"Entartet" - Verfemte Musik im Dritten Reich

  • Im Zuge des NS-Regimes, dessen Vertreter sich ja auch als Kunstkenner und Kunstkritiker verstanden, wobei es sich um einen Kunstgeschmack bzw. eine Kunstideologie handelte, die selbstverständlich dem Regime zu dienen hatte und möglichst dem angestrebten Bild des „Deutsch-seins“ entsprechen sollte, wurden nicht nur Schauspieler und Regisseure in Ausland getrieben, Gemälde aus den Museen verbannt oder Bücher verbrannt, auch Komponisten und deren Werke wurden aus den Konzertsälen und von den Spielplänen gestrichen, ihre Arbeit sabotiert, gar Komponisten in die Vernichtung geschickt um sie und ihr Werk auf ewig aus dem Bewusstsein der Menschen zu tilgen und die Vorstellung des neuen-alten Kunstschaffens auf ideologischer Basis von ihnen „rein“ zu halten.
    „Undeutsche“ Musik, Musik, die entartet war.
    Ob nun aus politischen, religiösen und sogenannten „rassischen“ Gründen wurden in der Zeit von 1933 – 1945 in Deutschland und anderen Teilen Europas Musiker verfolgt, verboten, isoliert, inhaftiert und getötet.
    Viele dieser Musiker kamen aus der damaligen musikalischen Avantgarde, arbeiteten mit Atonalität und Expressiven.
    Einige emigrierten und errangen in ihrer neuen Heimat großen Ruhm, z.B. Kurt Weil, Erich Wolfgang Korngold oder Arnold Schönberg. Andere wurden in innere Emigration und Stillstand gezwungen wie etwa Karl Amadeus Hartmann. Gerade jüdische Musiker waren sehr von den Repressalien betroffen und endeten nicht selten in den Vernichtungslagern.
    Auf dieses Thema bin ich durch die verdienstvolle Reihe „Entartete Musik“ der DECCA (von der ich einige CDs besitze) gekommen, die vor allem unter großer Beteiligung des Dirigenten Lothar Zagrosek, aber auch vielen anderen realisiert wurde.
    Nur zwei Beispiele :



    Eine weitere Empfehlung ist folgende lohneswerte 3er-Box, die sich mit mehreren Musiker und ihren teils vergessenen Werken beschäftigt :



    Um eine allgemeine Frage aus dem Booklet dieser Box hier wiederzugeben :

    Zitat

    Welche Motivation steht dahinter, dass seit den späten 70er J zunehmend mehr internationale Künstler und Musikwissenschaftler sich an die Rekonstruktion dieser Werke und ihrer Schöpfer beteiligen, um diese einem immer größerem Publikum zugänglich zu machen?


    Ich weiß, dass das teilweise ein heikles Thema ist, aber ich denke, wir können hier offen und ohne Vorbehalte sprechen. Wenn auch allzu Politisches möglichst herausgehalten werden und die Musik im Mittelpunkt stehen soll.
    Wie steht ihr dazu?
    Kennt ihr solche Werke? Wenn ja, wie gefallen sie euch?
    Ist das pure Wiedergutmachung oder echtes Interesse?
    Lohnt sich diese Rekonstruktion immer?
    Wieviel ist der Musikwelt durch diese Ereignisse verloren gegangen?
    Auch einzelne Werke können und sollen hier vorgestellt werden.
    Mir fällt außerdem auf, dass nicht nur Avantgarde-Musik darunter ist, sonder auch viele Komponisten, die man eventuell noch zur Spätromantik zählen könnte, wie z.B. Franz Schreker.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Hallo SchallundWahn,


