Hallo,
das Thema, welches ich hiermit in die Diskussion werfen möchte, beschäftigt mich als Wagnerianer schon seit Jahrzehnten. Tenöre, die die Partien Richard Wagners singen, werden dann Heldentenöre genannt, wobei ich dieses unrichtig finde, weil ich der Meinung bin, daß es den echten Heldentenor, mit baritonaler Mittellage und Stimmkern, dazu mit trompetenhaft metallischer Höhe, bereits seit 40 Jahren nicht mehr gibt. Ab wann gebührt einem Sänger also der Ehrentitel "Wagnertenor" ? Für mich selbst habe ich immer folgende Einteilung vorgenommen: Es gibt "leichtere" Partien von Wagner, Rienzi, Erik, Lohengrin, Stolzing, Loge, Siegmund und Parsifal; sowie "schwere", als da sind Siegfried, Tannhäuser und Tristan. (Normalerweise gehört zu dieser Gruppe noch der Siegmund, weil man für ihn wirklich einen baritonalen Heldentenor bräuchte, ich zähle ihn nur nicht dazu, weil die Partie nicht so umfangreich ist.) Ein genuiner Wagnertenor ist für mich nur, wer neben den vorgenannten "leichteren" Partien, zumindest einen der drei schweren Hämmer ständig im Repertoire hat. Daraus ergibt sich: Wagnertenöre waren oder sind: Jaques Urlus (1867-1935); Leo Slezak (1873-1946); Richard Schubert (1885-1957); Lauritz Melchior (1890-1973); Max Lorenz (1901-1975); Ludwig Suthaus (1906-1971); Bernd Aldenhoff (1908-1959); Hans Beirer (1911-1993); Ramon Vinay (1911-1996); Wolfgang Windgassen (1914-1974); Hans Hopf (1916-1993); Jean Cox (* 1922); James King (* 1925); Jess Thomas (1927-1993); Spas Wenkhoff (* 1928 ); Rene Kollo (* 1937); Rainer Goldberg (* 1939); Siegfried Jerusalem (* 1940); Peter Seiffert (* 1954) und Johan Botha ( * 1965). Alle anderen, mögen sie noch so berühmt gewesen sein oder heute gerade sein, sind Künstler, die auch Wagnerpartien sangen oder singen, aber für mich keine genuinen Wagnertenöre. Darunter sind so berühmte Namen wie Enrico Caruso, Giovanni Martinelli, Beniamino Gigli, Georges Thill, Franz Völker, Peter Anders, Mario del Monaco, Rudolf Schock, Josef Traxel, Waldemar Kmentt, Nicolai Gedda, Robert Illosvalvy, Sandor Konja, Peter Schreier, Placido Domingo, Peter Hofmann, Robert Schunk, Francisco Araiza, Josef Protschka, Endrik Wottrich, Jonas Kaufmann und Klaus Florian Vogt. Viele dieser Tenöre machten, aus guten Gründen, nur Visiten im Wagnerfach und ließen es dabei bewenden. Andere ruinierten sich ihre Stimmen, indem sie versuchten, hauptsächlich vom Wagnerfach zu leben. (Peter Hofmann, Poul Elming, Josef Protschka, Endrik Wottrich)
2.) Verlangen wir in den letzten 60 Jahren nicht zu viel von den Tenören, die Wagner singen ? In der Sendereihe "Die Tenöre des Schellack-Zeitalters", sagte ein Mitglied der berühmten "British Record Society", daß man seit Kriegsende verlange, daß Wagnertenöre so sängen wie Richard Tauber, mit demselben lyrischen Wohlklang, dem Schmelz, der technischen Meisterschaft, nur dann eben kombiniert mit dem Metall, der Kraft und dem Volumen des genuinen, baritonalen Heldentenors. Wir verlangen also von jedem Tenor, der in einer Hauptpartie von Wagner auf der Bühne steht, die gleiche Brillianz, die ein Meistertechniker wie Tauber an den Tag legte, als er 5 einzelne Arien von Wagner (1 aus Lohengrin, 3 aus den Meistersingern, sowie 1 aus der Walküre) im Studio aufnahm. Für diese Änderung dieses Geschmacks mag der Kenner viele Gründe anführen, aber es führt dazu, daß immer wieder lyrische Tenöre in das für sie zu schwere Wagnerfach getrieben werden und sich dort ruinieren. Nur einige können sich lange Zeit in diesem Fach mit "heldenhafter technischer Ökonomie" und Glück halten. (Windgassen, Kollo, Jerusalem). Jose Carreras wollte immer Lohengrin und Siegmund singen, wozu es glücklicherweise nie kam. Francisco Araizas Interpretationen von Lohengrin, Stolzing und Siegmund waren mitunter grenzwertig, Domingo nahm zwar fast alle Wagnerpartien auf, sang aber nur Lohengrin und Parsifal oft auf der Bühne. Kaufmann und Vogt berichten beide, daß sie sich vor Angeboten großer Häuser, dort Siegfried, Tannhäuser, Tristan zu singen, nicht retten könnten und diese ablehnen würden.
Verlangen wir als Fans und Kenner zu viel von Tenören, die Wagner singen ? Ist der "Lyrische Heldentenor" ein Paradoxon ?Immerhin war Richard Wagner am Lebensende sehr unglücklich, seine besten Partien für Tenöre komponiert zu haben, weil, wie er selbst erkannte, diese von "normalen Sängern nicht singbar" seien !
Ich bin gespannt auf Eure Antworten !
Gruß,
Antalwin