Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper - ADAM PLACHETKA

  • Kaum ein Neuzugang im Ensemble hat so viele positive Schlagzeilen geliefert wie der junge Tscheche Adam Plachetka. Wie er eigentlich nur durch Zufall zu einer Sängerkarriere kam und wer seine Lieblingskomponisten sind verriet er bei einem Interview mit Kurt Vlach. Das Gespräch wurde im Dezember 2011 geführt.


    Herr Plachetka, Sie wurden 1985 geboren, vier Jahre später kam es in der damaligen Tschechoslowakei zur „samtenen Revolution“. Haben Sie vielleicht noch Erinnerungen daran?
    Nein, ich kann mich genau nicht erinnern, weiß aber, dass meine Mutter damals mit mir auf dem Wenzelsplatz war.



    Sind Sie durch Ihr Elternhaus musikalisch vorbelastet gewesen?
    Nicht so sehr. Mein Vater ist ein Arzt undmeine Mutter ist Chemikerin. Ich habe als Kind nicht so viel klassische Musik gehört. Allerdings hatten wir jedes Jahr ein Abonnement für die Prager Oper, weil das, nach der Meinung meiner Mutter, zur Ausbildung gehörte. Zuerst hatte ich keine so große Beziehung zur Oper, das entwickelte sich erst, als ich am Konservatorium studierte.



    Aus welchem Grund haben Sie sich entschlossen, das Musikkonservatorium zu besuchen?
    Als ich 8 Jahre alt war, trat ich einem Chor bei. Dann, nach der Grundschule, hatte ich eigentlich keine wirkliche Vorstellung, in welche Richtung meine Ausbildung gehen sollte. Mein bester Freund allerdings spielte ein Instrument und hat die Aufnahmeprüfung am Konservatorium geschafft. Wir wollten weiterhin gemeinsam zur Schule gehen, daher machte ich die Aufnahmeprüfung für Gesang, da ich ja kein Instrument beherrschte. Ich hatte Glück und wurde als Letzter in die Klasse aufgenommen. Meine Mutter war zwar davon nicht begeistert, hat es allerdings akzeptiert. Ich hatte nämlich sehr gute Noten in Mathematik und in den Naturwissenschaften – und der Gedanke, dass ich unter Umständen einen brotlosen Beruf in Angriff nahm, machte sie sehr nervös. Ich habe dann klassischen Gesang 6 Jahre lang bei Prof. Löbl studiert.



    Stimmt die Geschichte, dass Sie an der Prager Oper als Platzanweiser tätig waren?
    Ja! Während des Studiums, nachdem ich meine Liebe zur Oper entdeckt hatte, war ich fast täglich dort und irgendwann beschloss ich, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und mir etwas Taschengeld dazu zu verdienen. Ich erhielt zwischen 4 und 5 Euro pro Abend, das war für mich viel Geld!



    Haben Sie vielleicht auch daran gedacht als Sportler Karriere zu machen? Die körperlichen Voraussetzungen dazu sind ja durchaus gegeben.
    Als Jugendlicher habe ich Volleyball und Basketball gespielt. Außerdem fahre ich sehr gerne Ski. Mannschaftssportarten haben mich aber von jeher mehr interessiert, man wird da zum Teamplayer erzogen. Das ist etwas, dass mir jetzt auch in meinem Beruf zu Gute kommt. Es ist interessant – man merkt ganz genau, welche Kolleginnen und Kollegen eine Teamsportart und eine Einzelsportart betrieben haben, sie gehen ganz anders an Dinge heran! Jetzt habe ich leider nicht mehr so viel Zeit für sportliche Aktivitäten.I



    hr professionelles Debüt gaben Sie ja schon, als Sie noch sehr jung waren?
    Ich habe im Rahmen meines Studiums bereits mit 19 Jahren am Nationaltheater in Prag debütiert. Zu dieser Zeit waren nicht so viele Junge engagiert, sondern ich hatte die Gelegenheit, mit älteren, erfahrenen Künstlern zusammenzuarbeiten. Das hat mir enorm weiter geholfen. Heutzutage werden die Besetzungen immer jünger – das ist fast schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Da geht doch etwas verloren, wenn die älteren Sänger ihre Erfahrungen beim Erarbeiten eines Stückes nicht mehr weitergeben können. Ich habe dort unter anderem in Opern vonMozartund Händel gesungen.



    Hatten Sie Vorbilder?
    Es ist schwierig nur ein paar Namen zu sagen. Es gibt und gab doch so viele tolle Sänger! Damals war es meistens der junge Bryn Terfel für seine Unmittelbarkeit. Heutzutage bin ich mehr ein Anhänger der „alten Schule“ der Sänger geworden. Ich mag besonders gerne George London. Von der heutigen Generation würde ich Ferruccio Furlanetto benennen.



    Waren Sie damals fix im Ensemble engagiert?
    Nein, ich habe vor meinem Engagement an der Wiener Staatsoper noch nie einen Ensemblevertrag gehabt – ich wollte immer freischaffend sein.



    In Ihrem Leben gibt es eine Parallele zu Luigi Bassi, der bei der Uraufführung den Don Giovanni gesungen hat.
    Auch ich war erst 21 Jahre alt, als ich diese Rolle zum ersten Mal interpretierte. Ich durfte diesen Part in Znojmo (Znaim) singen. Der Dirigent Roman Válek hat mich engagiert und ich habe den Don Giovanni unter der Regie von Jana Jane(ková erarbeitet. Das hat mir sehr geholfen, da die Regisseurin vom Schauspiel kam.



    Einem jungen, gut aussehenden Don Giovanni liegt doch sicherlich die Frauenwelt zu Füßen!
    Das stimmt schon, allerdings bin ich ja fix vergeben und plane diesen Sommer meine langjährige Freundin Kater(ina Kne(žíková zu heiraten. Als ich zum ersten Mal den Masetto gesungen habe, war sie meine Zerlina!



    Wie ging es dann mit Ihrer Karriere weiter – in Österreich traten Sie ja zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen auf?
    Eva-Maria Wieser vom Büro der Salzburger Festspiele wurde von Uschi Herrmann zur Premiere von „La Clemenza di Tito“ in Prag eingeladen. Ich war allerdings nicht bei der Premierenbesetzung dabei. Also ging ich einen Tag vorher am Fluss in Südböhmen spazieren, da ich fast eine Woche nichts zum Singen hatte, als der Anruf kam, ich sollte am nächsten Tag zurück zu Prag zum Vorsingen kommen. Ich war nicht wirklich darauf vorbereitet, doch fuhr ich hin und bekam eine Einladung zu einem anderem Vorsingen direkt in Salzburg, nachdem ich eine Rolle in „Benvenuto Cellini“ bekommen habe. Meine erste Opernerfahrung in Österreich machte ich jedoch als Stehplatzbesucher an der Wiener Staatsoper. Während des Studiums fuhren wir oft von Prag nach Wien, um den Vorstellungen beizuwohnen.



    Wie kam es dann zum Engagement an der Wiener Staatsoper?
    Ich hab schon im Jahr 2008 den Herrn Direktor Meyer vorgesungen, dachte aber, dass es um einem Gastvertrag gehen wird und war ganz überrascht, als er mir einen Ensemblevertrag von Herbst 2010 angeboten hat. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, weil ich, wie gesagt, weiter freischaffend arbeiten wollte. Ich habe es ziemlich lang überlegt und mit mehreren Leuten besprochen und weil mir mit Abstand bewusst war, wie viel ich an diesem Haus lernen konnte, hab ich es akzeptiert. Ich war damals noch nicht ganz sicher, ob es der richtige Schritt war. Es war ein bisschen stressig, als ich dann noch ungefähr weitere 15 Vorsingen hatte, und ich fast keine Angebote akzeptieren konnte, weil sie in dem Zeitraum des Wiener Vertrages stattfanden. Jetzt kann ich aber ehrlich sagen, dass es die beste mögliche Entscheidung war. Wenn ich nur weiter gastieren würde, hätte ich sicher nicht so viele Praxis gehabt und das könnte die folgende Entwicklung schon begrenzen.



    Ihr Deutsch ist wunderbar, und das nach erst eineinhalb Jahren in Wien!
    Ich lernte Deutsch in der Grundschule ab der 3.Klasse, dann belegte ich Kurse am Konservatorium. Ich habe dann aber mit dem Studium aufgehört und meine Kenntnisse haben sich wieder verschlechtert. Aber ich musste dann bei einer Produktion mit Uschi Hermann nur Deutsch sprechen – und seitdem arbeite ich (wirklich J) an der Sprache! Italienisch habe ich am Konservatorium gelernt, Englisch in der Schule und in Kursen.



    Sie singen in der laufenden Saison an der STOP den Don Giovanni, den Gugliemo und den Figaro. Nicht viele Sänger können das von sich behaupten.
    Ein Freund von mir hat recherchiert und rausgefunden, dass ich eigentlich mindestens seit 1945 überhaupt der erste Sänger sein könnte, der diese Rollen innerhalb eines Jahres in Wien singt! Das macht mich natürlich sehr glücklich und ich sehe das als große Ehre an.



    In Fachkreisen gelten Sie ja schon als „der“ Mozartbariton ihrer Generation!
    Nun, ich liebe Mozart sehr und freue mich naturgemäß über das Lob und die vielen guten Kritiken. Es ist wahr, dass ich Mozart am meisten singe und dass auch fast alle meine Gastverträge für Mozart sind. Unter anderem debütiere ich im Jänner am Royal Opera House in London als Masetto, im Juni in Montpellier als der Graf in Figaro und 2013 werde ich beim Glyndeborne Festival den Figaro singen.



    Zur Zeit pendeln Sie ja fast täglich zwischen Wien und London. Ist es ein Unterschied, wenn man an einem Haus als Ensemblemitglied auftritt und an einem anderen als Gast?
    Nun, der größte Unterschied ist der, dass man als Gastsänger genau weiß, wann man was zu singen hat und sich so die Zeit besser einteilen kann. In meinem ersten Jahr in Wien hatte ich – Gott sei Dank – sehr viel zu tun. Allerdings gab es eine Zeit, als ich während 3 Wochen keine einzigen freien Tag hatte. Und das zehrt dann wieder schon an der Substanz und man muss mit seiner Stimme noch vorsichtiger sein als normal. Ich bin aber – das muss ich wirklich sagen – sehr gerne im Ensemble in Wien. Neue Rollen in Wien werden neben dem Gugliemo auch ein Part in der Frau ohne Schatten und der Publio bei der Premiere von „La Clemenza di Tito“ sein. Außerdem gastiere ich ein paar Mal in Prag, unter anderem am 1.4. als Argante in Händels „Rinaldo“. Und damit mir nicht allzu langweilig wird, bereite ich zur Zeit noch einen Liederabend vor, der am 26.3. im Musikverein stattfinden wird. Es wird ein interessantes Programm mit Liedern von Sibelius und Ravel bis Schönberg geben!



    Die Wiener Presse – und auch die Merker-Kritiker – waren voll des Lobes für ihren Don Giovanni. Was interessiert Sie an diesem Charakter?
    Das Schöne ist, dass in diesem Charakter alles drinnen ist. Nach dem Motte „alles ist möglich, aber man kann draus machen, was man will“. Es gibt so unendlich viele Arten, den Giovanni zu interpretieren – das kommt auch immer auf die Produktion an.



    Wie kam es zum Einspringen und wie lange konnten Sie sich auf die Rolle in Wien vorbereiten?
    Ich war ja seit Beginn der Produktion dabei gewesen und schon – neben meiner Rolle als Masetto – als Cover für den Don Giovanni vorgesehen. Drei oder vier Tage vor der Aufführung wurde mir gesagt dass Bo Skovhus erkrankt sei und ich die Titelrolle singen werde. Nervös war ich nicht, nur am Tag der Vorstellung sickerte es bei mir so langsam durch, wer vor mir aller diese Rolle in Wien interpretiert hat. Ich habe nämlich großen Respekt vor der Vergangenheit – doch man soll auch immer was Neues machen! So versuchte ich, den Giovanni ein bisschen anders zu interpretieren und habe von allen Seiten tolle Unterstützung gespürt!



    Voll des Lobes war die Kritik auch, als Sie als Don Basilio im „Barbiere“ aufgetreten sind. Auch ihr komödiantisches Talent wurde gelobt. Trotzdem gab es die Einschränkung, dass ihre Stimme für den Basilio zu hell, zu baritonal sei. Wie stehen Sie dazu?
    Zuallererst möchte ich auf die „zu helle Stimme“ eingehen. Rossini hat die Arie des Basilio im Original in D-Dur geschrieben! In dieser Fassung musste das selbstverständlich eine höhere Stimme singen. Später schrieb er dann noch eine Fassung in C-Dur für einen dunklen Bass. Die letztere wird nun meistens gespielt, allerdings ist die Fassung, die ich gesungen habe, die ursprüngliche!


    Man fragte mich auch, wie sehr das Zusammenspiel mit Alfred Sramek spontan ist oder ob die meisten Gags geprobt sind. Also – der Großteil ist geprobt. Improvisation gibt es nur in gewissen Grenzen. Und da ist es ganz wichtig, dass man nicht für sich selbst, sondern für das Publikum spielen muss! Das gilt auch für den Dulcamara im „Elisir“, der mir unendlich viel Spaß machte. Das sind überhaupt zwei Produktionen, die ich über alles liebe und hoffe, dass sie noch lange bestehen bleiben! Ich liebe auch Ponnelle-Inszenierungen. Es gibt da so viele kleine Details, die wunderbar sind.



    Sie haben erwähnt, dass Sie Barockoper lieben. Wie sehen Sie den Unterschied dieser Gattung zu anderen Werken?
    Es ist eine andere Art der Energie. Man spürt, dass alle einfach zusammen musizieren. Man kann einen intensiveren Kontakt als mit modernen Orchestern haben.



    Gibt es weitere Angebote für Sie, was dieses Genre betrifft? Und welche Rollen würden Sie in den nächsten Zukunft reizen?
    Ich hatte von kurzem ein tolles Angebot, das leider wegen meinen Zeitdispositionen nicht geklappt hat. Mein einziger Auftritt in einer Händeloper wird wie schon erwähnt im April in Prag sein. Sonst hab ich im Moment keine Pläne auf der Bühne. Wir bereiten aber mit Roman Válek mehrere Konzerte mit Arien von Händel Oratorien vor. Es wird eines im Juli in Znaim, eines im August in Tr(ebíc( und eines im Winter in Prag. Wenn alles richtig klappt, könnte es auch eine CD davon geben. Von der Zukunft ist mir ein bisschen schwer zu sprechen. Ich bin noch nicht sicher, in welcher Richtung sich die Stimme entwickeln wird. Das werden wir in zehn Jahren wissen. Ich probiere ganz langsam auch neues Repertoire in meinen Kalender aufzunehmen, damit ich die Stimme von mehreren Blickwinkeln her kennenlerne.



    Was halten Sie von der Kinderoper?
    Das ist ein ganz wichtiges Projekt, das zum Beispiel in Prag fehlt. Ich war bei „Pünktchen und Anton“ dabei und werde auch dann bei den „Feen“ auftreten. Ich finde es toll, dass die Kinder die gleichen Besetzungen erleben wir in der „normalen“ Oper!



    Wie lange läuft ihr Vertrag in Wien noch – und gibt es auch schon Pläne für die Met?
    Mein aktueller Vertrag läuft bis 2014, ich hoffe aber, dass ich auch darüber hinaus an diesem wunderbaren Haus tätig sein kann. Pläne für die Met gibt es, aber konreter müssen Sie mich später fragen.



    Herr Plachetka, es scheint so, dass wir hier in Wien Zeuge einer beginnenden Weltkarriere sind, für die ich Ihnen im Namen aller Merker-Leser alles Gute wünsche! Zum Abschluss noch die 10 Standardfragen, die ich jedem Interviewpartner stelle –


    1) Was ist Ihr Lieblingswort?
    Pause


    2) Welches Wort mögen Sie am wenigsten?
    Nein


    3) Was gibt Ihnen ein gutes Gefühl?
    Gute Kollegen


    4) Was gibt Ihnen ein schlechtes Gefühl?
    Gespannte Atmosphäre


    5) Welches Geräusch oder welchen Lärm mögen Sie?
    Gesang


    6) Welches Geräusch oder welchen Lärm mögen Sie nicht?
    Schlechten Gesang


    7) Was ist Ihr Lieblings-Schimpfwort?
    Do prdele


    8 ) Welchen Beruf außer Ihrem jetzigen hätten Sie sonst gerne ergriffen?
    Public Relations / Sängeragent


    9) Welchen Beruf mögen Sie überhaupt nicht ausüben?
    Alles, was nicht kreativ ist


    10) Wenn der Himmel existieren sollte, was würden Sie gerne von Gott hören, wenn er Sie am Himmelstor empfängt?
    Freut mich! Wir haben sehr lange gewartet!



    Lieber Adam, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen eine tolle Karriere!

    Hear Me Roar!

  • Seit dem Einführungsbeitrag sind mehr als 2 Jahre vergangen. Zeit nachzusehen, ob sich inzwischen in Sachen Aufnahmen mit Adam Plachetka etwas getan hat. Denn Aufnahmen sind immens wichtig - waren es eigentlich immer - sind heute aber oft der einzige Weg das konservative Opernpublikum zu erreichen, welches das Regietheather meidet und nur mehr Tonkonserven kauft.
    Immerhin sind ist da noch 2012 eine Soloplatte mit Händelarien des Labels Supraphon zu vermelden. Begleitet wird Plachetka
    vom Czech Ensemble Baroque Choir und dem Czech Ensemble Baroque Orchestra unter Roman Valek

    Ebenfalls 2012 aufgenommen, aber erst 2013 am Markt - die Neuaufnahme von Mozarts "Cosi fan tutte" unter mit dem Chamber Orchestra of Europe unter Yannick Nezet-Seguin - Adam Plachetka in der Rolle des Guglielmo.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred




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    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !