Französische Orchester – Im Schatten der anderen?

  • Sieht man sich die Liste der zwanzig (angeblich) besten Orchester der Welt an, so fällt auf, daß sich kein einziges französisches darunter befindet. Wir haben ein niederländisches, mehrere deutsche, ein österreichisches, ein britisches, etliche US-amerikanische, drei russische, ein japanisches, ein ungarisches sowie ein tschechisches.


    Woher kommt es, frage ich mich, daß kein einziges französisches darunter ist?


    Die Beobachtung, daß Orchester der Grande Nation so relativ im Schatten der deutschen, österreichischen, englischen, amerikanischen, auch osteuropäischen stehen, machte ich schon des öfteren.


    Willkürliche Bewertungskriterien? Oder haben's die Franzosen wirklich nicht ganz so drauf wie die anderen? Fragen über Fragen. Was meint ihr?


    Hier noch eine Auflistung bedeutender französischer Klangkörper (unvollständig):


    - Orchestre de Paris
    - Orchestre National de France
    - Orchestre Philharmonique de Radio France

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich glaube, dafür gibt es vermutlich mehrere Gründe. Zum einen hat die französische Instrumentalmusik weder im 18. noch im 19 Jahrhundert Werke hervorgebracht, die heute zu den Spitzenreitern zählen. Die Oper überstrahlte alles. In gewisser Weise wirkt das noch heute nach. Leider ist aber auch die französische Oper in der Hintergrund geraten. Über die Gründe hierfür mag man spekulieren. Man mag sich fragen, was die hier behaupteten Dinge mit der internationalen Anerkennung französischer Orchester zu tun haben sollen - aber ich bin mir sicher, dass es so ist.
    Um diese Behauptung zu untermauern. erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass es viele hervorragende italienische Dirigenten - aber - von Opernorchestern abgesehen - kaum italienische Orchester von Weltrang gibt. Das wird aber durch die Präsenz italienischer Opern und italienischer Interpreten derart überspielt, dass es gar niemandem auffällt.
    Letzlich ist aber noch ein weiterer Aspekt bei der Fragestellung zu berücksichtigen: Wir sehen die "Klassikszene" von einem deutschen, bzw. österreichischen Standpunkt. Schon die britische und amerikanische Klassikkritik hat eine andere Sichtweise auf Prioritäten. Da die englische Sprache den meisten von uns vertraut ist, nehmen wir - wenn auch nur indirekt und mit kritischer Distanz an deren Wertesystem teil. Die französischen Klassikzeitungen und ihre Kritiker mögen manches anders sehen - aber ihr Einfluss auf die deutschsprachige Klassikwelt ist eher marginal....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich glaube, dafür gibt es vermutlich mehrere Gründe. Zum einen hat die französische Instrumentalmusik weder im 18. noch im 19 Jahrhundert Werke hervorgebracht, die heute zu den Spitzenreitern zählen. Die Oper überstrahlte alles.


    Lieber Alfred,


    das mit der Dominanz der Oper ist sicher richtig. Die "Verachtung" von Instrumentalmusik in Frankreich bekam selbst noch ein Gabriel Faure zu spüren, als er keinen Verleger für seine Sonate für Violine und Klavier fand. Aber natürlich gehört ein Hector Berlioz z.B. mit seinen Instrumentalwerken zu den "Spitzenreitern" (die "Symphonie fantastique" ist wohl eines der meistgespielten symphonischen Werke) - auch wirkungsgeschichtlich in Richtung Deutschland, wenn man an Franz Liszt denkt. Wenn man an das 20. Jahrhundert denkt, dann sollte man z.B. das Ensemble intercontemporain nicht vergessen - eines der weltweit führenden in Sachen Neuer Musik. Und auch andere Orchester außerhalb von Paris, z.B. das Orchestre Nationale de Capitole de Toulouse hat sich, nicht zuletzt durch seinen langjährigen Leiter Michel Plasson - einen hervorragenden Namen gemacht.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Bei der Durchforstung des Forums stoße ich immer wieder auf Threads, die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung die Akzeptanz, bzw das Interesse der damaligen Mitglieder nicht erreichen konnten. Die Grümde dafür mögen vielfältig sein. Oft war es nur ein alles überstrahlender Regietheatherthread der die Aufmerksamkeit der Foriner für sich beannspruchte und alles in seinen Bann zog... :untertauch::stumm:
    Oft aber waren es auch andere Gründe. Französische Orchester sollten eigentlich ein Thema sein, das ein wenig Abwechslung bringt und auf gewisse Aufnahmen aufmerksam machen kann, von denen dann die eine oder andere in den Sammlungen landet.
    Vielleicht liegt es aber doch an dem Repertoire, das man im deutschen Sprachraum üblicherweise bevorzugt ??
    Man mag einwenden, daß englische und amerikanische Orchester sehr gut vertreten sind. Das hat IMO mit dem Sitz einiger sehr dominierenden Schallplattenfirmen zu tun. Italienische Orchester sind eigentlich auch nur im Zudammenhang mit der Oper von weltweiter Bedeutung....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !