Dieses Thema ist eigentlich etwas verfehlt, weil hier ja um Aufnahmen von Chormusik gehen soll und nicht um Vorschläge für singbare Stücke. Ich rette mich damit, dass die meisten guten Chöre ihre Konzerte ja auch aufnehmen.
Der Anlass für dieses Thema ist die Chormesse in Dortmund im September. Dort sang der Kölner Rundfunkchor das Eröffnungskonzert mit einem sehr gut überlegten Programm. Im ersten Teil ging es darum, was die Sängervereine im 19. Jahrhundert hätten singen können (Brahms, Schumann usw.) und was sie gesungen haben (Silcher, vaterländische Chorwerke). Der Kölner Rundfunkchor ist ein sehr gut ausgebildeter Chor, der alles singen kann, besonders aber moderne und allermodernste Musik. Das aber ist sein Problem, wie in diesem Konzert (das ich aus dem Radio aufgenommen hatte) deutlich wurde. Der Kölner Rundfunkchor ist spezialisiert auf schwierigste moderne Musik, die aber auch in langen Proben eingebübt werden muss. Im Klartext: an den Brahms Chorwerken hörte man, dass die Werke nicht frisch, leicht und ausgewogen klingen, sondern angestrengt und zu dick (das Alter der unkündbaren Sänger spielt wohl auch eine Rolle). Zum Vergleich empfehle ich z.B. weltliche Gesänge von Brahms mit dem Harvestehuder Kammerchor. Ich behaupte mal, dass das exzessive Singen von moderner Musik den Kölner Chor seiner Frische beraubt hat, romantische und barocke Chormusik schön zu singen (klar, sehr subjektive Meinung!). Übrigens: seine Qualitäten im Singen der WDR - Opern und der großen Sinfonien mit Chor (großartig z.B. die Psalmensinfonie) sind ungebrochen, das will ich deutlich sagen!
Auf das Programm will ich weiter nicht eingehen, es enthielt eine komische Pointe am Schluss. Das letzte Stück sollte der Chor selbst bestimmen. Die Einigung war offensichtlich schwierig, denn der Chorleiter hatte wohl vorher vergessen zu sagen, dass es ein lebender Komponist sein müsste. Und was war wohl das Lieblingsstück des Chores? Irgendwas Modernes, was sie vorher gesungen oder uraufgeführt hatten, also Hölszky, Riehm, Rihm, Nicolaus Huber (zB. "Betäubte Fragmente")? War es Olga Neuwirth, Xenakis, Henze, Stockhausen, Nono, Boulez, Berio, Eötvös, Zimmermann, Penderecki? Nichts davon, es war - ARVO PÄRT! Zusätzlich sagte der Moderator, der Chor hätte sich für ein "sangbares Stück" entschieden. In der Tat, das ist Arvo Pärt. Die Noten sind leicht, schwierig ist bei bei ihm, dass man absolut intonationsrein singen muss. Das Stück "Nunc dimittis" wurde gut gesungen, aber unser Vokalensemble hat das "Salve regina" von Pärt letztes Jahr genauso gut gesungen.
Nun aber zum Thema selbst, denn das war nur die Einleitung! Alle die Komponisten, die ich oben genannt habe (also ab Olga Neuwirth usw.), sind häufig auch für gut trainierte Vokalensembles zu schwer oder zu unbefriedigend, nicht "sangbar", wie der Moderator sich ausdrückte. Aber welche Literatur des 20./21. Jahrhunderts ist denn "sangbar/singbar"? (Schwer und dissonant darf sie ruhig sein!)
Hier einige Vorschläge, die ich in diesem Forum z.T. schon gemacht habe. Gedacht ist an eine schöne Liste, die ich meinem Chorleiter (oder ihr eurem) in die Hand drücken kann.
1. Paul Ben-Haim, Roni Akara
2. Ernst Pepping, Jesus und Nikodemus
3. Benjamin Britten, Hymn to St. Cecilia
4. Penderecki, Agnus Dei
Eine Beschreibung befindet sich in meinem Thema "Dr. Pingel´s liebste Chorwerke". Hinzufügen würde ich noch:
5. K.A. Hartmann, Friede 48, ein expressives, schweres Werk auf Texte von Gryphius, für Sopran, 4st. Chor und Klavier (hier habe ich eine tolle Aufnahme - vom KÖLNER RUNDFUNKCHOR mit Renée Fleming!)
6. Sehr singbare Werke schreiben die Skandinavier, z.B. Knut Nystedt ("Immortal Bach") oder Lars - Johan Werle ("Canzone 126 di Petrarca")
7. Sehr wiederbeleben sollte man Hugo Distler, dazu hat hier im Forum der verehrte zweite bass einiges geschrieben.