LISZT, Franz: CHRISTUS


  • Franz Liszt (1811-1886):


    CHRISTUS
    Oratorium in drei Teilen nach Texten der Heiligen Schrift und der katholischen Liturgie in lateinischer Sprache für Soli, Chor (SATB), Orgel und großes Orchester - Textfassung vom Komponisten


    Uraufführung des vollständigen Werkes am 29. Mai 1873 in Weimar


    SOLISTEN


    Sopran
    Mezzosopran
    Alt
    Tenor
    Bariton
    Baß


    Vorbemerkung


    Franz Liszt stellt seinem Oratorium als Motto einen Text aus dem Paulus-Brief an die Epheser (4, 15) voran:


    Veritatem autem facientes in caritate, crescamus in illo per omnia qui es caput,
    crescamus in illo per omnia, qui est caput Christus.

    den Martin Luther so übersetzt:


    Lasset uns aber rechtschaffen sein in der Liebe,
    und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist: Christus.


    INHALTLICHE INFORMATIONEN


    Das Werk beginnt mit einer Orchester-Einleitung in dorischer Tonart, die zu den Jesaja-Worten (45, 8) ein gregorianisches Zitat verarbeitet, das leitmotivisch im weiteren Verlauf immer wieder erklingt:


    Rorate coeli de super et nubes pluant justum, aperiatur terra et germinet Salvatorem

    von Luther folgendermaßen übersetzt:


    Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit!
    Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf!
    Ich, der Herr, habe es geschaffen.

    Die Musik ist durchweg schlicht, fast archaisch, bleibt mit steten Viertelbewegungen im Fluß, fällt durch immer wieder abbrechende Klänge der Holzbläser, verklingt dann jedoch überraschend leise mit einem tremolierenden D-Dur-Dreiklang der Geigen.


    Erster Teil: Weihnachtsoratorium.


    Die schon in der Einleitung erklungene Melodie des Rorate coeli eröffnet auch den ersten Teil, das Weihnachtsoratorium, mit einer heiteren, hier vom Klang der Holzbläser bestimmten Hirtenmusik. Dann verkündet der Angelus (Sopran) ad pastores ait aus Lukas 2, 10-14, in liturgischer Rezitation, also ohne eine instrumentale Begleitung. Erst das Gloria in exelsis Deo übernehmen der Tutti-Chor und das volle Orchester vom Solo-Tenor, das dazu immer wieder das Rorate coeli-Motiv anstimmt. Zu hymnischem Jubel steigert sich der Gesang beim Alleluja, der jedoch plötzlich und unerwartet nach einer Generalpause a capella verklingt.


    Nach einem beruhigend-lieblichen Zwischenspiel der Geigen, Flöten und Klarinetten, in dem die Engel-Weise mit den Hirtenklängen verbunden wird, stimmt der Chor die rein homophon-akkordisch vertonte umfangreiche Hymne Stabat mater speciosa (Stand die Mutter da, die hohe) an, lediglich von einer Orgel begleitet. Hierin wird die Mutterfreude Marias als betrachtende Anbetung der Gläubigen geschildert. Der Text ist als „Parodie“ der Passions-Sequenz Stabat mater dolorosa anzusehen. Der Chor teilt sich stellenweise bis zur Siebenstimmigkeit, und sämtliche Strophen der Hymne werden von Liszt nicht nur durch den Wechsel vom Vierer- zum Dreiertakt, sondern auch durch eine romantisch-ausladende Harmonik jeglicher Monotonie enthoben. Pianissimo verklingt das Amen.


    Zwei Orchesterstücke schließen den ersten Teil des Oratoriums ab: Einmal das Hirtenspiel an der Krippe, das Liszt mit „Pastorale für Orchester“ überschreibt; es beleuchtet musikalisch die Szene im Stall mit den Hirten und Engeln. Der Komponist findet eine volkstümliche Schalmeienmelodie, die aus einer hymnischen Weise mit dem Wechsel von Dreier- und Zweiertakt besteht und ein farbenreiches Tonbild ergibt.


    Als Finale des ersten Teils erklingt der Marsch der Heiligen Drei Könige; das Hauptthema ist eine euphorische Des-Dur-Melodie mit der Aufgabe, den leuchtenden Stern am Himmel zu malen und nimmt dabei Bezug auf die Textstelle Matthäus 2, 9ff


    Et ecce stella, quam viderent in Oriente

    die Martin Luther mit


    Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, ging vor ihnen hin,
    bis daß er kam und stand oben über, da das Kindlein war

    übersetzt. Die Überreichung der Geschenke durch die Könige (so bei Matthäus 2, 11ff) ist als ein beschauliches Trio innerhalb des Marsches komponiert:


    Apertis thesauris suis, obtulerunt Magi, Domino aurum, thus et myrrham.
    Und taten ihre Schätze auf, und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.


    Liszt beendet also das Weihnachtsoratorium mit zwei malerischen Orchesterstücken und stellt sich somit nicht nur gegen die althergebrachte Tradition, sondern verdeutlicht damit gleichzeitig auch seine Konzeption der Gleichstellung von Chor und Orchester.


    Zweiter Teil: Nach Ephiphanias.


    In diesem Teil beschreibt Liszt den lehrenden und Wunder wirkenden Jesus bis zu seinem Einzug in Jerusalem anhand wichtiger Texte der Heiligen Schrift und stellt damit eine Art Glaubenslehre auf, die diesen Abschnitt nicht nur durch dogmatische Fülle, sondern auch durch große musikalische Inspiration zum wichtigsten Teil des Oratoriums erhebt.


    Die Bergpredigt und das dazu gehörende Pater noster eröffnen diesen Mittelteil und sind zwei der innigsten und tiefempfundendsten Kompositionen von Kirchenmusik aus Liszts Feder. Beide Teile entstanden allerdings schon früher und fanden hier ihren endgültigen Platz.


    Am Beginn steht auch hier wieder das Leitmotiv des Rorate coeli - mit Orgelklang. Der Bariton, eindeutig der Jesusgestalt zugewiesen, trägt die Seligpreisungen zunächst wie ein Vorsänger ohne Begleitung vor (Matthäus 5, 3-10), ehe der Chor, nur von der Orgel begleitet, ehrfürchtig in vier- bis siebenstimmigem Satz einstimmt:


    Beati pauperes spiritu - Selig sind, die da geistlich arm sind
    Beati mites - Selig sind die Sanftmütigen
    Beati qui lugent - Selig sind, die da Leid tragen
    Beati qui esuriunt - Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit
    Beati misericordes - Selig sind die Barmherzigen
    Beati mundo corde - Selig sind, die reines Herzens sind
    Beati pacifici - Selig sind die Friedfertigen
    Beati qui persecutionem - Selig sind, die Verfolgung leiden


    Zu bewundern ist Liszts Kunst der langsamen Steigerung der harmonischen Entwicklung, die bei der letzten Seligpreisung zu dramatischem Ausdruck verdichtet wird, überraschend mit einem Diminuendo auf das Unisoni-Amen hin mit einer plagalen E-Dur-Kadenz endet.


    Das anschließende Vater unser, Bestandteil der Bergpredigt, gestaltet Liszt als Chorsatz mit Begleitung der Orgel. Die Rolle des redenden Jesus übernehmen hier abwechselnd einzelne Chorstimmen. Die jeweiligen Bitten werden zunächst einstimmig vorgetragen, dann aber mit harmonischer und kontrapunktischer Verdichtung vom Chor übernommen und weitergeführt.


    Von besonderer Schönheit sind das ergreifende Adveniat regnum tuum (Zu uns komme dein Reich), das majestätisch wirkende Fiat voluntas tua (Dein Wille geschehe) oder die schlichte G-Dur-Bitte Panem nostrum cotidianum da nobis hodie (Unser tägliches Brot gib uns heute). Schließlich muß das äußerst schmerzliche Sed libera nos a malo (Sondern erlöse uns von dem Übel) erwähnt werden, das durch Dissonanzen auffällt, wobei das libera mit seinem reinen C-Dur-Dreiklang hervorsticht.


    Dem dritten Satz in diesem zweiten Teil gab Liszt den Titel „Die Gründung der Kirche“. Ein Männerchor setzt nach sehr kurzem Orchestervorspiel unisono mit dem Text Matthäus 16, 18 (deutsche Übertragung von Luther)


    Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam, et portae inferi non praevalebunt.
    Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen,
    und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen

    ein. Obwohl es nur ein verhältnismäßig kurzer Satz ist, fällt er durch seine Monumentalität auf, da auch das Orchester mit vollem Tutti den Chor begleitet. Liszt setzt Jesu Worte vom Fels, auf dem die Kirche stehen soll, mit einer Emphase um, die offensichtlich auf die Verherrlichung der „allumfassenden Kirche“ zielt und so auch verstanden werden soll.


    Es gibt jedoch einen lyrisch gestalteten Mittelteil


    Simon Johannis, diligis me? Pasce agnos meos! Pasce oves meos!
    Simon, Johannes Sohn, hast du mich lieb? Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!

    dessen Text aus dem Johannes-Evangelium (21, 15) stammt, in dem Liszt mit geradezu zärtlichen Melodien eine „friedliche Weide“ für die zu weidenden Lämmer und Schafe malt. Aber am Ende des Satzes zitiert Liszt wieder das mit großer Klangpracht erfundene Tu es Petrus-Thema und rundet damit diesen Abschnitt ab.


    Der vierte Teil Das Wunder ist für Bariton-Solo, Chor und Orchester geschrieben und bezieht sich auf den Text bei Matthäus 8, 24ff:


    Et ecce motus magnus factus est in mari
    Und siehe, da erhub sich ein groß Ungestüm im Meer

    Diesen Sturm schildert der Komponist in einem langen Orchestervorspiel sehr realistisch, wobei ein ruhiger Abschnitt den unbekümmert schlafenden Christus darstellen soll. Als sich jedoch der Sturm zu einem Orkan aufbaut (dargestellt durch das wilde Rumoren in den Bässen und den hohen Bläsern mit Pauken), können die Jünger vor lauter Angst nicht mehr an sich halten und wecken mit ihren Rufen den Herrn auf:


    Domine salva nos perimus
    Herr, rette uns, denn wir müssen sterben.

    Durch einen Forte-Akkord des Orchesters bricht der Sturm ab - und in die Stille hinein spricht Jesus seine Anhänger mit den Worten


    Quid timidi estis modicae fidei
    Was seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen?

    an. Ein langsames Orchester-Zwischenspiel, das mit Harfenklang aufwartet, und nach Cis-Dur (!) moduliert, beschreibt das beruhigte Meer und der Chor vermeldet


    Et facta est tranquillitas magna/Da ward es ganz stille.

    Der Satz wird orchestral mit beruhigenden Klängen, wie verklärend, zu Ende geführt.


    Der den zweiten Teil des Oratoriums beschließende fünfte Satz Der Einzug in Jerusalem beginnt mit einem umfangreichen Orchestervorspiel, dessen Thema dem gregorianischen Gloria entstammt. Das Volk jubelt


    Osianna, benedictus qui venit in nomine Domini, Rex Israel.
    Hosianna, gesegnet sei der da kommt, ein Herr, der König Israels.

    Auch in diesem Satz führt überwiegend der Chor das Regiment, doch darf immerhin als einzige Solistin der Mezzosopran in das Benedictus in exelsis Deo einstimmen, wenngleich über weite Strecken nur als Verstärkung der Chorsoprane. Aber der Komponist verbindet Solostimme und Chor meisterlich zu stetig anwachsender Begeisterung - die dann jedoch plötzlich abbricht. Ebenso plötzlich und unerwartet erhalten die fünf Solisten zum


    Benedictum, quod venit Regnum patris nostri David
    Gesegnet sei, welches da kommt als Reich unseres Vater David. Hosianna in der Höhe.

    einen unbegleiteten Einsatz, dem sich erst zum Hosianna die Instrumente und der Chor hinzugesellen. Von einem kräftigen Hosianna-Ruf als Schlußakkord einmal abgesehen, klingt der zweite Teil ruhig und verhalten aus.


    Dritter Teil: Passion und Auferstehung.


    Eine Introduktion aus Seufzermotiven bringt sofort die düstere Stimmung, die in diesem ersten Satz des dritten Teils durch den Text vorbestimmt ist:


    Tristis es anima mea usque ad mortem
    Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.
    Pater, si possibile est, transeat a me calix iste, sed non quod ego volo, sed quod tu.
    Mein Vater, wenn es möglich ist, dann gehe dieser Kelch an mir vorüber;
    doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.

    Christi Worte, vom Solo-Bariton vorgetragen, sind Äußerungen eines leidenden Menschen, nicht die eines Gottessohnes. Liszt findet in einem umfangreichen Zwischenspiel Töne der Verzweiflung und des Seelenkampfes, die dann zu den Worten sondern wie du willst einen flehenden Ausbruch auf Spitzentöne bringt, dann wieder, Ergebenheit in den göttlichen Willen anzeigend, zu lyrischem Gesang zurückfindet. Eine sehr persönlich wirkende Musik, die vielleicht auf eigene Erfahrungen menschlicher Verlassenheit zurückzuführen ist.


    Der zweite Satz, das Stabat mater dolorosa, beleuchtet die Kreuzigung und den Tod Jesu aus der Sicht seiner Mutter und, in einigen Versen, der sündigen Menschen: Es ist eine in sich abgeschlossene Kantate, die auch separat aufgeführt werden kann. Liszt schrieb das Stück für fünf Soli (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor und Baß), Chor und Orchester. Diese Komposition ist nicht nur ungleich bedeutender als das Stabat mater speciosa aus dem ersten Teil, es ist sicherlich auch eine der imponierendsten und gleichzeitig ergreifendsten Vertonungen dieser alten Sequenz, die es gibt.


    Zunächst klingt im Orchester eine Melodie an, die man seit dem 17. Jahrhundert mit der Dichtung verbindet, dann übernimmt sie der Mezzosopran und gibt sie an den Chor weiter. Während die ersten beiden Strophen als f-Moll-Trauerhymne einer verzweifelten Mutter vorgetragen werden, kommen in den nächsten Versen der Dichtung Äußerungen der Menschen an dem Geschehen hinzu; sie sind als Selbstanklage mit eindrucksvoll wogenden Orchesterbässen gekennzeichnet.


    Besondere Aufmerksamkeit verdient das Eja Mater fons amoris (Laß, o Mutter, Quell der Liebe), das Liszt für den Solo-Alt mit einer chromatischen Melodie gestaltet (die der Chor später übernimmt), die in besonderer Weise die Bitte um Mitleid auszudrücken vermag. Im Fac, ut ardeat cor meum (Laß mein Herz für Christus brennen) finden sich alle Stimmen schwärmerisch zu einem Miteinander zusammen, das sich zum Vers Sancta Mater, istud agas (Präg' o Heil'ge, jene Wunden) zu einer klanggewaltigen Feierlichkeit steigert. Ebenso ist das Inflammatus et accensus (Dieser Liebe halb behüte) mit seinen um jeweils einen halben Ton erhöhten Wiederholungen ein bedeutender Teil dieser Sequenz, mit eindrucksvoller Schilderung der Verdammnis beim jüngsten Gericht.


    Im Schlußvers Quando corpus morietur (Wenn sich mir der Tod einst nahet) wird noch einmal eine chorische Steigerung erreicht; in leisen und verhaltenen Tönen erscheint der Text mit verschachtelten Klängen komponiert, durch den leisen Wechselgesang der Solo- und Chorstimmen hervorgerufen, ehe die im Text angesprochene Herrlichkeit des Paradieses mit einer Folge von reinen Dur-Akkorden sich im Amen schlußendlich in das beruhigende F-Dur wendet.


    Der vorletzte Satz, die mit äußerster Schlichtheit vertonte Osterhymne O filii et filiae (Seid hocherfreut, o Menschenkinder), gehört dem ein- bis dreistimmigen Frauenchor, und wirkt nach dem eindrucksvollen Stabat mater dolorosa wie ein Intermezzo, in dem die frohe Botschaft der Auferstehung mit zarten, von nur wenigen Holz-Bläserstimmen begleitet, vermittelt wird.


    Das abschließende Resurrexit tertia die (Am dritten Tage auferstanden) ist bestimmungsgemäß ein gewaltiger Ausbruch des gesamten Tutti. Es entwickelt sich aus einer Fuge über ein markantes Quintenthema und greift nicht nur auf die Musik des Benedictus aus dem zweiten Teil zurück, sondern wird auch durch den Einsatz der ansonsten nur wenig in Anspruch genommenen Solisten zu einer kraftvollen Steigerung gebracht. Hier erweist sich Liszt als ein mit der Polyphonie vertrauter Komponist, der mit Tonarten spielt und das nochmals erklingende triumphale Osanna in exelsis mit dem Rorate coeli-Thema im Amen grandios beendet.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Die ersten Pläne für sein CHRISTUS-Oratorium entwickelte Liszt im Jahre 1853, als er mit dem Dichter Georg Herwegh in enger Verbindung stand. Der Plan kam jedoch über einige wenige Zeilen Text und Musik nicht zur Ausführung. Als Liszt 1857 in Aachen eine Aufführung von „L'enfance du Christ“ von Berlioz dirigierte, wurde der Wunsch nach einem Oratorium über Christus erneut wach, und er bat seine Lebensgefährtin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein um einen ersten Entwurf, dessen dichterische Form von dem poetisch begabten Peter Cornelius ausgeführt werden sollte. Doch wieder verlief der Plan im Sande. Nachdem Liszt seine Kinder verloren hatte, zuerst seinen Sohn Daniel, dann seine Tochter Blandine, muß der Wunsch eines zweiten Oratoriums (nach der „Legende von der heiligen Elisabeth“) in ihm übermächtig geworden sein und er stellte sich den Textentwurf selber zusammen.


    Da hier das Leben und Wirken Jesu nicht in epischer Form (durch einen Erzähler) oder gar dramatisch (durch entsprechende Dialoge) dargestellt wird, sondern durch biblische und liturgische Texte, läßt es sich historisch am ehesten mit dem „Messias“ von Händel vergleichen, der lateinischen Originalsprache zum Trotz. Beide Werke haben die Christusgestalt zum Gegenstand, wenngleich Liszts Konzeption dem Chor eine größere Rolle gibt, als den Solisten, die, bis auf die Christus-Stimme, zurücktreten müssen. Bedeutend und dadurch der Tradition entgegenstehend, ist auch der Orchesterpart, der dem Chor gleichberechtigt gegenübergestellt ist.


    Liszts Beschäftigung mit der Form des Oratoriums war eine bewußte: „Nachdem ich die mir gestellte symphonische Aufgabe in Deutschland, so gut ich es vermochte, zum größeren Teil gelöst habe, will ich nun die oratorische erfüllen.“ So äußerte sich Liszt 1862, nach der Fertigstellung des Oratoriums „Die Legende der Heiligen Elisabeth“, und bekundete damit, daß seine Oratorien keine Zufallswerke waren. Er strebte nach einer Erneuerung der Form mit den harmonischen und instrumentalen Mitteln der Hochromantik. Dazu fällt sein Wirken in eine Zeit, in der durch den Cäcilienverein die Renaissance der katholischen Kirchenmusik gefordert wurde. Daß er aber künstlerisch den Liturgikern nicht folgte, ändert nichts an den gemeinsam propagierten hohen Zielen: Eine vom katholischen Glauben geformte religiöse Musik zu schreiben, die es, seiner Meinung nach, nicht gab (Raabe: Liszts Schaffen).


    Es sei an dieser Stelle noch an ein anderes CHRISTUS-Oratorium erinnert: Auch Felix Mendelssohn-Bartholdy plante ein solches Werk. Der plötzliche und überraschende Tod seines Schöpfers verhinderte jedoch die Ausführung (siehe auch hier: MENDELSSOHN-BARTHOLDY, Jakob Ludwig Felix: CHRISTUS).


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Textvorlage im Booklet zur Rilling-Aufnahme von Hänssler
    Oratorienführer von Oehlmann, Pahlen, Harenberg

    .


    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Die Tamino-Werbepartner Amazon und jpc bieten eine Auswahl von Einspielungen des CHRISTUS-Oratoriums an, die hier vorgestellt sein sollen:



    Hier nebenstehend die Aufnahme mit Helmuth Rilling als Dirigenten, der Gächinger Kantorei Stuttgart, dem Krakauer Kammerchor, dem Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart und den Solisten Henriette Bonde-Hansen, Iris Vermillion, Michael Schade und Andreas Schmidt.


    mit Benita Valente, Marjana Lipovsek, Peter Londroos, Tom Krause; der Chor der Slowakischen Philharmonie, das Philharmonisches Orchester Rotterdam; Leitung James Conlon.


    hier sind zu hören Sandor Solyom-Nagy, Eva Andor, Zsuzsa Nemeth, Jozsef Reti, Jozsef Gregor; der Budapester Chor, das Ungarische Staats-Orchester; Leitung Miklos Forrai.


    Roman Kofman leitet das Beethoven-Orchester Bonn und den Tschechischen Philharmonischen Chor; als Solisten sind Franziska Hirzel, Birgit Remmert, Donald Kaasch und Ralf Lukas zu hören.


    in dieser Aufnahme aus dem Hohen Dom in Mainz sind Natalia Kostenko, Fedrika Brillembourg, Thomas Dewald, Richard Salter als Solisten zu hören; Joshard Daus leitet die EuropaChorAkademie und die Jenaer Philharmonie. Als Sprecher wirkt der Mainzer Kardinal Lehmann mit.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Liszt+-+Christus+-+4+LP+SET-533789.jpg


    Diese CBS-Aufnahme möchte ich der Diskographie hinzustellen, die Besetzung geht aus dem Cover hervor. Sie ist leider (noch) nicht auf CD erschienen. Deshalb habe ich - ganz gegen meine Gewohnheiten - die Plattenbox angeschafft und für meinen persönlichen Gebrauch auf Festplatte umschneiden lassen. Ich höre sie mit großem Gewinn. Ein wundersames, weitestgehend sehr intimes Werk.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

    2 Mal editiert, zuletzt von Rheingold1876 ()