Eine vernünftige Inszenierung entsteht

  • Bei diesem Thema habe ich mir folgendes gedacht: Es gibt ja über das Thema Regie die kontroversesten Meinungen. Deshalb hattte ich den Gedanken, das man den Opern - bzw. Operrettenführer weiterspinnen könnten, und zwar so wie man ein Werk auf die Bühne bringen würde. Das heisst, welche Fassung? Gekürzt oder ungekürzt? Kostüme? Besetzung, damit meine ich z.B. bei Julio Cesare ob die Titelpartie von einem Countertenor oder einem Mezzosopran gesungen werden sollte. In welcher Zeit und wo spielt das Stück usw. Vielleicht könnten dadurch die Befürworter des RT und die Befürworter von konventionellen Inszenierung zu einem Konsenz kommen durch einen gemeinsamen Gedankenaustausch. Hab nur keine Ahnung ob es so eine Thema schon mal im Forum gab und bin auf euere Meinungen gespannt.

  • Bei diesem Thema habe ich mir folgendes gedacht: Es gibt ja über das Thema Regie die kontroversesten Meinungen. Deshalb hattte ich den Gedanken, das man den Opern - bzw. Operrettenführer weiterspinnen könnten, und zwar so wie man ein Werk auf die Bühne bringen würde. Das heisst, welche Fassung? Gekürzt oder ungekürzt? Kostüme? Besetzung, damit meine ich z.B. bei Julio Cesare ob die Titelpartie von einem Countertenor oder einem Mezzosopran gesungen werden sollte. In welcher Zeit und wo spielt das Stück usw. Vielleicht könnten dadurch die Befürworter des RT und die Befürworter von konventionellen Inszenierung zu einem Konsenz kommen durch einen gemeinsamen Gedankenaustausch. Hab nur keine Ahnung ob es so eine Thema schon mal im Forum gab und bin auf euere Meinungen gespannt.


    (Hervorhebung von mir) Eine schöne Idee, lieber Rodolfo. Abgesehen, dass das von mir Hervorgehobene unter realen Bedingungen schlichtweg unmöglich ist und es nie einen Konsens geben wird, finde ich es interessant , darüber nachzudenken, wie man ein Werk inszenieren würde. Aber welches wollen wir denn nun nehmen?


    Ich hätte fürs erste folgende Vorschläge:
    Don Carlos
    Zauberflöte
    Lohengrin

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Liebe Strano,
    Anlässlich des Wagner und Verdi Jahres finde ich auch das Don Carlos und Lohengrin eine gute Idee sind. Vielleicht gehen wir auch an ganz eingemachte und nehmen die Meistersänger bzw den Ring, oder von Strauß die Frau ohne Schatten, über die ja hier auch schon viel diskutiert wurde.

  • Schöne, kreative Idee, die ich mir in der Umsetzung jedoch noch nicht so ganz vorstellen kann. Wenn eine Inszenierung entstehen soll, dann müßte als erstes m. E. zumindest ganz grob eine Regiekonzeption entwickelt und geliefert werden. Besetzung, Kostüme usw. wären dann wichtige Details innerhalb dieses Gesamtkonzepts. Wird schwierig sein, dies hier im Forum darzustellen. Wir haben aber so viel Kompetenz und ausgezeichnete Partner im Forum, dass wir durchaus herausfordernde Aufgaben anpacken können.
    Allerdings, wenn ich ein Regiekonzept entwickeln sollte, würde ich mir nicht gleich die großen Wagner- und Verdi-Brocken vornehmen. Wahrscheinlich lässt sich die Idee leichter an Werken wie "Fidelio, "Freischütz" oder "Entführung" realisieren. Bin gespannt, ob und wie Ihr weiterkommt. Werde die Diskussion unterstützend verfolgen und begleiten.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,
    die Idee mit Fidelio finde ich gar nicht so schlecht. Denn diese Oper wird von den Regisseuren auch gerne verunstaltet.

  • Ich weiß nicht, ob Lohengrin schwieriger zu inszenieren ist als der Freischütz. Aber ich fange mal mit konzeptionellen Überlegungen zur "Entführung" an.


    Wo läßt man sie spielen? In einem Märchenorient aus Freude am Kostüm? Oder in einem à la Dinglingers "Hofstaat des Großmuguls" überbordenden Bombast höfischer Repräsentation? - Gibt man die Posse als Fürstenspiegel; oder gellen in der Janitscharenmusik der Ouverture gar die Hochzeitsglocken des Kulturfriedens zwischen Orient und Okzident? Die alle Grenzen überwindende Lebensfreude, oder nur die gedemütigte Musik der Besiegten?


    Oder ist das Singspiel in nuce bereits ein Aufriß der Zauberflöte? Eine schöne Dame wird entführt; ein junger Held zieht aus, sie zu befreien. Über allem herrscht ein hörengesagter Despot und weiser Fürst, in dessen Hallen nur die unbelehrten Bediensteten Rachepläne hegen. Die alles überwindende Liebe vermählt sich mit der großmütigen Entsagung zu einem Hymen der Humanität.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Wobei bei Fidelio sich zuerst die Frage stellt, welche Fassung verwendet wird. Die dreiaktige Urfassung oder die die zweiaktige Endfassung. Bei der dreiaktigen Fassung stellt sich weiterhin die Frage, mit oder ohne Leonoren Overture zwischen Akt 2 und 3, und welche der vier Overtüren wird überhaupt genommen? Die Handlung könnte zur Zeit der französichen Revolution spielen, da dieser Oper die Geschichte einer Madame Tourraine zugrunde liegen soll, die ihren Mann in Männerverkleidung aus der Gefangenschaft der Jakobiner befreit hat.

  • Für einen Zeitgenossen Beethovens ergeben sich, auch bei der Verlegung ins böse Spanien, unliebsame Assoziationen an die Poissarden (wir würden, aus jüngster Sicht, "Flintenweiber" sagen). Auch wenn die Titelheldin der Oper verinnerlicht und ethisch überhöht scheint - ihre Ikone bleibt die Schröder-Devrient als Mannweib mit gezücktem Revolver. Bei aller an Schiller geübten Begeisterung für die anarchische Subversion der Haupt- und Staatsaktion - die bewaffnete Amazone als zu allem entschlossene Festungs-Spionin leuchtet auf einem Untergrund des Schreckens hervor.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ich habe zwar eine Idee die etwas ungewöhnlich ist, die aber klappen könnte. Ich würde die Leonore mit einem Countertenor besetzen. So würde man beides vereinen, das männliche im Ausssehen und das weibliche in der Stimme. Und das ganze hätte noch einen anderen Vorteil, es würde die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen.

  • Ich habe zwar eine Idee die etwas ungewöhnlich ist, die aber klappen könnte. Ich würde die Leonore mit einem Countertenor besetzen. So würde man beides vereinen, das männliche im Ausssehen und das weibliche in der Stimme. Und das ganze hätte noch einen anderen Vorteil, es würde die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen.


    ?(?(?(?(?(?(?(?(?(


    Nun, das tun die Produktionen, dir hier Mittelpunkt der Kritik sind, ja schon genug. Aber mal ganz im Ernst, das meinst du hoffentlich nicht in demselben?! Hätte ich nicht gedacht, dass hier noch Männer Probleme mit starken Frauen haben und sie durch einen solchen schlechten Witz ersetzen wollen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich hab zum Glück keine Probleme mit starken Frauen, war ja aucn nur eine Idee von mir. Weil es auf der Bühne immer so unglaubwürdig wirkt, das Rocco nicht ahnt das Leonore tatsächlich eine Frau ist. Denn normalerweise müsste sie ja ständig mit verstellter Stimme sprechen, denn es fällt doch auf wenn ein Mann eine hohe Frauenstimme hat.

  • Ich hab zum Glück keine Probleme mit starken Frauen, war ja aucn nur eine Idee von mir. Weil es auf der Bühne immer so unglaubwürdig wirkt, das Rocco nicht ahnt das Leonore tatsächlich eine Frau ist. Denn normalerweise müsste sie ja ständig mit verstellter Stimme sprechen , denn es fällt doch auf wenn ein Mann eine hohe Frauenstimme hat.


    Genauso unglaubwürdig wie der Fakt, dass alles gesungen wird? Wenn wir so herangehen, dann wird nichts Gescheites herauskommen.Wir sollten Fidelio inszenieren, keine Karikatur desselben, das gibt es wohl schon mehr als genug. Außerdem: Manche Frauen haben halt tiefere Stimmen und können bei entsprechender Verkleidung durchaus als Mann durchgehen. Dass Rocco bestimmt nicht der Hellste ist, sollte wohl auch bekannt sein, und dass er mit Leonore alias Fidelio keine Grundsatzdiskussionen führt, auch. Fidelio ist ein Knecht, und ein Knecht packt mit an und arbeitet. Dafür ist er da, nicht zum Reden.


    Insofern finde ich es viel wichtiger, über die Fassungen zu sprechen. Ich wäre für die zweiaktige, gestraffte Endfassung mit 4. Ouvertüre als Einleitung. Auf die Leonoren-Ouvertüre vor dem Finale, so wie Mahler es vorgeschlagen hatte, würde ich nur ungern verzichten, daher wäre ich unbedingt dafür, sie mitzuspielen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Bei der Fassung stimme ich dir zu, da ich auch sehr ungerne auf die Leonoren Overtüre vor dem Finale verzichten möchte. Und in welcher Zeit sollte Fidelio spielen? Auf gar keinen Fall, wie ich es schon mal gesehen habe, im 2. Weltkrieg.

  • Nein, im 18. Jahrhundert. Dazu passt die Vorlage (Legende?) mit Mme Tourraine. Gerade im 18. Jahrhundert, wo Begriffe wie "Freiheit" nicht erst im Zuge der Französischen Revolution wichtig wurden, muss die Handlung stattfinden. Aufklärerisches Gedankengut, das in der Oper ja allerorten vorkommt, sollte eine visuelle Basis finden.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Ich werde mir jetzt mal bis zum Wochenende ein Konzept für eine Fidelio Inszenierung erarbeiten. Gestern Abend beim Festakt zum 100 jährigen Bestehen der Rheinoper, war ich mit meinem Bekannten dort der als Regisseur arbeitet und sich demnächst hier im Forum anmelden will, da er meinte das es vielleicht ja mal ganz interessant sein könnte von jemanden zu lesen, der so etwas beruflich ausführt. Er meinte er würde Fidelio zur Zeit der ehemaligen DDR anlegen , so wie das die von ihm sehr geschätzte Frau Militz auch schon gemacht hat. Und im zweiten Akt sollte beim Chorfinale eine Art Mauer auf der Bühne stehen die dann in alle Einzelteile zerfällt. Denn er meinte zu mir das bei einer Inszenierung die in dieser Zeit spielt die Zuschauer mehr Bezug zu dem Thema hätten, als würde diese in einner historischen Zeit angesiedelt. Oder er würde den ersten Akt und den Anfang des zweiten Aktes in der Vergangenheit spielen lassen und nach der Leonorenovertüre würde er das Finale in der heutigen Gegenwart spielen lassen. Wobei ich ihm dann sagte, das er sich mit diesen Ideen hier im Forum wohl nicht viel Freunde machen würde. Aber er hatte mir gute Tipps gegeben, wie man vernünftig an seinen Gedanken zu diesem Thema arbeiten kann und deshalb werde ich mich ( mit meinem bis Sonntag hoffentlich fertigem Konzept ) wieder meldem.

  • Und Helmut Kohl als Ferrando! Das wäre mein Vorschlag für Deine Inszenierung mit dem Mauerfallschluss. 8-)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • War ja auch nicht meine Idee, sondern die von meinem Bekannten, von der ich mich auch ausdrücklich distanziert habe. Ich habe ihm auf seinen Vorschlag geantwortet, das man ja dann gleich Rocco als Erich Mielke auf die Bühne bringen könnte.

  • Bitte nicht schon wieder! Mauerfall, Kohl, DDR.... Traut man dem Publikum so wenig Phantasie zu, diese Bezüge nicht selber herstellen zu können, wenn man das ganze im 18. Jahrhundert belässt??

  • Ich werde mir jetzt mal bis zum Wochenende ein Konzept für eine Fidelio Inszenierung erarbeiten. Gestern Abend beim Festakt zum 100 jährigen Bestehen der Rheinoper, war ich mit meinem Bekannten dort der als Regisseur arbeitet und sich demnächst hier im Forum anmelden will, da er meinte das es vielleicht ja mal ganz interessant sein könnte von jemanden zu lesen, der so etwas beruflich ausführt. Er meinte er würde Fidelio zur Zeit der ehemaligen DDR anlegen , so wie das die von ihm sehr geschätzte Frau Militz auch schon gemacht hat. Und im zweiten Akt sollte beim Chorfinale eine Art Mauer auf der Bühne stehen die dann in alle Einzelteile zerfällt. Denn er meinte zu mir das bei einer Inszenierung die in dieser Zeit spielt die Zuschauer mehr Bezug zu dem Thema hätten, als würde diese in einner historischen Zeit angesiedelt. Oder er würde den ersten Akt und den Anfang des zweiten Aktes in der Vergangenheit spielen lassen und nach der Leonorenovertüre würde er das Finale in der heutigen Gegenwart spielen lassen. Wobei ich ihm dann sagte, das er sich mit diesen Ideen hier im Forum wohl nicht viel Freunde machen würde. Aber er hatte mir gute Tipps gegeben, wie man vernünftig an seinen Gedanken zu diesem Thema arbeiten kann und deshalb werde ich mich ( mit meinem bis Sonntag hoffentlich fertigem Konzept ) wieder meldem.


    Ich bin gespannt! Eine Frage noch: Ist dein Bekannter der Regisseur, der dir erzählt hat, dass man heutzutage als Regisseur keine Anstellung findet, wenn man nah am Libretto inszenieren möchte?

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat von »rodolfo39«
    Ich werde mir jetzt mal bis zum Wochenende ein Konzept für eine Fidelio Inszenierung erarbeiten. Gestern Abend beim Festakt zum 100 jährigen Bestehen der Rheinoper, war ich mit meinem Bekannten dort der als Regisseur arbeitet und sich demnächst hier im Forum anmelden will, da er meinte das es vielleicht ja mal ganz interessant sein könnte von jemanden zu lesen, der so etwas beruflich ausführt. Er meinte er würde Fidelio zur Zeit der ehemaligen DDR anlegen , so wie das die von ihm sehr geschätzte Frau Militz auch schon gemacht hat. Und im zweiten Akt sollte beim Chorfinale eine Art Mauer auf der Bühne stehen die dann in alle Einzelteile zerfällt. Denn er meinte zu mir das bei einer Inszenierung die in dieser Zeit spielt die Zuschauer mehr Bezug zu dem Thema hätten, als würde diese in einer historischen Zeit angesiedelt. Oder er würde den ersten Akt und den Anfang des zweiten Aktes in der Vergangenheit spielen lassen und nach der Leonorenouvertüre würde er das Finale in der heutigen Gegenwart spielen lassen. Wobei ich ihm dann sagte, das er sich mit diesen Ideen hier im Forum wohl nicht viel Freunde machen würde. Aber er hatte mir gute Tipps gegeben, wie man vernünftig an seinen Gedanken zu diesem Thema arbeiten kann und deshalb werde ich mich (mit meinem bis Sonntag hoffentlich fertigem Konzept) wieder melden.


    Ich bin gespannt! Eine Frage noch: Ist dein Bekannter der Regisseur, der dir erzählt hat, dass man heutzutage als Regisseur keine Anstellung findet, wenn man nah am Libretto inszenieren möchte?



    Bitte nicht schon wieder! Mauerfall, Kohl, DDR.... Traut man dem Publikum so wenig Phantasie zu, diese Bezüge nicht selber herstellen zu können, wenn man das ganze im 18. Jahrhundert belässt??

    Mit einem Wort: Ja! :yes: Ich hätte noch eine Idee: Am Schluss haben alle kleine Fähnchen (DDR-Slang: Wink-Elemente) in der Hand, auf denen ein Kohl-Portrait und darunter die Worte "I like Birne" zu sehen sind. Solche Aufkleber gab es bei uns nach der Wende wirklich, wäre also gar nicht so unrealistisch. :D


    Achja, und noch etwas: In der so hochgelobten Mielitz-Inszenierung, die ja eindeutig auf DDR-Gefängnisse wie Bautzen etc anspielt, wird völlig verkannt, dass ein gemeinsamer Freigang aller Häftlinge absolut undenkbar gewesen wäre. Wer sich nur ein wenig mit dieser Geschichte auseinandergesetzt hat, weiß, dass jedem Häftling nur ein kleiner, nach oben offener "Würfel" als Freigang zur Verfügung stand, dass jegliche Kontaktaufnahme zu anderen Gefangenen streng verboten und durch mit MGs bewaffnete Soldaten, die auf Gängen über den Würfeln ihre Runden drehten, sofort geahndet worden wäre. Völlig undenkbar ist zudem, dass eine solche grobe Verletzung der Dienstvorschriften auf Wunsch eines Aushilfswärters geschehen wäre. Die gesamte Fidelio-Geschichte wäre in einem totalitären System wie dem der DDR, welches seine Überwachungsmechanismen derartig perfektioniert hatte, völlig realitätsfern gewesen. Leute wie Rocco und Jaquino wären für solche Positionen niemals in Erwägung gezogen worden. Das ist eben die Krux bei den sogenannten Aktualisierungen - am Ende sind sie weiter weg von der Aktualität als es die verachtete Vorlage jemals sein konnte, aber neunmalkluge Regisseure sind über solche Hinweise ja sowieso erhaben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Genau der ist es. Er hat auch schon an einigen großen Häusern inszeniert. Zum Glück gehört er nicht zu der Riege der "jungen Wilden" die unbedingt alles anders machen möchten. Er hat sogar mal an einem kleineren "für amerikanische" Verhältnisse Opernhaus in den USA den Rosenkavalier sehr konventionell inszeniert und das war bei Publikum und Presse ein voller Erfolg. Und diese Inszenierung wollte kein Opernhaus in Deutschland haben, da diese angeblich nur ein Abklatsch der Otto Schenk Inszenierung sei.

  • Insofern finde ich es viel wichtiger, über die Fassungen zu sprechen. Ich wäre für die zweiaktige, gestraffte Endfassung mit 4. Ouvertüre als Einleitung. Auf die Leonoren-Ouvertüre vor dem Finale, so wie Mahler es vorgeschlagen hatte, würde ich nur ungern verzichten, daher wäre ich unbedingt dafür, sie mitzuspielen.


    Darauf hinzuweisen, dass der Einschub der Leonore III weder im Libretto, noch in der Partitur vorgesehen ist (Stichwort Werktreue) und das auch Gustav Mahler für seine Entscheidung kaum über nähere Informationen aus erster Hand verfügt haben dürfte, ist wohl so müßig, wie oberflächlich ... Zumindest sei mir aber die Frage gestattet, liebe Strano, ob Du mit dem Spielen der Ouvertüre vor dem Finale II eine dramaturgische Idee verbindest?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zumindest sei mir aber die Frage gestattet, liebe Strano, ob Du mit dem Spielen der Ouvertüre vor dem Finale II eine dramaturgische Idee verbindest?


    Mahler hatte eine. Sein Eingriff hatte bekanntlich rein praktische Gründe. Laut Libretto muss vor dem Schlussbild eine Umbaupause eingelegt werden (so manche moderne Inszenierung mit Einheitsbühnenbild könnte allerdings darauf verzichten). Anstatt die Leute bei erleuchtetem Saal einige Minuten warten zu lassen ließ er sich eine Überbrückung der Pause einfallen...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Gestern abend habe ich Fidelio in einer Übertragung von France Musique gehört, mit Jonas Kaufmann und Waltraut Meier, wo ebenfalls vor dem Finale die Overtüre gespielt worden ist. Zur Zeiten Mahlers gab es das RT zum Glüch noch nicht. Hier sind erst mal meine Gedanken die ich mir zum ersten Akt gemacht habe:
    Overtüre: Vor geschlossenen Vorhang ( dazu eine vieleicht ganz blöde Frage : Wieso gibt es nach der Overtüre bei den meisten Aufführungen so gut wie fast gar keinen Applaus ? )
    Der Vorhang öffnet sich: Auf der Bühne: ein Schreibtisch mit Ablagemöglichkeiten und Unterschränken und natürlich einem Stuhl,
    Nach dem Auftritt von Don Pizarro gehen Rocco, Marzelline und Jaquino die Bühnentreppen herunter und öffenen die Parkettüren des Theaters und es tritt ganz langsam und bedächtig der Chor herein und begegibt sich zur Bühne. Je näher sie der Bühne kommen desto heller wird das Licht.
    2. Akt: eine Gefängnisiszelle mit Holzpritsche nach der Overture öffnet sich erneut der Vorhang und wir sehen die Angehörigen der Gefangen. Es öffnen sich wieder die Parktettüren des Theaters und die Angehören gehen zu den Gefangenen und alle singen das große Finale im Zuscherraum. Nur Pizzaro bleibt allein auf der Bühne.
    Das waren jetzt so mal meine ersten Überlegungen. Leider hatte ich aus beruflichen und privaten Gründen nicht allzu viel Zeit am Wochenende.

  • Lieber rodolfo39,


    Zu Deiner Frage: Weil das Publikum wahrscheinlich sensibel mitfühlt, dass die Ouvertüre musikalisch und dramaturgisch in die Handlung einführt. Die Unterbrechung durch Applaus stört diesen Übergang. Es liegt aber auch am Dirigenten. Möchte er Beiifall macht er eine Zäsur, will er das nicht spielt er zügig weiter.
    Im Übrigen finde ich die eingebrachten Ideen zu Euren Inszenierungen interessant und zum Teil auch schlüssig. Wobei es mir schwer fällt, aus wenigen Gedanken das ganze Regiekonzept zu erkennen. Ich finde z. B. den Vorschlag, die "Fidelio"-Leonore mit einem Counter-Tenor zu besetzen durchaus diskussionswürdig. Deshalb muss die ganze Inszenierung keineswegs in verfremdendes Regietheater abgleiten, sondern kann sehr werkgerecht gedeutet werden. Nur, lieber rodolfo - "Weh ach die Geister die ich rief" - Du bekommst mit Deinem Mann als "Fidelio" in dem Moment Probleme, wo sich dieser als Frau outet, also bei "Töt erst sein Weib", beim Duett "O namenslose Freude" und bei der gesamten Schlussszene. Du wirst also noch intensiv nachdenken müssen, wie dies glaubhaft dargestellt werden kann. Also so ganz einfach mit einigen kreativen Gedanken ist eine Inszenierung doch nicht zu machen. Wenn es überzeugend wirken soll muss eine durchgängige Idee gefunden werden. Das ist äußerst schwierig. Aber lasst Euch bitte nicht entmutigen. zumindest regen Eure Beiträge zum Nachdenken an.


    Herzlichst
    Operus
    [/size]

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,
    das sollte natürlch noch kein vollständiges Regiekonzept sein. Zum Beispiel habe ich keine Ahnung was die Kleidung betrifft, also wer was angezogen hat. Und ob Rocco dem bürgerlichen Stand zuzurodnen ist oder duch seine Arbeit eine gehobenere Position inne hat, auch wenn er nur ein einfacher Befehlsempfänger war.

