Julius Röntgen - Die (fast) vergessenen Klavierkonzerte eines Spätromantikers

  • Dieser Thread befasst sich mit dem deutsch-niederländichen Komponisten Julius Röntgen (1855-1932) und seinen Klavierkonzerten, von denen derzeit leider nur die Nr 2 und 4 auf Tonträger erhältlich sind, ein Zustand der sich -zumindest hoffe ich das - in einiger Zeit ändern könnte.
    Röntgens Problem ist, daß heute nur wenige Leute irgendeine Vorstellung haben, wie seine Musik eigentlich klingt. Dabei war er zu Lebzeiten eine durchaus angesehene Person, bekann mit Brahms, den er bewunderte und befreundet mit Grieg, wie mit zahlreichen Komponisten und Musikern seiner Zeit.
    Heute gilt er als Brahms Epigone - ein Urteil, dem ich mach nach dem Hören der wenigen Werke, die ich bisher von ihm kenne - nicht anschliessen möchte.

    Die Musik der beiden Klavierkonzerte ist eher positiv, freundlich, gelegentlich bombastisch, trotz manch düster erscheinen wollenden Einleitung. Schon die zeitgenössische Kritik warf Röntgen vor, sich allzuviel an anderen Komponisten zu orientieren, wenngleich man ihm auch ein hervorragendes Kompositionstalent zugestand.
    Wenn dem so ist -ich kann damit leben. Aber ich meine, daß es bei Röntgen dennoch zahlreiche sehr origenelle Stellen gibt.
    Neuerer und Vorwärtsstürmer war er indes nicht, seine Tonsprache ist der Spätromantik verpflichtet. ich höre stellenweise im Klavierkonzert Nr 2 ( uraufgeführt am 27. Oktober 1881 in Leipzig mit Röntgen selbst als Solost) sogar einen Hauch von "Frühromantik" heraus, gelegentlich sogar Beethoven(?)


    Die heutige Kritik ist Röntgens Werken gegenüber durchaus positiv eingestellt - aber was nützt das - wenn man das meiste nicht hören kann - oder sich gar nicht getraut es zu hören.
    cpo hat vor einigen Jahren angekündigt die wichtigsten Werke von Röntgen auf CD zu veröffentlichen. Lobenswert - aber das Projekt kommt nur schleppend voran. Ich hoffe, daß die Nachfrage einigermaßen ausreichend für solche veröffentlichungen ist - und was wir hier dafür tun können (PR) soll getan werden.
    Vielleicht hat jemand Lust hier eine kurze subjektive Meinung zu den Klavierkonzerten Nr 2 und dem -laut Röntgens eigener Aussage- sehr schwierig zu spielenden Klavierkonzert Nr 4 zu schreiben ? Wenn Röntgen ein Klavierkonzert als schwer spielbar einstuft, dann weiß er wovon er spricht - er was selbst ein HERVORRAGNDER Pianist....


    Über die bisher erschienenen Sinfonien, bzw Sinfonischen Werke Röntgens - es sind über 20 !! (und vieles wurde nie aufgeführt oder auf Tonträger veröffentlicht)hatte ich eigentlich einen neuen Thread geplant - aber offensichtlich gibt es schon einen, sodaß man dort in Sachen sinfonische Werke fortsetzen kann...
    (Link weiter unten - im Beitrag von Harald Kral)


    Die oben abgebildete Aufnahme, mit Matthias Kirschnereit als Solist ist auf jeden Fall empfehlenswert...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vieles findet der geneigte Leser bereits hier im Forum: Julius Röntgen (1855-1932) - Eigener Weg oder niederländisches Epigonentum?


    Julius Röntgen hat über 600 Kompositionen hinterlassen.
    Hier ist seine Biographie:



    Sein musikalisches Vermächtnis wird durch seinen 1945 geborenen Enkel, Dr. Julius E.F. Röntgen, betreut, der hierzu auch eine eigene Website betreibt. Dort findet sich auch eine ausführliche Discographie (nicht nur die Klavierkonzerte):
    http://www.juliusrontgen.info/sr_english/page3/page3.html


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo,


    als neu Mitglied blättere ich gerade Seite für Seite des Ober- Fadens durch, und bin und auf den ziemlich exakt 10 Jahre alten Beitrag von Alfred gestoßen. Als Spotify Hörer konnte ich einige Sinfonien finden, in die ich hineingehört hatte und die mir nicht gefielen, (wie die 21. bitonale Symphonie)

    Aber es hat mich sehr gefreut, diesen thread zu finden, da ich speziell das vierte Klavierkonzert sehr schätze, besonders dessen langsamen Satz und zwar auch auf spotify in genau der dargestellten Aufnahme .


    Viele Grüße

    Rainer

  • Und so schliesst sich der Kreis. Weil Du diesen Thread ausgegraben hast habe ich mich an ihn erinnert und nachgesehen ob nicht - wider Erwarten - doch eine weitere CD mit Klavierkonzerten Röntgens (der war übrigens mit dem deutschen Physiker Wilhelm Conrad Röntgen,entfernt verwandt ) erschienen ist. Und siehe da - es gibt sie in der Tat. Ich habe gar nicht mehr danach gesucht, weil ich es für aussichtslos hielt. Immerhin wurde sie erst 2017 aufgenommen und 2019 veröffentlicht !!

    Die CD ist logischerweise nicht nicht in meinem Besitz - wird es aber in den nächsten Monaten (so ich es erlebe) noch sein. Es fehlen somit nur noch 2 Klavierkonzerte. Die werden nach meinem Dafürhalten dann 2032 veröffentlicht, dem 100. Todestag des Meisters...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Julius Röntgen: Klavierkonzert Nr 2


    ich habe mir heute das Klavierkonzert Nr 2 bewusst angehört - und bin begeistert. Ein Rezensent im Internet, meinte, das wäre noch nicht der späte experimentierfreudige Röntgen, aber "TROTZDEM" (!!).... "Aber es lohnt sich auf jeden Fall, diesen gefälligen Werken zu lauschen."

    Das Wort "gefällig hat ja heutzutage einen unterschwellig negativen Beigeschmack. Ist auch gut an heutiger Baukunst, Kleidung und Malerei zu sehen...


    Der erste Satz beginnt trügerisch harmlos, und niemand würde vermuten, wie es sich allmählich in Rhythmik, Tempo , Lautstärke und Brillianz entwickelt.

    Stellenweise geradezu furios. Einige Stellen kommen mir bekannt vor, ich weiß aber nicht welchem Konzert ich sie zuordnen sollte.

    Der zeite Satze ist mit "Larghetto espressivo" überschrieben und damit ist eigentlich schon alles gesagt, das trifft es genau - was bei Satzbezeichnungen ja nicht immer der Fall ist.

    Nach dessen Ende kommt der Finalsatz wieder mit Verve ins Spiel, auffallender erschien mir indes die eigenwillige Rhytmik zu beginn des Satze, die ihm etwas leicht verschrobenes - individuelles verleiht. Er ist im weiteren verlauf dann ebenso mitreissend wie der erste und endet in einem furiosen Finale.


    Der junge Röntgen, er war zur Zeit der Uraufführung ges Konzerts grade mal 25 wurde vom Kreis Brahms, Joachim, Grieg und Herzogenberg als "künftige Speerspitze" gegen die "Neudeutschen" gesehen....


    Hier kann man einen Eindruck gewinnen, welchen Stellenwert Röntgen in jenen Jahren bei seinen Komponistenkollegen hatte.

    Die Uraufführung des Konzertes war erfolgreich, dennoch geriet es nach einigen Aufführungen - mit teilweise 2.klassigen Orchestern - in Vergessenheit.


    Aus meiner Sicht ein äusserst klangschönes UND effektvolles Klavierkonzert, das locker mit den Berühmtheiten seiner Zeit mithalten kann...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Julius Röntgen: Klavierkonzert Nr 2

    Julius Röntgen: Klavierkonzert Nr 3


    Schließlich habe ich die im März 2021 gezeigte CD mit 3 Klavierkonzerten von Röntgen nun doch meiner Sammlung hinzugefügt - ich hatte sie 2019 einfach übersehen.

    Und so habe ich heut einerseits das 2. Klavierkonzert wiederholt gehört um mich auf das 3. einzustimmen, welches sich in Brahms-Nähe befindet.

    Beide Konzerte sind IMO echte Bereicherungen für das einschlägige Repertoire.

    Meiner persönlichen Einschätzung nach hat das 2. mehr Ohrwurmcharakter und ist heller und eine Spur überschaubarer mit durchaus hohem Wiedererkennungswert.

    Das 3. ist irgendwie komplexer und der Wiedererkennungswert scheint mir geringer zu sein - aber ich habe es erst 1 mal gehört, (und höre es momentan das 2. Mal) wogegen ich das 2. mindestens 4 mal gehört habe. Somit ist diese Einschätzung nur relativ.

    Das Konzert hat 4 Sätze:


    1) Allegro

    2) Allegretto con Grazia

    3) Romanze

    4) Finale


    Es wurde mit dem Komponisten als Solisten am 4. Mai 1889 im neuerbauten Concertgebow Amsterdam mit dem hauseigenen Orchester unter Willem Kes (1854-1936) aufgeführt. Eine überlieferte Rezensien lobt das Werk halbherzig. Interessant, daß der Finalsatz den Rezensenten nicht wirklich überzeugen konnte - den ich gerde für den schönsten des Konzertes halte.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Julius Röntgen: Klavierkonzert Nr 4


    Soeben habe ich das zu Recht von Komponistenkollegen und Kritik gelobte und von Pianisten gefürchtete und gemiedene Klavierkonzert Nr 4 von Julius Röntgen gehört - und bin begeistert. von seinen vielen Stimmungen und Klangfarben, von der mächtigen Pranke die gelegentlich vom Pianisten verlangt wird, vom tosenden Orchstereinsatz, von kontrastierenden geradezu zerbrechlichen Passagen und von originellen Klangeffekten. Im Booklet lässt sich gut nachlesen warum das Konzert nicht in Amsterdam aufgeführt werden konnte: Es gab ein äusserst schlechtes Einvernehmen mit dem aktuellen Dirigenten des Concertgebouw Orchesters, Willem Mengelberg.

    Röntgen hatte sich einst selbst um die Stelle des Orchesterleiters beworben, aber man treute seinen Fähigkeiten als Dirigent nicht. Die Stelle bekam Willem Kes, nachdem der Wunschkandidat Hans von Bülow nicht verfügbar war. Nach dem Weggang von Kes - er bekam eine bessere Stelle im Ausland übernahm Mengelberg das Orchester und boykottiert Röntgen sowohl als Dirigent, als auch als Pianist. So fand die Uraufführung 1906 in Utrecht statt.

    Das Konzert wurde positiv aufgenommen, Grieg, er war inzwischen mit Röntgen befreundet, war begeistert. indes starb er bereits ein Jahr später. Brahms, mit dem Röntgen ebenfalls befreundet war, war schon einige Jahre zuvor gestorben. Man betrachtete nach Brahms Tod Röntgen als rückwärtsgewandten Komponisten, dessen Zeit vorbei war.- ebenso wie jene aller Brahms-Epigonen....

    Das Konzert erlebte nur diese eine Aufführung und lag dann Jahrzehnte in den Archiven....


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 1500

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !