Das Staatsballett Berlin - hohes Niveau und Augenschmaus in einzigartiger Symbiose

  • Ein eigentliches Ballettforum habe ich - bis auf den Ballettführer - leider nicht gefunden, daher scheint mir hier der beste Platz für meinen neuen Thread. Der Titel verrät sicherlich schon meine Begeisterung, aber der Weg nach Berlin, den ich mehrfach jährlich antrete, lohnt sich jedes Mal . Der Intendant Vladimir Malakhov hat es verstanden, eine geradezu perfekte Mischung aus modernem Tanztheater und klassisch inszenierten, großen Handlungsballetten auf den sehr abwechslungsreichen Spielplan zu bringen. In den vergangenen Jahren habe ich eine fantastische Produktion nach der anderen erleben dürfen - Schwanensee, Die Schneekönigin, La Bayadère, Eugen Onegin, Dornröschen, Sylvia, Caravaggio, Romeo und Julia.
    Wannn immer ich da war, habe ich - unabhängig davon, ob es sich um ein bekanntes oder weniger bekanntes Ballett handelte - ein gut gefülltes bis nahezu ausverkauftes Opernhaus erlebt, also ein Zustand, der in den meisten (Regie)Theatern doch eher die Ausnahme bildet. Woran liegt das? Einerseits natürlich an den hervorragenden tänzerischen Leistungen, die Stars wie Polina Semionova, Nadja Saidakova, bis vor ein paar Jahren auch Malakhov selbst, Mikhail Kaniskin u.v.a. bieten, andererseits aber auch an der oftmals verschwenderischen Ausstattung und den guten Choreographien.
    Schwanensee in Patrice Barts Inszenierung habe ich mir drei Mal angeschaut. Bart hat die orginale Choreographie von Marius Petipa unangetastet gelassen, verlegt aber die Handlung sehr gelungen ins zaristische Russland. Der Zauberer Rotbart ist "offiziell" ein finsterer Minister am Hof der Zarin, der gegen ihren Sohn Siegfried intrigiert.
    Diese Fassung mag ich ebenso wie die "klassische", die im Märchenreich spielt und sowohl von den Petersburgern als auch vom Bolschoi-Ballett präsentiert wird. Schade nur, dass es sie nicht auf DVD gibt.


    Sehr beeindruckt hat mich auch der Onegin in der fantastischen Choreographie von John Cranko. Ich hatte nicht geglaubt, dass man diesem Stoff auch "nur" tänzerisch gerecht werden kann, wurde aber eines Besseren belehrt.
    Malakhovs Anspruch, unter der Prämisse der Ästhetik und der Grundbedingung eines hohen Könnens romantische Ballette in ihrer ganzen Schönheit auf die Bühne zu bringen und gleichzeitig moderne Tanzproduktionen zu bieten, würde - auf die Oper übertragen - vielen Intendanten sehr gut tun und ebenso viele, ausgiebigst erörterte Probleme bzgl. der Auslastung, der Buh-"Un"kultur und so vieler anderer Gebrechen der Opernbetriebe langfristig in Wohlgefallen auflösen. Nein, diese These halte ich nicht für zu optimistisch, denn es geht - wie fast immer und überall - um das Wollen.
    Wer mehr über Malakhovs Arbeit erfahren möchte: hier
    Gibt es hier ganz allgemein Ballettbegeisterte und speziell auch solche, die das Staatsballett Berlin so schätzen wie ich?

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)