Alla turca - Musique alla mode

  • Man mag einwenden, es gäbe bereits einen ähnlichen Thread - und irgendwie ist das nicht ganz falsch, wenn man sich auf diesen Thread beruft:
    Von alla turca zu 1001 Nacht - Der Orient in der Musik
    Indes wurde dort von einem Mitleser ganz richtig auf die Tatsache aufmerksam gemacht, daß es sich hiebei allenfalls um (misslungene) Stilkopien handle, die mit dem Anspruch "türkische Musik" zu komponieren - nicht übereinstimme.


    Dieser Aussage möchte ich mich anschliessen, wenngleich mit diversen Einschränkungen, bzw möchte ich einige allgemeine Bemerkungen anfügen.
    Ich glaube nämlich persönlich, daß nur wenige Komponistern des westlichen Kulturkreises versucht haben "türkische Musik" zu schreiben - bzw daß es kaum jemandem gelungen sein dürfte. Horchen wir mal in die Ouvertüre von Mozarts Entführung aus dem Serail hinen.
    Ich kenne das Werk in unzähligen Interpretationen. Der erste, der meiner Meinung nach versucht hat, vorzutäuschen, hier erklänge "türkische Musik", war der Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Viele andere mir bekannten Aufnahmen zeigen jedoch ein Dirigat, wo die Ouvertüre allenfalls als "türkisierende" Musik dargeboten wird - an keiner Stelle jedoch westliche Harmonik und das Jahrhundert des entstehens verleugnend. Wir hören also westliche Musik, in welche türkisches Flair - oder das was man sich zur Entstehungszeit darunter vorstellte - eingearbeitet wurde, und wo unterschwellig der (in der klassischen Musik angeblich gar nicht existierende) Begriff "Rokoko" ebenso mitschwingt, wie das "türkische" Flair.



    Ich empfehle hier mal in die Jochum Aufnahme (Track 1) hineinzuhören

    und sie mit Harnoncourts Lesart zu vergleichen


    Ich bin der Auffassung, daß hier Harnoncourts Ringen um ... in vielerlei Hinsicht unangebracht ist.
    Zum einen ist Authentizität hier nicht erreichber, zum anderen ist sie fehl am Platz,denn im späten 18. Jahrhundert war es Mode sich "orientalisch" zu kleiden - ohne daß man aber seine europäischen Wurzeln vergäße, es war nur der "äußere Schein". So war es. Meiner Meinung nach auch bei der Musik: man wollte die Exotische Würze geniessen - ohne aber eine gewisse Grenze zu überschreiten.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mozart war wohl ein besonderer Liebhaber von Märschen, welche türkisches Lokalkolorit erzeugen, bzw vortäuschen sollten.
    Aber natürlich ist es westliche Musik in verfremdender Form, nicht zu fremd um westlich europäisches Publikum zu erschrecken. Sehr gut zu hören im letzten Satz der Klaviersonate Nr 11 KV 331 in D-Dur.
    Zu beginn des 19. Jahrhunderts gab es einige Klaviere, welche über einen "Janitscharenzug verfügten, welche Pauken und Schellenbaum imitierten.


    Ich erinnere mich, daß es eine Aufnahme mit Christian Zacharias (auf EMI) gibt, wo von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Sie ist einzeln nicht mer verfügbar, allerdings kostet die Gesamtaufname aller Mozart Klaviersonaten mit Zacharias derzeit in etwa das, was eine MidPrice CD normalerweise kostet...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zu beginn des 19. Jahrhunderts gab es einige Klaviere, welche über einen "Janitscharenzug verfügten, welche Pauken und Schellenbaum imitierten.


    Auch in dieser Schubert-Aufnahme mit Staier und Lubimov kommt dieser 'Janitscharenzug' zum Einsatz. Im 'Divertissemt à la Hongroise'. Ganz persönliche Meinung: Gefällt mir nicht so gut, zerstört den Zusammenhang und die Harmonie in diesem wunderbaren, dramatisch-melancholischen Werk von Schubert. Ohne dieses orientalische Mode-Gescheppere aus dem frühen 19. Jahrhundert ist dieses ungarische Divertissement um ein vielfaches schöner. Historizität hin oder her.
    Kenne auch die entsprechende Mozart-Aufnahme mit Christian Zacharias, von der Alfred oben schreibt - sagt mir ebenfalls nicht zu.
    Grüße,
    Garaguly

  • Friedrich Witt (1770 - 1836) konnte dem musikalischen 'Mode- Zug' der Zeit ebenfalls kaum widerstehen und so komponierte er in seine 6. Symphonie a-moll eine Prise Orientalismus hinein und nannte das Ganze dann 'Sinfonie turque'.


    Grüße,
    Garaguly