein sinnenfroher Luftikus vielleicht auf vieles von Mozart abfährt. Vererbung mag also nicht auf bestimmte Komponisten zielen, wohl aber auf Tendenzen, Gattungen, Grundstimmungen. Dass ich eine Vorliebe für Schütz und Bach und überhaupt strenge geistliche Musik habe, ist ebenso angelegt wie die für den spätromantischen Wahnsinn bei Bruckner, Wagner und Co. - zu viele Gesichtspunkte aus anderen Liebhabereien korrespondieren diesen Vorlieben und das ist also kein Zufall mehr.


    2. Natürlich wird man dann sozialisiert: Man hört das, was die Eltern hören, was in den Medien gespielt wird, in der Schule oder sonstwo. Auch das spielt eine große Rolle: Ich habe in der Schule die "Eroica" gehört und war tief berührt, durfte das aber nicht zeigen. Nun kann das in zwei Richtungen ausschlagen: Man reiht sich ein und liebt eben Bach, weil die Eltern Bach lieben oder man vollzieht eine Kehrtwende und schlägt die genau entgegengesetzte Richtung ein, weil man die Musik der Kindheit satt hat. Wie verschlungen und mäandernd diese Pfade sein können, habe ich bei meiner Vorstellung zu schilndern versucht.


    3. Und zuletzt spielt die erste Hochphase der eigenen Hörbiografie eine wichtige Rolle: All das, was ich während der ersten Hochzeit meiner Klassikbegeisterung gehört habe, konnte ich später über Jahre, ja Jahrzehnte nicht mehr genießen; ob durch Übersättigung oder falsche Wahrnehmung sei dahingestellt. Ich habe gestern, weil ich eine Richter-Box erstanden hatte, das erste Mal seit wohl zehn oder fünfzehn Jahren Tschaikowskis Klavierkonzert wiedergehört; ähnlich ergeht es mir mit Beethovens Violinkonzert oder vielen Stücken von Mozart.


    Natürlich lässt sich manches nicht einordnen: Meine Hinwendung zur Kammermusik kann in allen drei genannten Aspekten wurzeln - erstens, weil die Intimität auch strenger Kirchenmusik ähnelt; zweitens, weil in meiner Jugend Kammermusik überhaupt keine Rolle spielte und drittens ich in meiner ersten Phase ausschließlich die große und bombastische Form bevorzugte!

  • Ich denke ich kann meine Präferenzen bei Musik auf folgende Grundmaximen zurückführen: 1. Kontrapunktik/Polyphonie, 2. Rhytmische Markanz/Vorwärtsdrang, 3. sangliches bzw. klar erkennbares thematisches Material. Kammermusik wird aufgrund der größeren Prägnanz klar bevorzugt. Sowohl Bach, Haydn als auch Mendelssohn erfüllen diese Bedingungen restlos, weshalb sie auch meine Lieblingskomponisten sind. Zu meinen weiteren Favoriten gehören Beethoven, Mozart, Dvorák und Schubert. Daran hat sich eigentlich in den letzten 15 Jahren so gut wie nichts geändert, obwohl ich sehr auf Breite sammle. Eine weitere Charakteristik ist mir bei Orchestermusik sehr wichtig, nämlich Orchestrierung. Deshalb schätze ich bspw. Liszt oder Saint-Saens (welcher natürlich auch noch andere Stärken hat). Wuchtiger Orchesterklang, der mir das Nachvollziehen des musikalischen Geschehens erschwert oder zu ausgedehnte Strukturen freuen mich generell wenig, weshalb ich zur Spätromantik auch ein eher distanziertes Verahlten habe. In der Moderne spüre ich wieder eine frische Brise (Prokofjew, Bartók, etc..).



    Meine Hörgewohnheiten sind sicherlich vom Elternhaus geprägt aber ob das meine musikalischen Vorlieben restlos erklären kann, bezweifle ich. Wie Yorick glaube ich, das grundsätzliche Charakterzüge hier auch mitspielen.

  • Es ging mir nicht darum zu bestreiten, dass es sehr individuelle Hörerprofile gibt (manche schätzen ja von manchen Komponisten nur einzelne Werke usw.). Im Gegenteil. Was ich dagegen fragwürdig finde, sind (pointiert formuliert) folgende Thesen, die ich aus manchen Äußerungen entnehme:
    1. Es gibt eine Art bleibende Prägung in einem bestimmten Zeitraum.
    2. Typischerweise ist der sich aus 1 ergebende Geschmack sehr stabil, wird a) weder im Kern revidiert, noch b) wesentlich erweitert.
    3. Sag mir, was für Musik Du hörst und ich sage Dir, was für ein charakterlicher Typ Du bist.


    Da jeder meistens nur bei sich selbst und vielleicht noch bei wenigen Bekannten die Entwicklung als Klassikhörer halbwegs kennt, ist das natürlich weitgehend Spekulation. Besonders 3 scheint mir sehr schwer zu erhärten. (Leute, die (methodisch eher fragwürdige) Untersuchungen zu so etwas machen, untersuchen natürlich nicht Präferenzen "Bruckner vs. Mozart" sondern "Klassik" vs. Schlager, Rap, Metal usw.) Alle solche Selbstdeutungen und nachträglichen Rationalisierungen sind sehr flexibel. ;) Wenn zB Yorick oben sowohl "strenge" geistliche Musik als auch rauschhafte Spätromantik als Favoriten anführt, könnte man daraus alles mögliche schließen, so unterschiedlich sind diese beiden Vorlieben. Wenn Felix Meritis nachträglich drei Prinzipien aufstellt, dann erklären die allein auch nicht, warum zB u.a. Händel, Brahms, Bruckner nicht unter den 7 Favoriten liegen (alle weitaus "kontrapunktischer" als Dvorak und Schubert und bei den anderen Kriterien für den neutralen Beobachter nicht offensichtlich defizitär).


    1 und 2 sind sicher nicht völlig abwegig, aber meiner Erfahrung nach ist die Entwicklung flexibler. Erst einmal gibt es den typischen Einsteiger nicht; es ist ein riesiger Unterschied, ob jemand schon im frühen Kindesalter selbst musiziert und klassische Musik gehört hat oder erst zwischen Mitte 20 und Mitte 30 (wenn die Popmusik endgültig langweilig geworden ist...) auf den Geschmack kommt. Nach meinen anekdotischen Belegen ist allerdings ein Einstieg als Klassikhörer zwischen ca. 12 und 20 relativ häufig. Sofern es einen typischen Einsteiger im Jugendalter gibt, wird er normalerweise zuerst den üblichen Einsteigerstücken, dann den bekanntesten Werken des Standardrepertoires begegnen und in dieser zweiten Phase vermutlich mehr oder weniger starke Vorlieben ausbilden, anhand derer er dann das Feld weiter erkundet. Da es ein riesiges Feld ist, ist unvermeidlich, dass manches oft Jahre warten muss, weil die meisten sowohl von der Zeit als auch von der mentalen Kapazität schnell an die Grenzen stoßen.
    Und die "Einsteigerstücke" sind meistens stilistisch eine recht bunte Mischung, wenngleich auf ca. 1700 bis 1900 beschränkt und mit einem gewissen Bonus für nicht allzulange melodisch eingängige Stücke.


