Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper - Clemens Unterreiner

  • „Neid muss man sich verdienen, Mitleid bekommt man geschenkt“


    Interview mit Clemens Unterreiner



    Clemens Unterreiner


    Es ist das Ensemblemitglied, das es versteht, auch in der kleinsten Rolle aufzufallen und die Bühne zu beherrschen sowie in seinen größeren Partien wie zuletzt als Bill in Mahagonny zu reüssieren. Seit September 2005 singt er an der Staatsoper und seitdem ist er zu einem Publikumsliebling geworden – ein „echter Wiener“, dessen Eltern aus Ungarn und Schwaben kommen. Mit Clemens Unterreiner sprach für den „Neuen Merker“ Kurt Vlach.


    Herr Unterreiner, Sie sind einer der ganz wenigen Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper, die auch tatsächlich in Wien geboren sind und auch in Wien leben.


    Ja, neben mir fällt mir eigentlich nur spontan noch Alexandra Reinprecht ein, auf die diese Fakten auch zutreffen.


    Sie werden im nächsten Monat 35 Jahre alt. Ihre Eltern stammen aus Ungarn bzw. aus Deutschland. Wie lernten diese sich kennen?


    Mein Vater musste während des Ungarnaufstandes im Jahre 1956 seine Heimat nach Österreich verlassen, war also ein Flüchtling. In Österreich wurde er dann von einer hiesigen Verwandtschaftslinie aufgenommen und adoptiert. Meine Mutter stammt aus Schwaben und kam mit meiner Großmutter mütterlicherseits nach dem 2.Weltkrieg in die Steiermark, wo mein Großvater Forstdirektor tätig war. Meine Eltern studierten dann beide in Graz, wo sie sich auch kennen lernten. Meine ältere Schwester Katrin wurde noch in Graz geboren. Sie war übrigens die Kuratorin des Sisi-Museums und wissenschaftliche Leiterin des Schloss Schönbrunn und arbeitet jetzt international als anerkannte Kunsthistorikerin, Autorin und Ausstellungskuratorin.


    Später übersiedelten dann meine Eltern nach Wien, wo ich auch geboren wurde. Ich verbrachte viel Zeit in der Steiermark und auch Teile meiner Kindheit bei meiner Großmutter in Budapest und sehe sie noch immer regelmäßig. Dabei finde ich es faszinierend, mit welchem Tempo sich diese Stadt entwickelt. Wien muss da aufpassen, um nicht ins Hintertreffen zu gelangen!


    Waren Sie durch Ihre Eltern musikalisch vorbelastet?


    Musikalisch nicht, allerdings hat meine Mutter dafür gesorgt, dass ich musisch erzogen werde und hat mit uns Kindern auch viel gesungen. Meinen Vater hat das anfangs als Juristen und Geschäftsmann nicht so interessiert. Beide wollten mein Bestes und haben mich auch letztlich auf meinem künstlerischen Weg unterstützt und begleitet.


    Sie maturierten dann am Akademischen Gymnasium in Wien und begannen das Studium der Rechtswissenschaften. Dürfen wir sie als Dr.jur. ansprechen?


    Nein, ich habe nur den ersten Studienabschnitt fertig gemacht. Eigentlich wollte ich schon nach der Matura mit dem Gesangsstudium beginnen, doch meine Eltern bestanden darauf, dass ich etwas „Anständiges“ lerne. Ich konnte mich erst später dann durchsetzen, musste aber – obwohl mich die Eltern unterstützten – mein Studium dann selbst verdienen.


    Gehen wir noch einmal in Ihre Kindheit zurück. Ein Schicksalsschlag hat sie zur klassischen Musik geführt.


    Durch eine Augenkrankheit bin ich mit fünf Jahren erblindet und konnte, da zu dieser Zeit die Medizin noch nicht so fortgeschritten war wie jetzt, ein ganzes Jahr nichts sehen. Meine Eltern haben mir dann zur Ablenkung und Hilfe auch viele Musik- und Hörkassetten gegeben. Unter anderem auch eine Serie, in der Karlheinz Böhm die Lebensgeschichte diverser Komponisten erzählte. Das war für mich insofern aufbauend, da ich zum Beispiel das Schicksal von Beethoven kennen lernte. Das war für mich eine Motivation, da ich erkennen konnte, dass man trotz Behinderungen zu großen Taten fähig sein konnte.


    Sie erlangten dann wieder das Augenlicht. Im Akademischen Gymnasium sind Sie dann auch mit der Welt der Oper näher in Berührung gekommen.


    Ja, ein medizinisch leider langwieriger Prozess, der auch noch nicht abgeschlossen ist. Stimmt – vor dem Gymnasium noch hatte ich mein erstes Opernerlebnis. Ich war, nachdem ich die Geschichte von Richard Wagner gehört hatte, sehr neugierig geworden und mein erster Opernbesuch war dann eine Vorstellung des Fliegenden Holländers. Im Gymnasium hatte ich das Glück, dass in meiner Klasse viele Kinder waren, deren Eltern auch Wert darauf legten, dass sie eine entsprechende humanistische Ausbildung erhielten. So entstand rund um mein fünfzehntes Lebensjahr herum dort eine Opernclique, die von vielen anderen Schülern als „elitäre arrogante Opernhörer“ abgekanzelt wurde aber wir hatten riesen Spaß dabei „uncool“ zu sein und unsere Freizeit in der Oper als begeisterte Stehplatzler zu verbringen. Ich sang damals auch im Schulchor und im Rahmen einer Schulaufführung hatte ich meinen ersten Auftritt, ich trug Schuberts „An die Leier“ vor. Das Lied bedeutet mir sehr viel und es ist nach wie vor ein fixer Bestandteil meiner Liederabende.


    Als Gesangsstudent sind Sie ja ein Spätberufener. Ihre ersten professionellen Gesangsstunden erhielten Sie erst mit 23 Jahren.


    Korrekt. Ich machte nach meiner „juristischen Karriere“ vorerst eine Aufnahmeprüfung an der Musikuniversität Wien. Nun, das geriet zu einem veritablen Desaster. Die Professoren dort teilten mir mit, dass ich zu alt sei (was allerdings entsprechend den Richtlinien für die Aufnahme überhaupt nicht stimmte) und auch nicht die Qualität für das Studium besitze. Danach – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – traten zwei der Professoren an mich heran und boten mir an, mich privat zu unterrichten – um öS 1.000,- pro Stunde. In einem Jahr könnte ich dann wieder kommen, und meine Aufnahme zum Studium würde dann sicherlich in Ordnung gehen…


    Es war mir klar, dass ich mit solchen Machenschaften nichts zu tun haben wollte und auf eine Empfehlung hin begann ich dann privat den ersten Gesangsunterreicht bei Prof. Hilde Rössel-Majdan zu nehmen und wechselte dann später zu KS Gottfried Hornik, der mit mir in Bezug auf Technik Ausdruck, Diktion und Disziplin intensiv arbeitete. Prof. Helena Lazarska war für mich unentbehrlich in Bezug auf das Piano und Legato und KS Wicus Slabbert ist insofern jetzt für mich wichtig, da er ja im gleichen Fach wie ich tätig war und ein toller Lehrer ist.


    Im Jahr 2000 war ich auch Stipendiat der Bayreuther Festspiele, wo ich viele Kontakte knüpfen und die Liebe zu Richard Wagner ausbauen konnte.


    In Ihrer Biographie ist auch ein Meisterkurs bei KS Bernd Weikl und die Teilnahme an Gesangswettbewerben erwähnt. Sind Wettbewerbe für Sie wichtig gewesen?


