Hermann Zilcher (1881-1948)


  • Wenn man diesen Thread hier einrichtet ist einerseits klar, dass das kein in die Breite wirkendes Thema ist, andererseits sollte man auch für fast vergessene Komponisten und auch die Sänger dieser Stücke ein Forum bieten.



    Hermann Zilcher ist 1881 in Frankfurt am Main geboren und starb in der Neujahrsnacht 1948 in Würzburg.


    In diesem Thread sollen nur die von Zilcher geschaffenen Kunstlieder besprochen werden; die mir zur Verfügung stehenden Unterlagen sagen aus, dass es 82 Klavierlieder sind. In meiner Liedersammlung sind 60 Aufnahmen; ein genauerer Überblick ist in den noch folgenden Beiträgen vorgesehen; einzelne Lieder kann man gegebenenfalls im Detail betrachten.


    Im Zusammenhang mit dem Thema „Kunstlied“ ist zu erwähnen, dass Hermann Zilcher bereits im Alter von etwa zwanzig Jahren ein gesuchter Begleiter für Sänger und Instrumentalisten war. In seiner Münchner Zeit arbeitete er dann mit der Sopranistin Maria Ivogün zusammen (die erst mit Karl Erb und später mit Michael Raucheisen verheiratet war)


    In den 1920er Jahren hatte Hermann Zilcher eine Professur für Komposition in München, wo auch Carl Orff zu seinen Schülern zählte.


    Hermann Zilchers Vater war ein weit bekannter Klavierpädagoge, der seinen Sohn Hermann bereits im Alter von fünf Jahren am Klavier unterrichtete und schon erste Kompositionsversuche des dreijährigen Knaben aufzeichnete. Der kleine Zilcher war von Musik umgeben; Engelbert Humperdinck wohnte über den Zilchers.


    Eine der älteren Aufnahmen, deren Aufnahmedatum nicht bekannt ist, wird von Elisabeth Schwarzkopf gesungen. Aufgrund der Aufnahmequalität kann man wohl davon ausgehen, dass diese Aufnahme vor 1945 entstanden ist. Bevor die Sängerin einsetzt, ist eine schwermütig klingende Melodie zu vernehmen, der Text spricht von einer klagenden Flöte. Auf dem letzten Wort -"Licht"- liegt ein mit ganz langem Atem gesungener Ton.


    Abendständchen -Op. 65 Nr.3


    Hör', es klagt die Flöte wieder,
    Und die kühlen Brunnen rauschen.
    Golden weh'n die Töne nieder,
    Stille, stille, laß uns lauschen!


    Holdes Bitten, mild Verlangen,
    Wie es süß zum Herzen spricht!
    Durch die Nacht, die mich umfangen,
    Blickt zu mir der Töne Licht!

    (Clemens von Brentano)

  • Es gehört, wie mir scheint, ein wenig Kühnheit dazu, sich als Komponist an dieses Gedicht zu wagen. Warum? Es ist selbst schon Musik genug, sprachlich-lyrische Musik. Nicht ohne Grund ist Brentano der am wenigsten vertonte romantische Dichter. Und von diesem Gedicht ist mir auch keine weitere Vertonung bekannt.


    Mit dem Lied von Hermann Zilcher komme ich nicht so ganz zurecht, - weniger des klanglichen Eindrucks wegen, den es macht (obwohl ich mich frage, warum es durchgehend in Moll harmonisiert ist. Nur wegen der „klagenden Flöte“?), als vielmehr mit Blick auf die Frage, wie weit es dem lyrischen Text gerecht wird. Die „Szenerie“, die von Brentano lyrisch beschworen wird, ist eine der umfassenden Stille, und dieses Wort kommt ja nun auch zweimal im Gedicht vor.


    Genau diese lyrische Stille scheint mir in Zilchers Komposition zu wenig eingefangen zu sein. Das hat nicht primär damit etwas zu tun, dass es sich nicht um reines Klavierlied handelt, sondern auch Streicher beteiligt sind. Vor allem die Struktur der melodischen Linie wird – aus meiner Sicht – den lyrischen Bildern nicht gerecht: Sie weist eine viel zu große Emphase auf – typisch etwa bei „Stille, stille, laß uns lauschen“ - und ist nicht in dem Maße zurückgenommen und verinnerlicht, wie der lyrische Text das eigentlich erfordert.