    Bei mir waren die ersten Klassikstücke, die ich schon als Kind lange vor meinem eigentliche Interesse an Musik gehört habe, "berühmte Opernchöre". (Ich habe in meiner Kindheit kaum Musik gehört, also auch keinen Pop/Rock-Hintergrund und erst mit 16 als Klassikfan einige Jahre Instrumentalunterricht gehabt.) Mit etwa 15 folgte dann ein breites Spektrum von Bachs Toccata und Fuge und der Feuerwerksmusik bis Grieg, Dvorak und Tschaikowsky. Etwas später hatte Beethoven (zusammen mit Mozart und später auch Brahms) das meiste in den Hintergrund gedrängt (von ein paar Ausnahmen wie der h-moll-Messe) abgesehen. Ich habe natürlich weiter bekannte Werke (normalerweise Orchester) anderer Komponisten wie Mendelssohn, Schumann kennengelernt. Dann auch Bruckner und Mahler, was quasi als "Fortsetzung" von Beethoven und Brahms galt. Obwohl CDs teuer waren, lernte man doch durch Radio und Überspielen von Bekannten die Sachen oft schneller "kennen", als man sie wirklich verdauen kann.
    Grobe Stationen (anhand meiner Erinnerung an CD-Käufe) : mit 14-15 Einstieg, mit 16 Sinfonien, Konzerte von Beethoven, Mozart, mit 17 Brahms und die ersten Kontakte mit Bruckner- und Mahlersinfonien, mit 18 eine Gesamtaufnahme der Beethoven-Quartette, Mahlers 5. mit 19/20 Tristan. Der Drang ging jedenfalls eher in Richtung Spätromantik. Nach 5 Jahren Klassikhörens hätte ich sicher noch ein großer Wagnerianer werden können ;)
    Überdies schätzte ich mit Anfang 20 zB Musik für Klavier solo eigentlich nur von Beethoven, selbst von dem hatte ich nicht alle Sonaten, obwohl ich schon mit 16 auch bekannte Chopinwerke gehört hatte. Die gefielen mir meiner Erinnerung nach auch durchaus, aber es war nichts, was ich intensiv weiter verfolgt hätte. Klaviermusik kam erst ca. '97-99 zunehmend zum Tragen: intensiv Beethovensonaten, Schubert, Bach, Chopin. Schumann noch einige Jahre später. Etwa gleichzeitig Haydn, zuerst die Sinfonien, dann die Quartette usw. Händel ein wenig ab 97, massiv ab ca. 2003. Den Solti-Ring habe ich '97 gekauft, aber insgesamt ist dann wohl irgendwann die Instrumentalmusik so angewachsen, dass Opern eher in den Hintergrund gerieten, obwohl ich in der Zeit (97-01 oder so) häufiger in die Oper gegangen bin.
    (jetzt habe ich auch das posting gefunden, in dem ich das schonmal skizziert habe)


    Ich will nicht ausschließen, dass sich das ändert, da ich bei Opern (und ansatzweise auch bei großen Chorwerken) das Live-Erlebnis vorziehe. Dass ich jemals zum Fan der franz. und italienischen Oper werde, erwarte ich nicht, da werde ich mich wohl mit ein paar herausragenden Werken begnügen. (Neulich eine Aufnahme der "Macht des Schicksals" (Muti/EMI) auf Ebay geschnappt, nach einer CD hatte ich wirklich überhaupt keinen Bedarf das weiter zu hören, fand es völlig nichtssagend; Rigoletto, Traviata und Maskenball haben mir allerdings vor Jahren gut gefallen.) (Ich habe natürlich ganz viel ausgelassen, wenn etwas nicht erwähnt wird, heißt das nicht, dass ich es nicht (ggf. auch intensiv) gehört habe, zB Purcells Dido, etliches von Bartok, Bergs Lyrische Suite u.a.)



    Deswegen würde ich sowhl 1 als auch 2 b) oben ablehnen und bei 2 a) bin ich mir auch nicht sicher; Bruckner, Mahler, Wagner höre ich heute vermutlich weniger als mit Mitte 20, wobei ich allerdings zugeben muss, mich mit kaum einem dieser Werke jemals so intensiv befasst habe wie mit Sinfonien und Kammermusik von Beethoven, (wesentlich später) dann auch Haydn, Mozart, Schubert, Brahms. Freilich habe ich vor 3-4 Jahren beim Haydn-Sinfonien-Projekt auch festgestellt, wie relativ oberflächlich man durchaus häufig gehörte Musik oft nur kennt. Wie ich schon mal schrieb, sind auch Tschaikowskys Sinfonien für mich weitgehend "verbrannt", selbst wenn ich sie einmal im Jahr gut hören kann, stehe ich kein Vergleichshören durch...

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  • Du widersprichst dir selber, nun um die obigen Thesen fragwürdig finden zu können - mir kommt das ein wenig so vor wie Widerspruchsgeist aus Prinzip oder aus persönlichen Gründen! :) Später mehr, ich bade gerade in Mahlerscher Sinfonik und deutschem Wald ...

  • Du widersprichst dir selber, nun um die obigen Thesen fragwürdig finden zu können


    Mal von dem unterstellten Motiv abgesehen, wo und inwiefern widerspreche ich mir selbst? Ich fand die These schon im alten Thread fragwürdig, siehe Eingangsposting.


    Natürlich ist nicht alles der Reflexion zugänglich. Aber als nicht nur spontaner Hörer unterzieht man doch in gewisser Hinsicht beim Wiederhören eines Werks häufig den Geschmack einer Art Überprüfung. Natürlich ist das oft auch durch die Rezeption eines Komponisten und durch ein Selbstbild geprägt. Also:


    Tschaikowsky ist exaltiertes, parfümiertes Zeugs, ich höre soliden Beethoven oder "tiefen" Brahms.
    Deutsch-östereichische Spätromantik ist Schwulst, ich höre lieber Chopin, Satie, Debussy.
    Deutsch-östereichische Spätromantik ist Schwulst, ich höre lieber Biber und Corelli.
    Deutsch-östereichische Spätromantik ist Schwulst, ich höre lieber Stravinsky und Varese.
    Standardrepertoire ist für Spießer, ich höre lieber englische Virginalisten, Renaissance-Madrigale, russische Futuristen.
    Als Informatiker/Logiker/Mathematiker höre ich natürlich Bach/Ockeghem/Ars subtilior/Serialismus/Elektronik.
    Italienische Oper ist Tenor-Geknödel mit um-ta-ta, ich höre lieber Wagner und Strauss.
    Italienische Oper ist Tenor-Geknödel mit um-ta-ta, ich höre lieber Bach und Schütz.
    Italienische Oper ist Tenor-Geknödel mit um-ta-ta, ich höre lieber Monteverdi und Händel.
    Kirchenmusik ist langweilig, ich höre lieber deutsch-österreichische Spätromantik.
    ...
    usw.


    :thumbsup:

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    (Bob Dylan)

  • Ich bin von Hause überhaupt nicht auf klassische Musik geprägt im Gegenteil, hier wurde Klassik eher als Gejaule abgelehnt. Mein Schlüsselerlebnis habe ich bereit an einigen Stellen geschildert (u. a. in meiner Vorstellung) und will es hier nicht wiederholen. Zunächst schwärmte ich lediglich für Opern und zwar von zwei - eigentlich gegensätzlichen - Komponisten, Mozart und Wagner. Von Verdi habe ich dann nach und nach einige bekannte Werke wie Troubadour oder Rigoletto kennengelernt. Mit Aida konnte ich ursprünglich auch nichts rechtes anfangen, geschweige denn mit Falstaff. Zu Puccini, den ich heute sehr liebe, fand ich in jungen Jahren überhaupt keinen Zugang
    Durch meine Umgebung ist auch mein weiteres Musikinteresse nicht geprägt worden, da auch meine Frau aus Verhältnissen kam, in denen höchstens Operetten- und Schlagermusik geläufig war. Sie hat erst durch mich Klassik kennen und lieben gelernt, auch wenn sie bis heute nicht so tief eingedrungen ist wie ich. Und auch im Bekanntenkreis ist die Kenntnis der Klassik meist oberflächlich.
    Ich habe meinen musikalischen Horizont aus eigenem Antrieb erweitert, zunächst auf die Sinfonik, und dort auch erst nur zu Werken von Mozart und Beethoven. Bruckner und Mahler z.B. lernte ich erst viel später - mehr durch Zufall - kennen und lieben. Heute umfasst meine Sammlung vieles aus allen Bereichen von Monteverdi bis Strawinski, von Oper und sinfonischen Werken bis zu reinen Instrumentalwerken (Sonaten usw.) und oft vernehme ich mehr durch Zufall im Radio einige Fetzen aus mir noch unbekannten Werken, wobei ich dann auf die Ansage warte, um mir das Werk vielleicht bei nächster Gelegenheit zuzulegen.
    Manchmal habe ich auch nur mal probiert - vor allem bei modernen Komponisten - wenn ich eine CD antiquarisch erstanden habe. Oft musste ich solche Werke zweimal hören, ehe ich einen Zugang dazu bekam. Aber dann habe ich mir weitere Werke des Komponisten zugelegt. Einziges Gebiet, das mir selbst nicht so sehr liegt, ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Kammermusik (Streichquartette usw.).
    Die musikalische Prägung lag bei mir daher überwiegend in der eigenen Neugier.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Später mehr, ich bade gerade in Mahlerscher Sinfonik und deutschem Wald ...


    Lieber Landsmann, Du bist auf dem Wege der Läuterung!! Viel Spaß weiterhin bei Mahler und dann viel Freude im Gewandhaus. Zum Glück ist Chailly wieder gesund und steht am Pult, es wird mit Sicherheit ein Vergnügen.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Manchmal habe ich auch nur mal probiert - vor allem bei modernen Komponisten - wenn ich eine CD antiquarisch erstanden habe. Oft musste ich solche Werke zweimal hören, ehe ich einen Zugang dazu bekam. Aber dann habe ich mir weitere Werke des Komponisten zugelegt. Einziges Gebiet, das mir selbst nicht so sehr liegt, ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Kammermusik (Streichquartette usw.).
    Die musikalische Prägung lag bei mir daher überwiegend in der eigenen Neugier.


    Ich meine auch, dass die Neugier das Wichtigste ist. Wenn Du allerdings mit ein- bis zweimal Hören Zugang zu Wagner, Bruckner, Mahler, Monteverdi gefunden hast, dann erweitere mal auf drei bis fünfmal, dann klappt es auch mit Moderne und Kammermusik. ;)
    Im Ernst, bei Musik, mit der ich nicht schon stilistisch vertraut bin (sagen wir Renaissance-Messe oder was von Boulez), wäre drei bis fünfmaliges Hören so ungefähr das Minimum, nach dem ich erwarten würde, auch nur halbwegs "Zugang" zu finden.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • bei Musik, mit der ich nicht schon stilistisch vertraut bin (sagen wir Renaissance-Messe oder was von Boulez), wäre drei bis fünfmaliges Hören so ungefähr das Minimum,


    Bei Boulez wird es, denke ich, bei mir auch nach dem 30. Mal nicht klappen. Ich bin eben kein Mathematiker.

  • Wenn Felix Meritis nachträglich drei Prinzipien aufstellt, dann erklären die allein auch nicht, warum zB u.a. Händel, Brahms, Bruckner nicht unter den 7 Favoriten liegen (alle weitaus "kontrapunktischer" als Dvorak und Schubert und bei den anderen Kriterien für den neutralen Beobachter nicht offensichtlich defizitär).


    Lassen wir einmal die Definition des "neutralen Beobachters" beiseite, den diese werden wir wohl kaum auf befriedigende Art zudtande bringen. Zu meinen Favoriten möchte ich anmerken, dass 3 (Bach, Haydn, Mendelssohn) deutlich von den anderen abgesetzt sind, eben WEIL ich bei den anderen (zumindest) eines der genannten Charakteristika vermisse. Bei Beethoven ist aber vielleicht eher so, dass mich seine Tonsprache manchmal abstößt (fast nie in den Streichquartetten oder Klaviersonaten). Bei Mozart vermisse ich oft rhytmische Prägnanz (auch die Themen sprechen mich manchmal nicht an, z.B im berühmten C-Dur Streichquintett, das mir gar nichts sagt). Bei Schubert liebe ich tatsächlich nur eine sehr kleine Zahl an Stücken, die aber entweder kontrapunktisch auch dicht gearbeitet sind (z.B f-moll Fantasie für 4 Hände, Tod und das Mädchen) oder melodisch dermaßen umwerfend sind (z.B B-Dur Klaviersonate), dass andere "Mängel" nicht mehr ins Gewicht fallen. Dvorák schreibt meiner Meinung nach manchmal (nicht immer) ganz wunderbar dicht, jedenfalls habe ich dann an seiner Stimmführung nichts auszusetzen (mit Kontrapunktik sind ja nicht nur Fugen gemeint), rhytmisch und melodisch ist er ein ganz hervorragender Komponist. Bei Brahms hapert es sicher nicht an der kontrapunktischen Dichte sondern an Rhytmus und Melodie. Bei seinen Werken, in denen das nicht so ist (z.B Dritte Symphonie, e-moll Cellosonate) bin ich auch dementsprechend begeistert. Insgesamt gibt es aber bei Brahms zu viele Werke , die ich nicht mag, um ihn unter die Lieblingskomponisten zu reihen. Von Händel kannte ich bisher zuwenig, was sich jetzt allmählich ändert. Ursprünglich kannte ich nur die Cembalosuiten, welche ich über alle Maßen schätze, seine Orchestermusik, die ich ok finde und Messias, den ich nicht mag, bzw. Israel in Ägypten, welches ich wiederum ok finde. Die Kontrapunktik bei Händel ist auf seine Chöre konzentriert, seine Arien hingegen im Vergleich zu Bach simpel (kann man mögen oder nicht). Die Kammermusik von Händel kann ich nicht leiden, wa ebenfalls eine Hypothek ist.



    Allgemeines: natürlich ist Neugierde wichtig, um überhaupt erst zu entdecken, was einem gefällt oder nicht. Trotzdem, unsere Vorlieben halte ich trotzdem für relativ "stabil". Am Anfang ist die Variation natürlich am größten (bei jedem zu einem anderen Zeitpunkt und abhängig von dem, was man von zuhause kennt), aber wenn selbst Johannes hier folgendes schreibt

    Bruckner, Mahler, Wagner höre ich heute vermutlich weniger als mit Mitte 20, wobei ich allerdings zugeben muss, mich mit kaum einem dieser Werke jemals so intensiv befasst habe wie mit Sinfonien und Kammermusik von Beethoven, (wesentlich später) dann auch Haydn, Mozart, Schubert, Brahms.

    dann sagt das doch etwas über die Präferenzen aus, oder? Mit Prägung meine ich auch nicht ausschließlich die musikalische Vorbildung von zuhause, sondern auch allgemeine Charaktereigenschaften (ungeduldig, schwelgerisch, etc...), die einen großen Einfluss haben. Dass ich selbst im Allgemeinen (d.h. trotz aller Ausnahmen) rasche aber dichte Musik schätze verträgt sich nun einmal schlecht mit einer fünfstündigen Wagneroper (z.B Walküre) oder einer 80-minütigen Symphonie wie Mahlers Achten. Ich meine dies auch als allgemeinen Charakterzug bei mir feststellen zu können.

  • Und durch welche Sozialisation und Genetik erklärst du meinen "Hörer-Werdegang"?

    Ich bin nicht dein Analytiker! :)



    Meinen Weg von Jean Michel-Jarre, Mike Oldfield, Toto, Police, Fisher Z, Saga, allen möglichen Pop- und Rockinterpreten und auch Jazz zu Beethoven?

    Das ging mir nichta anders: Von Haus aus bin ich mit AC/DC, Accept und ZZ-Top aufgewachsen! 8-)



    Ich lasse mich in kein Schema pressen, weder von einer Popindustrie noch von irgendwelchen Genetikern oder Genetik-Jüngern.

    Da liegen gleich mehrere Denkfehler vor: Der Genetik entflieht niemand, der Beeinflussung entzieht sich niemand völlig (zudem diese auch unterbewusst funktioniert), das Bewusstein bestimmt nicht das Sein und zuletzt gibt es keinen freien Willen!



    Übrigens halte ich Rammstein mit für das Beste, was es an deutschsprachiger Musik gibt :stumm:

    Ich auch, habe sie mehrfach live gesehen, vor allem in ihrer Anfangszeit, als sie bei uns in der Gegend oft spielten. Dazu nenne ich aber - wenn auch nicht deutschsprachig - noch Sepultura, Pantera, Paradise Lost, My Dying Bride, Anathema ... :hello:



    Und über allem schwebt Beethoven :angel:

    Sowieso! :love: Glieich hinter Bach ...


  • Bei Boulez wird es, denke ich, bei mir auch nach dem 30. Mal nicht klappen. Ich bin eben kein Mathematiker.


    In einem englischsprachigen Forum gibt es jemanden, der erzählt, er habe als Teenager Pli selon pli ca. vierzigmal gehört, bis es von einer "wall of sound" zum Lieblingsstück geworden ist. (Natürlich muss ihn schon sehr bald etwas fasziniert haben, sonst hätte er kaum so lange durchgehalten.)
    Er hat später eine Dissertation über Verdi-Opern geschrieben und weitere Lieblingskomponisten sind Spontini und Berlioz (er bedauert ein wenig, dass seine größten Leidenschaften, italienische Oper des 19. und Avantgarde des 20. Jhds. von vielen kundigen Musikfreunden nur bedingt geteilt werden).
    Boulez steht bei mir jetzt gerade nicht auf der Agenda. Ich hätte sicher nicht den (für mich wohl auch illusorischen) Anspruch es so zu durchdringen, aber zehnmaliges Hören würde ich vermutlich auch kalkulieren. Drei bis fünfmal braucht es m.E bei vielen Stücken, bevor man entscheidet, ob man es lassen sollte.
    Aber zB Messiaens "Quatuor pour la fin du temps" habe ich, wenn ich recht erinnere, zum ersten Male Ende der 90er live gehört. Da fand ich es, naja "interessant", aber doch sehr sperrig. Es ist noch immer kein Stück, das ich so gut kenne wie zB Bartoks 5. Quartett oder ein Brahms-Quartett, aber ich finde es inzwischen melodisch schön, klanglich ansprechend, jedenfalls kaum mehr widerborstig. Ich glaube nicht, dass ich es mehr als fünfmal hören musste, um soweit Zugang zu finden. Daher würde ich nicht ausschließen, dass das bei Boulez mal so ähnlich werden könnte.

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  • Aber zB Messiaens "Quatuor pour la fin du temps" habe ich, wenn ich recht erinnere, zum ersten Male Ende der 90er live gehört. Da fand ich es, naja "interessant", aber doch sehr sperrig. Es ist noch immer kein Stück, das ich so gut kenne wie zB Bartoks 5. Quartett oder ein Brahms-Quartett, aber ich finde es inzwischen melodisch schön, klanglich ansprechend, jedenfalls kaum mehr widerborstig. Ich glaube nicht, dass ich es mehr als fünfmal hören musste, um soweit Zugang zu finden. Daher würde ich nicht ausschließen, dass das bei Boulez mal so ähnlich werden könnte.


    Von Messiaens zu Boulez, finde ich, ist es doch noch ein großer Schritt, wenigstens erscheint mir es so aus dem, was ich so im Vorbeihören vernommen habe. Da kam mir Boulez´s Musik ziemlich konstruiert vor. Interessant ist sie sicher, aber ob sie einem etwas sagt, ist eine andere Frage.

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  • Messiaen war nur ein Beispiel, das mir aus meiner eigenen Erfahrung spontan einfiel; ich habe nicht an das Schülerverhältnis usw. gedacht. Pli selon pli ist etwa 20 Jahre nach als Messiaens quatuor komponiert worden, Boulez' zweite Klaviersonate nur etwa 7 Jahre...

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  • 1. Ich brauche keinen Analytiker.


    2. Solange ich entscheiden kann, was ich im Moment gerne höre, ist mir jede Genetik und Wissenschaft aber auch sowas von egal.

  • 1. Ich brauche keinen Analytiker.


    2. Solange ich entscheiden kann, was ich im Moment gerne höre, ist mir jede Genetik und Wissenschaft aber auch sowas von egal.

    Das ist deine ganze Antwort? Etwas dürftig für jemanden, der erst so offensiv daherkommt! Und du weißt schon, dass dein zweiter Punkt mit unserer Fragestellung hier völlig unreflektiert umgeht?!

  • Ein Aspekt, der hier noch nicht beleuchtet wurde, mir aber sehr wichtig erscheint, wäre die Frage, ob man mit Musik "außermusikalischen" Inhalte verbindet oder nicht, bzw., ob man sich von Musik gewisse weltanschauliche oder philosophische Aussagen erwartet. Die Spätromantik, also etwa Wagner oder Mahler, liefert solches ja reichlich. Auch bei Beethoven werden viele fündig. "Neutrale" Musik, wie etwas die Haydns oder Bachs kann dann recht schnell als indifferent und daher langweilig empfunden werden. Meiner Meinung nach ist auch diese Herangehensweise an Musik Charaktersache und nicht antrainiert bzw. angehört.

  • Übrigens halte ich Rammstein mit für das Beste, was es an deutschsprachiger Musik gibt


    Sicher ne dumme Frage. Was ist Rammstein? Ist da nicht mal ein Flugzeugunglück passiert?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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