Gag oder Kunst?

  • Der Anlass für dieses Thema ist der ausführliche thread über 4'33'' von Cage, ein Werk, das über diese Zeit aus Stille, jedenfalls von Seiten der Ausführenden , besteht. In diesem thread wird John Cage über den grünen Klee für dieses Stück gelobt und jede Menge Tiefsinn hineingeheimnist. Ich fühlte mich aber an das Märchen "Des Kaisers neue Kleider" erinnert und behaupte: "Dieses Stück hat gar nichts an!" Es ist kein Kunstwerk, sondern ein Gag. Gags sind für mich keine Kunst.
    Als das neue Folkwang-Museum in Essen eröffnet wurde, und zwar mit den Räumen des 20. und 21. Jahrhunderts, gab es jede Menge Installationen; z.B. einen normal gedeckten Tisch, der statt Besteck Federn hatte. Für mich ist das ein Gag und keine Kunst. Für einen Gag braucht man kein Handwerk, sondern nur eine Idee. Und wenn man bekannt ist, wird der Gag auch ausgestellt. Wenn ich an die Museumsleitung herangetreten wäre mit dieser Idee, sie hätten mich ausgelacht.
    Cages 4'33'' ist ein Gag und keine Kunst. Man nimmt die Idee wahr, versteht sie und muss sie nie wieder anhören, weil man die Pointe schon kennt. Ein Gag ist eindimensional, hat kein Geheimnis, man muss sich nicht wirklich wieder damit beschäftigen. Hätte ich diese Idee gehabt statt John Cage, hätte man mich ausgelacht. Ich bin übrigens kein Cage-Feind; ich habe mal an der Präparierung des Klaviers für eine Sonate für präpariertes Klavier mitgemacht, das hat mir sehr gefallen.
    Ich zitiere hier einmal aus dem Gedächtnis Hegel (die Stelle kann ich leider nicht finden). Sinngemäß meint er, dass Kunst ein Kontinuum an Reflexion generiert. Das gilt für die 9. von Beethoven, für Werthers Leiden, für den Isenheimer Altar, für 4'33'' gilt es sicher nicht.
    Die Nagelprobe: Gerard Hoffnung ließ einmal das "ultimative englische Oratorium" aufführen, in der Royal Albert Hall. 100 Instrumentalisten, 100 Chorsänger, vier Solisten, ein Dirigent. Das Werk bestand aus einem einzigen Schlag unisono. Das Publikum wälzte sich vor Lachen. Es war eine grandiose Parodie, ein Gag, aber bestimmt keine Kunst. Worin besteht der Unterschied zu Cages vierdreiunddreißig, was dieses Stück zur Kunst macht, das Hoffnungsche aber zur Parodie?
    Solche Ideen hätte ich auch: die Berliner Philharmoniker spielen in 100 U-Booten die Zweite von Brahms, in jedem U-Boot sitzt ein Musiker. Im Hafen hört eine große Menschenmenge die Zweite von Brahms mit den Wiener Philharmonikern unter Karajan, und das vom Band. Ehrlich gesagt finde ich diese Idee besser als die von Cage, aber sie wird niemals Realität.
    In diesem Sinn und im Geiste von Hape Kerkeling grüße ich alle mit einem dreifachen "Hurz!"

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Dr. Pingel, schon die alten Römer hatten neben dem ganzen Sammlsurium an Göttern in ihren Häusern immer eine namenlose Figur stehen. Das hatte folgende Bewandnis: wenn denn ein Gott zur Erde nach Rom käme, in eben dieses Haus eben dieses Römers, sich zu erkennen gäbe und fragte, wo denn bitteschön sein Ebenbild stünde, so hätte man stets etwas gehabt, worauf man verweisen könnte.


    Und da sind wir auch schon bei der Kunst. Und ich zitiere Arthur Rubinstein: "Ich kann nicht sagen, ob das Werk von Boulez gut ist; ich verstehe es nicht" Offen gestanden: Mit Cage habe ich mich bislang gar nicht befasst. So etwas wie 4'33 ist übrigen tatsächlich kopiert worden: Auf der LP "Unfinished Music 2" von John Lennon gab's ein Stück: "Two Minutes Silence" Aus der Wahrnehmungsperspektive heraus betrachte und in unsere Zeit projeziert behaupte ich, dass ein solches Stück einen heutigen Jugendlichen fertig macht.


    In der Kunst der späten 1960er Jahre mag ja auch mancher Humbug verborgen gewesen sein. Um sie zu verstehen nötigt sie uns allerdings zur Auseinandersetzung. Bazon Brocks Besucherschulen sind da gewiss ein interessantes Ergänzungskonzept. Werke wie Barnet Newmans "Who's afraid of red, yellow and blue" zielen auf Anderes als aufs wiedererkennende Sehen, ebnenso wie Konzepte des Informel, oder, um einen Einzelkünstler zu nennen Jackson Pollock. Die spielen mit der menschlichen Wahrnehmung und der Wahrnehmungspsychologie (auch Blinky Palermo). Die Rezeption dieser Werke geht tief und hat was mit uns zu tun (ebenso auch deren Ablehnung und der Verweigerung, sich damit auseinaderzusetzen).


    Übrigens: es war John Cage, der sich für die vollständige Aufführung von Erik Saties "Vexations" eingesetzt und dies auch umgesetzt hat. Das an sich simple Stück enthält Thema und zwei Variationen. Mit der Anweisung Saties, diese 840 mal zu wiederholen. Die von Cage veranlasste Uraufführung des Werkes dauerte etwa 18 Stunden. Nun reden wir über Rezeption: bleibst Du 18 Stunden im Konzertsessel sitzen? Wohl eher nicht.Wahrscheinlich ist eher, dass Du aufstehst und Dich in dem Raum bewegst, in dem gespielt wird. Du bist zwangsläufig nicht ausschließlich Rezipient, Du agierst zusammen mit der Musik.


    Was Du wohl ähnlich tust mit 4'33". Oder "Two Minutes Silence" Auf andere Weise.


    Vielleicht stellt sich ja die Frage, ob ich die wiedererkennbare Kunst verstanden habe, da ich ja nur das Wiederekennbare, nicht aber den Sinn gesucht habe (sehr wahrscheinlich eher nicht).


    Ein Gag? Ich glaube eher nicht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo, dr.pingel,


    4´33´´ ist vielleicht ein Gag, aber gar so eindimensional finde ich ihn auch nicht. Ich wurde vor ca. 4 Jahren mit diesem Stück auf einer Weihnachtsfeier(!) konfrontiert und war zuerst verblüfft und dann ehrlich fasziniert. Die Reaktion der Anwesenden reichte von Belustigung bis Ratlosigkeit. Seitdem finde ich es hochinteressant zu beobachten, wie andere Leute auf 4´33´´ reagieren. Und allein die Frage, wo die Definition von Musik endet und sie auch Stille, die nicht von anderen Klängen „umgeben“ ist, beinhaltet, finde ich äußerst spannend. (Cages Bemerkung „Music is everywhere, you just have to have the ears to hear it.“ hilft hier veilleicht weiter.)
    Das alles geht für mein Empfinden weit über einen eindimensionalen Gag hinaus. Dazu kommt noch, dass Cage anscheinend durchaus kein Problem damit hatte, wenn man mit Belustigung auf seine Werke reagiert. (Es gibt auf YouTube einen Fernsehmitschnitt aus einer Show, in der er Waterwalk vor Publikum aufführt und die amüsierte Reaktion der Anwesenden durchaus respektiert.) Und warum sollte Kunst nicht auch Spaß machen und zum Lachen und Nachdenken anregen
    Ich muss allerdings zugeben, dass ich mit ein paar anderen Arbeiten von Cage, die ich kenne, so meine Probleme habe. Da scheint mir oft die Entstehungsgeschichte oder die theoretischen Überlegungen dazu interessanter zu sein als das eigentliche Werk.


    PS: Übrigens - einen gelungenen Gag – z.B. von Laurel & Hardy – sehe ich mir gerne immer mal wieder an, ohne ihn daher für eindimensional zu halten. (Ich gebe zu, dass der Vergleich etwas hinkt, da Laurel & Hardy ja das vorrangige Ziel haben, das Publikum zum Lachen zu bringen. Allerdings haben die Beiden dabei so manches Kunstwerk produziert, dessen hoher Stellenwert – auch unter ihren Kollegen vom Fach – Stan Laurel bis zu seinem Lebensende verwundert hat.
    (Aber das nur am Rande.)

  • Ich muss allerdings zugeben, dass ich mit ein paar anderen Arbeiten von Cage, die ich kenne, so meine Probleme habe. Da scheint mir oft die Entstehungsgeschichte oder die theoretischen Überlegungen dazu interessanter zu sein als das eigentliche Werk.


    Ist jetzt OT - aber welche Werke z.B.?
    :hello:

  • Es ist kein Kunstwerk, sondern ein Gag. (Betr.: Cage 4´33´´)


    ... es ist nicht mal ein Gag. Für mich ist das nicht mal billiger Klamauk, sondern purer Schwachsinn, für den ein Kopfschütteln noch zuviel Ehre und Aufwand ist.
    Zugegeben, ich wußte davon bisher überhaupt nichts und Eure Beiträge haben mich neugierig gemacht. Habe mir dann diesen Unsinn auf you tube angeschaut. Schade um die Zeit!


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Hallo, kurzstueckmeister,


    also ganz konkret habe ich mit Variations 1,2 & 3 zu kämpfen, die ich mir mit dem Motion Ensemble auf CD anhören wollte. Ich habe es dann irgendwann aufgegeben, da mir diese - sagen wir mal "Klanganordnung" - einfach nichts gesagt hat.

  • Hallo, kurzstueckmeister,


    also ganz konkret habe ich mit Variations 1,2 & 3 zu kämpfen, die ich mir mit dem Motion Ensemble auf CD anhören wollte. Ich habe es dann irgendwann aufgegeben, da mir diese - sagen wir mal "Klanganordnung" - einfach nichts gesagt hat.


    Oh, da gibt es doch was aus motivierteren Zeiten:
    Cage: Variations I
    Leider habe ich das noch nie gehört, überlege aber immer mal wieder, es selbst zu spielen, bin dann aber zu faul, eine Partitur auszuarbeiten ...

  • Die Variations gibt es als günstigen Download beim Werbepartner, lieber kurzstueckmeister. Aber letztendlich finde ich die unter Deinem Link angegebene "Spielanleitung" spannender als das klangliche Ergebnis.

  • Natürlich hat Cartman recht, wenn er schreibt, dass die Entstehungsgeschichte interessanter ist. MIr scheinen überhaupt in Cages WERk die Vorüberlegungen zu einem Stück das eigentlich wichtige zu sein. Das hörbare Ergebnis (oder eben die Stille) sieht danben m.E. oft äußerst blaß aus.
    Insofern ist es vielleicht eben doch kein Gag, weil man zusätzliche INformationen braucht, um überhaupt irgendeinen Sinn mitzubekommen.


    Gibt es übrigens Sammler, die verschiedene Aufführungen von 4`33 besitzen und miteinander vergleichen?

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • um überhaupt irgendeinen Sinn mitzubekommen.


    Lieber Klaus


    Wo soll denn bei 4´33´´ ein "Sinn" zu erkennen sein? Das Ganze ist höflich ausgedrückt "total sinnlos!"
    Für mich erhebt sich hier die Frage, die mich auch in Erstaunen versetzt, mit welchem Schwachsinn gelingt es jemandem sich einen Namen zu machen, bzw. kriegt wahrscheinlich auch noch Geld dafür.
    Noch fragwürdiger sind allerdings die Leute, die für so etwas Zeit und auch noch Geld opfern und diesen Unsinn konsumieren. Hier fällt mir als Erklärung nur ein kluger Spruch passend und treffend ein:
    Jeden Morgen stehen auch ein paar Dumme auf. Man muß sie nur finden...


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Chrissy!


    Du hast ja bestimmt bemerkt, dass ich versuchte, möglichst vorsichtig zu formulieren. Aber irgendeine Idee wird ja dahinterstecken, so ala "Die Aufmerksamkeit des modernen Menschen für die Stille ist verlorengegangen...."
    Ich persönlich möchte keine Aufführung live erleben, werde mir das Stück auch nie auf Tonträger zulegen, - aber als ich zum ersten Mal davon hörte, entwich mir doch ein klitzekleines Ha! Ansonsten ist es mir schlicht unverständlich, wie ein Mann wie Cage von seiner Arbeit leben kann.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • "Des Kaisers neue Kleider" ist m.E. ein ganz unpassender Vergleich. Cage ist hier doch ein offen bekennender "Nudist".
    Damit eine Entlarvung a la Kaisers neue Kleider vorgenommen werden könnte, müsste doch etwas künstlerisch Aufwendiges vorgeschützt werden, das sich dann bei näherer Betrachtung in Luft auflöst. Ich bin nicht dieser Ansicht, aber jemand könnte z.B. von einen anscheinend komplexen und schwierigen Stück von Boulez behaupten, dass das nur "heiße Luft" sei usw. Das wäre eine Entlarvung. Wenn jemand bei einem Text Heideggers festzustellen meint ( (wie Carnap seinerzeit), dass das nur seltsam verpackter Unsinn sei, ist das eine Entlarvung. Wenn dagegen jemand bei einem Text Schwitters' Unsinn entdeckt, nicht.
    Bei 4'33 gibt es nichts zu entlarven, deswegen ist es etwas albern, das überhaupt zu versuchen.


    Wovon Cage so gelebt hat, kann man bei wikipedia (ggf. im englischsprachigen Artikel). Habe ich neulich nachgeschlagen, weil jemand meinte, so etwas wie Cage könnte es ja nur aufgrund von politisch gewollter Unsinnsförderung geben. Stimmt in diesem Falle aber nicht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • unterricht geben? (u.a. über pilzbestimmung)


    Er kann gerne zum Lernen mal zu mir kommen. Ich war 15 Jahre Pilzberater. Jedem, der es hören will, erkläre ich gerne mal, was Marasmius oreades ist, oder Kuehneromyces mutabilis. Beide eßbar.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • "Des Kaisers neue Kleider" ist m.E. ein ganz unpassender Vergleich. Cage ist hier doch ein offen bekennender "Nudist".


    Das habe ich mir auch kurz gedacht ... allerdings geht es doch darum, dass die "Kenner" das "nichts" rechtfertigen, indem sie etwas hineinlesen, und seine Großartigkeit herausstreichen, bis jemand feststellt, da sei nichts, und sich dann auch andere, die zuvor von den Kennern eingeschüchtert waren, trauen, das so zu sehen.


    Jedenfalls sehe ich nach wie vor in dem "nichts" etwas, und der Narr/das Kind haben mir nicht die Augen öffnen/schließen können ...

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  • Ich muß nun meine absolute Unkenntnis gestehen und damit selbst daran zweifeln, ob das elitäre Forum Tamino für meinen Intellekt das Richtige ist. Ich kenne weder 4`33``noch einen Mann namens Cage. Bin ich in der Auswahl meiner Musik zu einseitig auf bestimmte Komponisten fokussiert oder mache ich generell einen Bogen um Geräusche, die manche für Musik halten, meinen Ohren aber evtl. weh tun? Wahrscheinlich das Letztere. Und aus euren Zuschriften kann ich keinen Hinweis darauf finden, die mich veranlassen, auch nur eine Minute darauf zu verwenden, neugierig zu werden. Ich lasse es, spare die 4 1/2 Minuten und freue mich auf heute abend 17.00 - da gehe ich Skat spielen. Mal sehen, ob einer meiner Skatpartner den Namen Cage kennt. Ich zweifle. Aber alle 3 kennen sicher die Namen Mozart, Beethoven oder Mahler. Auch ein Kriterium.


    La Roche

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  • oder mache ich generell einen Bogen um Geräusche, die manche für Musik halten, meinen Ohren aber evtl. weh tun?


    Och, Cage hat sogar Melodien komponiert:



    Sechs Melodien für Violine und Tasteninstrument (Klavier) (1950)
    Track 1-6 zum Probehören.
    Aber das ist hier vielleicht OT, weil das niemand für einen Gag hält?

  • Hoffentlich warst Du das vor 1992


    Bis 1990. Dann wurde alles anders.


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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich muß nun meine absolute Unkenntnis gestehen und damit selbst daran zweifeln, ob das elitäre Forum Tamino für meinen Intellekt das Richtige ist. Ich kenne weder 4`33``noch einen Mann namens Cage. Bin ich in der Auswahl meiner Musik zu einseitig auf bestimmte Komponisten fokussiert oder mache ich generell einen Bogen um Geräusche, die manche für Musik halten, meinen Ohren aber evtl. weh tun? Wahrscheinlich das Letztere. Und aus euren Zuschriften kann ich keinen Hinweis darauf finden, die mich veranlassen, auch nur eine Minute darauf zu verwenden, neugierig zu werden. Ich lasse es, spare die 4 1/2 Minuten und freue mich auf heute abend 17.00 - da gehe ich Skat spielen. Mal sehen, ob einer meiner Skatpartner den Namen Cage kennt. Ich zweifle. Aber alle 3 kennen sicher die Namen Mozart, Beethoven oder Mahler. Auch ein Kriterium.


    Aber doch wohl ein sehr schlechtes, oder? Man findet sicher auch viele Skatpartner, denen der Name Mahler nichts sagt oder die von Beethoven eben nur den Namen kennen, aber kein einziges Musikstück erkennen würden. Kennen sie denn Namen wie Gesualdo oder Corelli, oder halten sie das eher für eine Schuhmarke oder Pizza-Sorte? Bevor ich irgendwas drauf gebe, ob jemand zufällig in der Fußgängerzone Gefragtes einen Namen kennt, lass ich mich gern "elitär" schimpfen...


    Die Ohrenschmerzgefahr dürfte sich bei 4'33 in Grenzen halten :D

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  • Das habe ich mir auch kurz gedacht ... allerdings geht es doch darum, dass die "Kenner" das "nichts" rechtfertigen, indem sie etwas hineinlesen, und seine Großartigkeit herausstreichen, bis jemand feststellt, da sei nichts, und sich dann auch andere, die zuvor von den Kennern eingeschüchtert waren, trauen, das so zu sehen.


    Jedenfalls sehe ich nach wie vor in dem "nichts" etwas, und der Narr/das Kind haben mir nicht die Augen öffnen/schließen können ...


    Natürlich ist es mehr als Nichts, aber der Unterschied, den ich ziehen wollte, ist doch einigermaßen klar? Jemand mag ein Bild von Klee als kunstloses "Kindergekritzel" sehen, aber es ist doch etwas anderes als Duchamps Pissoir.

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  • Bei Hape Kerkeling indes erklingt ja wenigstens noch etwas: :D


    Na, vielleicht schreibt mal jemand etwas darüber? Ich habe ja nur irgendwann aufgeschnappt, dass er zuerst diese Improvisation vor einem Publikum gegeben hat, das das ernst genommen hat, um sich dann mit dem Video über das erste Publikum lustig zu machen. Im Endeffekt hört man dann vor lauter Lachen nicht mehr so genau, was die beiden so musiziert haben, jedenfalls höre ich am Anfang das Klavier nicht besonders gut. Und die Lacher kommen etwas unmotiviert - das Publikum findet also offenbar bereits das seriös-steife Auftreten der beiden "klassischen Musiker" komisch. Sie würden auch lachen, wenn jetzt Schostakowitsch gesungen werden würde. Das Publikum, über das gelacht wird, bemüht sich dagegen, der akustischen Darbietung etwas abzugewinnen. Ich wäre lieber im ersten Publikum gesessen.

  • Natürlich ist es mehr als Nichts, aber der Unterschied, den ich ziehen wollte, ist doch einigermaßen klar? Jemand mag ein Bild von Klee als kunstloses "Kindergekritzel" sehen, aber es ist doch etwas anderes als Duchamps Pissoir.


    Na klar - allerdings ist diese alte Geschichte mit des Kaisers neuen Kleidern eine sehr alte und existiert auch als "leeres Bild" (in der Form wird sie in einem Barockroman erzählt). Da stehen also die "Kenner" um ein leeres Bild und preisen es. Seit Malewitsch oder spätestens Reinhard oder Rothko gibt es ja nun tatsächlich leere Bilder, die gepriesen werden, womit das Bild des leeren Bildes nicht mehr so gut funktioniert.
    :D

  • Aber doch wohl ein sehr schlechtes, oder? Man findet sicher auch viele Skatpartner, denen der Name Mahler nichts sagt oder die von Beethoven eben nur den Namen kennen, aber kein einziges Musikstück erkennen würden. Kennen sie denn Namen wie Gesualdo oder Corelli, oder halten sie das eher für eine Schuhmarke oder Pizza-Sorte? Bevor ich irgendwas drauf gebe, ob jemand zufällig in der Fußgängerzone Gefragtes einen Namen kennt, lass ich mich gern "elitär" schimpfen...


    Naja, mein lieber Johannes, ganz so ist es ja nicht. Abgesehen davon, daß meine Skatrunde aus dem Kreis rekrutiert wurde, mit denen ich vor rund 50 Jahren das Abitur gemacht habe - und wir hatten noch richtigen Musikunterricht in der Schule - und die schon deshalb wenigstens die wichtigsten klassischen Komponisten noch im Gedächtnis haben (wenn der Kalk noch nicht an allen Stellen festsitzt, aber dann würden wir auch nur sehr schlecht Skat spielen können). Und beim allgemeinen Bildungsniveau finde ich es schon ein positives Kriterium, wenn unter 100 willkürlich befragten Passanten vielleicht 20 Beethoven oder Mozart als Komponisten erkennen. Bei Mahler bin ich nicht sicher, ob es 10 werden. Aber bei Cage? Oder gar bei 4`33``???


    Sicher sind einige Taminos hinsichtlich der Musikkenntnisse "elitär", und das ist ja kein Schimpfwort. Elitär sind aber auch diejenigen, die auf anderen Gebieten wie Literatur, Historie, Naturwissenschaften, ja sogar Philosophie oder Medizin einen deutlich über den Durchschnitt hinausgehenden Kenntnisstand haben. Elitär sind also keinesfalls nur einige Taminos. Manchmal haben wir früher das Wort "Fachidioten" gebraucht. Vielleicht sollten wir den Begriff "Elte" mal definieren, damit jeder sich selbst andichten kann, ob er dazu gehört (oder gehören will) oder nicht.


    Ich halte es auch für falsch, den Stand der Allgemeinbildung an Gesualdo oder Corelli (da fallen mir sogar 2 ein, der eine hat gesungen, der andere hat wohltönende Barockmusi gemacht) festzumachen. Ich bin sicher, daß meine Skatfreunde die Namen nicht kennen. Man möge mir verzeihen, wenn ich meine Freizeit mit Unwürdigen verbringe. Morgen bin ich wieder Tamino, aber heute abend gehört mein Herz dem Eichel-Unter.


    Viele Grüße von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich muss ja zugeben, dass ich den Sketch nicht ganz durchgehört habe. Immerhin habe ich das dazu gefunden:
    "http://www.weser-kurier.de/region/diepholz_artikel,-Wo-Hape-Kerkelings-Hurz-Sketch-entstand-_arid,250147.html"
    Der Pianist heißt also Achim Hagemann und ist laut wikipedia auch Komponist ... zu lesen dort:

    Zitat

    Kompositorisch war Hagemann verantwortlich für die bekannten Kerkeling-Songs „Das ganze Leben ist ein Quiz“ und „Hurz“.


    Dass ein Komponist ein "modernes" Stück schreiben kann, das "täuschend echt" klingt, sollte nicht verwundern ...
    anschließend hat Kerkeling offenbar das Publikum "mit Nachfragen aber in eine verbal hoffnungslose Situation" getrieben. Naja, fragwürdige Zusammenhänge kann man in fachkundigen Äußerungen in Internetforen auch finden ... vor allem wenn man die Hälfte wegschneidet.

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