    Das ist – ich bitte das zu beachten – ein ganz und gar subjektives Urteil über dieses Lied. Es ist auch durchaus diskussionswürdig, ob und in welchem Maße man dieses Kriterium der Adäquatheit der Musik dem lyrischen Text gegenüber verwenden darf und sollte. Aber für mich ist Brentanos Gedicht ganz und gar aus der verinnerlichten Haltung des lyrischen Ichs heraus verfasst, wie sie sich in dem Verspaar: „Holdes Bitten, mild Verlangen / Wie es süß zu Herzen spricht“ lyrisch artikuliert.


  • Also Johannes Brahms hat auch die Kühnheit besessen, aber man findet diese Brahms-Vertonung nicht bei den Kunstliedern. Sie stammt aus Drei Gesänge Op. 42 Nr.1 und ist dem Chorgesang zugehörig.
    Irgendwo steht geschrieben: „Brentanos Lyrik geht oft – wie seine Märchen – von volkstümlichen Quellen und Formen aus.“
    So gesehen ist es eigentlich nicht groß verwunderlich, dass Brahms sich mit diesem Text befasst hat.


    Die oben gezeigte CD enthält unter anderem sechs Goethe-Texte:


    Süße Sorgen
    Früh, wenn Tal, Gebirg und Garten
    Um Mitternacht
    Elfenlied
    St. Nepomuks Vorabend
    An die Entfernte


    Auch mehrere Gedichte von Liliencron, Dehmel und anderen Dichtern. Hier ist dann durchaus Gelegenheit geboten, unterschiedliche Vertonungen zu vergleichen. In den kommenden Tagen werde ich näher darauf eingehen.

  • Zit. hart: "Also Johannes Brahms hat auch die Kühnheit besessen, aber man findet diese Brahms-Vertonung nicht bei den Kunstliedern."


    Diesbezüglich irrt hart sich. Brahms hat sehr wohl auch ein Kunstlied auf ein Gedicht von Brentano komponiert.Und es ist ein sehr schönes: "O kühler Wald".


    Aber das Bezeichnende ist: Das weist eben nicht die ausgeprägte sprachliche Musikalität auf wie das Gedicht "Abendständchen" oder etwa "Wenn der lahme Weber träumt". Und darum ging es in meinem Beitrag. Um die Frage: Wieviel Raum lässt ein lyrisches Gedicht einem Komponisten für das Einbringen seiner eigenen musikalischen Expressivität.

  • De Feststellung, dass Brahms in der Tat auch ein Kunstlied auf einen Text von Brentano komponiert hat, eben das erwähnte "O kühler Wald", ist zwar zutreffend, sie aber mit der Bemerkung einzuleiten, dass hart sich geirrt habe, war unsinnig, denn er hat sich ja über ein Chorlied von Brahms gäußert.


    Man wundert sich zunächst einmal, dass Brentanos Lyrik so wenig Komponisten gefunden hat, die sie in Lieder verwandelten. Von den Liedkomponisten mit großem Namen konnte ich - außer Hermann Zilcher - nur Richard Strauss, Johannes Brahms und Paul Hindemith ausmachen. Und von diesen hat nur Strauss mehrere Gedichte vertont.


    Es ist wohl so, dass Brentanos Lyrik einen so hohen Grad an sprachlicher Musikalität aufweist, dass ein Leser mit ausgeprägtem rhythmisch-musikalischem Empfinden - um um dergleichen handelt es sich bei Liedkomponisten ja - sie als ihrer selbst genügend empfinden muss. Man möchte - so stelle ich mir vor - darauf musikalisch nichts mehr draufpacken, weil es dann einfach zu viel wäre.


    Ich habe mir das Lied von Hermann Zilcher inzwischen noch mehrere Male aufmerksam angehört. Es ist - übrigens durchgehend tonal angelegt - melodisch und harmonisch durchaus eingängig, und es vermag die leicht melancholische Gestimmtheit der Verse Brentanos sehr wohl einzufangen, - insbesondere durch die Moll-Harmonisierung einer in ihrer Struktur vorwiegend fallenden melodischen Linie. Einen eigentümlichen Reiz hat die Rhythmik des Liedes. Die gezupften Cello-Klänge, die am Angang aufklingen, prägen dieses Lied rhythmisch bis zu seinem Ende. Die ruhige Bewegung der geichsam punktförmigen Rhythmik wird dabei an einer Stelle - und zwar nach dem vierten Akzent - durch eine Pause verzögert, so dass ein Anflug von Zögerlichkeit in die rhythmische Bewegung kommt.


    Zusammen mit der zumeist fallenden Bewegung der Vokallinie vermag diese ruhige und zugleich zögerliche Rhythmik des Liedes die lyrische Atmosphäre des Gedichts durchaus - zumindest partiell - einzufangen.

  • „Das großartige AN DIE ENTFERNTE ist immer noch nicht so verbreitet, wie es seinem Rang zukäme“, schreibt Dietrich Fischer-Dieskau in seinem Buch Auf den Spuren der Schubert-Lieder. Natürlich haben wir – wie so oft – auch hier wieder die Situation die Schubert-Vertonung (noch klingt in den gewohnten Ohren) im Kopf zu haben und erst viel später den gleichen Text von anderen Komponisten kennen zu lernen. Es mag vielleicht Ausnahmen geben, aber die Regel ist eher – erst Schubert und danach die anderen Komponisten, wenn überhaupt …
    Rein „buchhalterisch“ ist festzustellen, dass Tomaschek etwa eineinhalb Minuten zur Bewältigung des Textes benötigt, Schubert ungefähr gute drei Minuten, aber Zilcher sich fast vier Minuten diesem Gedicht widmet.


    Zum Lied in der Zilcher-Vertonung:
    Mehr als eine halbe Minute währt das schöne, harmonische Klaviervorspiel, bevor die Singstimme einsetzt. Im Verlauf des Vortrags behauptet sich der Klavierpart relativ dominant und Konrad Jarnot (in dieser Aufnahme) muss an einigen wenigen Stellen schon etwas forciert seine Stimme erheben, um gehört zu werden.
    Ich frage mich - hört man hier die Klavierpriorität im Hause Zilcher?
    Dieser Goethe-Text wurde also von Zilcher vertont, obwohl das Schubertlied bereits bekannt war, dass Tomascheks Werk ist damals vermutlich kein Thema gewesen.
    Ansonsten wird die Ansicht vertreten, dass Zilcher darauf bedacht war Gedichte zu wählen, die bisher gar nicht oder nur selten vertont worden waren (so im Booklettext zu lesen).


    An die Entfernte
    So hab ich wirklich dich verloren?
    Bist du, o Schöne, mir entfloh'n?
    Noch klingt in den gewohnten Ohren
    Ein jedes Wort, ein jeder Ton.


    So wie des Wandrers Blick am Morgen
    Vergebens in die Lüfte dringt,
    Wenn, in dem blauen Raum verborgen,
    Hoch über ihm die Lerche singt:


    So dringet ängstlich hin und wider
    Durch Feld und Busch und Wald mein Blick.
    Dich rufen alle meine Lieder;
    O komm', Geliebte, mir zurück!

  • Dieses Lied von Hermann Zilcher ist mit der Komposition von Schubert in gar keiner Weise vergleichbar, und zwar deshalb, weil ihr ein anderes liedkompositorisches Konzept zugrundeliegt. Dieses wird schon aus der ungewöhnlich langen Klaviereinleitung hör- und erfassbar: Das Lied lebt klanglich ganz und gar von seinem Klaviersatz, in den die Singstimme wie ein Bestandteil desselben eingelagert ist.


    Dieser Klaviersatz wirkt klanglich überaus bewegt, ja unruhig, bewegt sich durch mehrere Tonarten und pendelt im Tongeschlecht permanent zwischen Dur und Moll hin und her, wobei die Moll-Klänge deutlich überwiegen, - jedenfalls bis zum letzten Vers des Gedichts: Dort drängen sich, und zwar mit großer Emphase in der melodischen Linie, die Dur-Harmonien eindeutig in den Vordergrund.


    Der Klageton des lyrischen Textes ist von Zilcher auf eine eindrucksvolle Weise musikalisch eingefangen. Zwar dominiert in der melodischen Linie die fallende Bewegung, aber das keineswegs durchgehend, und das macht die Stärke dieses Liedes aus. So wird zum Beispiel der Fragecharakter des zweiten Verses der ersten Strophe („Bist du, o Schöne, mir entflohn“ ) dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Vokallinie ansteigt und bei „entflohn“ ihren Höhepunkt erreicht, so dass der Unterton des Schmerzes hörbar, wird, der lyrisch mitschwingt. Das Klavier reagiert darauf mit überaus unruhigen Bewegungen von Einzeltönen im Diskant.


    Wie stark dieses Lied auf die Expressivität der Klage angelegt ist, kann man auch bei dem Vers „Ein jedes Wort, ein jeder Ton“ hören und erkennen. Die melodische Linie macht nämlich mitten im Vers, nach „Wort“, eine Pause, und erst danach setzt sie ihre Bewegung mit einem steilen Anstieg hin zu dem Wort „Ton“ fort. Auf diese Weise gewinnen die Elemente des lyrischen Textes musikalisch ein stärkeres expressives Gewicht, als sie das in Goethes Text haben.


    Auch an der letzten Strophe kann man erkennen, wie gut Zilcher die Aussage des lyrischen Textes in Musik umzusetzen vermag. Beim ersten Vers wird die „Ängstlichkeit des Blicks“ durch eine nervöse Bewegung der melodischen Linie innerhalb kleiner Intervalle bei gleichzeitig Unruhe von Achteln in der Klavierbegleitung musikalisch zum Ausdruck gebracht. Mit großem Pathos in der Vokallinie wird das „Dich rufen alle meine Lieder“ gesungen, und bei „O Komm“ beschreibt die melodische Linie einen weit ausholenden, große Höhe reichenden Bogen, der in Dur harmonisiert ist.


    Überraschend aber – und ein Zeichen dafür, wie Zilcher den lyrischen Text gelesen hat – ist: Die melodische Linie sinkt danach rasch ab in tiefere Lagen und wieder in Moll-Harmonien. Es ist nur ein Wunsch, der hier artikuliert wird. Die Geliebte ist „eine Entfernte“.

  • Mitternacht und Elfen waren zu Goethes Zeit andere Begriffe als heute, wo um Mitternacht noch die Straßen hell beleuchtet sind und Fernsehen geschaut werden kann.
    Fast 200 Jahre sind inzwischen vergangen.


    Auch als Hermann Zilcher diese Lieder (vermutlich 1923) vertonte, war es in Würzburg und anderswo um Mitternacht eine ganz andere Situation als heute, war es um Mitternacht noch erheblich dunkler und geheimnisvoller. Zumindest der Stadtbewohner, kennt diese Situation heute nicht mehr.
    Die Entstehungszeit von Um Mitternacht wird mit dem Datum 13. Februar 1818 angegeben und das Lied wird in Zelters die „Neue Liedersammlung“1821 erstmals gedruckt.
    Goethe hat sein Gedicht „Um Mitternacht“ als Lebenslied betrachtet; jede Strophe symbolisiert eine Lebensphase.


    Auf der im 3. Beitrag gezeigten CD folgt dem Stück Um Mitternacht das Elfenlied, das mit den Worten „Um Mitternacht“ beginnt.


    Beide Lieder sind bezüglich der Aufführungszeit fast gleich lang. Bei dem Lied „Um Mitternacht“ hört man zunächst ein fast halb Minuten langes Klaviervorspiel, bevor der Sänger mit eher verhaltener Stimme beginnt, jedoch seine Stimme jeweils bei den letzten beiden Zeilen einer Strophe forciert, wobei „Um Mitternacht“ dann - leiser werdend - wiederholt wird.


