Wann ist wer ein Wagnertenor? - Verlangen wir zu viel von Sängern ?

  • Hallo,


    das Thema, welches ich hiermit in die Diskussion werfen möchte, beschäftigt mich als Wagnerianer schon seit Jahrzehnten. Tenöre, die die Partien Richard Wagners singen, werden dann Heldentenöre genannt, wobei ich dieses unrichtig finde, weil ich der Meinung bin, daß es den echten Heldentenor, mit baritonaler Mittellage und Stimmkern, dazu mit trompetenhaft metallischer Höhe, bereits seit 40 Jahren nicht mehr gibt. Ab wann gebührt einem Sänger also der Ehrentitel "Wagnertenor" ? Für mich selbst habe ich immer folgende Einteilung vorgenommen: Es gibt "leichtere" Partien von Wagner, Rienzi, Erik, Lohengrin, Stolzing, Loge, Siegmund und Parsifal; sowie "schwere", als da sind Siegfried, Tannhäuser und Tristan. (Normalerweise gehört zu dieser Gruppe noch der Siegmund, weil man für ihn wirklich einen baritonalen Heldentenor bräuchte, ich zähle ihn nur nicht dazu, weil die Partie nicht so umfangreich ist.) Ein genuiner Wagnertenor ist für mich nur, wer neben den vorgenannten "leichteren" Partien, zumindest einen der drei schweren Hämmer ständig im Repertoire hat. Daraus ergibt sich: Wagnertenöre waren oder sind: Jaques Urlus (1867-1935); Leo Slezak (1873-1946); Richard Schubert (1885-1957); Lauritz Melchior (1890-1973); Max Lorenz (1901-1975); Ludwig Suthaus (1906-1971); Bernd Aldenhoff (1908-1959); Hans Beirer (1911-1993); Ramon Vinay (1911-1996); Wolfgang Windgassen (1914-1974); Hans Hopf (1916-1993); Jean Cox (* 1922); James King (* 1925); Jess Thomas (1927-1993); Spas Wenkhoff (* 1928 ); Rene Kollo (* 1937); Rainer Goldberg (* 1939); Siegfried Jerusalem (* 1940); Peter Seiffert (* 1954) und Johan Botha ( * 1965). Alle anderen, mögen sie noch so berühmt gewesen sein oder heute gerade sein, sind Künstler, die auch Wagnerpartien sangen oder singen, aber für mich keine genuinen Wagnertenöre. Darunter sind so berühmte Namen wie Enrico Caruso, Giovanni Martinelli, Beniamino Gigli, Georges Thill, Franz Völker, Peter Anders, Mario del Monaco, Rudolf Schock, Josef Traxel, Waldemar Kmentt, Nicolai Gedda, Robert Illosvalvy, Sandor Konja, Peter Schreier, Placido Domingo, Peter Hofmann, Robert Schunk, Francisco Araiza, Josef Protschka, Endrik Wottrich, Jonas Kaufmann und Klaus Florian Vogt. Viele dieser Tenöre machten, aus guten Gründen, nur Visiten im Wagnerfach und ließen es dabei bewenden. Andere ruinierten sich ihre Stimmen, indem sie versuchten, hauptsächlich vom Wagnerfach zu leben. (Peter Hofmann, Poul Elming, Josef Protschka, Endrik Wottrich)


    2.) Verlangen wir in den letzten 60 Jahren nicht zu viel von den Tenören, die Wagner singen ? In der Sendereihe "Die Tenöre des Schellack-Zeitalters", sagte ein Mitglied der berühmten "British Record Society", daß man seit Kriegsende verlange, daß Wagnertenöre so sängen wie Richard Tauber, mit demselben lyrischen Wohlklang, dem Schmelz, der technischen Meisterschaft, nur dann eben kombiniert mit dem Metall, der Kraft und dem Volumen des genuinen, baritonalen Heldentenors. Wir verlangen also von jedem Tenor, der in einer Hauptpartie von Wagner auf der Bühne steht, die gleiche Brillianz, die ein Meistertechniker wie Tauber an den Tag legte, als er 5 einzelne Arien von Wagner (1 aus Lohengrin, 3 aus den Meistersingern, sowie 1 aus der Walküre) im Studio aufnahm. Für diese Änderung dieses Geschmacks mag der Kenner viele Gründe anführen, aber es führt dazu, daß immer wieder lyrische Tenöre in das für sie zu schwere Wagnerfach getrieben werden und sich dort ruinieren. Nur einige können sich lange Zeit in diesem Fach mit "heldenhafter technischer Ökonomie" und Glück halten. (Windgassen, Kollo, Jerusalem). Jose Carreras wollte immer Lohengrin und Siegmund singen, wozu es glücklicherweise nie kam. Francisco Araizas Interpretationen von Lohengrin, Stolzing und Siegmund waren mitunter grenzwertig, Domingo nahm zwar fast alle Wagnerpartien auf, sang aber nur Lohengrin und Parsifal oft auf der Bühne. Kaufmann und Vogt berichten beide, daß sie sich vor Angeboten großer Häuser, dort Siegfried, Tannhäuser, Tristan zu singen, nicht retten könnten und diese ablehnen würden.


    Verlangen wir als Fans und Kenner zu viel von Tenören, die Wagner singen ? Ist der "Lyrische Heldentenor" ein Paradoxon ?Immerhin war Richard Wagner am Lebensende sehr unglücklich, seine besten Partien für Tenöre komponiert zu haben, weil, wie er selbst erkannte, diese von "normalen Sängern nicht singbar" seien !


    Ich bin gespannt auf Eure Antworten !


    Gruß,


    Antalwin

  • Gratuliere interessanter Beitrag, denn es fehlen echte Heldentenöre heute wirklich!
    Der Weg dahin ist ein langer und die meisten heutigen Tenöre scheuen sich davor
    den Absprung zu wagen und scheitern oft auf dem Weg dahin.
    Meistens singen die Herren zu schnell das sogenannte schwere Fach oder stellen fest
    es geht doch nicht!
    Deshalb sind in Bayreuth auch so unterschiedliche Bestzungen zu hören!
    Es fehlt der Nachwuchs, da auch die guten Gesangslehrer fehlen???
    Ich glaube daran mangelt es wirklich.
    Wo die Nachfolger von Windgassen, Melchior, Kollo sind ich weiß auch nicht. Es ist auch
    zu einfach zu sagen früher sei alles besser gewesen stimmt ja auch nich!
    Besetzungsprobleme gibt's aber schon heute!
    Ein lyrischer Tenor sollte langsam in das schwere Fach wechseln, das ist wohl
    der richtige Weg!
    Dazu bedarf es aber auch Intendanten und Dirigenten die was von Stimmen verstehen
    und diese dann behutsam auf der Karriereleiter begleiten!
    :hello:

    mucaxel

  • Sehr gutes Thema, fundierte Einleitung, wunderbar!


    Man kann dem Gesagten eigentlich nur beipflichten.


    Nebenbei: Hat es einen bestimmten Grund, daß etwa Günther Treptow (1907–1981), einer der m. E. überzeugendsten Tristans überhaupt, bei den echten Heldentenören nicht genannt wird? Oder sollte das nur eine Auswahl sein ohne Anspruch auf Vollständigkeit?


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Vielen Dank, Joseph !


    Es sollte nur eine Auswahl sein, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ich muß Dir zustimmen: Treptow gehört in die Reihe der "Großen Alten" !


    Gruß,


    Antalwin

  • Wir verlangen nicht zuviel von den heutigen Sängern sondern machen den Fehler, sie mit den Sängern von früher zu vergleichen. Wie oft ärgere ich mich wenn irgendwelche Kritiker eine heutige Sopranistin mit der Callas vergleichen nach dem Motto: So gut wie die Callas wird sie nie werden. Die jungen Sänger von heute haben einen ganz anderen Gesangsstil , da sich die Technik ja auch immer weiterentwcikelt . Wo früher gebrüllt wurde und es nur auf Lautstärke ankam, wird heute wert auf differenziertes Singen gelegt. Natürlich war ich z.B. gestern Abend in der Düsseldorfer Walküre auch enttäuscht, weil dort eben nicht die ganz großen Stimmen zu hören waren und man natürlich Sänger von Referenzaufnahmen noch im Ohr hat.

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  • Wo früher gebrüllt wurde und es nur auf Lautstärke ankam, wird heute wert auf differenziertes Singen gelegt.


    Na, ich meine, weder Maria Callas noch Lauritz Melchior könne man den Vorwurf machen, sie hätten nur gebrüllt und undifferenziert gesungen.


    :hello:

  • Rodolfo,


    da muß ich Dir zustimmen ! Der Siegeszug der Schallplatte seit 1902 eröffnete die Möglichkeit des Vergleiches, was seitdem alle SängerInnen ständig unter Druck setzt und zur Imitation nötigt.


    Es ist ein Gebot der Fairness, daß ich der Liste der genuinen Wagnertenöre den Nordhessen Wolfgang Schmidt (* 1956)hinzufüge. Er war und ist zwar nicht jeder Mannes Sache, ist in Bayreuth jetzt beim Mime angekommen, aber er war sehr oft Siegfried, Tristan und Tannhäuser. In Bayreuth stand er sogar öfter als Siegfried auf der Bühne, als Windgassen.


    Gruß,


    Antalwin

  • Wolfgang Schmidt habe ich natürlich des häufigen an der Rheinoper gehört, wo er Ensemblemitglied war. Im Wagnerfach war er grandios aber dafür leider eine Katastrophe im italienischen Fach. ich erinnere mich noch mit Grauen an seinen Calaf. Das war als wenn man Wagner auf italienisch singen würde. Genauso sein Othello . Aber es ist doch wohl unbestritten das früher viel mehr Wert auf Lautstärke gelegt wurde. Mittlerweile gehe ich seit fast 30 Jahren in die Oper und habe doch einige Vergleichsmöglichkeiten. Aber auch heute sind noch viele der Meinung das wer laut singen kann auch gleichzeitig giut singen.

  • Wo früher gebrüllt wurde und es nur auf Lautstärke ankam, wird heute wert auf differenziertes Singen gelegt.


    Hallo Rodolfo,


    auch ich muss hier ganz entschieden widersprechen. Bei den ganz "Alten" wurde viel weniger gebrüllt als heute. Das trifft nicht nur auf Maria Callas und Lauritz Melchior zu, sondern auch, um mal bei Wagner zu bleiben, auf Urlus, Slezak und Schubert. Die Brüllerei kam eigentlich erst mit dem Verismo auf. Und was "Wagner auf Italienisch" angeht: Auch da gibt es wunderbare Aufnahmen, beispielsweise Ausschnitte aus Lohengrin mit Pertile oder Wotans Abschied mit Nazzareno de Angelis. Frida Leider hat mal gesagt, erst nach dem Singen italienischer Partien in italienischer Sprache habe sie gelernt, auch Wagner richtig zu singen. Aber das geht jetzt in Richtung OT.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Wagner auf italienisch kann neue Perspektiven eröffnen.


    Vor vielen Jahren hörte ich die Callas im Liebestod. Eine wunderbare Isolde.



    Viele Grüße
    hami1799

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  • Hallo,


    ich möchte zu meiner Liste der genuinen Wagnertenöre noch einen Namen hinzufügen, obwohl er eigentlich nur mit Siegmund und Tristan Berühmtheit erlangte, mit beiden Partien aber richtig: Den Kanadier Jon Vickers (* 1926). Ein baritonaler Heldentenor mit großem Volumen und Stimmkraft, der die Partie des Siegmund in einen "todessehnsüchtigen Krieger" und die des Tristan in ein "rasendes und sterbendes Tier" verwandeln konnte. Uns Liebhabern hat Vickers allerdings viel vorenthalten, weil er als Mitglied einer strenggläubigen christlichen Gemeinschaft die Interpretation der "heidnischen" Partien Siegfried und Tannhäuser stets ablehnte. (Als Historiker, Altgermanist und Ethnologe muß ich dazu bemerken, daß von der Struktur der Sage und der Herkunft der Figur, Siegmund dann eigentlich die wesentlich heidnischere Figur wäre, aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich). Interessant ist hierbei, daß die Ablehnung von Siegfried und Tannhäuser von Vickers Meisterschüler, Tenorkollegen, Landsmann und Glaubensbruder, nämlich Ben Heppner (* 1956) übernommen wurde.


    Gruß,


    Antalwin

  • Stimmt, Jon Vickers muß unbedingt genannt werden. Mir war seine Ablehnung des Siegfried, aber gleichzeitige Annahme des Siegmund auch immer suspekt. Das ist doch inkonsequent. Schade, wär sicher ein toller Siegfried und auch Tannhäuser gewesen. Übrigens mag ich Vickers' Parsifal auch enorm. Exemplarisch in Kna's allerletzter Aufnahme zu erleben. Es wurde angemerkt, daß er als jugendlicher Tor im I. Aufzug nicht so absolut ideal sei. Mag sein. Aber dafür entschädigt er im II. und III. Aufzug derart, daß das m. E. alles überwiegt. "Nur eine Waffe taugt" kann man nicht besser singen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mir war seine Ablehnung des Siegfried, aber gleichzeitige Annahme des Siegmund auch immer suspekt. Das ist doch inkonsequent.


    Das finde ich überhaupt nicht inkonsequent, sondern weise.


    Den Siegmund kann jeder Bariton mit guter Höhe singen (humoris causa: sogar Placido Domingo), außerdem hat Siegmund nach dem ersten Aufzug beinahe Feierabend. Gerade der "junge Siegfried" stellt aber ganz andere Anforderungen und steht fast den ganzen Abend auf der Bühne.


    Inkonsequent ist eher, dass er den Tristan sang, aber den Siegfried ablehnte. :hello:

  • Ähm, lieber Wolfram, ich meinte inkonsequent in Bezug auf seine Erklärung, weswegen er Siegfried ablehnte ("zu heidnisch"), dann aber doch Siegmund sang, obwohl der mindestens genauso "heidnisch" ist (s. auch Antalwins Ausführungen). Gesangliche Argumente hab ich da gar nicht berücksichtigt.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lohengrin auf italienisch:


    1959 Ferdinand Leitner; Coro & Orchestra della RAI di Milano
    Der Heerrufer: Enrico Campi
    Elsa: Marcella Pobbe
    Telramund: Aldo Protti
    König Heinrich: Paolo Dari
    Lohengrin: Sándor Kónya
    Ortrud: Laura Didier Gambardella
    Melodram MEL 15004 (1 CD) (live, Ausschnitte)



    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Sollte Wagnertenor wirklich ein Ehrentitel sein - wie es Antalwin in seinem einleitenden Beitrag, den ich sehr gern gelesen habe, ausdrückt? Ich bin überzeugt, dass es diese Gattung nicht gibt, nicht mehr gibt - vielleicht sogar nie gegeben hat. Sie ist heute so künstlich und theoretisch wie sie es immer war. Sie ist Projektion. Bei genauerem Hinsehen und Hinhören habe alle in Frage kommenden Herren nicht ausschließlich Wagner gesungen. Wer sich schließlich einzig auf diesen Komponisten konzentrierte, hat es mit dem Verlust seiner Stimme bezahlt. Windgassen zum Beispiel, den auch Antalwin nennt, hat bis ans Ende seiner Karriere immer wieder Mozart und sogar Operette gesungen. Sein lyrisches Vermögen hat er mit einer grandiosen Technik zum Heldischen steigern können. Dafür schätze ich ihn sehr und ziehe ihn sogar manchem schweren Heldentenor vor. Überhaupt würde ich statt von Wagnertenor von Heldentenor sprechen. Wagnertenor, das riecht mir nach dem ganz alte Bayreuth zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit seinen starken Austrahlungen in die deutschen Provinzen. Die Spezis ist sehr genau untersucht worden in mehreren Büchern Einhard Luther.


    Die Liste, die uns Antalwin nennt, ist ziemlich kurz. Die entscheidenden Namen sind gefallen, der großartige Vickers wurde sozusagen noch von mehreren nachgereicht ("Dem Land, das Tristan meint, der Sonne Licht nicht scheint" - niemand kann das so singen wie er. Es ist eine exemplarische Stelle). Die Altvorderen kommen viel zu kurz. Ich erinnere nur an Jörn, Jadlowker, Sembach, Knothe, Berger, Lussmann, Mann oder Wolf. Genau so wie Joseph II. hätte auch ich Treptow auf jeden Fall noch genannt. Und Ernst Gruber sowie Svanholm. Aber es gibt noch viele mehr. Auf Beirer hätte ich ganz verzichtet, denn er singt mir zu grob und zu vulgär. Cox würde ich auch nicht zwingend erwähnt haben. Beide Tenöre stehe für meinen Geschmack für den Verfall stilvollen und genauen Gesangs, der schließlich auf Kosten des Ausdrucks geht. Mit ihnen geht es bergab im Wagnergesang. Wagner darf auch schön klingen, wehalb die italienischen Aufnahmen - Bernward bringt uns den sehr guten Lohengrin in Erinnerung - von starker Wirkung sind. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang der Russe Koszlowsky, der ebenfalls einen kompletten Lohengrin hinterlassen hat, der trotz der für Wagner bizarren Sprache ein bedeutendes Dokument ist. Wagner muss vor allem deutlich klingen. Die Alten singen die Interpunktionen mit. Bei Wagner ist bekanntlich kein Mangel daran. Wo ist das heute noch zu hören?


    Das sind nur ein paar Notizen zum Thema, das bekanntlich ausschweifend ist.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich weiß nicht, ob mit Wagner-Tenor mur die schweren Brocken (Tristan, Siegmund, Siegfried) gemeint sind. Beim Lohengrin, den Meistgersingern und dem fliegenden Holländer haben mir die etwas helleren Stimmen auf CD (Gedda, Anders, Schock, Kmentt) immer besser gefallen, auch wegen der Textverständlichkeit. Zuhören ohne Text in den Händen zu halten und trotzdem alles verstehen. Und: Sie singen die Interpunktionen tatsächlich mit. Vermutlich ist es einfacher, eine CD einzuspielen, als die Partie auf der Bühne (auf einer großen im besonderen) rüberzubringen. Und die Aussprache. Die ist schon wichtig bei Wagner. Und die deutschen Texte gesungen von Vickers, Vinay, Domingo usw. klingen eben anders, als von einem deutschsprachigem Sänger. Das ist leider nicht zu ändern. Trotzdem bleiben letztere großartige Aufnahmen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hi


    Ich finde, man sollte die Kirche im Dorf lassen. Da Gedda schon mehrmals erwähnt wurde: er hat sich ein einziges Mal am Lohengrin versucht und sich danach stimmlich so schlecht gefühlt, dass er ein für allemal die Finger davon gelassen hat. Er war öffentlich deklarierter Nicht-Wagner-Sänger!


    Und in der Liste der anerkannten "Wagner-Sänger" unserer Zeit darf doch Ben Heppner nicht ausgelassen werden!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ebenfalls hi


    Ich besitze die GA vom Lohengrin mit Gedda. Und er kann es. Heppner ist spitzenmäßig aber ich würde ihn nicht zu den helleren Stimmen und Leichtgewichten zählen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich besitze die GA vom Lohengrin mit Gedda. Und er kann es.

    Das ist nicht der Punkt. Der eine Versuch hat Gedda so angestrengt, dass er jede weitere Betätigung auf diesem Gebiet ad acta legte. Ihm war klar, dass er damit in kürzester zeit seine Stimme ruinieren würde. Und er hat danach noch Jahrzehnte lang gesungen...



    Heppner ist spitzenmäßig aber ich würde ihn nicht zu den helleren Stimmen und Leichtgewichten zählen.

    Wer hat das behauptet? Aber er fehlt in Antalwins Liste der von ihm "anerkannten" Wagner-Sängern - sollte es aber nicht!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Interessant ist hierbei, daß die Ablehnung von Siegfried und Tannhäuser von Vickers Meisterschüler, Tenorkollegen, Landsmann und Glaubensbruder, nämlich Ben Heppner (* 1956) übernommen wurde.


    Antalwin hat ihn doch erwähnt.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Antalwin hat ihn doch erwähnt.

    Ja natürtlich, aber nicht in seinem Posting Nr. 1 (Threaderöffnung), sondern erst im Posting Nr. 11. Vielleicht hat Theo das übersehen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Sollte Wagnertenor wirklich ein Ehrentitel sein - wie es Antalwin in seinem einleitenden Beitrag, den ich sehr gern gelesen habe, ausdrückt? Ich bin überzeugt, dass es diese Gattung nicht gibt, nicht mehr gibt - vielleicht sogar nie gegeben hat. Sie ist heute so künstlich und theoretisch wie sie es immer war. Sie ist Projektion.


    Da möchte ich Dir nachdrücklich Recht geben!
    Früher haben ja die meisten Opernhäuser feste Ensembles gehabt. In diesen Ensembles gab es - je nach Größe des Hauses - vier bis acht Tenöre, die fast immer nicht nur in einem Fach sondern in unterschiedlichen Fächern eingesetzt wurden. Es lohnt sich, mal die Besetzungslisten großer und kleiner Häuser aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu vergleichen.
    Damals konnte ein Generalmusikdirektor einen jungen Tenor zwei oder drei Tage vor einem Tannhäuser den Belmonte singen lassen, um die Lockerheit der Stimmführung zu fördern. Und nach dem Tannhäuser wurde der junge Mann dann als Pinkerton angesetzt, damit seine Höhe wieder Geschmeidigkeit und Glanz gewinnt (nachzulesen z. B. bei Clemens Krauss!).
    Und völlig selbstverständlich war es, dass der Tenor, der Lohengrin, Stolzing und Siegfried sang, auch den Raoul in den Hugenotten oder den Jean im Propheten , Assad in der Königin von Saba, Adolar, Radames, Otello und Hermann zu singen hatte. Wenn sich heute Tenöre ganz auf Wagner spezialisieren, dann ist das eher eine Frage von Marketing und Geschäft als von musikalischer und gesangstechnischer Logik.


    Es ist ja unser aller traurige Erfahrung, dass seit einiger Zeit so viele Tenöre, die sich ganz als Wagnertenöre verstehen und vermarkten lassen, ziemlich schnell völlig verschlissen werden oder zumindest so starken Schaden an Stimme und Technik nehmen, dass sie Wagners genau formlierten Erwartungen an seine Sänger überhaupt nicht mehr entsprechen können.
    Meiner Meinung nach hängt das ganz wesentlich damit zusammen, dass sie eben NUR noch Wagner singen und sich nicht mehr auf Partien einlassen, in denen Lockerheit und Geschmeidigkeit gepflegt werden können und das Stimm-Material weniger beansprucht wird.



    Die Altvorderen kommen viel zu kurz. Ich erinnere nur an Jörn, Jadlowker, Sembach, Knothe, Berger, Lussmann, Mann oder Wolf. Genau so wie Joseph II. hätte auch ich Treptow auf jeden Fall noch genannt. Und Ernst Gruber sowie Svanholm. Aber es gibt noch viele mehr.


    Mit entschiedem Nachdruck möchte ich noch einmal - wie in so vielen anderen Threads schon zuvor - zumindest kurz auf Ivan Erschov hinweisen. Seine Aufnahmen mit Ausschnitten aus Siegfried, Götterdämmerung und Tannhäuser gehören für mich zu den hinreißendsten Beispielen von wirklich großem Wagner-Gesang - und das obwohl er in russischer Sprache singt! Übrigens gibt es auch hörenswerte Meyerbeer-Aufnahmen von ihm!


    Mir fallen noch einige Tenöre aus früheren Tagen ein, die bisher nicht genannt wurden, aber .... jetzt gibt es bei mir erst mal Mittagessen!


    Also: Tschüß



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Es ist ja unser aller traurige Erfahrung, dass seit einiger Zeit so viele Tenöre, die sich ganz als Wagnertenöre verstehen und vermarkten lassen, ziemlich schnell völlig verschlissen werden oder zumindest so starken Schaden an Stimme und Technik nehmen, dass sie Wagners genau formlierten Erwartungen an seine Sänger überhaupt nicht mehr entsprechen können.

    Nicht erst seit einiger Zeit. Aber das liegt nicht immer an den Tenören selbst. Ich habe den Werdegang von Peter Seiffert verfolgt, nachdem ich mit ihm Tamino und Ottavio in Berlin gesehen hatte und auch die Interviews in fonoforum und Opernglas gelesen habe. Zu der Zeit war er noch mit Lucia Popp verheiratet. Die von ihm angekündigten Platte mit Granada usw. kam nicht auf dem Markt, ebenso fehlte es ihm mach eigenen Aussagen an Angeboten für das italienische Fach. Max und Florestan aber sollte er überall singen. Dann kam Wagner dazu. Das war's dann. Riesig gefreut habe ich mich jetzt, als ich hörte, dass er Othello singen durfte, ich hoffe, auf italienisch. Ähnlich geht es heute Vogt, er bekommt Angebote aus aller Welt, für Wagner, auch wenn hier im forum einige meinen, dass er das nicht kann.


    LG, Bernward
    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Peter Seiffert

    Riesig gefreut habe ich mich jetzt, als ich hörte, dass er Othello singen durfte, ich hoffe, auf italienisch.

    Das war gar nicht mal schlecht. Ich glaube, Gioconda hat im Forum darüber berichtet. Gestern habe ich mir sein "Esultate" angehört. Im elften Takt gelingt ihm sogar die heikle Acciaccatura auf dem hohen H.


    Klaus Florian Vogt

    Ähnlich geht es heute Vogt, er bekommt Angebote aus aller Welt, für Wagner, auch wenn hier im forum einige meinen, dass er das nicht kann.

    Ich meine auch, dass er das kann: Wagner singen ...

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Lieber Bernward,


    in welchen Jungbrunnen bist denn Du gefallen? Oder war es nur Dein Avatar, der durch die Zeitmaschine geschleust wurde?


    Spaß beiseite:
    Seiffert ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür, dass man als Tenor eine lange und erfolgreiche Karriere haben kann, wenn man nicht zu ungeduldig ist. Er hat ja wirklich lange in Berlin Mozart-Partien, den Grafen im Wildschütz und ähnliche Rollen gesungen und ist immer auch im italienischen und französischen lyrischen Fach tätig gewesen. Besonders gut in Erinnerung habe ich seinen Faust (Gounod!), wo er mühelos mit der heiklen Tessitura fertig wurde und in der Cavatine sehr schöne Bögen und ein herrlichen Hohes C sang!
    Das Wagner-Fach hat er sich auch ausgesprochen vorsichtig angeeignet. Jetzt singt er zwar überwiegend Wagner und Strauss, aber seine Stimme ist völlig intakt in jeder Lage, selbst kürzeste Notenwerte muss er nicht wegschummeln, weil die Stimme schnell und sauber einschwingt, die Registerübergänge funktionieren tadellos und die Höhe hat nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Zudem ist ihm die Fähigkeit einer überzeugenden Gestaltung der Partien zugewachsen. Ich habe ihn im letzten Jahr in Berlin als Tristan und Tannhäuser gehört und würde sagen, dass er in den Partien heute ohne Konkurrenz ist. Auch im Vergleich zu den Tenören der 70er und 80er Jahre kann er voll bestehen.


    Ist er nun ein Wagner-Tenor? Ja, natürlich, aber nur, weil er so viele Jahre lang seiner Stimme Zeit gegeben hat, für diese Anforderungen zu reifen!


    Ohne Zweifel ein gutes Vorbild!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo Caruso,


    bei unseren Werbepartnern sind mehr als 80 verschiedene Aufnahmen (CD und DVD) mit Seiffert registriert. Darunter befindet sich bis auf Gianni Schicchi nicht eine einzige Opern-Gesamtaufnahme oder Querschnitt aus dem italienischen oder französichem Fach. Nicht einmal Hoffmanns Erzählungen. Und das finde ich bedauerlich.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • bei unseren Werbepartnern sind mehr als 80 verschiedene Aufnahmen (CD und DVD) mit Seiffert registriert. Darunter befindet sich bis auf Gianni Schicchi nicht eine einzige Opern-Gesamtaufnahme oder Querschnitt aus dem italienischen oder französichem Fach. Nicht einmal Hoffmanns Erzählungen. Und das finde ich bedauerlich.


    Immerhin gibt es die Sammlungen von1992 und 1993



    Auf der Sammlung "Italienische Opernarien" (!993) singt er tatsächlich nur italienische Opernarien (Bei manchen Tenören wird ja die Lyonel-Arie aus Martha als italienische Opernarie ausgegeben) und auf der Sammlung von 1992 immerhin Arien aus Mefistofele, Tosca, Butterfly sowie aus dem französischen Fach Hoffmann, Don José und Faust!


    Mit Bizet, Gounod, Verdi und Giordani kann man ihn noch auf der folgenden CD hören:



    Das zusammengenommen ist doch eine gute Erinnerung daran, dass er mehr war (und eigentlich noch ist) als ein reiner Wagner-Tenor!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Das zusammengenommen ist doch eine gute Erinnerung daran, dass er mehr war (und eigentlich noch ist) als ein reiner Wagner-Tenor!

    Ja lieber Caruso


    das habe ich ja auch niemals bestritten, ganz im Gegenteil. Ich besitze 34 verschiedene Aufnahmen mit ihm. Dennoch, ich bleibe dabei, ich hätte ihn gern in einer GA gehört. Sein Hüon, Lied von der Erde, Mendelssohns Zweite 2x, Tenorpart in Beethovens Neunter usw. alles bestens, aber die italienische Oper.
    Traviata, Rigoletto, Troubadour, Maskenball, Macht des Schicksals, etc. Schock, Kozub und viele andere haben es doch vorgemacht. Das lag nicht an ihm, sondern an den Angeboten, die ausblieben, warum auch immer.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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