Thomas Quasthoff - beendet seine Karriere als Sänger

  • Thomas Quasthoff hat via News Wien bekannt gegeben Das er seine Saenger Laufbahn beenden möchte!


    Gesundheitliche Gründe seien bestimmend für diesen Entschluss gewesen und die Branche sei ihm zu oberflaechlich und er werde sich aber weiter dem Sängernachwuchs widmen!

    mucaxel

  • Konkret hat der Sänger gemeint:

    Zitat

    Außerdem ist mir die Klassik-Branche zu oberflächlich geworden. Man hat den Eindruck, außer David Garrett gäbe es niemanden mehr.

    (heutiger Bericht auf general-anzeiger-bonn.de unter Hinweis auf "News" online)
    :hahahaha: ... da hat er möglicherweise so Unrecht nicht.


    Dass Quasthoff als ein Künstler von diesem Format nicht mehr zu erleben sein wird, bedauere ich sehr.

  • Das ist eine betrübliche Nachricht. Ich kenne Thomas Quasthoff nur als Liedinterpreten. In diesem Bereich hat er Bedeutendes geleistet: Seine Winterreise-Interpretation gehört zu den besten, die ich kenne, da sie aus einer tief reichenden Einfühlung in den Geist dieses Werkes hervorgegangen ist.


    Nachdenklich macht die Begründung: "Oberflächlichkeit der Klassik-Branche". Das wäre, scheint mir, einer gründlichen Reflexion und Diskussion hier im Forum wert.


  • Daß die Bühnenkarriere des 52 jährigen Quasthoff zu Ende geht,könnte mit seiner Kehlkopferkrankung zusammenhängen,wegen derer er im letzten Jahr zahlreiche Auftritte absagen mußte.
    Wenn er sagt,er sei des Reisens müde,so kann ich das nachvollziehen.
    Die vielen Bühnenauftritte sind mit Reisen,Hotelaufenthalten und vielen Unbequemlichkeiten verbunden,die selbst ein nichtbehinderter Mensch
    nicht spurenlos an der Gesundheit davontragen kann.
    Quasthoff wird für sich die richtige Entscheidung getroffen haben.


    Seine CD mit den Bachkantaten berührte mich zutiefst.

    mfG
    Michael

  • Auch ich bedauere den Rückzug von Thomas Quasthoff zutiefst. Aber seine Entscheidung muß man einfach akzeptieren. Es werden wohl gesundheitliche Probleme sein. Für mich hatte er eine der schönsten Stimmen des Bariton-Fachs der letzten Jahre. Nicht nur als Liedsänger, sondern auch als Opernsänger wird er bei mir in Erinnerung bleiben. Vor Kurzem erst gehört:


    W.S.

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  • Am 30. Januar 1997 habe ich Thomas Quasthoff mit der Winterreise in der Kölner Philharmonie erlebt, danach noch einige Male in Schwarzenberg und natürlich auch hier in Schwetzingen. Schade, dass er geht.


    Die Begründung, die Klassik-Branche sei zu oberflächlich geworden, mag bei konservativen Leuten Beifall hervorrufen, aber Nachlässigkeiten gab es wohl schon immer. Sicher hat Herr Quasthoff als Lehrender einen anderen Überblick als unsereiner, der gelegentlich mal einen Meisterkurs besucht, aber was ich anlässlich des HEIDELBERGER FRÜHLING 2011 unter der Betreuung von Thomas Hampson gehört habe, klang für meine Ohren hoffnungdvoll.

  • Im newsletter von KlassikAkzente sagt Quasthoff folgendes zu seinem Abschied:


    "Ich habe mich entschlossen, mich nach fast 40 Jahren aus dem Konzertleben zurückzuziehen, weil es mir meine Gesundheit nicht mehr erlaubt, dem Anspruch, den ich immer an mich selber und an die Kunst gestellt habe, gerecht werden zu können. Ich habe dem Beruf sehr viel zu verdanken und gehe ohne Bitterkeit. Im Gegenteil - ich freue mich auf neue Herausforderungen, die es in meinem Leben geben wird. Ich bedanke mich bei allen Musikerkolleginnen und -kollegen, mit denen ich gemeinsam auf der Bühne stehen durfte, bei allen Veranstaltern und bei meinem Publikum für ihre Treue."


    :hello:
    Jolanthe

  • Nachdenklich macht die Begründung: "Oberflächlichkeit der Klassik-Branche". Das wäre, scheint mir, einer gründlichen Reflexion und Diskussion hier im Forum wert.


    Sehr richtig, lieber Helmut! - Denn so schnell solche Aperçus ausgesprochen sind und so gerne wir auch mit beifälligem Kopfnicken und wissendem, verständigem Schmunzeln reagieren, so undifferenziert und oftmals falsch sind sie auch. Insofern finde ich diese Aussage Quasthoffs (sofern er sie denn in dieser Form und ohne Zusammenhang gemacht hat) mindestens irritierend, wenn nicht sogar überflüssig. Dass ihn gesundheitliche Gründe und gerne auch ein gewisses "nicht einverstanden sein" zu seinem Rücktritt bewogen haben, kann ich absolut akzeptieren, hätte mir als Begründung aber auch vollständig gerreicht.


    Was nun die Oberflächlichkeit angeht, so frage ich mich, was denn z.B. daran oberflächlich ist,

    • daß immer mehr historische Aufnahmen und Schätze dem Musikliebhaber zugänglich gemacht werden, obwohl außer bei Leuten wie uns mit einer knacksenden, verrauschten 1943er Mono-Walküre sicherlich nicht das große Geld zu machen ist?
    • daß es nach meinem Empfinden immer häufiger Konzertangebote großer Orchester oder Opernhäuser für Kinder und Jugendliche gibt (Familienkonzerte, Kindernachmittage etc.) um diesen die Wunder der Musik näher zu bringen?
    • ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Michael,


    ich weiß nicht, woher diese Meldung von der angeblichen "Oberflächlichkeit der Klassik-Branche" stammt. Ich reagierte mit meinem Beitrag nur auf das, was ich in der Eröffnung dieses Threads gelesen habe. Sollte Thomas Quasthoff das als Begründung für sein Abtreten gar nicht angeführt haben - was der Beitrag von Jolanthe nahelegt - dann gäbe es zwar keinen unmittelbaren und akuten Anlass, über diesen Vorwurf hier nachzudenken, einen allgemeinen aber sehr wohl.


    Unabhängig von dem, was Quasthoff sagte und was nicht: Gibt es diese Oberlächlichkeit wirklich nicht?


    Ich las gerade einen Artikel aus der FAZ über den heutigen Konzertbetrieb im Bereich der Klassik. Ich habe ihn im Augenblick nicht zurhand, um genaue Angaben zu machen. Es wurde gegenübergestellt eine Szene in der Berliner Philharmonie vor 45 Jahren und in einem Konzertsaal einer deutschen Großstadt heute.


    Das Bild, das sich da ergab, war erschütternd, - unter dem Aspekt der "Obrflächlichkeit".


    Du meinst, dieser Aspekt sei nicht diskussionswürdig? Ich meine schon! Mir ist nach "beifälligem Schmunzeln und wissendem Kopfnicken" absolut nicht zumute.


    Aber wirklich nicht!

  • Ich las gerade einen Artikel aus der FAZ über den heutigen Konzertbetrieb im Bereich der Klassik. Ich habe ihn im Augenblick nicht zurhand, um genaue Angaben zu machen. Es wurde gegenübergestellt eine Szene in der Berliner Philharmonie vor 45 Jahren und in einem Konzertsaal einer deutschen Großstadt heute.


    Das Bild, das sich da ergab, war erschütternd, - unter dem Aspekt der "Obrflächlichkeit".


    Handelt es sich um die heutige Ausgabe der FAZ? Oder wäre es Dir möglich, ein wenig die Gedanken dieses Artikels wiederzugeben? Ich finde dieses Thema durchaus interessant.


    Grüße,


    Garaguly

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  • Lieber Helmut,


    eventuell hast Du mich ein wenig missverstanden:


    ich weiß nicht, woher diese Meldung von der angeblichen "Oberflächlichkeit der Klassik-Branche" stammt. Ich reagierte mit meinem Beitrag nur auf das, was ich in der Eröffnung dieses Threads gelesen habe. Sollte Thomas Quasthoff das als Begründung für sein Abtreten gar nicht angeführt haben - was der Beitrag von Jolanthe nahelegt - dann gäbe es zwar keinen unmittelbaren und akuten Anlass, über diesen Vorwurf hier nachzudenken, einen allgemeinen aber sehr wohl.


    Tatsächlich habe ich von Thomas Quasthoffs Rückzug aus dem Musikbetrieb heute im Radio (NDR Kultur) gehört und auch dort wurde er bzgl. der "Oberflächlichkeit der Klassik-Branche" entsprechend zitiert, was im übrigen immer noch kein Beweis dafür ist, dass er es so bzw. in der hier verstandenen Form gemeint hat. - Aber sei es drum, denn wie Du selber sagst:


    Unabhängig von dem, was Quasthoff sagte und was nicht: Gibt es diese Oberlächlichkeit wirklich nicht?


    Genau das wäre eben zu diskutieren. Insofern würde mich der von Dir angesprochene Artikel sehr interessieren! - Ich persönlich weiß nicht, ob es diese Oberflächlichkeit wirklich gibt und falls ja, in welchem Ausmaß sie einen nicht-oberflächlichen Klassik-Betrieb verhindert. Was ich aber sehr wohl weiß ist, daß es nicht nur Schwarz oder Weiß gibt.


    Du meinst, dieser Aspekt sei nicht diskussionswürdig? Ich meine schon! Mir ist nach "beifälligem Schmunzeln und wissendem Kopfnicken" absolut nicht zumute.


    Moment! - Wenn Du meinen Beitrag nochmal überfliegst, wirst Du feststellen, daß ich Dir gleich im ersten Satz, was die Diskussionswürdigkeit angeht, grundsätzlich recht gebe. Was ich dann mit meinen weiteren Ausführungen sagen möchte ist, daß wir innerhalb einer solchen Diskussion werden differenzieren müssen. Dies sollte z.B. bei einer Übereinkunft bzgl. der diskutierten Begriffe beginnen: Was meinen wir mit "der Klassik-Branche"? Was wollen wir unter "oberflächlich" verstehen etc.


    Und auch, wenn Dir persönlich nicht nach "beifälligem Schmunzeln und wissendem Kopfnicken" zumute ist - was ich im übrigen als ein deutliches Zeichen dafür nehme, daß auch Du kein Freund einer plakativen "So isses!"-Diskussion bist, wirst Du mir vielleicht recht geben können, daß dies nichtsdestotrotz die gar zu häufige Reaktion auf Aussagen dieser Form (auch "Die Jugend wird immer dümmer!", "Wir leben nicht in einer Spaßgesellschaft, sondern in einer Verdummungsgesellschaft!", "Wir leben in einer Scheindemokratie!" usw. usf.) sind.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Der Onlineausgabe der Rheinischen Post ist aktuell zu entnehmen:


    Berlin: Bariton Thomas Quasthoff tritt ab


    VON WOLFRAM GOERTZ - zuletzt aktualisiert: 12.01.2012 - 02:30


    Berlin (RP). Der 52-jährige Sänger, der seit seiner Geburt an Contergan-Fehlentwicklungen leidet, will sich aus dem Konzertleben zurückziehen, weil die Gesundheit ihm das Singen nicht mehr erlaubt. Er gehe ohne Bitterkeit, sagte er. Unterrichten will er weiterhin.


    Gestern brachte eine Lokalausgabe der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" eine prächtige Überschrift: "Ein Weltstar in Kleinmachnow". Im Kleingedruckten las man, am Samstag werde ein berühmter Sänger auf der Kult-Raum-Bühne, Kapuzinerweg 16, auftreten. Heute darf die Zeitung die Schlagzeile angesichts dramatischer Neuigkeiten des Sängers neu justieren: "Ein Weltstar tritt ab".


    Es handelt sich um das sehr frühe Ende einer sehr schönen Karriere, die uns Musikfreunden viele Wonnen geschenkt hat. Ihr Garant war der 52-jährige Künstler Thomas Quasthoff, den die Kenner als Bassbariton verehren und den der Boulevard als singenden Behinderten kennt. Von Geburt an leidet Quasthoff an der Contergan-Krankheit, seine Arme und Beine sind viel zu kurz und verwachsen. Seine Stimme aber ist normal, ach was: Sie ist einzigartig. Sie ist prall wie ein Fässchen, elastisch wie ein Gummiband, formbar wie heißes Wachs, rund wie ein Flummi. In ihr wirkt die Zauberkraft des Legatos, also Quasthoffs Kunst, Töne so ineinanderzubinden, dass sie wie von einer Stafette hilfreicher Geister weitergeschoben scheinen. Diese Stimme ist aber auch eine Thermalquelle, an der man sich berauschen und gesunden kann.


    Quasthoff ist die Selbstheilung für lange Zeit ebenso gelungen. Uns hat er, nachdem er 1988 den ARD-Wettbewerb gewonnen hatte, die Qualen des kleinen Mannes vergessen lassen. Mehr noch: Er hat sie transformiert. Doch beklagt hat sich Quasthoff nie, denn seine Stimmbänder waren unversehrt, sie kompensierten jenen Mangel an Beweglichkeit, mit dem der ganze kleine Kerl geschlagen ist. Damit ging Quasthoff immer offensiv um, er stellte sich hin und machte den Mund zum Singen auf. Dann machten andere die Augen zum Lauschen zu. Und wenn er Wagners Amfortas, den leidenden König im "Parsifal" sang, war eine höhere Identität zwischen Rolle und Sänger kaum noch möglich. Drei Mal bekam er einen Grammy.


    Er selbst ging mit seiner Behinderung ironisch-selbstbewusst um, und einmal soll er sogar gesagt haben: "In Deutschland leben 80 Millionen Behinderte. Ich habe den Vorteil, dass man es mir ansieht." Einem notorisch hustenden Publikum konnte Quasthoff Ordnungsrufe erteilen, die nicht nur in ihrer akustischen Schärfe erstaunlich waren. An Direktheit hatte es Quasthoff nie gemangelt; während seiner Gesangsausbildung hatte er sechs Semester Jura studiert und später sein Geld im Marketingbereich bei der Kreissparkasse Hildesheim verdient – und als Moderator und Sprecher beim NDR in Hannover. Er wusste, wie einem die Stimme hilft, sich durchzusetzen.


    Was hat Quasthoff seinem Körper an Strapazen abgerungen: Er flog um die Welt, stand unablässig im Plattenstudio, liebte das Fernsehen, lehrte seine Studenten in Berlin – und hat sie wohl auch getriezt, denn sie sollten optimal auf das Leben draußen vorbereitet werden. Jemand, der nur 1,34 Meter groß ist, weiß, wie unsensibel die Welt brüllen kann.


    Jetzt kann Quasthoff nicht mehr – alles ist ihm zu schwer, zu groß, zu hoch, zu belastend, zu anstrengend geworden. Das muss man verstehen, auch wenn man es nicht gern hört. So sagt es der Sänger selbst: "Ich habe mich entschlossen, mich nach fast 40 Jahren aus dem Konzertleben zurückzuziehen, weil es mir meine Gesundheit nicht mehr erlaubt, dem Anspruch, den ich immer an mich selber und an die Kunst gestellt habe, gerecht werden zu können." Das klingt nach versiegender Energie, nach Müdigkeit. Vielleicht ist die Stimme ja doch angegriffen; im vergangenen Jahr hatte der Musiker viele Auftritte wegen einer Kehlkopfentzündung abgesagt. Ob das auch der Grund für seinen Bühnenabschied ist, wollte sein Management nicht bestätigen. Quasthoff ließ erklären: "Ich habe dem Beruf sehr viel zu verdanken und gehe ohne Bitterkeit. Im Gegenteil, ich freue mich auf neue Herausforderungen."


    Das klingt, alles in allem, nach geplantem Rückzug – und auch nach Leiden am Betrieb. Ihm sei "die Klassik-Branche zu oberflächlich geworden. Man hat den Eindruck, außer David Garrett gebe es niemanden mehr", sagte er in einem Interview. Nun gibt es auch ihn nicht mehr, jedenfalls nicht mehr als Sänger zwischen Bach und Mahler – und wer weitere Auskünfte über den Mann begehrt, der jetzt verschwindet, sollte zu seiner Autobiografie greifen. Sie hatte Quasthoff vorausschauend bereits 2004 vorgelegt. Ihr raunender Titel: "Die Stimme".

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Du fragst, lieber Garaguly: "Handelt es sich um die heutige Ausgabe der FAZ? Oder wäre es Dir möglich, ein wenig die Gedanken dieses Artikels wiederzugeben? Ich finde dieses Thema durchaus interessant."


    Nein, ist nicht die von dem Tag, an dem Du diese Frage an mich gestellt hast. Der Artikel ist einige Tage alt. ich habe letzte Nacht noch mit der Taschenlampe in der blauen Altpapiertonne gewühlt, ihn aber nicht gefunden. Das kriege ich aber noch hin, notfalls über das FAZ-Archiv.


    Ich werde auf Deine Bitte eingehen, - auch deshalb, weil ich selbst an der Diskussion dieses Themas interessiert bin.

  • Auch mit Taschenlampe ist der Begriff "Oberflächlichkeit" in dem FAZ-Beitrag von Christian Wildhagen nicht zu finden - sollte ich das überlesen haben?

  • Der Begriff "Oberflächlichkeit" findet sich in der Tat nicht in diesem Artikel. Allerdings ist die Taschenlampe nicht das richtige Instrument, um zu erkennen, dass dieser Artikel etwas über den Konzertbetrieb heutzutage aussagt. Ich werde das, wenn ich ihn noch einmal gründlich gelesen habe, noch näher begründen.



    Vielleicht sollte man, bevor man sich wieder einmal ironisch zu dem Beitrag eines anderen hier im Forum äußert, den Artikel von dem ich sprach, erst einmal lesen. Er stammt nicht von Christian Wildhagen, sondern von Harald Budweg, trägt den Titel


    "Am liebsten wohl mit der Flasche in den Saal" und findet sich in der Ausgabe der FAZ vom 9. 01. 2012

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  • Zitat

    Vielleicht sollte man, bevor man sich wieder einmal ironisch zu dem Beitrag eines anderen hier im Forum äußert, den Artikel von dem ich sprach, erst einmal lesen.


    Volle Zustimmung, lieber Helmut Hofmann! Aber mir ging es bei meinem Einwand nur um die Aussage von Thomas Quasthoff im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem aktuellen Konzertbetrieb; Ironie war hier in keiner Weise beabsichtigt.


    Gestern bekam ich nämlich auch eine E-Mail aus Schwarzenberg, die neben Programmänderungen auch den Wortlaut von Quasthoffs Erklärung zum Inhalt hatte - auch hier war von "Oberflächlichkeit" nichts zu lesen.


    Besten Dank für den Hinweis auf den Artikel von Harald Buchweg!

  • Harald Budweg, trägt den Titel


    "Am liebsten wohl mit der Flasche in den Saal" und findet sich in der Ausgabe der FAZ vom 9. 01. 2012

    Lieber Helmut,


    danke für Deinen vollen Einsatz, explizit auch folgende Aktion ist nicht "ohne"....


    Du schriebst: "...ich habe letzte Nacht noch mit der Taschenlampe in der blauen Altpapiertonne gewühlt, ihn aber nicht gefunden. Das kriege ich aber noch hin, notfalls über das FAZ-Archiv."


    Die Überschrift lässt schon ahnen, dass der FAZ-Artikel in Richtung eines verwöhnt-hedonistischen und pseudo-neubürgerlichen Kultur-Event-Publikums zielt. Klingt interessant.



    Grüße,


    Garaguly

  • Du meinst, lieber Garaguly: "...dass der FAZ-Artikel in Richtung eines verwöhnt-hedonistischen und pseudo-neubürgerlichen Kultur-Event-Publikums zielt. "


    Ich habe ihn nicht so verstanden. Aber damit Du und andere an diesem Thread Interessierte sich ein Bild machen können, habe ich eine Inhaltsangabe anzufertigen versucht. Sie findet sich im folgenden Beitrag.


    Eben lese ich den letzten Beitrag von hart.


    Ich habe ein wenig zu spät gemerkt, dass Du, lieber hart, auf den heutigen kleinen Artikel im Feuilleton der FAZ bezug nahmst, auf den ich dann eine Stunde später stieß. Manchmal bin ich ein wenig schwer von Begriff. Ich bitte um Entschuldigung!

  • Ich möchte diesen Thread, der ja der Würdigung des Sängers Thomas Quasthoff gewidmet ist, nicht in falsche Bahnen lenken. Da ich aber nach dem Artikel in der FAZ gefragt wurde, auf den ich in meinem ersten Beitrag bezug nahm, möchte ich die Bitte erfüllen, die an mich gestellt wurde, und eine Inhaltsangabe geben. Es handelt sich um den Artikel „Am liebsten wohl mit der Flasche in den Saal“, FAZ vom 9.01.2012


    Der Verfasser (Harald Budweg) stellt einleitend zwei szenische Schilderungen hintereinander, die er als gleichsam exemplarische Extrembeispiele bezeichnet: Eine Szene, die vor 45 Jahren in einer großen deutschen Stadt hätte spielen können, und eine in einer heutigen Kleinstadt. Im einen Fall konzentrierte Aufmerksamkeit des Konzertpublikums, teilweises Mitlesen in der Partitur, in der Pause Gespräche über das soeben Gehörte. Im anderen Fall versucht ein ortsansässiger Musiker mithilfe eines angemieteten Orchesters ein Konzert zu geben, das misslingt, - was ihn aber nicht davon abhält, in der Pause als eigener Veranstalter selbstbewusst aufzutreten und Erläuterungen zu seiner Aufführung zu geben.


    Das alte Konzertpublikum, das früher für stabile Abonnementquoten gesorgt habe, sei heute mehr und mehr in Auflösung begriffen, - meint der Verfasser. Auch die Ansprüche, die an ein Konzert gestellt würden, hätten sich gewandelt. Heute sei “Amüsement“ angesagt. Weiter: „Manche Interpreten vermeiden es, ein tragfähiges Programmkonzept zu erarbeiten; sie würfeln Petitessen, Tinnef, Piazzolla und Beethovens Klaviersonate op.11 kunterbunt durcheinander …“.


    Kennzeichen des heutigen Muisklebens sei die Erkenntnis, „dass allzu oft mehr erzählt als musiziert wird. Dies betrifft nicht nur immer ungenierter während der Darbietung palavernde Konzertgänger, sondern oft genug die Künstler selbst, die sich offenbar einbilden, begnadete Entertainer zu sein“. (Er bringt das Beispiel des Solo-Oboisten der Berliner Philharmoniker Albrecht Mayer).


    Ein Teil der „heutigen Branchen-Malaisse“ habe mit dem Umstand zu tun, so meint der Verfasser, „dass Veranstalter es sich in einer Zeit, in der die Schere zwischen Kosten und Einnahmen sich immer weiter zuungunsten der Konzertmanager öffnet, kaum mehr leisten können, souverän Programmkonzepte zu erarbeiten, ohne gleichzeitig auf die Auslastungszahlen schielen zu müssen.“ In diesem Zusammenhang geht er kurz auf die Situation an der „Alten Oper Frankfurt“ ein.


    Ein wesentlicher Faktor für den zu beobachtenden „Qualitätsverlust des Musiklebens“ ist für ihn auch das Eindringen der „Event-Kultur“ in dieses. Der Mechanismus funktioniere so:


    „Um ein drohendes finanzielles Minus von zuweilen atemberaubend anschwellender Größenordnung - wofür ein einziger Konzertflop ausreichen kann - zu vermeiden, setzt ein Veranstalter auf Sponsoren. Die wollen sich und ihre Kunden verständlicherweise optimal bedienen: bloß nichts Schwergängiges. Dass tatsächlich Standardprogramme allerorten dominieren, weiß jeder Branchenkenner. Und voll muss der Saal werden - mit allen Mitteln: Die Platzauslastung ist die beste Voraussetzung, auch nächstes Jahr denselben Sponsor bei Laune zu halten. Wie erreicht man Erfolg? Man "stopft", verschenkt also notfalls Hunderte von Karten, oft genug an Menschen, die mit den Gepflogenheiten eines Klassik-Konzerts vollkommen unvertraut sind und sich entsprechend benehmen. Oder man bietet die Musik als Beigabe zu einem "Lunch"- oder "Brunchkonzert". Das Ergebnis ist ähnlich, weil dann manche Eventbesucher nicht vorrangig um der Musik willen erscheinen. So wie bei jener Matinee, über die ein Rezensent vor kurzem schrieb, die Musik habe sich zwischen Küchengeräuschen, Babygeplärr und Seniorenplausch zu behaupten versucht.“


    Am Ende seines Artikels weist der Verfasser ausdrücklich darauf hin, dass es nach wie vor natürlich „seriöse Konzertveranstaltungen und ernsthaft interessiert, kenntnisreiche Besucher“ gebe. Doch es seien „viel zu wenige in einer auf Masse statt Klasse zielenden Zeit.“

  • Es ist ganz einfach so, dass dieser Artikei "Am liebsten wohl mit der Flasche in den Saal" mit dem Ausscheiden von Thomas Quasthoff nicht das geringste zu tun hat. Inzwischen habe ich mir dieses "Machwerk" aus dem Internet besorgt und es liegt ausgedruckt auf meinem Schreibtisch, jetzt glaube ich auch zu wissen, warum Helmut Hofmann den mit der Taschenlampe in der Mülltonne suchen musste. Wäre er gut gewesen, hätte man ihn wohl ausgeschnitten und abgeheftet. Das ist die Karikatur eines Konzertabends ... aber keinesfalls Standard!


    Hier geht es um Thomas Quasthoff, über den Artikel von Harald Budweg werde ich im Parallelthread etwas sagen.

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  • Zit.: "Hier geht es um Thomas Quasthoff, ..."

    So ist es. Ich habe diesen Sachverhalt ja meinem letzten Beitrag selbst vorangestellt und dessen Bedeutung in diesem Thread damit relativiert.
    Hätte ich allerdings gewusst, dass die Mühe, die ich mir damit gemacht habe, mit diesem Kommentar versehen wird, ich hätte sie nicht auf mich genommen.


    Na ja, in diesem Thread habe ich ohnehin nichts zu suchen. Ich fühlte mich nur durch die Nachricht vom "Rücktritt" dieses Sängers, den ich als Liedinterpreten sehr geschätzt habe, unmittelbar angesprochen.

  • Lieber Helmut,


    ich schätze Deine Mühe durchaus und danke Dir hiermit für die mühevolle Arbeit der Zusammenfassung dieses FAZ-Artikels. Er geht - folgt man Deiner Wiedergabe - in der Tat an der von mir zunächst vermuteten Schelte eines hedonistisch-oberflächlich orientierten Publikums doch ziemlich vorbei. Nichts desto trotz werden einige nicht uninteressante Aspekte bereit gehalten. Als "Machwerk" (wie Forianer 'hart' ihn bezeichnete) erscheint er mir nicht. Aber ich kenne Budwegs Artikel ja sozusagen nur 'Second hand'.


    Danke jedenfalls!


    Grüße,


    Garaguly

  • Hallo,


    als Anhänger von Thomas Quasthoff und als jemand, der selbst von einer schweren Behinderung betroffen ist, muß ich zu seinem Rückzug etwas sagen. Es mag sein, daß Quasthoff am heutigen Klassik-Betrieb gelitten hat, doch darf man auch nicht vergessen, daß seine Ausprägung der Contergan-Schädigung mit zunehmendem Alter zu schweren Abnutzungserscheinungen an den Gelenken führt und damit zu Dauerschmerzen. Dies ist mit dem Stress einer modernen Klassik-Karriere nicht vereinbar. Ich verneige mich als behinderter Mensch und Klassik-Fan vor der Lebensleistung von Thomas Quasthoff !


    Gruß,


    Antalwin

  • Ich muss hier doch mal wider den Stachel löken und sagen, dass ich Quasthoff von Anfang an für überschätzt gehalten habe. Ich werde ihn nicht vermissen. Es gibt in der Oper wie im Liedbereich viele bessere Baritone. Aber das ist natürlich meine subjektive Einschätzung.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich muss...sagen, dass ich Quasthoff von Anfang an für überschätzt gehalten habe. Ich werde ihn nicht vermissen.

    Das geht mir genauso. Ein beeindruckender Mensch, über den ich mal eine TV-Reportage gesehen habe. Ich finde ihn sehr sympathisch. Stimmlich habe ich den Hype nie verstanden. Positive Ausnahme war ein Ausschnitt der "Schöpfung" unter Adam Fischer, in den ich zufällig reingeschaltet hatte. Das verschmitzte Lächeln des Dirigenten ist auch in Erinnerung geblieben. Unterm Strich für mich kein Verlust, was das Singen betrifft. Sein Engagement in der Ausbildung mag mehr wert sein.

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

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  • Der gefeierte Bassbariton beendete seine Karriere überraschend. Jetzt liefert NTV den Grund nach: Nach dem Tod seines Bruders konnte er nicht mehr singen.


    "2010 starb mein Bruder. Er war einfach ein unfassbar feiner Kerl. Nach seinem Tod habe ich die Stimme verloren - mehr als ein dreiviertel Jahr ging gar nichts" sagte Quasthoff. Auf den Stimmbändern sei gar nicht viel zu sehen gewesen. "Es war eine reine Kopfgeschichte". Seine Stimme habe später nicht mehr hundert Prozent erreicht. "Ich wollte mich als Sänger nicht noch fünf, sechs Jahre im gehobenen Mittelmass bewegen."


    Ende Jänner des letzten Jahres hat er seine Karriere beendet und hat eine Professur an der Berliner Hochschule für Musik.

  • Mir ist nicht klar, warum man auf einmal so negativ über die Stimme von Thomas Quasthoff spricht. Diese Loewe-Balladen singen nicht viele der hochgelobten Baritone mit soviel Gefühl nach:


    W.S.

  • Mir ist nicht klar, warum man auf einmal so negativ über die Stimme von Thomas Quasthoff spricht.

    Lieber Wolfgang,


    mir auch nicht! Die Stimme allein macht zudem nicht die Qualität eines Sängers aus, sondern wie er sie einzusetzen versteht, seine Fähigkeiten als Interpret. Da kann ich nur sagen: Was ich von ihm habe, ist in dieser Hinsicht schlicht außergewöhnlich. Ich finde seinen Rückzug nur verständlich und höchst respektabel, aber sehr bedauerlich!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Sagitt meint:


    Rechtzeitig aufzuhören ist eine große Kunst. Manche können gar nicht loslassen. Quasthoff hat als gefeierster deutscher Bariton aufgehört. Gut so.


    Er hat einige Aufnahmen gemacht, die bei aller Konkurrenz nur Referenz zu nennen sind, wenn ich an bestimmte Lieder aus dem Schwanengesang denke, wie etwa Doppelgänger. Eine so intensive Gestaltung gelingt nicht vielen. Er hatte, zB gegenüber DFD ein grösseres Stimmvolumen, konnte ohne Veränderung der Stimmfarbe wirklich forte singen und war technisch sehr gut aufgestellt. Beispiel? Die "Eilt-Arie" aus der Johannes-Passion.


    Ich habe ihn einmal live in der Elmau mit der Winterreise gehört. Ein Werk, das ich in-und auswendig kenne. Aber seine Interpretation hat mich vom ersten Lied an gepackt. Er war der verkörperte Schmerz. Bezwingend.


  • Gerade habe ich in diese Aufnahme nach langer Zeit wieder hereingehört und muss sagen: Ich finde sie beglückend! Quasthoff trifft für meinen Geschmack genau den richtigen Brahms-Ton. Und auch die Liszt-Lieder sind wirklich famos gesungen. Ich bin natürlich nicht der große Lied-Experte was Interpretationsvergleiche angeht, aber was mir spontan sehr gefällt, das gefällt mir eben.


    Dann habe ich verglichen:



    mit



    ZUnächst muss ich sagen: Abbados Aufnahme hat den Grammy wirklich verdient. Es ist vor allem Claudio Abbado, der zeigt, dass er einer der ganz "Großen" war. Das ist vom Dirigenten und Orchester her nicht nur gut, das ist schier unfassbar gut - übrigens auch aufnahmetechnisch hervorragend! Dagegen wirkt Boulez mit Cleveland regelrecht pauschal und lieblos. Vor allem die Tempi stimmen nicht. Die Revelge ist etwas zu flott, "Trost im Unglück" ist dann wieder zu langsam und der "Tambourg´sell" auch wieder zu geschwind. Das hat natürlich Auswirkung auf die Sänger. Von Thomas Gerhaher ist bekannt, dass er "existentialistischen Eskapismus" nicht wollte. Vielleicht lag ihm deshalb die Zusammenarbeit mit Boulez?


    Fazit: Ich würde mich nicht erdreisten bewerten zu wollen, welcher der beiden Sänger der bessere ist. Beide sind großartig - nur gefällt mir Quasthoff besser. Er ist einfach "kammermusikalischer", besinnlicher, facettenreicher, sorgsamer in den Details und Nuancen. Dazu verhilft ihm glaube ich aber ganz sicher auch der fabelhafte Claudio Abbado. Gerhaher trifft in der "Revelge" ebenfalls sehr gut den trotzigen Ton. Aber irgendwie ist das einförmiger, es klingt ein klein wenig "durchgesungen". Ganz besonders der Tambourg´sell hat mir dann doch etwas zu wenig Gewicht bei Gerhaher/Boulez. Da geht einer letztlich zum Schafott mit schweren Schritten. Bei Abbado und Quasthoff hört man das, Boulez und Gerhaher lassen ein freilich auch famos gesungenes Lied hören, aber es gleitet an einem vorüber. Da fehlt so etwas wie der Schauder des Endgültigen. Wie gesagt, sängerisch sind beide hervorragend. Aber letztlich zählt bei so einer Aufnahme das Ganze. Und da haben eindeutig Abbado/Quasthoff/von Otter den Grammy verdient - und das "Boulez-Team" dann doch nicht, das natürlich auch in Cleveland gerade gegen den großen Schatten der singulären Szell -Aufnahme mit Dietrich Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf ankämpft.


    Ich werde mir als nächstes wohl die "Winterreise" mit Quasthoff zu Gemüte führen - es kann aber noch ein bisschen dauern.


    Schöne Grüße
    Holger

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