Welchen Interpretationsansatz erwartet Ihr von einer späten Mozart-Sinfonie ? (2011)

  • An sich entspricht die Thematik dieses Thread jener des Beethoven Threads "Welcher Zyklus ist der beste ?" - jedoch mit dem kleinen aber doch entscheidenden Unterschied, daß hier nicht wirklich nach dem "besten" Zyklus gesucht wird, sonden nach persönlichen Vorlieben in Bezug auf die Interpretation. Natürlich können Namen genannt werden, aber sie sind nicht das Hauptinteresse dieses Threads, sondern wie ihr den Zugang zu Mozarts späten Sinfonien gerne seht.
    Ich habe bewusst die Frühwerke ausgeklammert, da hier andere Wertmaßstäbe gelten.
    Ich will auch nicht vorrangig hören, ob ihr Böhms, Karajans oder Harnoncourts den Vorzug gebt, sondern allenfalls "warum".
    Liebt ihr eine appolinarische Interpretation, eine zuckersüsse, majestätische oder rebellische. Weitere Möglichkeiten sind hier gerne gehört....


    In diesem Zusammenhang kann natürlich auch genannt werden, wer Eurem Ideal am nächsten kommt, bzw was hier noch als Rest zu Euerm vollkommenen Glück fehlt...


    mit freundlichem Gruß
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mozarts Symponien ... Ein Feld für sich.


    Persönlich höre ich sie selten, eher noch seine Opern, aber wenn, dann am ehesten die 25. und 40. Scheinbar liegt mir da Moll viel eher. Mit der "Jupiter" wurde ich irgendwie nie richtig warm, egal, wer dirigiert.


    Welchen Interpretationsansatz erwarte ich also bei den "späten" Mozart-Symphonien? (Ich definiere unter "spät" mal alles ab der 25., was sicher streitbar ist; aber ab 35. ist mir das zu eng gefaßt.)


    Persönlich schätze ich ja eher den majestätischen Ansatz, und den konnten bei Mozart m. E. von den "Konventionellen" am besten Klemperer und Bernstein.



    Einen HIP-Mozart habe ich nicht. Habe mal mit Hogwood geliebäugelt (schon aus Vollständigkeitsgründen), aber der hohe Preis hat nachhaltig abgeschreckt. (Gut, mittlerweile für etwas über 50 EUR erhältlich. Bei 19 CDs is das günstig.)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Von einer Sinfonie erwarte ich natürlich keinen Interpretationsansatz. Was ich vom Interpreten erwarte, darüber können wir gerne reden.


    Liebt ihr eine appolinarische Interpretation,


    Nur bei Minneralwaser ... :hahahaha::hahahaha::hahahaha:


    Eine freudsche Fehlleistung meinerseits - Der Spaß sei Dir gegönnt LG Alfred MOD 001

  • Liebe Joseph,


    die Mozart-Sinfonien unter Hogwood solltest du dir unbedingt zulegen.


    Von den klassischen Aufnahmen ist neben Klemperer unbedingt noch Otmar Suitner zu nennen - quasi als Ergänzung. Was bei Klemperer hinsichtlich Tempo und Spritzigkeit fehlt, ist bei Suitner zu finden. Suitners Mozart steht leider immer noch im Schatten anderer Interpreten.




    Symphonien Nr. 28-36, 38-41; Serenaden Nr. 2, 6, 13;
    Notturno KV 286; Ein musikalischer Spaß KV 522;
    Klavierkonzerte Nr. 15 & 21
    [*]Künstler: Annerose Schmidt, Staatskapelle Dresden, Otmar Suitner
    [*]Label: Berlin Classics, ADD, 1965-75


    :hello: LT

  • Unbedingt zu nennen sind die Einspielungen der Mozart-Sinfonien durch Karl Böhm. Weniger die mit den Berliner Philharmonikern, sondern doch dann eher mit den Wiener Philharmonikern. Einige sind auch als Video / DVD veröffentlicht worden.





    :hello: LT

  • Natürlich können Namen genannt werden, aber sie sind nicht das Hauptinteresse dieses Threads, sondern wie ihr den Zugang zu Mozarts späten Sinfonien gerne seht.
    Ich habe bewusst die Frühwerke ausgeklammert, da hier andere Wertmaßstäbe gelten.
    Ich will auch nicht vorrangig hören, ob ihr Böhms, Karajans oder Harnoncourts den Vorzug gebt, sondern allenfalls "warum".

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Unbedingt zu nennen sind die Einspielungen der Mozart-Sinfonien durch Karl Böhm. Weniger die mit den Berliner Philharmonikern, sondern doch dann eher mit den Wiener Philharmonikern. Einige sind auch als Video / DVD veröffentlicht worden.



    Als Böhm Fan natürlich ein Muss!!!


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • ich freue mich natürlich, daß hier mehrfach der Name Karl Böhm genannt wird - vor allem deshalb, weil manche ihn als alten Langweiler darstellen - etwas das ich mit einer Kaskade von Youtube - Videobeispielen zu widerlegen versucht habe. Und ich glaube es sit mir auch bei einigen gelungen.
    Aber - und hier versuche ich wieder zum Thema das Threads zurückzufinden. WARUM wurde - und wird noch immer - Karl Böhm als Mozart Interpret gepriesen. Was macht Eurer Meinung nach seine Besonderheit aus ?
    Um das zu beantworten braucht man nicht nowendigerweise Notenlesen zu können, es genügt, wenn ihr Eure subjektiven Eindrücke schildert....


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred Schmidt

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Erst einmal finde ich es erfreulich, dass anerkannt wird, dass es unterschiedliche Ansätze geben kann und man die auch in ihrer Unterschiedlichkeit schätzen kann.


    Man muss auch bedenken, dass es sich - natürlich - bei den 6 letzten Sinfonien um recht unterschiedliche Stücke handelt. Die "Haffner" und "Linzer" sind zumindest den äußeren Bedingungen nach "Gelegenheitswerke". Die "Prager" fällt durch die Dreisätzigkeit, bei gleichzeitig außerordentlichen Dimensionen, besonders des Kopfsatzes auf.
    Zumindest bei den letzten vieren ist für mich offensichtlich, dass es sich um "große Werke", die äußerlichen, zeitlichen und klanglichen Dimensionen, aber natürlich auch im musikalischen Ausdruck seinerzeit "Avantgarde" waren, d.h. die Grenzen der Gattung, die als eigenständige noch gar nicht so alt war, ausreizten oder neu definierten. Darin folgen sie dem Vorbild von Haydns wenige Jahre vorher entstandenen "Pariser Sinfonien". Man weiß noch immer nicht genau, aus welchem Anlass Moazrt die letzten drei Sinfonien komponierte, sehr wahrscheinlich für eine eigene "Akademie", also ein Konzert mit eigenen Werken, wobei nicht sicher ist, ob tatsächlich alle Werke aufgeführt wurden. Zumindest bei der g-moll scheint das aber wahrscheinlich, da die ja sogar in zwei Fassungen (ohne/mit Klarinetten) vorliegt.


    Ich bin daher der Ansicht, dass sich dieses Großformatige in den Interpretationen zeigen sollte. Alle Werke sind mit Trompeten und Pauken besetzt, außer der g-moll. Die hat dafür zwei unterschiedlich gestimmte Hörner und Klarinetten und Oboen, während in 39 die Oboen fehlen, in 36, 38 und 41 die Klarinetten. Diese Blasinstrumente sollten nicht nur diskret die Streicher unterstützen, sondern deutlich hörbar sein.


    Weiterhin handelt es sich um dramatische Werke, mitunter beinahe opernhaft. Man hat Verbindungen zwischen der "Prager" und Figaro (Finale der Sinfonie) und Don Giovanni (Einl. und Hauptsatz) gezogen, ebenso zwischen dem Kopfsatz der g-moll-Sinfonie und der Arie des Cherubino.
    Ich halte es daher für wichtig, diese dramatischen Elemente herauszustellen, auch wenn (oder gerade weil) wir durch Beethoven und die Romantiker vielleicht geneigt sein mögen, hier oft eher "griechisch schwebende Grazie" (Schumann), das "Apollinische", göttliche Heiterkeit oder was auch immer zu vernehmen.
    Es ist über 200 Jahre später sicher nicht leicht, dem Hörer einen Hauch von der Kühnheit und Komplexität, die Mozart seinen Zeitgenossen zumutete, zu vermitteln. Leider ist Mozart einer der Komponisten, von denen sich etliche Werke gut zum "Konsumieren" eignen, die daher zu Tode gedudelt (mitunter als Auszüge oder gar in Verpoppungen) werden.
    Daher bin ich der Auffassung, dass die unbestrittene Eleganz oder "Geschmeidigkeit", die diesen Werken ebenfalls eignet, gegenüber der Dramatik eher hintanstehen sollte. Für mich sind daher viele "traditionelle" Interpretationen, selbst angesichts ihrer unbestrittenen Meriten, unbefriedigend. Meine favorisierten Interpretationen für 39 und 40 (auch fpr 35 und 36, wobei das oben gesagte auf die vielleicht nicht in vollem Maße zutrifft) sind daher die Aufnahmen von Harnoncourt mit dem Concertgebouworchester. Ungeachtet eines etwas langsamen Finales (hier hat NH eine etwas fragwürdige Theorie), ist die g-moll wohl die dramatischste, die ich gehört habe. Die 39 kommt nicht als "Schwanengesang", sondern eher als Vorgänger der Eroica daher, mit beinahe militärischen Ecksätzen und einem rasanten Menuett. Ich räume gern ein, dass das extreme, teils auch einseitige Interpretationen sind. Bei der "Prager" schätze ich Harnoncourt auch sehr, wenngleich alle Wdh. und ein relativ breites Tempo im Kopfsatz etwas gewöhnungsbedürftig sind. Eine großartige ältere Aufnahme ist die unter Peter Maag (Decca, ca. 1960) und auch die Mono-Aufnahme unter Markevitch (DG) (Gardiner habe ich seit langem im Regal, weiß aber nicht genau, ob schon angehört...)
    Bei 41 gefällt mir Harnoncourt nicht ganz so gut (ungeachtet eines grandiosen, mächtigen Finales), hier war ich, wenn ich recht erinnere, positiv von Minkowskis relativ neuer Einspielung überrascht. Unter älteren Aufnahmen schätze ich Szells. (Allerdings mag ich das Stück ingesamt nicht so sehr wie 38-40, während es bei vielen wohl die beliebteste Mozart-Sinfonie ist).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Daher bin ich der Auffassung, dass die unbestrittene Eleganz oder "Geschmeidigkeit", die diesen Werken ebenfalls eignet, gegenüber der Dramatik eher hintanstehen sollte.


    Ich bin mir nicht ganz sicher - aber ich glaube, das ist vor allem ein "deutsches" Interpretationsideal (?)


    Man kann mir hier mit Norrington kontern - aber seine Verehrer hatte auch der stets in Deutschland - und nicht in England.
    "Dramatik" in Sinfonien (die Sinfonie Phantastique klammere ich da mal aus) ist ein zweischneidiges Schwert. Allzuschnell bleibt da die Musikalität auf der Strecke.
    Eleganz und Geschmeidigkeit wird allzugern mit "braver" Interpretation gleichgesetzt - aber das ist meiner Meinung nach ein Fehler. Man kann Mozart elegant und trotzdem "feurig erhaben" spielen, Böhm spielte Mozart eher tänzerisch federnd, es gibt jedoch auch andere Ansätze, die nicht verletzen. Joseph Krips beispielsweise interpretierte die Sinfonien etwas "strenger" - in Richtung Beethoven (das ist natürlich übertrieben - aber es ist immerhin eine Angabe wohin der Zug abfährt ;) ). Szell geht hier noch einen Schritt weiter und mischt einen Hauch unterschwellige Düsternis hinzu - ohne aber je harsch zu klingen.
    Eher unverbildlich klangen für mich die Aufnahmen der Academy in the Fields - Ich habe sie gehört - und gleich wieder vergessen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • WARUM wurde - und wird noch immer - Karl Böhm als Mozart Interpret gepriesen. Was macht Eurer Meinung nach seine Besonderheit aus ?

    Es gibt eine CD von der DG mit Karl Böhm. "Meine große Liebe gehört Mozart" früher 2 Doppel-LP mit Musikbeispielen, die zusätzlich erläutert werden. Was er selbst hier über seinen Mozartstil zu sagen hat, besser geht es nicht, gell.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich bin mir nicht ganz sicher - aber ich glaube, das ist vor allem ein "deutsches" Interpretationsideal (?)

    Genau genommen ist es eher ein österreichisches Interpretationsideal. Auch wenn Harnoncourt in Berlin geboren wurde, wuchs er doch ab dem dritten Jahr in Österreich als Österreicher auf - von deutscher Prägung (was immer das sein mag) kann da keine Rede sein. Übrigens wuchs er in Graz auf, wo auch Karl Böhm geboren wurde. Das zeigt doch eigentlich sehr schön, dass es auf die so gerne herbeizitierten Landesgrenzen bei der Beschreibung des Interpretationsideals augenscheinlich nicht ankommt.


    Schönen Dank für Deinen Beitrag, Johannes, was Du beschreibst, entspricht ziemlich genau auch meiner Sichtweise. Allerdings billige ich Harnoncourt seine Freiheit in seiner Auslegung von Tempo und sonstigen Parametern durchaus zu - wie auch jedem anderen Ausführenden. Diese individuelle Freiheit ist es ja gerade, die unterschiedliche Interpretationen so wertvoll und überhaupt erst hörenswert macht. Übrigens als Gegenpole natürlich auch die von Böhm oder Krips - auch wenn ich zu diesen seltener greife.