    Um Mitternacht Johann Wolfgang von Goethe
    Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
    Klein-kleiner Knabe, jenen Friedhof hin
    Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne,
    Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
    Um Mitternacht.


    Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
    Zur Liebsten musste, musste, weil sie zog,
    Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
    Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
    Um Mitternacht.

    Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
    So klar und deutlich mir ins Finstre drang.
    Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
    Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
    Um Mitternacht.


    Das folgende „Elfenlied“ wird in dieser Aufnahme vom Sopran gesungen, der gleich nach den ersten Klaviertakten einsetzt, wobei die ersten beiden Textblöcke wiederholt und manche Zeilen sogar mehrfach wiederholt werden. Hier wird der Traum besungen und der Liedhörer kann mitträumen ... die Musik gestattet es...


    Elfenlied Johann Wolfgang von Goethe


    Um Mitternacht,
    wenn die Menschen erst schlafen,
    dann scheinet uns der Mond,
    dann leuchtet uns der Stern
    Wir wandeln und singen
    und tanzen erst gern.


    Um Mitternacht,
    wenn die Menschen erst schlafen,
    auf Wiesen, an den Erlen,
    wir suchen unsern Raum
    und wandeln und singen
    und tanzen einen Traum.





  • Auch dieses Lied auf ein Gedicht von Goethe (Text siehe oben im Beitrag von hart!) lebt in seiner musikalischen Aussage vom klanglichen Reichtum und der harmonischen Expressivität seines Klaviersatzes. Gleichwohl hat auch die melodische Linie der Singstimme daran erheblichen Anteil: Sie steigert sich jeweils am Ende der Verse zu arienhafter Emphase.


    Wie ein harmonisches Signal für die spezifische klangliche Eigenart dieses Liedes und seine zentrale Aussage – die kleine menschliche Lebenswelt unter dem Kosmos des nächtlichen Sternenhimmels – wirkt das Ausgreifen des Klaviervorspiels von Dur-Akkorden in eine weitab liegende Moll-Tonart. Denn so ist das ganze Lied harmonisch angelegt: Die melodische Linie der Singstimme bewegt sich über die ersten drei Verse der Strophen im Moll-Bereich, um dann beim letzten Vers und dem nachgesetzten „Um Mitternacht“ sich zu heller Dur-Harmonik aufzuschwingen.


    Überaus eindrucksvoll vermag Zilcher die Diktion des lyrischen Textes musikalisch aufzugreifen, - zu hören gleich am Anfang daran, wie er das einschränkende „nicht eben gern“ mit einer Pause in der melodischen Linie absetzt. Bei „Vaters Haus“ kommen vorübergehend Dur-Harmonien auf, - das Positive des Bildes reflektierend. Und bei „gar zu schön“ steigt die Vokallinie zu großer Höhe auf, das Leuchten der Sterne musikalisch aufgreifend, um freilich danach bei der Wiederholung der Worte „um Mitternacht“ ins Piano einer mittleren Tonlage zurückzufallen.


    Einen fast schon lieblichen Ton, allerdings immer noch in Moll-Klänge im Klavier eingebettet, nimmt die Vokallinie bei dem Bild von „des vollen Mondes Helle“ an. Und zu großer Emphase schwingt sie sich dann beim letzten Vers des Gedichtes auf: Sie bewegt sich mit langer Dehnung bogenförmig in großer Höhe, und das im Forte-Bereich. Am Ende, wie bei jeder Strophe, findet sie aber ihren Ruhepunkt in tieferer Lage bei den refrainartigen Worten „Um Mitternacht“.


    Auch darin, wie dieses – von Goethe bewusst im Druckbild am Ende eingerückte! – „Um Mitternacht“ durch die Wiederholung und die dabei absinkende melodische Linie musikalisch akzentuiert wird, zeigt sich die Fähigkeit Zilchers, die Aussage des lyrischen Textes und dessen Struktur in adäquater Weise kompositorisch aufzugreifen.