  • Ich finde z. B. den Vorschlag, die "Fidelio"-Leonore mit einem Counter-Tenor zu besetzen durchaus diskussionswürdig. Deshalb muss die ganze Inszenierung keineswegs in verfremdendes Regietheater abgleiten, sondern kann sehr werkgerecht gedeutet werden. Nur, lieber rodolfo - "Weh ach die Geister die ich rief" - Du bekommst mit Deinem Mann als "Fidelio" in dem Moment Probleme, wo sich dieser als Frau outet, also bei "Töt erst sein Weib", beim Duett "O namenslose Freude" und bei der gesamten Schlussszene.

    Bei einer solchen Farce sollte man das Wort "Werkgerechtigkeit" durch das viel passendere "Karikatur" ersetzen. Was kommt dann als nächstes? Hänsel und Gretel im Rollen-und Geschlechtertausch? Ein Countertenor als Tosca? (Denn recht männlich-brutal ist ja auch diese Tat, die die "dolci mani" da vollbracht haben!) Tut mir leid, aber eine Witzfigur als Leonore ist eine schlimmere Entgleisung als es das RT in all seinen Spielarten je sein kann.



    Der Vorhang öffnet sich: Auf der Bühne: ein Schreibtisch mit Ablagemöglichkeiten und Unterschränken und natürlich einem Stuhl.
    Nach dem Auftritt von Don Pizarro gehen Rocco, Marzelline und Jaquino die Bühnentreppen herunter und öffenen die Parkettüren des Theaters und es tritt ganz langsam und bedächtig der Chor herein und begegibt sich zur Bühne. Je näher sie der Bühne kommen desto heller wird das Licht.
    2. Akt: eine Gefängnisiszelle mit Holzpritsche nach der Overture öffnet sich erneut der Vorhang und wir sehen die Angehörigen der Gefangen. Es öffnen sich wieder die Parktettüren des Theaters und die Angehören gehen zu den Gefangenen und alle singen das große Finale im Zuscherraum. Nur Pizzaro bleibt allein auf der Bühne.

    Warum dieser Aktionsmus im Zuschauerraum? Sowas habe ich nur einmal wirklich gelungen erlebt: bei Cats! Wozu also hat das Theater eine Bühne?



    Zitat von MS Schenk

    Darauf hinzuweisen, dass der Einschub der Leonore III weder im Libretto, noch in der Partitur vorgesehen ist (Stichwort Werktreue) und das auch Gustav Mahler für seine Entscheidung kaum über nähere Informationen aus erster Hand verfügt haben dürfte, ist wohl so müßig, wie oberflächlich ... Zumindest sei mir aber die Frage gestattet, liebe Strano, ob Du mit dem Spielen der Ouvertüre vor dem Finale II eine dramaturgische Idee verbindest?

    Theophilus hat das schon beantwortet, es gibt dafür den von ihm genannten, rein praktischen Grund. Hinzu kommt, dass die Ouvertüre zumindest mit Bezug auf die Oper geschrieben wurde, also kein völlig "artfremdes" Stück ist. Dramaturgisch gesehen ist dieser durch die Ouvertüre erzeugte "Abstand" zur intimen, "namenlosen Freude" zwischen Leonore und Florestan und der "öffentlichen", feierlichen des gesamten Chores als Zäsur ebenso sinnvoll. Hinzu kommt auch eine gewisse Zeit zum Nachdenken, zum Verarbeiten des soeben gesehenen, ganz und gar nicht alltäglichen Geschehens. Ich sagte schon, dass ich auf die Ouvertüre ungern verzichten würde, bin aber nicht der Meinung, dass sie unumgehbar ist. Wenn sich die von mir angesprochenen Belange anders lösen lassen, könnte Leonore III auch wegfallen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Lieber Operus,
    das sollte natürlch noch kein vollständiges Regiekonzept sein. Zum Beispiel habe ich keine Ahnung was die Kleidung betrifft, also wer was angezogen hat. Und ob Rocco dem bürgerlichen Stand zuzurodnen ist oder duch seine Arbeit eine gehobenere Position inne hat, auch wenn er nur ein einfacher Befehlsempfänger war.


    Was an der Kostümgebung so schwer sein soll, erschließt sich mir nicht, da jedes Museum, jede Bildergallerie, jedes Kostümlexikon hinreichend Aufschluss geben. Zudem haben wir hier echte Fachleute wie unseren Knusperhexerich, der dazu sicherlich einiges sagen kann. Wenn man allerdings "Zeitlosigkeit" anstrebt, wird es schon schwer, da man dann einer Schimäre hinterherjagt, die alle Regiegralsritter sirenengleich in ihren Bann schlägt, um sie später im Wischi-Waschi-Sumpf des Nichtssagenden kläglich versinken zu lassen. Auch eine Abstraktion hat immer noch Zeitbezug. (Ich erwähnte es schon - was beim Ring und bei Wieland funktioniert hat, ist kein Patentrezept für alles andere). Der von dir vorhin erwähnte Schreibtisch ist schon mal ganz und gar nicht zeitlos, zumindest wenn darunter noch ein Rollschrank zu sehen sein soll. Dann kannst du gleich auch Karteiordner und einen PC draufstellen und hast einen Zeitbezug - zum 20. Jahrhundert.
    Rocco (natürich ist er bürgerlich) ist in der Tat ein Befehlsempfänger, der auch gegen besseres Wissen handelt, um sich keine Scherereien einzuhandeln. Dabei ist er nicht zu verurteilen, sein Handeln ist zutiefst menschlich; die eigene Haut ist eben dann doch teurer als hohe Ideale. Alles, was er sich wünscht, ist ein geregeltes Auskommen, einen guten Mann für seine Tochter und ein ruhiges Leben. Daran ist nichts Verwerfliches. Trotzdem - oder gerade deshalb - hat er als Gefängnisdirektor eine nicht unbedeutende Vertrauensposition inne. Er ist verlässlich, stellt keine Fragen, tut, was man ihm sagt. So funktionieren Diktaturen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Ich weiß nicht, ob Lohengrin schwieriger zu inszenieren ist als der Freischütz. Aber ich fange mal mit konzeptionellen Überlegungen zur "Entführung" an.


    Lieber farinelli,


    wozu diese Bedenken? Heutzutage macht doch kein Opernregisseur mehr etwas falsch.


    Mein Stockholmer Lohengrin war so wunderbar verständlich. In jedem Akt ein Gebilde aus Würfeln: Nie sollst du mich befragen. Und dazu noch in einem Akt 5m lange Girlanden von der Decke bis zum Fußboden. Was steht drauf?
    "Nie sollst du mich befragen".


    Gestern sah ich eine rot gefärbte "Macht des Schicksals". Tolle Symbolik. Hampelmänner an der Decka: das Schicksal zieht an den Fäden des Lebens. Oder?
    Dazwischen nette Cowgirls mit Revolvern. Revolver gab´s dann auch in filmischer Überblendung.


    Alles sehr nett, da kann man sogar die guten Sängerleistungen und Methas mitreißendes Dirigat ohne großes Bedauern verschmerzen.

  • Liebe Strano,


    natürlich soll das keine zeitlose Inszenierung sein. Aber beim durchlesen von einigen Fachbüchern stand als Information, dass ein Büro der damaligen Zeit lediglich aus einem Sekretär und einem Schreibtisch bestand, natürlich ohne PC und Telefon Und das war nur mal so ein erster Gedanke den ich zur Diskussion stellen wollte. Und mit dem Akionen im Zuscherraum war eigentlich auch nur mein erster Gedanke. Ist ja alles noch verbesserungsfähig. Und mit den Aktionen im Zuschauerraum habe ich mich eigentlich nur auf Zitat bezogen, dass Fidelio die jenige Oper ist, mit der sich zumindestens die Deutschen am ehesten idenifizieren können.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose