Scharlatan - Oper von Pavel Haas

  • Hiermit möchte ich mich auch beteiligen an der Gestaltung des Opernführers. Sollte eine Verschiebung nötig sein, so bitte ich den Moderator, das zu tun.


    Wer ist Pavel Haas? Er wurde am 21.06.1899 als Jude in Brünn geboren, aus relativ gut betuchten Elternhaus (Vater war Schuhmacher mit drei Verkaufsfilialen, Mutter war wohlhabende Russin). Sehr früh zeigte sich seine musikalische Begabung, er bekommt Klavierunterricht und wurde unterrichtet in Musiktheorie und Komposition. Bereits mit 14 Jahren schuf er eine erste Komposition. Seine Musikstudien setzte er an der Musikschule in Brünn fort, besonderes Interesse zeigte er an der motivischen Arbeit Beethovens, er liebte überhaupt die deutsche klassische und romantische Musik. Seine weiteren Kompositionen zeigten eine starke Affinität zur Kammermusik und zur Vokalmusik. Nach dem 1. Weltkrieg endete die Hegemonie der Deutschen in Brünn, und auf Betreiben Janaceks wurde in Brünn ein Konservatorium gegründet, in welchem Janacek selbst eine Meisterklasse für Komposition leitete. Ab 1920 studierte Haas bei Janacek und schloß 1922 mit Diplom ab. Langsam faßte er Fuß in der tschechischen Musik, schrieb Kammermusik, aber auch Schauspiel- und Filmmusiken. 1934 interessierte ihn das Buch "Dr. Eisenbart" von Josef Winckler, welches ihn so fesselte, daß er beschloß, daraus eine Oper zu machen. Die Nürnberger Rassengesetze machten aber sein Vorhaben zunächst zunichte, da ein Jude sich nicht am Werk eines Deutschen vergreifen durfte. Haas dichtete darauf das Libretto selbst und bezog es auf einen Dr. Bleichbart - anstelle von Dr. Eisenbart, der dann später nochmals umbenannt wurde in Dr. Pustebalg. Die Oper nannte er Scharlatan. Die Uraufführung 1938 in Brünn wurde ein großer Erfolg, Haas bekam den Preis der Smetana-Stiftung. 1938 wurde Brünn durch die Deutschen besetzt, seine Karriere war im Prinzip schon zu Ende. Am 2.12.1941 wird er nach Theresienstadt deportiert. Hier darf er aus Propagandagründen weiter komponieren. Am 15.10.1944 wird er nach Auschwitz verlegt. Er stirbt wahrscheinlich am 18.10.1944 in der Gaskammer. Sein Werk ist heute vergessen. Die Oper Scharlatan wurde am 6.03.2009 als deutsche Erstaufführung an den Bühnen der Stadt Gera wiederentdeckt, das Werk wurde von Deutschlandradio Kultur und MDR-Figaro live übertragen.


    Soweit die Vorgeschichte. Seht nun sein Werk!



    Scharlatan. Oper in drei Akten und 7 Bildern. Musik und Libretto von Pavel Haas.


    Personen: Dr. Eisenbart - Bariton Amaranta - Sopran Rosina - Sopran Jochimus - Bariton Bakkalaureus - Tenor


    weiterhin Personen wie Feuerfresser/Mann mit Krücken/ Deserteur/ Scheusal, Sauermilch, Spinnweb, Rollmops/König/Student, Schlangenbeschwörer, Student/Anderer Mann/Apotheker, Seiltänzer, Theriakverkäufer, Stadtphysikus, Wirt.


    Handlung


    1. Aufzug, 1. Szene


    Ende des 17. Jahrhunderts auf dem Marktplatz einer kleinen Stadt. Von Gauklern umringt, betritt der berühmte Dr. Eisenbart auf, der mit einer Mischung aus werbewirksamen Therapien und spektakulären artistischen Einlagen die Zuschauer in seinen Bann schlägt. Plötzlich erscheint Amaranta, die Frau eines Professors, die angibt, seit einer Fehlgeburt völlig gelähmt zu sein. Eisenbart ist sofort gebannt von Amarantas Schönheit. Mit einer eigenwilligen Brennnesselkur heilt er Amaranta und überredet sie, sich dem Trupp anzuschließen. Mitten im euphorischen Jubel der Umstehenden klagt der Mönch Jochimus Eisenbart der Scharlatanerie an.


    2. Szene


    Die Truppe zieht von Stadt zu Stadt


    3. Szene


    In einer anderen Stadt kauft sich die eitle Amaranta einen völlig überproportionierten Reifrock, sodaß sie nicht mehr durch die Tür des Wagens paßt. Jochimus ist ihr nachgereist, beschimpft Eisenbart und versucht, Amaranta zur Rückkehr zu ihrem Ehemann zu bewegen. Eisenbarts Ehefrau Rosina hat mittlerweise ebenfalls das Verhältnis zwischen ihrem Mann und der Professorengattin durschaut und geht auf Amaranta los. Überstürzt läßt Eisenbart die Pferde anspannen und ruft zum Aufbruch auf.


    2. Aufzug, 1. Szene


    Die Truppe kampiert vor einer alten Mühle. Als Eisenbart in der Entfernung ein vom Krieg zerstörtes Dorf sieht, zweifelt er angesichts der herrschenden Not an seinem ärztlichen Können. Als Amaranta erscheint, macht er ihr eine glühende Liebeserklärung. Sie ist von der stürmischen Annäherung verstört und weist ihn zurück. In der Zwischenzeit schmieden zwei Mitglieder der Truppe ein Komplott, den Doktor auszurauben. Doch der kommt den beiden auf die Schliche. Statt sie zu bestrafen, beschließt er allerdings, sein Vermögem unter den Mitgliedern der Gruppe aufzuteieln. Das Ganze endet im Desaster: die euphorischen Gaukler zünden von Geld und Alkohol berauscht die Mühle an, im Handgemenge wird einer der Gaukler getötet.


    2. Szene


    Auf einem Marktplatz trifft Eisenbart auf Scheusal, einen anderen fahrenden Arzt. Der warnt ihn vor den Launen des Königs, der oft inkognito durch die Stadt streift, und vor allem vor dessen Schwäche für schöne Frauen. Eisenbart preist vor den versammelten Zuschauern sein Lebenselixier "Spiritus Universale" an. Plötzlich gibt sich in der Menge der König zu erkennen und würdigt Eisenbart als größten Arzt des Jahrhunderts. Unbemerkt verschwindet Jochimus mit Amaranta im Getümmel.


    3. Aufzug, 1. Szene


    Ein schwer erkrankter Patient wird angekündigt. Als Eisenbart in ihm den Mönch Jochimus erkennt, erschrickt er zutiefst. Nachdem er sich wieder gefaßt hat, überredet er Jochimus zu einer Operation. Zunächst scheint diese auch erfolgreich zu verlaufen. Doch plötzlich stirbt Jochimus in Eisenbarts Händen. Der Apotheker nutzt die Gelegenheit, seinen Konkurrenten aus dem Volke auszuschalten und hetzt den Pöbel gegen ihn auf. Der beschimpft ihn als Scharlatan und fordert seinen Tod.


    2. Szene


    Eisenbarts Tross hat sich aufgelöst, in einer Dorfschenke klagen die ehemaligen Mitglieder über den Verfall ihres einstigen Anführers. Unerwartet betritt Eisenbart das Wirtshaus, erkennt die anderen jedoch nicht. Als drei Studenten auftauchen und den Wirt um ein Abendessen anbetteln, zahlt Eisenbart die Zeche. Zunächst erkennt keiner der drei den Wohltäter. Darauf stimmt dieser ein Spottlied über den einst so berühmten Dr. Eisenbart an. Plötzlich meint Eisenbart den toten Jochimus zu sehen und bricht tot zusammen.



    Die Geraer Aufführung wurde zu einem großen Spektakel, da Artisten, Akrobaten das Ganze in ein mittelalterliches Markttreiben verwandelten. Zur musikalischen Seite möchte ich mich nicht äußern, aber die Frage bleibt, ob der ungeheure Aufwand sich tatsächlich gelohnt hat.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.