    die faschistische Diktatur mit ihrem Rassenwahn und Krieg hat die Musik im 20. Jhdt. auf's Schwerste getroffen. Komponisten mussten fliehen, wurden eingesperrt, verboten, ermordet und miit ihnen komplette Schulen und Stilrichtungen zum Stillstand bzw. Abruch gebracht. Von dem her gesehen ist es zwingend notwendig, ganz konkret mit diesen zu befassen, will man sich auch nur ansatzweise ein Bild über die musikalische Entwicklung im 20. Jhdt. machen.
    Ob nun alle davon betroffenen Komponisten auch politisch waren, ist einerlei, denn durch ihr Verbot wurden sie es. Im nachhinein sollte man aber schon gewisse Unterschiede machen, denn zwischen Eisler und Goldschmidt beispielsweise liegen ideologische Welten: Eisler ein bewußt politischer Überzeugungstäter und Goldschmidt Anhänger der neuen Wiener Schule. Der Erstgenannte wollte nicht und der Zweitgenannte durfte nicht.
    Bestes Beispiel dafür ist doch Eislers Deutsche Sinfonie, die im Untertitel als Antifaschistische Kantate bezeichnet wird. Alleine der Titel war für die brauenen Machthaber doch schon Provokation genug und mit Verlaub, Eisler hat das auch gewußt.


    Eine durchaus hörenswerte Aufnahme dieses Werkes ist auch diese da:



    Alleine schon durch die Wahl des Covermotives wird gezeigt in welche Richtung da der Zug abgeht.


    Beste rüße
    John Doe :hello:

  • zwischen Eisler und Goldschmidt beispielsweise liegen ideologische Welten: Eisler ein bewußt politischer Überzeugungstäter und Goldschmidt Anhänger der neuen Wiener Schule. Der Erstgenannte wollte nicht und der Zweitgenannte durfte nicht.


    Schön, dass du geantwortet hast. Ich wollte Eisler und Goldschmidt auch nicht über einen Kamm scheren, dass ich ihre Werke nebeneinander abgebildet habe, hatte keine tiefere Bewandnis (ich habe eher zufällig ausgewählt), sondern sollte einfach nur als Illustration der DECCA-Reihe dienen.
    Die Gründe für Verbote waren ganz sicher vielfältig, wie ich oben bereits schrieb reichen die von politischen "Störenfrieden" wie Eisler hin zu "Rassisch-verfemten" Musikern zu meist jüdischer Abstammung, u.a. dafür ist dieser Thread auch gedacht um den einzelnen Komponisten und ihrem Werk gerecht zu werden in all ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Hallo SchallundWahn,


    wer die 1000 Jahre überlebt hat, konnte in der Regel mit seiner Arbeit nicht da weiter machen, wo er zwangsweise unterbrochen worden ist. Z.B. Goldschmidt, Jahrgang 1903, in den 20er und frühen 30er Jahren eine der großen Zukunftshoffnungen der deutschen Musik. Karriereende 1935 mit Beginn seines Exils in London, wobei es erstaunlicher Weise auch nach 45 geblieben ist, läßt man seine Alterkarriere mal außer Acht.
    Die wirklich interessante Frage ist doch die, warum man Goldschmidt nach dem Krieg da hat liegen lassen, wo ihn die Nazis hingeschmissen haben. Und Goldschmidt war wahrlich nicht der einzige, dem das widerfahren ist. Dass er den Genossen im Osten vielleicht zu bürgerlich war, ist verständlich, dass ihm die Genossen im Osten zu sehr proletarische Diktatoren waren, ist grundsätzlich auch nachvollziehbar, aber was war mit dem Westen?


    Beim Österreicher (!) Eisler war's anders, der wußte, dass er da nicht mehr bleiben konnte, wo er war. Nach einer Odyssee durch diverse eurüpäische Staaten landete er 1938 in den USA, die er 10 Jahre später auf Grund "unamerikanischer Umtriebe" wieder verlassen musste. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Wien, ging er dann in die DDR, wo er bis zu seinem Tod dann auch blieb. In der DDR wurde er - Formalismusdebatte hin, Formalismusdebatte her - mit offenen Armen aufgenommen und konnte sein musikalische Karriere fortsetzen. Miit seiner Komposition der Nationalhymne der DDR, der sog. Spalterhymne, wurde er dann in dr BRD entgültig persona non grata. Übrigens ein sehr interessantes Musikstück, kann man doch trotz völlig anderer Melodie auch "Einigkeit und Recht und Freiheit" singen, derweil umgekehrt "auferstanden aus Ruinen" auch auf die Haydn-Melodie passt.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

  • Die wirklich interessante Frage ist doch die, warum man Goldschmidt nach dem Krieg da hat liegen lassen, wo ihn die Nazis hingeschmissen haben. Und Goldschmidt war wahrlich nicht der einzige, dem das widerfahren ist. Dass er den Genossen im Osten vielleicht zu bürgerlich war, ist verständlich, dass ihm die Genossen im Osten zu sehr proletarische Diktatoren waren, ist grundsätzlich auch nachvollziehbar, aber was war mit dem Westen?


    Eindeutig eine diskussionwürdige Frage!
    Aber für diese Zeit galt ja auch oft, das selbst andere Musik zB Mahler kaum gespielt wurden. Man machte es sich wohl im heimeligen Eck des Bekannten und Angenehmen bequem, außerdem bringt die Auseinandersetzung mit diesen Werken ja immer, wie wir sehen, auch andere, vor allem auch, historische und politische Komponenten sich, die zu der Zeit in der BRD vielleicht eher unerwünscht waren bzw. die gerne verschwiegen wurden...auch eine Form von mangelnder Vergangenheitsbewältigung.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Trotz der von John angestoßenen Frage, auf die ich ja schon ein wenig eingegangen bin, fange ich außerdem auch mal an, die einzelnen Werke vorzustellen, die in der Reihe "Entartete Musik" herausgebracht wurden.


    Erich Wolfgang Korngold


    Erich Wolfgang Korngold geboren in Brünn, Mähren (heute Brno, Tschechien) am 29 Mai 1897 in eine jüdische Familie, wuchs in Wien auf, seit sein Vater Julius die Stelle des Musikkritikers bei der Neue Freie Presse erhielt (und damit dem bekannten Eduard Hanslick folgte).
    Er war Schüler von Alexander Zemlinky und bereits mit 19 Jahren ein beliebter Opernkomponist nachdem er mit seinen zwei Opern „Ring des Polykrates“ und „Violanta“ großen Erfolg hatte, der nur noch durch seine nächste un bekannteste Oper „Die tote Stadt“ übertroffen wurde.
    Schon Ende der 20er Jahre arbeitete Korngold häufig und erfolgreich in Hollywood als Filmkomponist und siedelte schließlich nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich ganz in die USA über und beschloss keine Bühnen- bzw. Konzertmusik mehr zu schreiben, solange Adolf Hitler noch ander Macht sei. Doch seine Filmmusik-Schaffen setzte er fort und gewann 1937 den Oscar für seinen Score zum Film „Ein rastloses Leben“.


    In der Reihe erschien :



    Das Wunder der Heliane
    (nach dem Drama „Die Heilige“ von Hans Kaltneke)


    Die Premiere von Korngolds vierter Oper Das Wunder der Heliane - ein Werk, welches er als eines seiner Wichtigsten bezeichnete - im Jahr 1927 fand zugleich mit der von Kreneks Werk Jonny spielt auf statt (ebenfalls in in der DECCA-Reihe erschienen), war aber deutlich unerfolgreicher (auch als Konrgolds eigene, frühere Opern). Kreneks Werk wurde Oper des Jahres, was Korngold noch mehr enttäuschte. Dabei hatten in der Uraufführung so bekannte und beliebte Sänger wie Lotte Lehmann und Jan Kiepura die Hauptrollen gesungen, aber es schien dass das Interesse des Wiener Publikums für den einst als progressiv empfundenen Korngold abflaute und sich mehr dem modernen Stil zuwandte.
    Obwohl sich Korngold selbst zur Moderne rechnete, finde ich, das seine Klangsprache auch noch teils viel Spätromantisches hat. Später distanzierte er sich jedoch von der Strömung der Modernen wie Schönberg oder Bartok oder Strawinsky.
    Das die Nazis Korngolds Musik schon allein wegen seiner jüdischen Herkunft ablehnten, erscheint wenig überraschend. Das gerade „Das Wunder der Heliane“ allerdings die Nazis wohl besonders unlieb sein konnte, hat meiner Meinung nach wohl auch mit dessen Libretto zu tun. Schließlich geht es um ein unbekanntes Königreich (welches eher Züge einer Diktatur trägt) in dem es den Bürgern beim Tode untersagt ist zu lachen bzw. sich zu freuen (!). Ein junger Mann, der sich dieses „Vergehens“ strafbar gemacht hat, lässt schließlich Heliane, die Frau des Königs (der ihre Liebe nie erringen konnte) die Liebe erkennen (etwas, was in diesem Reich kaum zu existieren scheint bzw. verboten ist). Als der junge Mann hingerichtet wird, geschieht dann das Wunder, durch ihre Liebe erweckt Heliane ihn wieder zu Leben. Beide steigen zu höchster Freude auf und das Reich wird erlöst.
    Wie gesagt, die Tonsprache ist reichlich spätromantisch. Gerade zum Ende hin, gerät sie in einen regelrechten Klangrausch.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Beim Österreicher (!) Eisler war's anders, der wußte, dass er da nicht mehr bleiben konnte, wo er war. Nach einer Odyssee durch diverse eurüpäische Staaten landete er 1938 in den USA, die er 10 Jahre später auf Grund "unamerikanischer Umtriebe" wieder verlassen musste. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Wien, ging er dann in die DDR, wo er bis zu seinem Tod dann auch blieb. In der DDR wurde er - Formalismusdebatte hin, Formalismusdebatte her - mit offenen Armen aufgenommen und konnte sein musikalische Karriere fortsetzen.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Eisler in der DDR trotz Nationalhymne seinen musikalischen Weg genau so fortsetzen konnte wie er gewollt. Seine geplante Faust-Oper, die womöglich sein wichtigstes Werk geworden wäre, ist nicht zustande gekommen. Sie war nicht gewollt. Eisler war wie Goldschmidt Jude, und das ist ganz wichtig. Es herrschte ja in seinen letzten Jahren auch in der DDR noch ein latenter Antisemitismus, der einerseits von Moskau verordnet war, andererseits auch in der linken Bewegung verwurzelt. Eisler hatte es nicht eben leicht in der DDR. Wo aber hätte er hingehen sollen nach seinem rauswurf in der USA? Ihm blieb nur die DDR, und er kam nach meinem Wissensstand auch gern, weil auch Brecht, Dessau, die Seghers, die Weigel und viele andere gekommen waren - ürbigens alles Juden und Linke. Eisler hatte eine berühmte Schwester, Ruth Fischer, die vor Thälmann sogar als kurzzeitig KPD-Vorsitzende war, später aber wegen linksrtadikaler Haltungen zur Erzfeindin erklärt wurde. Sie starb erst Anfang der sechziger Jahre in Paris. Solche Verwandschaften hat man den Betroffenen nie verziehen.


    Mit dieser kleinen Bemerkung, mit der ich bei John garantiert offene Türen einlaufe, wollte ich die Komplexität des Themas dieses Threads verweisen.


    Im Übrigens hatte Goldschmidt mit fast hundert jahren ja noch eine sehr bewegende Ehrung mit dem "Hahnrei" an der Komischen Oper Berlin erfahren. Wenn ich mich nicht irre, ist er damals auch noch selbst nach Berlin gekommen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Eisler in der DDR trotz Nationalhymne seinen musikalischen Weg genau so fortsetzen konnte wie er gewollt. Seine geplante Faust-Oper, die womöglich sein wichtigstes Werk geworden wäre, ist nicht zustande gekommen. Sie war nicht gewollt.


    Natürlich hat Eisler seinen künstlerischen Weg in der DDR nicht so fortsetzen können, wie er gewollt hat, haben doch die Genossen dort in eifrigster Nachahmung ihres großen Bruders ihre eigene Formalismusdebatte vom Zaun gebrochen, wobei aber zu bedenken ist, dass ein Künstler vom Range Eislers in einem sozialistischen System auf jeden Fall sein gutes Auskommen gehabt hat ( in der Regel in Form eines Lehrstuhles o.ä.) und ganz ein konkreter Auftraggeber da war.
    Die Frage ist hier letztendlich, wie viel Rechte man diesem unter Berücksichtigung der Gesamtsituation einräumt. D.h. der Künstler Ost wurde von seinem Staat alimentiert, wofür sein Staat auch etwas verlangte. Mit Verlaub, diese Situation ist doch in der Musikgeschichte nicht neu, genau so wenig, wie sie irgendetwas über die Qualität der unter ihr entstandenen Werke aussagt. Gleichwohl wird das aber aus westlicher Sicht als Manko angesehen: die Partei hat den Künstler in seiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt, hat ihn unterdrückt, hat ihn gezwungen. Und im Westen, in Hollywood? Da waren doch viel strengere Vorgaben da, viel präzisere und das in der Regel ohne warmes Bett in Form einer Professur. Hüben war es letztendlich die Not, die zwang und drüben die Partei. Was war da nun besser?


    Viele Grüße
    John Doe

  • Der 1890 in Berlin geborene Manfred Gurlitt musste als angeblicher Jude 1939 Deutschland ebenfalls verlassen. In seinem Fall Richtung Japan, wo es ihm tatsächlich gelang, noch einmal Fuß zu fassen und als Dirigent für den japanischen Rundfunk und Lehrer für die kaiserliche Musikakademie zu arbeiten. 1942 wurde er auf Grund deutscher Intervention aus diesen Stellungen entlassen.
    Seine Versuche nach dem Krieg wieder in Deutschland Fuß zu fassen, sind kläglich gescheitert, so dass er wieder nach Japan zurückkehrte und dort 1953 die Gurlitt Opera Company gründete, mit dem Ziel das westeuropäische Opernrepertoire dem japanischen Publikum bekannt zu machen. Mit Erfolg! Japan hat's ihm mit einer Reihe von Auszeichnungen und einer Professur honoriert. 1972 schließlich verstarb Gurlitt in Tokio.


    Gurlitts Wozzeck ist parallel zu zu Bergs Wozzeck entstanden, wobei davon auszugehen ist, dass Gurliitt Bergs Oper nicht gekannt hat. Auch wenn Gurlitts Wozzeck nicht aus dem Schatten von Bergs Wozzeck tritt, bietet sich einem trotzdem die höchst interessante Situation zwei quasi parallel entstandene hochwertige Werke zu vergleichen, denen ein und das selbe Drama von Bücchner zu Grunde liegt.

    Viele Grüße
    John Doe

  • Bei 2001 gibt es für sehr wenig Geld eine interessante Antologie.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • klaus
    Stell doch mal ein die Anthologie, wenn du magst.



    Zu Manfred Gurlitt, den John ja schon vorgestellt hat.
    Interessant ist dabei, dass Gurlitt nicht nur mit seinem "Wozzeck"


    - Wozzeck. Musikalische Tragödie 18 Szenen, 1 Epilog op. 16 nach Georg Büchner
    21. April 1926 Bremen


    einen starken Konkurrenten hatte, sonder auch mit seiner vierten Oper "Die Soldaten". In dem Falle war es B.A. Zimmermann, der zwar viel später das gleiche Stück zu seiner Oper verarbeitete, dessen Version aber trotzdem weitaus bekannter ist.



    Soldaten
    Oper in 3 Akten nach Jakob Michael Reinhold Lenz
    9. November 1930 Düsseldorf (Intendanz Walter Bruno Iltz, Dirigent: Jascha Horenstein)


    Gurlitts fünfte Oper "Nana" wurde vor der festgesetzten Uraufführung 1933 in Mannheim verboten.
    Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Emile Zola aus dessen "Rougon-Macquart-Zyklus" (im übrigen überaus empfehlenswert) und behandelt die Geschichte einer jungen Frau aus ärmlichen Verhältnissen, die zur großen, Männer ruinierenden Kurtisane von Paris aufsteigt.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Da die Idee zu diesem Thread ja im Zusammenhang mit der DECCA-Reihe "Entartete Musik" entstand, vielleicht mal ein Statement dieser zu den Hauptgedanken der Produzenten hinter ihrer Reihe :

    Zitat

    1. Bedeutende Werke, die durch die politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts - hauptsächlich durch die Verfolgung im Dritten Reich - verlorengingen, zerstört oder verboten wurden, wieder ins Bewusstsein bringen.
    2. Die Darstellung einer musikalischen Entwicklung, von Trends und Ideen, die zerstört wurden...
    3. Exilmusik : die nach außen gerichtete Antwort der Komponisten auf neue Stimuli...sowie die nach innen gerichtete Antwort auf eine Welt, die unfähig und unwillig ist, die ehemalige Musiksprache zu akzeptieren.

    Nun, letzteres würde natürlich einschließen alle Exilanten hätten ihre Musiksprache verändert nachdem sie auswanderten. Aber war das denn immer so?



    Zitat

    Die von den Nationalsozialisten als "entartet" verfolgte Musik umfaßt eine große Stilvielfalt, ging es ihnen doch um eine Ganzheit de deutschen Musiklebens vom Operettenschlager bis zur Avantgarde...Die meisten betroffenen Komponisten mussten auswandern - ein gewaltiger Aderlaß des europäischen Musiklebens, dessen weitgreifende Konsequenzen bis heute noch kaum erkannt sind. Viele der in Europa einst gefeierten Künstler gerieten in Vergessenheit. Andere aber konnten mit ihrer Kompetenz und Erfahrung das Musikleben ihrer Gastländer wesentlich beflügeln.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Ein weiteres Beispiel aus der Reihe ist dieses :



    Alexander Zemlinsky kannte ich lange nur aus dem Zusammenhang mit biografischen Erwähnungen bezugs Alma Mahler-Werfel. Nachdem ich obige CD gehört hatte, war mir klar, dass es sich lohnt, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Sein Stil ist sehr melodisch, spätromantisch, einige spätere Werke sind deutlich "nüchterner", aber trotzdem nicht weniger lohnenswert.


    Die Seejungfrau
    Die Sinfonische Dichtung in 3 Sätzen erlebte ihre Uraufführung 25. Januar 1905...übrigens in einem Konzert bei dem auch Schönbergs "Pelleas und Melisande" das erste Mal gegeben wurde. Zemlinsky hat nach dieser Aufführung eine folgende zurückgezogen und es wurde auch nicht mehr aufgenommen. Erst 1984 fand die erste Neuaufführung statt.
    Inwieweit das Werk von Andersens Märchenstoff inspiriert ist, ist weniger klar, als man vermuten könnte. Sicherlich gibt es Eckpunkte in der "Handlung", aber sie lassen sich nicht 1 : 1 übertagen.


    Die Vertonungen der Psalmen 23 und 13
    Letzteres Werk wurde gar erst 1971 uraufgeführt, nachdem Zemlinsky langsam aus der jahrzehntelangen Vergessenheit geholt wurde.


    Seine Oper Der Kreidekreis wurde nach der Uraufführung im Oktober 1933 sofort verboten, Zemlinsky aus Berlin vertrieben. Er kehrte zurück in seine Heimatstadt Wien aus der er jedoch nach dem sog. Anschluss 1938 wiederum fliehen musste, und in die USA emigrierte.
    So gut wie vergessen starb er bereits 1942.
    Erst in den 60iger Jahren erfolgte eine Wiederentdeckung.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)


  • Die Düsseldorfer Punkband Tote Hosen will an die Ächtung von Jazz, Swing, jüdischer und atonaler Musik im Nationalsozialismus erinnern.
    Mit dem Sinfonieorchester der Musikhochschule Robert Schumann spielen die Musiker Werke von Arnold Schönberg, Kurt Weill, Hanns Eisler und Klezmerstücke.
    Die Konzerte finden vom 18. bis 21. Oktober in der Düsseldorfer Tonhalle statt.
    Ganz in der Nähe der Konzerthalle hatten die Nationalsozialisten 1938 die Propaganda-Ausstellung "Entartete Musik" eröffnet.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)