    Ich habe da einen zwiespältiges Verhältnis dazu. Bei Meisterkursen hat der Lehrer, vorgegeben durch die Anzahl der Teilnehmer, oft nur 30 Minuten pro Tag je Teilnehmer Zeit. Das finde ich dann doch ziemlich unbefriedigend. Meine Einstellung zu Gesangswettbewerben ist ganz klar und endete schlussendlich damit, dass ich einen eigenen gründete. Die meisten Wettbewerbe sind meiner Meinung nach ausgelegt mit jungen Sängern viel Geld zu verdienen und diese dann nach der ersten Runde nach Hause zu schicken. Da wird viel Schindluder mit den Hoffnungen junger Künstler getrieben. Außerdem gibt es auch Sänger, die ausschließlich bei Wettbewerben auftreten und schon älter sind.


    So gründete ich dann 2004 den Wettbewerb „Klassik Mania“. Es werden von den Teilnehmern keine Nenngebühren verlangt, da sie meiner Meinung nach schon genügend Aufwände mit der Reise und den Aufenthaltskosten haben. Auch ist das Alterslimit niedriger als bei anderen Kompetitionen, da die Klassik Mania wirklich für den Nachwuchs da sein soll. 2/3 des Gesamtbudgets kommt von privaten Unterstützern und Sponsoren, 1/3 wird subventioniert. Besonders der 1.Bezirk in Wien unterstützt mein Projekt sehr!


    Die Sieger erhalten Geldpreise, eine Radiosendung auf Ö1 und die Korrepetitionen werden auch bezahlt. Jurymitglieder erhalten keine Vergütungen, was bei anderen Bewerben auch unüblich ist. Von Anfang an wurde ich mit ziemlich scheelen Augen angesehen und auch angefeindet, da ich einen komplett anderen Weg beschritten habe. Doch wollten dann Personen, die am Anfang gegen diesen Bewerb waren, später selbst oder Leute ihres Vertrauens in der Jury sitzen haben.


    Es freut mich auch, dass Preisträgerinnen meines Bewerbes immer auch Engagements erhielten. Als Beispiele nenne ich da Beate Ritter und vor allem Daniela Fally, mit der ich seit damals viele Vorstellungen und Projekte gemeinsam gemacht habe.

    Hear Me Roar!

  • Zurück zu den Anfängen Ihrer bis dato so erfolgreichen Karriere. Welche Erfahrungen haben Sie bis zu Ihrem Engagement an der Staatsoper gesammelt?


    Meine ersten Auftritte hatte ich im Rahmen der Wiener Festwochen. Das waren kleine Liederabende und Operettenkonzerte. Später kamen Konzertreisen dazu, die unter anderem nach Bulgarien, Italien, Spanien und Syrien führten. Ich habe auch konzertante Opern gesungen, dabei sogar Rollen wie Germont, Scarpia und Pizarro. Es waren Jahre des Tingelns, die aber wirklich interessant waren. Ich bin für fast alle Erfahrungen offen, solange sie der Stimme und der Opernkunst nicht schaden!


    Bei Ihrer Reise nach Syrien hatten Sie ein spezielles Erlebnis.


    Oh ja, der Flugkapitän der syrischen Luftlinie, mit der wir flogen, durfte der englischen Sprache nicht so mächtig gewesen sein und es kam am Flughafen in Wien Schwechat fast zu einer Kollision mit einem anderen Flugzeug. Nur durch eine Notaktion wurde verhindert, dass die Flieger zusammenstießen.


    Wie so viele andere Ensemblemitglieder können Sie sagen – „In Linz beginnt’s“?


    Es war 2002 im Linzer Landestheater, wo ich meinen ersten Bühnenauftritt hatte. Nach dem Belvedere-Wettbewerb offerierte mir eine Agentur eine Rolle bei der Europapremiere von „The Voyage“ von Philip Glass. Ich dachte mir „na super…“, weil ich im Prinzip gleich auf Angebote als Posa und dergleichen gehofft hatte, nahm das Angebot aber an und habe es nicht bereut! Ich mag moderne Musik, wenn sie harmonisch und nicht atonal ist. So hat mir dann 2009 auch die Arbeit an „Mässe“, einem Oratorium des Schweden Robert Sund, viel Spaß gemacht. Es gibt auch moderne, tonale Oper wie das tolle neue Werk von Albin Fries „Nora“.


    Moderne atonale Musik (ich war als Cover bei der Produktion von Medea in Wien dabei) betrachte ich eher als intellektuelle Herausforderung, das Herz bleibt da bei mir außen vor.


    Welche Bedeutung hat der Name Carlo Collodi für Sie?


    Ah – wir kommen nun zu meinem Debüt an der Wiener Staatsoper! Das ist eine interessante Geschichte! Ich hatte ein Vorsingen an der Staatsoper und sang dabei unter anderem eine Arie des Malatesta. Danach traf ich eine Freundin, die auch pendelt. Ich war neugierig und fragte sie, wie das Ergebnis des Vorsingens sein würde. Ihr Ergebnis war für uns beide sehr verwirrend, weil nämlich herausgekommen ist, dass ich zwar nicht in das Ensemble der STOP aufgenommen, allerdings trotzdem an der Staatsoper singen werde! Und wie sich dann herausstellte hatte sie sogar Recht! Damals war im Ensemble kein Platz für mich frei, allerdings wurde mir eine kleine Rolle bei der Prodektion des „Pinocchio“ im Kinderzelt angeboten. Somit ist der Bezug zu Collodi gegeben, er ist ja der Autor dieses Buches. Ich gab den „Feuerfresser“ und spielte und sang mir dabei die Seele aus dem Leib.


    Nach dem Ende der Vorstellungen hatte ich nichts zu tun und verbrachte in paar Urlaubstage in Brasilien, als mein Handy läutete und ich gefragt wurde, ob ich nicht bei der Neuproduktion des „Werther“ den Brühlman singen wolle. Natürlich war ich ganz begeistert und ersuchte, dass man mir die Noten nach Brasilien faxt und ob ich gleich nach Hause fahren soll. Man sagte mir dann, dass ich noch Zeit hätte und den Part sicherlich ohne Probleme auch später lernen könne. Es stellte sich dann für mich heraus, dass ich genau ein Wort zu singen hatte – „Klop-stock“. Das war mir aber egal – ich stand endlich auf der Hauptbühne der Wiener Staatsoper. Für mich als Wiener war ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Das war im Februar 2005. Man lud mich dann wieder zum Vorsingen ein und diesmal bot mir Direktor Holender dann gleich einen Ensemblevertrag an, den ich mit Freuden annahm. Er sagte mir, dass ich ganz von unten anfangen muss, mit kleinen Rollen und so kam es schlussendlich zu meinem offiziellen Debüt als Ensemblemitglied im September 2005. Es war der „Wirt“ in Manon Lescaut was sich bis dato zu großen Rollen wie Sharpless, Faninal, Donner, Harlekin uva. gesteigert hat. Eine schöne Wiener Karriere: Vom Stehplatzler, zur Statistrie über das Kinderopernzelt zum Solisten des Hauses. Solider geht ja kaum (lacht)


    Aber es gibt leider auch Schattenseiten und viele Steine, wenn man als Wiener in Wien versucht Karriere zu machen.Was soll ich Ihnen sagen – Neid muss man sich verdienen, Mitleid bekommt man geschenkt. (lacht wieder).


    Seitdem wurden Sie in Wien zum Publikumsliebling und Sie wurden auch in vielen Premieren eingesetzt. Was ist Ihre Lieblingsproduktion und mit welchen Regisseuren haben sie am liebsten zusammengearbeitet? Und – macht es für Sie einen Unterschied aus, wenn eine Rolle im Rahmen einer Premiere oder im Rahmen einer Repertoirevorstellung erarbeitet wird? Gibt es eine Lieblingsrolle für Sie?


    Bei Repertoirevorstellungen ist das Konzept schon vorgegeben und man hat relativ wenig Möglichkeiten, sich wirklich einzubringen. Trotzdem gibt es auch hier die Gelegenheit, das Profil der jeweiligen Figur zu schärfen, was mir ja auch zu gelingen scheint. Bei Premieren ist es möglich, dass man auf diplomatischen Weg eigene Ideen einfließen lassen kann und diese mit dem Regisseur bespricht (wie zuletzt in Mahagonny). Ich habe unheimlich gerne mit Laurent Pelly, Sven-Eric Bechtolf, Matthias Hartmann und Otto Schenk zusammengearbeitet und eine Produktion, die ich über alles liebe, war die der „Fille du Regiment“ oder Rheingold.


    Meine Lieblingsrolle ist immer gerade die aktuelle. Ich sehe das als positive Motivation an und jede Rolle hat das Recht, ernst genommen zu werden.


    In den letzten Jahren kamen Sie auch in den Genuss, mit sehr vielen verschiedenen Dirigenten zu arbeiten. Welche Art von Dirigent spricht Sie besonders an?


    Ich liebe Dirigenten, die die Sänger ernst nehmen und auf sie zugehen, die das Ziel haben, gemeinsam mit ihnen zu musizieren – Kapellmeister im besten Sinne des Wortes.


    Das legt die Vermutung sehr nahe, dass Christian Thielemann und Peter Schneider hoch in ihrem Ansehen stehen.


    Genau so ist es auch! Aber ich habe auch überdurchschnittlich gute Erfahrungen mit Andris Nelsons, Yves Abel und GMD Franz Welser-Möst gehabt.


    Es gibt immer wieder Gerüchte, dass die Stimmen einiger Sänger an der Wiener Staatsoper verstärkt werden, manchmal kommt es mir auch vor, Mikrophone und Transponder bei Sängern zu sehen. Können Sie da etwas Licht ins Dunkel bringen?


    Ich kann Ihnen garantieren, dass an der Wiener Staatsoper – im Gegensatz zu anderen, auch kleineren, Häusern – die Stimmen nicht verstärkt werden. Es stimmt zwar, dass manchmal Mikrophone benutzt werden, diese dienen aber nicht dazu, die Stimmen zu verstärken, sondern die sind nur dazu da, um die Stimmen bei Live-Übertragungen des ORF oder bei DVD-Aufnahmen einzufangen – für das Dolby-Surround System!


    Danke für diese Erleuchtung! Zurück wieder in den Alltag. Sie haben oft gesagt, dass Sie Direktor Holender viel zu verdanken haben. Es ist zu einer Änderung in der Direktion gekommen – wie empfinden Sie den Wechsel zu Dominique Meyer?


    Wissen Sie, ich bin kein Mensch, der nachtritt, denn ich habe auch keine Veranlassung dafür. Ich habe ihm sicher viel zu verdanken und jeder weiß, wie er war und wie er ist. Als Profi arbeite ich immer gemeinsam mit dem jeweiligen Direktor gut zusammen. Dominique Meyer ist ein erfrischend höflicher, sehr korrekter und humorvoller Mensch, der behutsam und diplomatisch vorgeht, jeden auch anspornt, sich weiter zu entwickeln und zu entdecken, was in einem steckt. Ich habe meinen Vertrag an der Staatsoper verlängert, weil ich Direktor Meyer vertraue, dass er meine Entwicklung weiter fördern wird und ich neben den vielen Repertoirerollen auch weiterhin immer wieder schöne und größere Rollen singen werde. So freue ich mich geimeinsam mit ihm und meinem GMD in eine gute Zukunft zu rudern.


    Seit 2008 sind Sie auch Gastsolist an der Volksoper in Wien. Was sind die Unterschiede zwischen den beiden Häusern?


    Erstens einmal finde ich es schön, als Wiener auch an einem anderen Wiener Opernhaus zu singen. Man hat mich dort immer herzlich empfangen und das Publikum war von mir immer begeistert. Sie müssen wissen, ich singe in erster Linie für die Komponisten, für die Genies, die diese Werke geschrieben haben. Dann kommt schon das Publikum, die Menschen, die das Haus mit Leben erfüllen und von denen man als Künstler so viel positive Energie zurückbekommt. Was gibt es schöneres als wenn das Publikum zufrieden ist. Das ist auch etwas, was ich so am „Neuen Merker“ schätze. Da schreiben keine Profikritiker, sondern Opernenthusiasten, die sich nicht von anderen Begehrlichkeiten beeinflussen lassen.


    An der Volksoper ist alles etwas kleiner, übersichtlicher und lockerer. Es ist wie eine Kleinfamilie, man ist an allem näher dran und sehr kollegial.



    Clemens Unterreiner als Sharpless (Madama Butterfly)


    Die Rolle des „Sharpless“ spielte in Ihrer Karriere bis dato eine ganz wichtige Rolle.


    Ja, ich hätte mir niemals gedacht, dass ich den Sharpless so oft singen werde. Ich habe die Rolle im Rahmen einer Tourneeproduktion gelernt. Wir haben dann „Madama Butterfly“ an verschiedenen Häusern aufgeführt, es waren viele kleinere und mittlere dabei, wie zum Beispiel Chur oder Straßburg, allerdings auch in Häusern wie das Große Festspielhaus in Salzburg. Ich musste innerhalb von 24 Tagen die Rolle 21x singen! Da habe ich erst gemerkt, was eine Stimme zu leisten fähig ist! In der Volksoper sang ich die italienische Urfassung und sang nach den positiven Kritiken den Sharpless auch an der Staatsoper und zuletzt am Opernhaus in Kopenhagen.


    Als Einspringer kam ich dort zu meinem Debüt in Kopenhagen. Es war der 22. Dezember und ich war als Cover für Franz Grundheber als Faninal in Bereitschaft. Da rief mich meine Agentur an und teilte mir mit, dass in Kopenhagen ein Sänger ausgefallen sei und sie dringend einen Ersatz suchten. Es war ein Tag, an dem viele Flughäfen in Europa den Betrieb wegen schlechten Wetters einstellen mussten. Ich erklärte mich bereit und fuhr nach Schwechat. Dort wurde ich einmal ausgeraubt und mein Vater musste nachkommen, damit ich ein wenig Geld zum Wechseln hatte. Beim Anflug auf Kopenhagen wurde zuerst der Flughafen wegen eines Eissturms geschlossen und wir mussten warten, bis wir landen konnten. Ich kam 65 Minuten vor der Vorstellung an, hatte Kostümprobe, dann ging es in die Maske. Der Dirigent kam herein, meinte, dass ich die Rolle sowieso schon gesungen hätte und einfach rausgehen sollte und das Beste draus machen soll. Ich hatte die Bühne überhaupt noch nicht gesehen und wurde quasi ins kalte Wasser gestoßen. Die Produktion war zwar modern, allerdings Rollentechnisch traditionell und so konnte ich mich zurechtfinden. In der Pause wurde ich für den 2.Akt eingewiesen, beim Zwischenspiel für den 3.Akte. Ich stand so unter Adrenalin, dass ich ohne Probleme meine Vorstellung ablieferte. Nach dem Schlussvorhang wurden allerdings meine Knie ganz weich, aber die Mannschaft war über meine Improvisation so positiv überrascht und fragte ob ich nicht doch schon mal hier gesungen hätte (lacht). Dann hatte ich auch noch Glück, dass ich noch einen Flug aus Kopenhagen raus erwischte und so Weihnachten in Wien verbringen konnte.


    Sie sind auch oft bei Sommerfestivals zu finden. Gibt es in punkto Gesangstechnik einen Unterschied zwischen einem Open-Air-Auftritt und einer Vorstellung in einem Opernhaus?


    Nein, von der Gesangstechnik her es gibt keine Unterschiede, allerdings darf man sich nicht verleiten lassen, zu sehr zu forcieren und man muss fokussierter und kontrollierter singen. Man muss sich eben nur auf die Technik verlassen und man muss sich etwas zügeln.


    Wagner hat für Sie auch eine wichtige Rolle gespielt, sei es jetzt im Rahmen des Stipendiums, in der Rollenauswahl und auch im Rahmen der Tätigkeit beim Wagnerverband.


    Ich werde im April in Nizza als Melot debütieren. Ursprünglich war ich als Kurnewal im Gespräch, allerdings ist diese Rolle viel probenintensiver und da ich in Wien viel beschäftigt bin, wurde es schlussendlich der Melot. Eine besondere Bewandtnis hatte es auch, als ich den Hermann Ortel in den Meistersingern gesungen habe. Während meiner Schulzeit war ich zuerst am Stehplatz und während des Studiums ja dann auch Statist. Der Chef der Statisterie sagte mir dann, dass ich seinerzeit bei Vorstellungen als Statist der Begleiter des Hermann Ortel war – genau der Rolle, die ich dann viel später verkörperte! Ich habe mit Erfolg den „Donner“ gesungen, leider wurde ich krank, als ich den „Gunther“ verkörpern sollte aber der ist in nächster Zeit geplant. Aber ich freue mich schon auf viele interessante Angebote in der Zukunft.


    In Bayreuth bin ich im Gespräch, ich möchte aber auch auf das kleine aber feine Wagner-Festival in Wels aufmerksam machen, mit dem ich in Zukunft auch enger zusammenarbeiten werde.


    Was den Wiener Wagner-Verband angeht, so habe ich zwölf Jahre mit Freude im Vorstand und auch als Vizepräsident für ihn gearbeitet. Doch kam es zu bedauerlichen Vorkommnissen die nicht gerade kollegial abliefen und Veränderungen im Vorstand die ich nicht mittragen wollte und so habe ich meine Ämter und die Mitgliedschaft zurückgelegt. Ich war immer ein Mann der klaren Worte und bin nie für „Spielchen“ zu haben. Ich scheide in Frieden und mit Wagner verbindet mich ohnehin musikalisch weiterhin viel.


    In diesem Jahr werden Sie auch erstmals bei den Salzburger Festspielen auftreten?


    Ich habe Intendant Pereira im Rahmen der Ariadne-Aufführungen in Wien getroffen und so ergab sich dann die Rolle des „König Tipheus“ in der Oper „Das Labyrinth“ des pfalz-bairischen Kapellmeisters Peter von Winter. Es handelt sich um die Fortsetzung der Zauberflöte, das Libretto wurde auch von Emanuel Schikaneder geschrieben. Diese Oper war seinerzeit sogar erfolgreicher als die Zauberflöte!


    Als österreichischer Künstler bin ich enorm stolz darauf, in Salzburg singen zu dürfen, es bedeutet mir sehr viel und ich hoffe, auch in Zukunft dort tätig sein zu können!


    Zur nahen Zukunft – am 11.3. treten Sie im Rahmen einer Matinee gemeinsam mit Daniela Fally und Kathleen Kelly an der Staatsoper auf – quasi ein um eine Woche verfrühtes Geburtstagsgeschenk!


    Ich habe oft mit Daniela zusammengearbeitet und meistens waren wir Vater und Tochter, wie z.B. Faninal – Sophie, Antonio – Barbarina, Marie – Sulpice. Auch Kathleen Kelly ist eine tolle Begleiterin und Studienleiterin, die mit mir auch abseits der Oper zusammenarbeitet. Daniela ist eine großartige Kollegin wie übrigens – und das sage ich von Herzen – alle anderen tollen, großartigen Ensemblekollegen. Ich bin jeden Tag dankbar mit so vielen verschiedenen Menschen arbeiten zu können. Das fängt bei den Korrepetitoren an, zu den Regieassistenten, über das Betriebsbüro weiter zum Chor, der Maske, Schneiderei, Portiere, Technik, Statisterie bis zum Orchester. Und auch das Ballett – ja – weil wir arbeiten alle im selben Haus und leben für das Haus und die Kunst – das verbindet uns alle.


    Zurück zur Matinee – Wir werden ein paar Duette bringen, ich bereite Arien aus der Nozze, der Zauberflöte und aus Carmen vor. Es freut mich auch riesig, dass das Konzert bereits einen Monat vorher ausverkauft ist.


    Ihr Name fällt auch oft im gleichen Atemzug zu karitativen Tätigkeiten. Wie und warum kam es zu diesem Engagement?


    Die Benefizkonzerte entstanden aus der Idee heraus, für meine Freunde und Unterstützer quasi als Dankeschön ein Mal im Jahr ein Gratiskonzert zu geben. Damit habe ich schon begonnen, als ich zu Beginn meines Studiums noch ein Niemand war. Jetzt, als Solist an der Staatsoper stelle ich mich in den Dienst der guten Sache, weil ich in meinem Leben einfach Glück gehabt habe. Ich könnte jetzt ja auch ein blinder Sozialhilfeempfänger sein. Die Musik hat mir sehr geholfen und ich sehe es als meine Verpflichtung an, etwas für andere Menschen zu tun. Allerdings mache ich nicht alles, sondern ich muss dazu einen Bezug haben. So unterstütze ich Organisationen, die blinden Menschen helfen, die MÖWE, das Wiener Hilfswerk und andere Organisationen. Es ist auch toll, dass mich Kollegen aus der Staatsoper dabei unterstützen. Beim Benefizkonzert im Dezember wurden insgesamt EUR 3.000,- gesammelt, das ist doch eine wirklich schöne Summe!


    Wie schauen Ihre Zukunftspläne und –hoffnung für die nächsten Jahre aus?


    Ich will noch einmal betonen, wie schön es für mich ist, als Wiener an der Staatsoper zu singen und solange ich das Gefühl habe, dass ich hier immer wieder Herausforderungen habe, möchte ich gerne bleiben. Allerdings will ich natürlich auch meine internationale Karriere ausbauen. Ich hoffe, an der Staatsoper in den nächsten Jahren die Chance zu bekommen Rollen die zu mir passen – ich denke da z.B. an Papageno, Belcore, Malatesta, Gugliemo oder Don Giovanni. Auch der Wolfram oder Posa wären große Ziele von mir. Was die weitere Zukunft mit sich bringen wird, das wird man sehen! Nix is fix!


    Sie haben einen vollen Terminplan. Bleibt da überhaupt noch Zeit für den „privaten“ Clemens Unterreiner?


    Kaum – Ich liebe die Natur und gehe gerne wandern. Ich fahre Schi, schwimme, reite und segle – wenn ich Zeit dafür habe. Was ich aber wirklich schätze, sind gemütliche Abende zu Hause, die ich mit Familie oder Freunden verbringe. Wir kochen dann, aber ich bin eher für den Weinkeller verantwortlich!


    Zum Abschluss noch die 10 Fragen des Bernard Pivot –


    1) Was ist Ihr Lieblingswort?


    Bravo!


    2) Welches Wort mögen Sie am wenigsten?


    Du musst!


    3) Was gibt Ihnen ein gutes Gefühl?


    Gemeinsam zu lachen


    4) Was gibt Ihnen ein schlechtes Gefühl?


    Intrigen


    5) Welches Geräusch oder welchen Lärm mögen Sie?


    Das Ticken von Uhren und das Schlagwerk von Uhren


    6) Welches Geräusch oder welchen Lärm mögen Sie nicht?


    die lästige Iphone Wecker-Grille


    7) Was ist Ihr Lieblings-Schimpfwort?


    Sie Arsch!


    8) Welchen Beruf außer Ihrem jetzigen hätten Sie sonst gerne ergriffen?


    Botschafter


    9) Welchen Beruf mögen Sie überhaupt nicht ausüben?


    Gerichtsvollzieher


    10) Wenn der Himmel existieren sollte, was würden Sie gerne von Gott hören, wenn er Sie am Himmelstor empfängt?


    Ich hoffe, Du redest im Himmel nicht so viel wie auf Erden!


    Lieber Herr Unterreiner, wir danken Ihnen für das ausführliche Gespräch und wünschen Ihnen eine erfolgreiche Karriere – in Wien und auch international!


    Informationen unter: www.unterreiner.at

    Hear Me Roar!