Was mich an Claude Debussy fasziniert

  • Pünktlich zum Jubiläumsjahr 2012 erhält auch - wie versprochen - Claude Debussy zum 150. Geburtstag seinen Thread in der Serie "Was mich ...faszniert". Das Thema ist recht offen gehalten und kann von den einzelnen Teilnehmern somit recht frei gestaltet werden. Die Beurteilung von Debussy im Forum ist recht divergierend. Meinte ein Forianer in einem der zahlreichen Threads, Debussy sei in Deutschland nie richtig beliebt gewesen, so bezeichnete ihn der Kurzstückmeister als seiner Meinung nach bedeutendsten Komponisten seiner Generation....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Oh ja! Schöne Frage!
    Erst einmal fasziniert mich sein Wille zur Schönheit. Das ist etwas, das ich bei ganz vielen Stücken von ihm empfinde. Ganz besonders bei La Mere und dem Faun. Das ist so..., tja, so lieb. Mir fällt keine andere Beschreibung ein. Ich hätte gut geschrieben, aber das ist natürlich missverständlich.
    Auch Humor finde ich bei ihm und Verspieltheit, wo mir wieder das lieb einfällt. So zum Beispiel bei Childrens Corner, ganz besonder bei Golliwogs Cake Walk. Das ist einfach nett, ohne Hintergedanken.
    Ich finde, dass er ganz oft einen Willen zur Einfachheit offenbart, der dann in zarten Farben Wahrheit hervorschimmern lässt. Hier ist die Syrinx ein gutes Beispiel.
    Auch finde ich, dass er auf unprätentiöse, unaggressive Art modern ist. Da ist keine Bilderstürmerei, sondern einfach nur das Nutzen von neuem Freiraum.
    Ja, beim Schreiben merke ich, wie sehr er mich eigentlich fasziniert.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Meinte ein Forianer in einem der zahlreichen Threads, Debussy sei in Deutschland nie richtig beliebt gewesen, so bezeichnete ihn der Kurzstückmeister als seiner Meinung nach bedeutendsten Komponisten seiner Generation....


    Und wo ist da der Widerspruch?


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Mit seinen Orchesterwerken konnte ich noch nie so richtig etwas anfangen, obwohl ich zugeben muss, dass sie ausgezeichnet gearbeitet sind. Aber "Pelleas und Mélisande" gehört zu meinen liebsten Opern, gerade weil sie so ganz aus dem Rahmen der normalen Opern mit ihren gradlinig erzählten Geschichten herausfällt und ein Geheimnis hat, das sie letztlich nicht preisgibt, so dass man sie immer wieder hören muss.
    Vor etwa 20 Jahren ergab sich mir die Gelegenheit, das Stück von Maeterlinck im Moerser Schlosstheater zu sehen. Es war eine gute Aufführung, aber immer musste ich heimlich die entsprechende Musik summen (soweit ich mich daran erinnerte). Am nächsten Abend gab man die Oper in Düsseldorf: da war die Welt wieder in Ordnung.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Bei Debussy fastziniert mich seine farbige Instrumentation; wie er mit wenig Mitteln Stimmungen erzeugen kann, ohne gross auf den Putz zu hauen und trotzdem einen gewissen Aha-Effekt rüber zu bringen vermag.


    Gerade bei Debussy bin ich, mehr als bei den meisten anderen Komponisten, davon überzeugt, dass hier bei Genuss von der Konserve historische und schlecht klingende Aufnahmen total durchfallen. Das Rauschen, Verfärbungen und eine fehlende Räumlichkeit würden mich, noch mehr als sonst gegeben, total abtörnen.


    Ich habe Debussy zuerst in der sehr schönen Orchesterwerke-GA mit Martinon / National Orchestre ORTF de Paris (EMI) als LP-Box besessen. Diese habe ich später auch auf CD (4-CD-Box von EMI/später von Brillant übernommen) erworben.
    Diese Aufnahmen stossen bei ruhigen Passagen an die Grenzen, da das rauschen der Analogaufnahmen bereits etwas stört. Aber um alle Debussy-Orchesterwerke kompletet zu haben ist die GA OK !


    +=
    EMI, 1973-74, ADD ----> Brillant, 4CD



    Da ich bereits bei den Ravel-Orchestrerwerken mit Dutoit / Monteral SO (Decca) beste Erfahrungen gemacht hatte, habe ich als Ergänzung auch die audiophil klingenden Debussy-Aufnahmen mit diese Ausführenden erworben. Das farbige Klangergebnis stellt sich bei Dutoit und Decca als höchst zufriedenstellend heraus. Die ruhigen Passagen werdn nicht von einem Rauschteppich zerstört; die Musik entsteht aus dem nichts; die Farben können sich ungehindert und natürlich über die Lautsprecher ausbreiten. Das Zusammenspiel der Instrumente wird räumlich klar und deutlich gezeichnet.



    Decca, 80er, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • La mer halte ich für das bedeutenste Orchesterwerk. Hier geht Debussy auch mal etwas mehr aus sich heraus, wenn im dritten Satz das Meer stürmt.


    Wer könnte dies mit dem Chicago SO eindrucksvoller gestalten als Solti ?
    Ebenso fastinierend und von einer unvorstellbar frischen Farbigkeit geprägt gelingt dies Ashkenazy mit dem Cleveland Orchestra.
    Aber auch unsere "geliebter" Herbert von Karajan lässt sich nicht lumpen: Eine ausgzeichnet fantastisch auslotende Sicht !
    :thumbup: Drei höchst fastzinierende und klanglich ausgezeichnete Aufnahmen und Interpretationen von La Mer finden sich auf diesen drei CD´s:



    Decca ----- Decca ----- DG


    Damit habe ich aber jetzt auch genug von Debussy auf CD vorliegen ....
    ;) Bei Debussy habe ich festgestellt, dass ich ihn lieber zu Hause auf der Anlage geniesse, weil der Farbenreichtum dann noch besser greifbar ist als Live. LIVE war er mir oft zu ... sagen wir "kam er mir nicht so entgegen".

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hej Wolfgang!
    Jetzt wissen wir, welche Platten du hast, aber was fasziniert dich an genau diesem Komponisten. Komm, raus mit der Sprache ;)
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wo ist das Geheimnis? hat mich mein Querflöten-Lehrer gefragt, als ich mit ihm "Syrinx" einstudierte und hat mich auf die Spur gebracht, hinter dem Notentext das Verborgene zu suchen. An seine Worte muss ich mich bei jedem Anhören der Werke des Franzosen erinnern. In den Naturschilderungen Debussys "La mer", "L' après-midi d'un faune", "Nocturnes" suche ich hörend diese Welt hinter den Noten.
    Das Verspielte und Humorvolle finde ich in "Childrens Corner", "La boîte à Joujou". Das Raffinement der klanglichen Vorstellungen, das Debussy in den Klavierwerken verlangt, lässt mich staunen. Er hat hier eine Tür aufgestossen, die verschlossen war.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • was fasziniert dich an genau diesem Komponisten


    Hallo Klaus,


    8);) Deine Frage ist in Beitrag5 - 1. Satz kurz und bündig beantwortet !
    :D So schlimm ist es ja nun auch nicht mit der Faszination, als dass ich Romane darüber schreiben wollte. Der Rest, wie es zu einer gewissen schätzenswerten Begeisterung kam habe ich weiterhin dargestellt. Am meisten fasziniert mich davon immmer noch La Mer - dazu Beitrag 6 !


    ;(:D Wie doll es mit der Faszinantion für Debussy allgemein bestellt ist, siehst Du an den umwerfend zahlreichen Beiträgen hier ! :pfeif:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tja, dass sich die Begeisterung in Grenzen hält, dem kann ja so sein. Debussy ein Softie? Musik im Weichspüler? Musik im Ungefähren und Undurchschaubaren? Was die Vorurteile sein können, weiss ich nicht. Ich finde, die Beschäftigung mit diesem französischen Komponisten zeigt Facetten, die musikalisch durchaus sich lohnen erkundet zu werden.
    Im Streichquartett in g-Moll aus dem Jahr 1893 klingen Seiten an, die sich erst später ihre Bahn brechen. In den beiden ersten Sätzen zeigt Debussy, dass er auch zupacken und heftig sein kann. Die Satzbezeichnungen sprechen eine deutliche Sprache. Einer inneren Dramaturgie folgt diese Musik durchaus.



    1. Satz: Animé et très décidé
    2. Satz: Assez vif et bien rythmé
    3. Satz: Andantino, doucement expressif
    4. Satz: Très modéré


    Die Aufnahme mit dem Dante-Quartett finde ich gelungen.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
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  • Interessant ist, daß sich - wie vom Kurzstückmeister richtig eingeschätzt - die Faszination in Grenzen hält.
    Es gibt etliche Komponisten zu denen ich keinen Zugang habe - aber es gibt nur ganz wenige, wo ich es nicht verstehen kann - zu denen zählt Debussy. Irgendwie habe ich den Vorsatz gefasst mich mit diesem Komponisten in dessen Jubiläumsjahr so weit auseinanderzusetzen, daß ich ihn - wenn schon nicht lieben - so doch schätzen lerne. Ich habe mir auch schon einen Einstieg gewählt - und zwar auf 2 Ebenen - der Orchestralen und der des Klaviers...


    Aber - wie schon weiter oben richtig bemerkt wurde:
    Es wurden bislang Lieblingsaufnahmen genannt - Gründe für eine Faszination - oder einen nahestehenden Gefühlszustand in Sachen Debussy vermisse ich bis jetzt (noch?)


    mit freundlichen Grüssen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was mir noch einfällt zu Debussy: Er erscheint mir sehr humorvoll und mit einer großen Lust am Experiment ausgestattet. Ich weiß nicht warum, aber ich denke bei ihm oft an Malerei, für mich gehört er zu den Surrealisten oder den Dadaisten. Sein Zugang zur Kunst als solcher scheint mir ein ähnlicher zu sein.
    Andererseits zeigt er oft einen sehr starken Mut zur Schönheit, zur Klarheit. Auch kindliche Freude meine ich oft zu spüren. Es geht sehr oft eine positive Stimmung zum Leben von seiner Musik aus.


    ich habe oft den Vorwurf Salieris an Mozart im Ohr:"Zu viele NOten". Ich finde, dass Debussy jemand war, der genau die richige Anzahl an NOten genutzt hat.


    Was mich aber an ihm stört, ist auch etwas Vages: Es erscheint mir typisch, dass vieles von ihm auf CDs erscheint, auf denen auch Werke von anderen drauf sind. Das wertet ihn irgendwie ab.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Prima - um es nachvollziehen zu können, wären Beispiele hilfreich.


    Äpfel der Sorte "Elstar" mag ich besonders - wenn ich nicht auch schreibe, dass sie m.E. sehr saftig sind und eine gute Mischung aus süß und sauer haben - dann bleibt die 1. Aussage "ohne Aussage für Leser".


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat

    Alfred: Es gibt etliche Komponisten zu denen ich keinen Zugang habe - aber es gibt nur ganz wenige, wo ich es nicht verstehen kann - zu denen zählt Debussy.

    d.h. Du meinst, Du solltest eigentlich einen besseren Zugang haben, oder wie ist diese Aussage zu verstehen?



    Was mir noch einfällt zu Debussy: Er erscheint mir sehr humorvoll und mit einer großen Lust am Experiment ausgestattet. Ich weiß nicht warum, aber ich denke bei ihm oft an Malerei, für mich gehört er zu den Surrealisten oder den Dadaisten.

    Klischeemäßig verbindet man ihn ja eher mit den Impressionisten. M.E. zeigt das vor allen Dingen, wie unterschiedlich bildende Kunst und Musik sein können



    Zitat

    Was mich aber an ihm stört, ist auch etwas Vages: Es erscheint mir typisch, dass vieles von ihm auf CDs erscheint, auf denen auch Werke von anderen drauf sind. Das wertet ihn irgendwie ab.

    ?
    Weil das Streichquartett normalerweise mit dem von Ravel gekoppelt ist, wird Debussy abgewertet? Werten sich Schumann und Grieg auch gegenseitig ab, weil man ihrer Klavierkonzerte typischerweise koppelt? Mendelssohn und Bruch? ;) Kann man nicht ganz ernst nehmen, oder? Bei Klavier- und Orchesterwerken gibt es sehr viele reine Debussy-CDs.


    Mir persönlich steht Debussys Musik insgesamt (wie viele andere französische oder vorgeblich besonders vom Klang bestimmte Musik) eher fern. Faszinierend finde ich besonders das Streichquartett und einige Klavierwerke. Bei letzteren gefallen mir meist die mehr rhythmisch bestimmten Werke aus den Preludes (zB "Minstrels") besser als die "impressionistischen Klangzaubereien". Unbestritten ist für mich aber ein sehr besonderer, eigener Klang, den Debussy oft erzielt, seine Musik scheint mir ziemlich unverwechselbar, allein klanglich, selbst wenn sie oft mit Ravels in einem Atem genannt wird. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich die Orchesterwerke weitgehend nur eher oberflächlich kenne. Es ist ja auch nicht richtig, dass seine Musik v.a. von wabernden Klangwolken bestimmt wäre (obwohl sie für mich lange Zeit so geklungen hat). Natürlich gibt es Melodien und Motive, nur sind die oft eher flüchtig, die ganze Faktur der Musik ist meist deutlich verschieden von der Spätromantik (und auch vielen anderen frühen Modernen).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    d.h. Du meinst, Du solltest eigentlich einen besseren Zugang haben, oder wie ist diese Aussage zu verstehen?


    ja ungefähr so ist sie zu verstehen.Aber inzwischen habe ich ein wenig recherchiert - Debussy scheint stets ein wenig umstritten - oder besser gesagt - unterschiedlich berurteilt - gewesen zu sein....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Debussys Musik war um die Jahrhundertwende gewiss etwas "shocking", weil sie sich so deutlich von der Spätromantik, besonders der deutsch-österreichischen Tradition unterschied. Aber er hat sich m.E. eher schneller durchgesetzt als Mahler und ist seit den letzten ca. 50 Jahren in keiner Weise umstritten.
    Die bekannteren Orchesterwerke sind absolute Standards und im Bereich der Klaviermusik habe ich fast den Eindruck, dass Debussy nach Beethoven und Chopin vielleicht der meistgespielte und wichtigste Komponist für jüngere Pianistengenerationen und Pianophile geworden ist. Wobei es natürlich immer noch bedeutende Pianisten gibt, die kaum oder keinen Debussy spielen.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Interessant ist, daß sich - wie vom Kurzstückmeister richtig eingeschätzt - die Faszination in Grenzen hält.


    Also in diesem Thread habe ich jetzt nichts von kurzstueckmeister dazu gefunden. Im deutschen Sprachraum sind die französischen Komponisten überhaupt unterbelichtet, das Elegante, Delikate, Antivulgäre :D dieser Musik liegt dem Bruckner-Erotiker, Mahler-Extatiker und Bach-Mystiker leider nicht. Da kann die unangezweifelte zentrale Bedeutung von Komponisten wie Lully oder Debussy nichts daran ändern. Für mich stellt Debussy alle seine Generationsgenossen in den Schatten, inklusive Janacek, Mahler und Strauss. Vor allem faszinierend ist die Fähigkeit, Widersprüchliches zu vereinen, die Originalität (woher kommen diese Melodie-Fetzen und Klang-Kombinationen?) und das Zukunftsweisende seiner Offenheit. Das "Unerhörte" sozusagen. Und trotzdem ist es immer "schön" ohne diesen Dekadenz- und Modernismusselbstdarstellungszwang bei Mahler und Strauss.


    Hoffentlich habe ich jetzt genug geschwärmt. Alfred wird jetzt vielleicht noch besser wissen, warum er Debussy nicht mag.
    :D

  • LIeber Kurzstückmeister!
    Dein vorletzter Satz hat mir geholfen, plötzlich steht da forumuliert, was ich an Debussy mag und was mich Manchmal bei Mahler gestört hat. Ich hatte es nur als Gefühl, aber jetzt ist mir wohler.
    Vielen Dank
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Was für ein kurzer, schaler, flauer thread. - Ich bin im übrigen ganz Kurzstueckmeisters Meinung.


    Als der große Alfred mich vor meiner Inauguration telefonisch nach meinem Lieblingskomponisten fragte, antwortete ich, leicht sophisticated und spleenig:


    Claude Debussy.


    Und dennoch - es war La Mer (übrigens damals in der Solti-Einspielung aus den 70ern), was mich über Jahre hypnotisierte, elektrisierte, gefangennahm, wie soll ich es ausdrücken?


    Die Partitur allein hat mich mehr beschäftigt als irgend ein Roman (und das will was heißen, bei mir). Oh, diese duftige Anlage, diese nur aus Andeutungen redende, dennoch so suggestive Musik. Diese Farben, diese Rhythmen, ineinander, gegeneinander. Diese Leichtigkeit und diese Sehnsucht, und bei allem - diese aphoristische Knappheit, dieses Schwelgen, ohne zu triefen (wie bei Wagner ...). Der tänzerische Gestus, zumal in der zweiten der Esquisses. Bei keinem anderen Komponisten passiert so verschwenderisch viel auf einmal. Und diese Eleganz, diese Quecksilbrigkeit - diese ganze französische Vollkommenheit in Form und Stoff, Stil und Sinnlichkeit.


    Ah! Que le monde est grand à la clarté des lampes!


    Vielleicht kann man nur auf Französisch wirklich glücklich sein ...


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Als sechzehnjähriger Klavierschüler kam ich mit Band I der "Préludes" in Berührung und war dann auch, nach ein paar Monaten, in der Lage, die Nummern so einigermaßen dahinzudilletieren. Mit Ausnahme des "Ce qu'a vu le vent d'ouest". Da beschloss mein Klavierlehrer, dass diese Nummer ohnehin recht reizlos sei ...


    Dazu erhielt ich von jenem Klavierlehrer stimmungsvolle Bemerkungen zu den Stücken zu lesen, die von Alfred Cortot stammten. Und sogleich schien mir das Klavier so voller Farbe, voller Assoziationen auf eine unbekannte Welt ... So kannte ich mein Klavier noch nicht, auf dem ich zwischen Bach und Heller oder Joplin schon so manches geklimpert hatte.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Zitat

    Was für ein kurzer, schaler, flauer thread.


    Ich schliesse mich dem an. Aber es ist vielleicht dadurch begründet, daß Debussy nicht wirklich polarisiert.
    Man kann über ihn nicht streiten, wie beispielsweise über Wagner oder Beethoven. Da ist (soweit mir bekannt) keine politische Aussage verknüpft, kein radikales Welt - und Musikbild. Aber auch kein erzkonservativer Denkansatz, keine Zerrissenheit (das ist es was die Deutschen so lieben) und keine Klassische Strenge und majestätische Erhabenheit. Debussy wird hier in diesem Forum nicht angegriffen, aber auch nicht geliebt - ich nehme an, er wird mehrheitlich gar nicht wahrgenommen, nicht gehört. Und das ist eigentlich das Schlimmste was man einem Komponisten antun kann.


    Ich habe es schon weiter oben geschrieben, daß ich persönlich auch keinen Zugang habe, daß ich aber daran arbeite - weil ich nämlich glaube, dass Debussy er es wert ist. Immerhin habe ich mir anlässlich seines Jubiläums die weiter oben beschriebene Aufnahme Aufnahme von "La Mer" unter Dutoit gekauft. Somit erhöht sich die zur Auswahl stehende Anzahl an CD mit Werken von Debussy auf vier. Ich werde versuchen in alle noch heuer hineinzuhören.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In diesem Forum finden sich gegenwärtig auch nicht allzuviele Diskussionen zu sinf. Dichtungen von Strauss, Kammermusik von Fauré oder Klaviermusik von Rachmaninoff und Skrjabin, um umgefähr gleichzeitig entstandene Werke zu nennen. Daraus sollte man nicht so viel schließen. Es lassen sich, wie gesagt, durchaus entsetzte Rezensionen aus dem frühen 20. Jhd. finden; wie alle Neuerer war Debussy umstritten und galt noch in den 1950ern und 60ern in Deutschland/Österreich anscheinend als etwas für "Spezialisten". Inzwischen sind die wichtigsten seiner Werke eigentlich alle Standardrepertoire. Ich vermute, dass die Preludes und Images heute zu den meistaufgenommen Klavierstücken gehören.
    Als ich vor 25 Jahren begann, klassische Musik zu hören, begegnete man als Einsteiger eher dem "Nachmittag eines Fauns" oder "La Mer" als Sinfonien von Bruckner oder Mahler (mir hat damals erstmal weder Bruckner noch Debussy zugesagt, aber das ist nicht der Punkt).

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    (Bob Dylan)

  • Noch gestern las ich im Beikircher über Debussy. Da hört sich alles ein wenig anders an. Eine ganz neue, impressionistische HErangehensweise an die Sinfonische Dichtung. Nicht mehr das MEer würde dargestellt, sondern die Gedanken und Gefühle, die das MEer beim Komponisten auslöst.
    Er schreibt auch, dass er überall aneckte, weil er nicht nach Regeln komponieren wollte, sondern nur nach dem Wohlklang suchte.
    Seine erste Oper wurde vom Publikum genutzt, den KOmponisten lächerlich zu machen, der sich im Direktionsbüro eingeschlossen hatte, weil er es geahnt hatte.


    Und ich selber finde, dass diese hüpfenden perlenden dahinschießenden Klavierläufe bei keinem anderen so vorkommen. Das stolpert oft so fröhlich dahin, da wird auf Würde verzichtet, damit es Spaß macht. Vieles ist für mich in sehr positivem Sinne Kindisch und sinnlich. Und welches Stück atmet so viel Erotik wie der Nachmittag des Fauns?


    Also ich finde, dass man sich da sehr wohl gut mit beschäftigen kann.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Du könntest anstatt kindisch kindlich verwenden, dann passt's u. U. eher.

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  • Nein, ich habe da ein wenig um die Formulierung gerungen, daher sagte ich "positiv". Kindlich wäre mir zu sehr in Richtung "einfach, simpel", es geht mir aber um eine gewisse Albernheit.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • ... ist nun wirklich nicht so wichtig, aber ich sehe die Wortverwendung auch wie Zweiterbass.


    "Kindisch" ist per se negativ konnotiert; das kann anspruchsvolle Musik eigentlich nicht sein.


    Schreibe: unbeschwert, ausgelassen, verspielt, wie beiläufig, naiv, ... Die deutsche Sprache ist reich genug, und all diese Attribute treffen meines Erachtens Debussys relevante Stücke (etwa aus dem "Children's Corner") recht gut.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ob nun kindlich, kindisch, verspielt oder sonstwas...letztlich ist keines der Worte eines, dass ich bei Debussy als gerechtfertigt empfinden würde. Denn bei aller vermeintlichen "Verspieltheit" wahrt Debussy immer eine Form. Und ähnliche Klavierläufe finden sich auch schon bei Rimski vorher und zeitgenösssich (also für Debussy) bei Skrjabin (der löst die Form nur noch mehr auf).
    Und das Debussy sozusagen auf Würde in seiner Musik verzichtete, ist meiner Meinung nach auch zu kurz gedacht. Wenn man unter Würde solche schwangere Schwere wie bei Wagner, Bruckner usw. versteht, wäre Debussy in der Tat das Gegenteil, aber warum muss Würde immer so sein? Würde kann auch elegant und grazil sein und das ist Debusssy in jedem Fall.
    Zugegeben war es bei mir keine Liebe auf den ersten Ton mit dem Monsieur, aber je mehr man in seine scheinbare unordentliche, so beiläufig wirkende Musik näher einsteigt, eröffnet sich da ein Universum an kleinen und Kleinsttönen, die in einem Geflecht erscheinen, das seinesgleichen sucht.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • "La cathedrale engloutie" ist wohl eher das Gegenteil von "spielerisch", meinem Eindruck ist dieses Attribut nicht besonders passend für das meiste von Debussy. (Es besteht jedoch auch kein Gegensatz zwischen "spielerisch" und "Form wahren", im Gegenteil.)
    Ich mag das Etikett "impressionistisch" nicht besonders, selbst wenn das auf manche Stücke ganz gut passen mag. Es unterschlägt die Strenge und Klarheit, die es bei Debussy eben auch gibt,

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    (Bob Dylan)

  • Ich möchte im Nachhinein Johannes Roehl und Schall und Wahn Recht geben. :yes: Unabhängig davon bleibe ich aber bei meiner Meinung bezüglich möglicher Synonyme für "kindlich", die mit "kindisch" nichts zu tun haben.


    Wolfgang

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