Witold Malcuzynski - Ein Grosser Chopin-Interpret Der Alten Schule - In Deutschland Fast Unbekannt

  • WITOLD MALCUZYNSKI - geb. am 10. 08. 1914 in Warschau , gest. am 10. 07. 1977 in Palma de Mallorca, galt in den 50er Jahren vor allem in den angelsächsischen Ländern - und natürlich in seinem Heimatland Polen, als einer der meistbewunderten und beliebtesten CHOPIN-Interpreten, ähnlich wie in Deutschland der "Poet am Klavier", STEFAN ASKENASE mit seinem Spiel der leisen Töne, seinem feinen, differenzierten Anschlag und seinem Pianissimo-Zauber, und ähnlich wie sein fast-Antipode ARTHUR RUBINSTEIN als "Mr. Chopin", mit seinem kraftvollen, facettenreichen und elegantem Spiel, e lange Zeit die bevorzugen Chopin-Interpreten waren, an denen sich die Geister schieden.


    WITOLD MALCUZYNSKI offenbarte schon mit 5 Jahren musikalische Talente, komponierte in den nächsten Jahren schon kleinere Stücke, beschäftigte sich dann aber mit 9 Jahren systematsich mit dem Klavier. Trotzdem wollten seine Eltern einen Juristen aus ihm machen und ließen ihn Jura studieren, das er aber dann doch abbrach, um auf dem Warschauer Konservatorium Musik zu studieren. Dort wurde der bekannte BUSONI-Schüler JÓZEF TURCZYNSKI sein Lehrer.


    Nach Abschluß senes Studiums debutierte MALCUZYNKI mit den WARSCHAUER PHILHARMONIKERN mit dem 2. KLAVIERKONZERT von LISZT und den SZYMANOWSKI-VARIATONEN in b-moll, und die Kritiker schrieben über seinen Auftritt, der mit Ovationen bedacht wurde: "By the liveliness of his playing, the power and richness of his tone, MALCUZYNSKI immediately captivated his audience. Despite having such attributes of a full-blown virtuoso, he knows how to control himself, containing this vigour and checking it with artistic reflection, thanks to which producing a fuller, better-rounded creation. His lyricism is manly, concentrated and free of sentimentalism."


    Um sich auf den 3. WARSCHAUER CHOPIN-WETTBEWERB am 21.02. 1937 vorzubereiten, reiste er auf Empfehlung von TURCZYNSKI in die Schweiz zu dem weltberühmten Pianisten IGNACY JAN PADEREWSKI, um dort Stunden zu nehmen. Bei dem Wettbewerb gewann er den 3. Preis. Er setzte dann sein Studium bei PADEREWSKI in der Schweiz von 1936 - 1937 fort, der eine hohe Meinung von MALCUZYNSKI hatte, und der in jeder Hinsicht einen großen Einfluß auf die weitere pianistische Entwicklung MALCUZYNSKIS nahm.


    1937 siedelte MALCUZYNSKI dann nach Paris über und heiratete die Pianisten COLETTE GAVEAU, die er beim WARSCHAUER CHOPIN-WETTBEWERB kennengelernt hatte. Dort setzte er seine Studien bei der renommierten Pianistin, Professoirin und Autorin MARGUERITE LONG (Lehrerin von INGRID HAEBLER!!), sowie bei ISIDOR PHILIPP fort. Als sich seine eigentliche internationale Karriere für ihn auftat, begann der 2. Weltkrieg. 1940 gab er in Paris sein Debut mit dem 2. KLAVIERKONZERT von CHOPIN. Die Kritik schrieb: "The pianist is an excellent musician with infallible tact, taste and intelligence. In his musical constructions there is not a single weak point, nor any mistake in interpretation. The accuracy and elegance of his phrasing is incomparable. By constantly heeding simplicity and the sublime he serves music rather than use it.... Here is a great pianist and genuine musician".


    Nach der Besetzung von Paris floh MALCUZYNSKI nach Portugal, dann nach Argentinien. Er gab im Nov. 1940 sein Debut in Buenos Aires und gab mehr als 70 Konzerte, die in ganz Südamerika zu einer außergewöhnlichen Populariät führten. Im April 1942 hatte er seinen großen Auftritt in der CARNEGIE HALL. Der sehr strenge, bekannte Kritiker OLIN DOWNES war von seinem Spiel begeistert und schrieb nach dem Konzet: "MALCUZYNSKI masterfully controls all the faculties of piano playing... He delcares LISZT's famous Sonata with great verve, in terrific style..., on the other hand, he plays CHOPIN with great simplicity, yet dramatically. He knows how to be simultaneously natural and great". Im Anschluß an seinen triumphalen Erfolg in NEW YORK, tourte er durch ganz Amerika und spielte unter den großen Dirigenten, wie KOUSSEWITZKY, MONTEUX, PARAY, MITROPOULOS, REINER, SZELL und anderen.


