Die Göttin der Vernunft von Johann Strauß

  • In der Sendung Operette nach Wunsch des WDR vom 2.03.2012 wurden insgesamt 4 Titel plus Ouvertüre aus der letzten Operette von Johann Strauß, "Die Göttin der Vernunft" vorgestellt. Diese lange verschollene Operette, uraufgeführt 1897 und seither nie wieder gespielt, wurde 2009 erstmals nach 112 Jahren wieder aufgeführt, und zwar konzertant in Zilina/Slowakei. Viel mehr gibt leider auch diese Seite auf der Johann Strauß-Homepagenicht preis.


    Von dieser Aufführung gibt es seit 2011 diese CD



    und aus dieser CD stammten die vorgestellten Titel. Also ich fand sie allesamt schön.


    Interessant ist auch die Legende zur Entstehung der Operette. Strauß hatte mit dem Librettisten Alfred Maria Willner einen Vertrag und begann nach ersten Liedtexten zu komponierten, ohne sich über den Inhalt der Operette informiert zu haben. Aufgrund einiger Textpassagen stutzig geworden, ließ er sich dann doch eine Inhaltsbeschreibung geben:


    Zitat

    Der Karrikaturenzeichner Jacquelaine (?) soll im Paris des Jahres 1793 (zur Zeit der Schreckensherrschaft von Robbespiere) hingerichtet werden. Sein Vergehen: er hat einige Zeichnungen unters Volk gebracht, auf denen er den Revolutionsführer Robbespiere verspottet. Die Hinrichtung möchte seine Verlobte, die Volkssängerin Ernestine verhindern. Ernestine schließt sich einer politischen Bewegung an, die sich „Der Kult der Vernunft“ nannte. Diesen „Kult der Vernunft“ gab es wirklich. Es war eine Plattform für die Verbreitung und Festigung des revolutionären Gedankenguts, dazu gehört eben auch die Gedankenfreiheit. Am 10. November 1793 gab es in Paris das Fest der Vernunft. Das war den damaligen Zeitungsberichten zufolge eine schrille und höchst unzüchtige Veranstaltung. Die Hauptattraktion war eine Schauspielerin, und die riß sich auf dem Höhepunkt der Feier die Kleider vom Leib und präsentierte sich den Festbesuchern als „Göttin der Vernunft“ völlig nackt. Und das alles sollte nun auf der Operettenbühne nachgespielt werden...


    Da Strauß einen Skandal befürchtete, wollte er die Komposition an dem Werk einstellen, wurde jedoch vom Librettisten mit Klage bedroht und führte die Komposition nunmehr gezwungenermaßen zu Ende. Ob man seiner Musik diesen Zwang anmerkt, ist an den vier gesendeten Titeln jedenfall nicht auszumachen. Dazu müßte man die gesamte CD gehört haben. Wird wohl eine der nächsten Anschaffungen werden.


    Eines ist mir jedoch noch schleierhaft. Beim "Graf von Luxemburg" ist nachzulesen, dass diese Operette auf dem Libretto von der "Götttin der Vernunft" basieren soll. Der Libettist ist zwar in beiden Fällen der Gleiche, aber was die beiden Geschichten miteinander zu tun haben sollen, ist mir noch ein Rätsel.


    :) Uwe

  • Es hat genau ein Jahr gedauert, bis ich meine damals verkündete Absicht wahrmachte und mir die CD zu Johanns Strauß’s letzter Operette „Die Göttin der Vernunft“ anschaffte. Und leider muss ich mitteilen, dass ich doch arg enttäuscht bin von diesem Werk. Die vier Titel, die ich seinerzeit im Rundfunk mitschneiden konnte, waren tatsächlich die vier besten. Natürlich suchen sich die Sender bei der Vorstellung einer CD die Rosinen aus, was ich ja nicht kritisieren will. Aber der Rest ist doch wirklich sehr daneben.


    Das Booklet zur CD preist die Wiederentdeckung der Partitur in den Archiven des Theaters an der Wien durch Christian Pollack als Operettenentdeckung des 21. Jahrhunderts. Und weiter geht es dann im Text:


    Zitat

    Unbestreitbar gehört „Die Göttin der Vernunft“ an die Seite der allerbesten Strauß Operetten, indessen sie gegenüber ihren unmittelbaren Vorgängerinnen eine bemerkenswerte künstlerische Entwicklung erkennen lässt.

    Da muss ich schon sagen, ich habe (vorerst) keine große Neigung, diese unmittelbaren Vorgängerinnen (Fürstin Ninetta, Waldmeister, Jabuko) kennenzulernen. Ich fürchte, die Euphorie über die Entdeckung und die Ehrfurcht vor dem großen Namen Strauß hat den Schreiber dieser Zeilen auf einem Ohr taub gemacht. Vielleicht kann ich aber auch nur die künstlerische Weiterentwicklung nicht erkennen.


    Das Booklet berichtet auch von den „zumeist schmeichelhaften Premieren-Kritiken“ die „in ihren Ansichten von übermäßiger Begeisterung bis zur völligen Geringschätzung [reichten]“.



    Zitat

    Das Werk zeugt abermals von der großen geistigen Frische, der unerschöpflichen Erfindungsgabe und dem Melodienreichtum, der heute noch dem Meister Strauß, trotz seiner 72 Jahre, eigen ist …

    Zitat

    Erfindung und Kraft der Durchführung haben den greisen Komponisten gleichermaßen verlassen, was übrig bleibt erhebt sich nur an wenigen Stellen über die Banalität.

    Man möge mir abnehmen, dass es mir umgekehrt lieber gewesen wäre, aber leider muss ich mich da schon der letzteren Einschätzung anschließen. Mit den wenigen genannten Ausnahmen ist fast alles sehr unmelodisch, nur gelegentlich blitzt mal der uns allbekannte Walzerkönig durch. Als besonders misslungen empfinde ich die Ensembles und Finali. Diese sind geprägt durch mäßiges Parlando und schwacher bis nicht vorhandener Umsetzung der von der Handlung gebotenen Dramatik – und dabei ist alles so merkwürdig holprig, so ohne durchgehenden musikalischen Fluss. Heutzutage würde man sage, es groovt nicht.



    Zitat

    Gefunden in Wikepedia
    Groove ist das Empfinden eines fließenden bzw. schwingenden Rhythmus' eines Musikstücks.

    Besser hätte ich nicht ausdrücken können, was dieser Musik (in meinen Ohren) eigentlich fehlt.


    Nicht verständlich wurden mir nach Kenntnis der Handlung auch die im vorherigen Beitrag erwähnten Befürchtungen des Johann Strauß um einen Skandal. Der Auftritt der „Göttin der Vernunft“ im Evaskostüm findet nämlich nicht im eigentlichen Bühnengeschehen statt sondern wird nur erzählt. (Die CD enthält übrigens keine Dialoge, dafür werden bei der Inhaltsangabe im Booklet teilweise die Gesangstexte wiedergegeben.)



    Letztendlich bin ich auch zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der Angabe von Volker Klotz, der Text zu „Der Graf von Luxemburg“ beruhe auf dem Libretto von „Die Göttin der Vernunft“, um einen Irrtum handeln muss. Einer der Textdichter (A. M. Willner) ist zwar jeweils der gleiche, aber die beiden Geschichten haben absolut nichts miteinander zu tun.


    :( Uwe

  • Hallo, Uwe!


    Ich bin zwar ein großer Operetten-Narr, aber auch nicht bereit zu Experimenten, wie solche Wiederentdeckungen gleich zu kaufen. Man kennt die eine oder andere Melodie daraus, aber wie du schon richtig anführst, ist dies kein Garant für eine sich lohnende Neuanschaffung. In meinem Fundus habe ich noch genügend Alternativen zu hören. Nochmals danke für deine CD!




    Mit freundlichem Gruß
    Wolfgang

    W.S.

  • Zitat Uwe: "Nicht verständlich wurden mir nach Kenntnis der Handlung auch die im vorherigen Beitrag erwähnten Befürchtungen des Johann Strauß um einen Skandal. Der Auftritt der „Göttin der Vernunft“ im Evaskostüm findet nämlich nicht im eigentlichen Bühnengeschehen statt sondern wird nur erzählt."


    Lieber Uwe, das dürfte damals für einen Skandal gereicht haben - in einer Zeit, in der nicht einmal das Wort Hose (die Unaussprechlichen) in den Mund genommen wurde. Wenn ich den von Dir zitierten originalen Text lese, dann ist der ganz schön deutlich.


    Die Anschaffung einer neuen Aufnahme lohnt sich schon insofern, weil Du sonst nicht wüsstest, dass es sich der Kauf eigentlich nicht gelohnt hätte. ;)


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat von Wolfgang

    Ich bin zwar ein großer Operetten-Narr, aber auch nicht bereit zu Experimenten, wie solche Wiederentdeckungen gleich zu kaufen.

    Zitat von Rheingold

    Die Anschaffung einer neuen Aufnahme lohnt sich schon insofern, weil Du sonst nicht wüsstest, dass es sich der Kauf eigentlich nicht gelohnt hätte.


    Um die Anschaffung tut es mir nicht leid. Mein mittelfristiges Ziel ist es schon, zumindest von den "großen" Operettenkomponisten möglichst alle verfügbaren Werke zu sammeln, auch dann, wenn da weniger gelungene darunter sind. Natürlich wäre es mir lieber, wenn das nicht allzu häufig vorkäme. Die drei "Vorgängerinnen" von Strauß werde ich mir irgend wann auch noch antun, nur brauch ich dazu erst mal noch eine Pause.


    :) Uwe

  • Zitat

    Um die Anschaffung tut es mir nicht leid. Mein mittelfristiges Ziel ist es schon, zumindest von den "großen" Operettenkomponisten möglichst alle verfügbaren Werke zu sammeln, auch dann, wenn da weniger gelungene darunter sind.


    Hallo, Uwe!


    Bei mir könnte es so kommen, daß ich eine Box, die mir nicht recht zusagt, zweimal höre und dann nie wieder. Da nehme ich doch besser mit folgender Raritäten-Box vorlieb:


    W.S.

  • Wenn schon, denn schon...



    Operette im 100er Pack zum Minipreis!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    wir sind jetzt zwar nicht mehr so ganz beim Thema - aber ich habe mal nachgeschaut: bei JPC kann man im Gegensatz zu Amazon nachschauen, um welche Operetten es sich im Einzelnen handelt. Ich will mich ja nicht brüsten - und ich habe sicherlich noch lange nicht alle Operetten, die ich gerne haben wollte, aber die meisten Operetten, die da drauf sind, habe ich bereits, wenige andere interessieren mich im Augenblick noch nicht.


    Einer der Rezensienten bei Amazon schreibt von einer sehr schlechten Tonqualität bei allen CDs. Es sind auch meine Erfahrungen, dass fast alle Aufnahmen, die vor den 60er Jahren gemachte wurden, krottenschlecht in der Tonqualiät sind. JPC bietet zwar 27 Tracks zum Reinhören an, aber alle nur von "Viktoria und ihr Husar". Die Tracks zum Reinhören scheinen mir bei Amazon inzwischen etwas verkümmert zu sein. Natürlich kann man das bei 50 Operetten nicht machen, aber es gibt auch andere Angebote, bei denen es diesen Reinhören-Service nicht mehr gibt. Ich weiche dann meistens zu JPC aus.


    :) Uwe

  • Ich hatte heute bei meinem "Schellack-Abend" zwar keine optimale Tonqualität, dafür aber Sänger "vom Feinsten". Operetten-Querschnitte aus "Clivia" mit Carla Spletter und Hans Tolksdorf, "Die Lustige Witwe", "Paganini", "Der Bettelstudent" und "Der Zarewitsch" u. A. mit Elisabeth Schwarzkopf, Carla Spletter, Anni Frind, Marcel Wittrich, Peter Anders, Rupert Glawitsch u. A.. Davon kann man heute, wo oft zweit- und drittklassige Interpreten bei Operetten eingesetzt werden, nur noch träumen. Für mich war dies ein tolles Wiederhören.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Nicht verständlich wurden mir nach Kenntnis der Handlung auch die im vorherigen Beitrag erwähnten Befürchtungen des Johann Strauß um einen Skandal. Der Auftritt der „Göttin der Vernunft“ im Evaskostüm findet nämlich nicht im eigentlichen Bühnengeschehen statt sondern wird nur erzählt.


    Bei nochmaliger Beschäftigung mit Teilen dieser Operette ist mir aufgefallen, dass mir hier ein Fehler unterlaufen ist. Der Auftritt im Evaskostüm findet doch auch szenisch statt und zwar im 2. Finale, noch bevor diese Szene im 3. Akt in einem Couplet nochmals nacherzählt wird.


    :untertauch: Uwe

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose