Liebe Taminos,
angeregt durch Meinungen in verschiedenen Threads (z.B. was ist Klassikpublikum") glaube ich, daß eine gesonderte Diskussion darüber nicht schaden kann, ob ein absoluter Klassikfan musikalisch "fremdgehen" kann. Ist es verwerflich, wenn ein Opern- und Konzertfreund auch einmal zu einem Rockkonzert geht oder Andre Rieu besucht?
Sicher, es gibt Musikfreunde, die bereits am frühen Morgen in der Lage sind, beim Autofahren oder während des Frühstückes Bruckner zu hören und die zum Teil bedauernd oder verächtlich auf diejenigen schauen, die im Radio bei Schlagern hängenbleiben. Aber genauso gibt es vorwiegend unter der Jugend Anhänger der verschiedensten Rockrichtungen, denen es gar nicht einfallen würde, einmal Beethoven zu hören. Sind das schlechtere Menschen?
Ältere Menschen bevorzugen oft Volksmusik (wobei ursprüngliche Volksmusik nichts mit Hansi Hinterseer zu tun hat, sondern z.B. vorwiegend im Alpenraum als Hausmusik gemacht wird) oder Schlager, sind aber unter Umständen durchaus bereit, ins Theater zu gehen und vorwiegend leichte Kost zu erleben. Was unterscheidet sie von einem Klassikfan (-fanatiker)?
Ist es eine Frage des Alters, der musikalischen Bildung, der Erziehung im Elternhaus, ob jemand sich einseitig für eine Musikrichtung entscheidet? Ich meine, daß ein Musikfreund, dessen Geschmack eindeutig auf Klassik jeder Art gerichtet ist, auch die Möglichkeit wahrnehmen darf, einmal "fremdzugehen". Jahrelang habe ich es vermieden, in ein Konzert mit "leichter Musik" zu gehen. Aber tun das Wiener am Neujahrstag nicht auch? Enttäuscht durch die Zerstörung von Sehgewohnheiten durch das Regietheater bin ich doch einmal in ein Konzert von Andre Rieu gegangen. Ich wußte, was mich erwartet - Unterhaltung auf doch recht hohem Niveau. Und ich wurde im Gegensatz zu mancher Opernaufführung nicht enttäuscht. Rieu brachte die 6000 Mann im Saal zum Kochen, natürlich durch geschickte Animation, aber auch durch die Bereitschaft der Zuschauer, darauf einzu gehen. Ich habe mich danach beschwingt gefühlt, und nicht schuldbewußt.
Wie geht es anderen Taminos, wie geht Ihr mit dem musikalischen "Fremdgehen" um?
Viele Grüße von La Roche