    Gegen Kriegsende kehrte MALCUZYNSKI nach Europa zurück, gab in London ein Konzert, und reiste dann nach einigen Monaten wieder nach Paris. Dort fand er erneut seine begeisterten Anhänger. Eine atemberaubende Karriere begann für ihn, und er gab Konzerte in Spanien, Italien, Schweiz, Skandinavien, u. a. auch unter KLEMPERER und CLUYTENS. Anläßlich des 100. Todestags CHOPIN's bereiste er Australien, Indien, Neuseeland und Ceylon. Im Verlauf seiner Reisen führte er CHOPIN's Gesamtwerk auf. Viele Schallplattenaufnahmen entstanden in dieser Zeit bei COLUMBIA, ANGEL, EMI, etc. Der Schwerpunkt seines Programms iag dabei stets bei CHOPIN, doch spielte er auch BRAHMS, LISZT, RACHMANINOV, TSCHAIKOWSKY, FRANCK, etc.


    1958 kehrte MALCUZYNSKI nach 20 Jahren in seine Heimat Polen zurück. Er wurde dort überall begeistert aufgenommen und gab in 2 Wochen 9 Konzerte, alle waren ausverkauft, und er mußte bis zu 10 Zugaben geben. Ein Zeitung schrieb: "a pianist who is very much our own, one who upholds the great tradition of "Romantic" pianism of PADEREWSKI and SLIVINSKI. People have need of such playing: frank, generous, personal, human in the full musical sense of the word, and altogether eloquent."
    Er wurde wegen der Qualität seiner Tongebung mit den LESCHETIZKY-Schülern BENNO MOISEIWITSCH und IGNAZ FRIEDMAN verglichen, ohne deren mitunter etwas sentimentale Ausrichtung aufzuweisen. Diese Meinung spiegelte sich auch in einer Kritik eines früheren Londoner Konzerts im November 1946 wieder: "MALCUZYNSKI is one of those piansts in whom a natural physical endowment has combined with an acute musical sensibility to produce a virtuoso of the first rank...he is the most unsentimental and unaffected interpreter of CHOPIN we have heard for a long while."
    Er wurde in seiner polnischen Heimat vielfach geehrt, wurde Ehrenbürger von Krakau, Offizier des Ordens Polonia Restituta und Mitglied der Warschauer Chopin-Gesellschaft.


    WITOLD MALCUZYNSKI starb am 10. 07. 1977 in PALMA DE MALLORCA und erhielt in seiner polnischen Heimat eine Ehrengrabstätte.


    MALCUZYNSKI darf nach seinem künsterischen Lebenswerk und seiner durch zahlreiche Schallplattenaufzeichnungen nachweisbaren Leistung ohne Übertreibung als ein großer Pianist, vor allem als ein großartiger CHOPIN-Interpret, bezeichnet werden, und so ist es schon etwas verwunderlich, daß er bisher in unserem Forum in keinem der Beiträge über das Werk CHOPINS Erwähnung fand. Es gilt unter CHOPIN-Kennern als einer der letzten romantischen Pianisten, vor allem hinsichtlich seiner Interpretationen der Werke CHOPINs, was natürlich heute nicht mehr jedermanns Geschmack ist. Er folgte eben der Tradition PADEREWSKI's, einem romantischen, eleganten, weltmännischen Pianisten, dessen Spiel aber auch hohe Subtilität auszeichnete, und es sollte auch für uns noch heute interessant sein, zu hören, wie ein PADEREWSKI, der Chopin ja fast noch erlebte, und wie dessen Schüler ihren CHOPIN interpretierten.


    Was man an MALCUZYNSKI's CHOPIN-Spiel u. a. rühmte, war seine natürliche Technik, die er nicht schaustellerisch herauskehrte, seine Kontrolle des Spiels, seine Sensitivität - und dabei einen großen, markanten und vor allem sehr männlichen Ton - die charakteristische Differenzierung, Geschmack und Stilgefühl, besonders auch bei kleineren Werken. Einen besonderen Namen machte er sich durch seine Interpretation der MAZURKAS, die er äußerste fantasievoll und mit männlichem Ton gestaltete. Ich schätze auch ganz besonders seine Interpretation der POLONAISEN, vor allem op. 26/2 und op. 40/1.


    Mit seiner einnehmenden Persönlichkeit, seiner guten, eleganten Erscheinung, seinem gepflegten Äußeren und seinem guten Auftreten, war MALCUZYNSKI, ähnlich wie früher auch sein Lehrer PADEREWSKI, einer der Lieblinge des Publikums seiner Zeit, ganz besonders in angelsächsichen Ländern. Da er in Deutschland nie aufgetreten ist, und er auch fast nur unter ausländischen Dirigenten spielte (Ausnahme: KLEMPERER), ist es wohl zu erklären, daß er hierzulande, und leider auch in unserem Forum, so wenig bekannt ist. Vielleicht kann ja aber dieser neue thread etwas zu seinem Bekanntwerden beitragen. Im übrigen kann man ihn auch im Internet mit vielen Aufnahmen, die leider akkustisch nicht immer die besten sind, hören. Es dürfte auch noch etliche Aufnahmen mit ihm im Handel geben. Jedenfalls sollte ein CHOPIN-Interpret, der in der Heimat CHOPINS's so gefeiert und als der ihre anerkannt wurde, auch heute noch unser Interesse finden!


    Viele Grüße


    wok

  • Heute habe ich von ihm die Polonaise Nr. 6, die 4 Balladen und den 1. Satz des 3. Rachmanonow-Konzertes gehört!


    Was für Aufnahmen! Da muß man der EMI in den ... treten, daß sie diese Juwelen nicht veröffentlichen! Er hat einen großen, runden Ton, diese Mischung aus männlicher Herbheit, Empfindsamkeit und Noblesse, die man von Artur Rubinstein kennt - er wirkt geradezu wie ein "Bruder" von Rubinstein! Die Balladen sind nicht nur gut, sie sind unglaublich gut - die Aufnahme gehört für mich zu den 5 besten, die jemals gemacht wurden. Die g-moll Ballade ist eine geradezu ideale Interpretation. Besonders angetan bin ich von der 2. Ballade - wie er da die melodischen Bögen und dramatischen Spannungen herausarbeitet und auf jede übertriebene virtuose Brillianz verzichtet. Verblüffend und beglückend! Die komplexe 4. Ballade überlegen gestaltet! Bestechend auch seine Klarheit und Intelligenz - er macht einfach immer das Richtige! Die Polonaise: Wiederum ideal getroffen in ihrer polnischen Idiomatik.


    Das Rachmaninow-Konzert im zügigen Tempo, mit einer unglaublichen Frische gespielt. Völlig unsentimental und doch poetisch. Bei dieser virtuosen Kadenz muß selbst eine Martha Argerich feuchte Augen bekommen... Leider spielt er die gekürzte Version, die Rachmaninow in seiner Aufnahme auch gewählt hat. Schade!


    :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat von Dr. Holger Kaletha

    Heute habe ich von ihm die Polonaise Nr. 6, die 4 Balladen und den 1. Satz des 3. Rachmanonow-Konzertes gehört!


    Was für Aufnahmen! Da muß man der EMI in den ... treten, daß sie diese Juwelen nicht veröffentlichen! Er hat einen großen, runden Ton, diese Mischung aus männlicher Herbheit, Empfindsamkeit und Noblesse, die man von Artur Rubinstein kennt - er wirkt geradezu wie ein "Bruder" von Rubinstein! Die Balladen sind nicht nur gut, sie sind unglaublich gut - die Aufnahme gehört für mich zu den 5 besten, die jemals gemacht wurden.
    Die g-moll Ballade ist eine geradezu ideale Interpretation. Besonders angetan bin ich von der 2. Ballade - wie er da die melodischen Bögen und dramatischen Spannungen herausarbeitet und auf jede übertriebene virtuose Brillianz verzichtet. Verblüffend und beglückend! Die komplexe 4. Ballade überlegen gestaltet! Bestechend auch seine Klarheit und Intelligenz - er macht einfach immer das Richtige! Die Polonaise: Wiederum ideal getroffen in ihrer polnischen Idiomatik.


    Das Rachmaninow-Konzert im zügigen Tempo, mit einer unglaublichen Frische gespielt. Völlig unsentimental und doch poetisch. Bei dieser virtuosen Kadenz muß selbst eine Martha Argerich feuchte Augen bekommen... Leider spielt er die gekürzte Version, die Rachmaninow in seiner Aufnahme auch gewählt hat. Schade!

    Hallo Dr. Kaletha,


    Ich bin sehr glücklich, daß mein Thread über WITOLD MALCUZYNSKI, und meine wiederholten Hinweise auf diesen großen polnischen Pianisten seit November 2011, nun endlich dazu geführt haben, daß sich ein Forumsmitglied - und noch dazu ein großer Kenner der Klaviermustik - mit ihm nicht nur näher beschäftigt, sondern dabei auch zu einem ähnlichen, überaus positiven Urteil kommt. Offenbar sind CHOPIN-LIEBHABER in unserem Forum rar gesät, ober aber sie halten sich an die Aufnahmen der bekannteren Namen bewährter CHOPIN-Spieler wie RUBINSTEIN, ASKENASE, POLLINI, VÁSÁRY oder ARGERICH, um nur wenige zu nennen.


    Mit Deiner Beschreibung Deines Höreindrucks hast Du exakt die auch von mir festgestellten Attribute und Atouts des Spiels des Pianisten WITOLD MALCUZYNSKI herausgefunden und beschrieben: "Männliche Herbheit, Empfindsamkeit, unsentimental und doch poetisch, Noblesse, Klarheit, Intelligenz, Herausarbeiten der melodischen Bögen und dramatischen Spannungen, Verzicht auf übertriebene virtuose Brillianz". Treffender kann man die Tugenden dieses so individuellen CHOPIN-Interpreten kaum charakterisieren!


    So freue ich mich sehr, daß ich nun nicht mehr der einzige in diesem Forum bin, der versucht, diesen großartigen Pianisten der Vergessenheit zu entreißen und seine pianistische Leistung auch zu würdigen. Übrigens fühle ich mich auch angesichts der großen Würdigung seines Lebenswerkes, die in letzter Zeit der Dirigent JASCHA HORENSTEIN in zahlreichen höchst anerkennenden Beiträgen seitens unserer Foraner erfährt, in meinem wiederholten Plädoyer für diesen lange Zeit ebenfalls fast ignorierten singulären Dirigenten bestätigt.


    Viele Grüße


    wok

  • Heute traf bei mir die neue ICON - Box von Warner Classics (früher EMI) ein: „The Polish Master Pianist“.


    Die acht gut gefüllten CDs enthalten fast das gesamte eingespielte Repertoire (die unterstrichenen Werke sind nicht enthalten, sind wohl auch nicht für EMI eingespielt worden):


    J. S. Bach
    Chaconne
    Chromatic fantasie and fugue in D minor


    L. van Beethoven
    Sonata no. 23, Appassionata


    J. Brahms
    Piano concerto no. 1
    Intermezzo op. 118 no. 6
    Rhapsody op. 79 no. 2
    Variations and Fugue on a theme by Handel, op. 24


    F. Chopin
    Piano concerto. no 2
    Ballades 1-4
    Etudes op. 10 nos. 3, 12 - op. 25 no. 7
    Fantaisie in F minor
    Impromptu no. 1 in A flat major, op. 29


    Mazurkas nos. 5, 7, 15, 17, 20, 21, 22, 23, 25, 27, 32, 35, 41, 45, 47, 49
    Nocturnes nos. 7, 13, 15
    Piano sonatas nos. 2, 3
    Polonaises 1-6
    Scherzi nos. 2, 3
    Waltzes nos. 1-14


    C. Debussy
    La cathédrale engloutie
    Six préludes

    C. Franck
    Prélude, Chorale et Fugue


    F. Liszt
    Piano concerto no. 2
    Sonata in B minor
    Spanish Rhapsody


    I. J. Paderewski
    Cracovienne fantastique, op. 14 no. 6


    S. Prokofiev
    March from the Love for Three Oranges suite, op. 33a


    S. Rachmaninov
    Piano concerto no. 3
    Prélude in G major, op. 32 no. 5
    Prélude in G sharp minor, op. 32 no. 12


    A. Scriabin
    Etude in C sharp minor, op.42 no. 5
    Etude in D sharp minor, op. 8 no. 12


    K. Szymanowski
    Theme and variations in B flat minor, op. 3
    Etude in B flat minor, op. 4 no. 3


    P. I. Tchaikowski
    Piano concerto no. 1


    Gruß,


    Rainer


    P.S: Vielleicht verrät mir noch einmal jemand, wie die Bilder von jpc etc. hochgeladen werden können. Dann liefere ich das gerne nach.

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