Schubert: Symphonie Nr. 3 D-Dur D 200 – Der Beginn eines persönlichen Stils?

  • Bisher gibt es an Einzelthreads zu Schubert-Symphonien:


    Sinfonie eines Pubertierenden ? Franz Schubert: Sinfonie Nr 1 in D-dur D 82
    Franz Schubert: 2. Sinfonie B-Dur - die Liebe und das Mädchen
    Schubert: Symphonie Nr. 4 c-Moll D 417 "Tragische" – Beiname verfehlt?
    Schuberts fünfte Symphonie - "ein schwacher Abguß von Mozart" ?
    Franz Schubert: Sinfonie Nr 6 in C-Dur D 589
    Franz Schubert: Sinfonie Nr 8 h-moll D759 "Unvollendete"
    Auf den Spuren von Beethoven? - Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-Dur, D 944 "Die Große"


    Entstanden ist Schuberts 3. Symphonie im Jahr des Wiener Kongresses, 1815, jedoch erst 1881 (!) wurde sie erstmals öffentlich aufgeführt, und zwar in London.


    Die zeitgenössische Kritik war gespalten. Während Brahms' den Jugendsymphonien Schuberts generell keinen besonders hohen künstlerischen Wert bescheinigte, sah die englische Presse in der Dritten durchaus die Fortentwicklung eines eigenen Stils und somit eine Loslöung von Mozart und Haydn.


    Relativ gesehen wurde die 3. Symphonie von den ersten vier vielleicht am häufigsten einzeln, also nicht im Rahmen einer Gesamtaufnahme, aufgenommen. Berühmte Dirigenten wie Carlos Kleiber und Günter Wand führten sie des öfteren auf.


    Sätze:


    1. Adagio maestoso - Allegro con brio
    2. Allegretto
    3. Menuetto. Vivace - Trio
    4. Presto vivace



    Wie schätzt ihr dieses Werk ein? Welche Aufnahmen sind eures Erachtens zu empfehlen?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • SCHUBERT's 3. Symphonie entsstand vom 24. 05. - 19. 07. 1815, eine beeindruckende Leistung für einen Achtzehnjährigen! Sie wurde vermutlich von einem Liebhaberorchester aus SCHUBERT's musizierendem Freundeskreis uraufgeführt. In ihr kommt noch nicht der später so unverkennbare Schubertstil zum Tragen, der sich dann schon in seiner nächsten Symponie, der 4. abzeichnet. Die großen Vorbilder Haydn und Mozart werden hier noch deutlich spürbar. Die Schauer, die SCHUBERT's Werke in späteren Jahren immer häufiger durchziehen, treten hier noch nicht zu Tage, und SCHUBERT dürfte sich hier einer noch weniger belasteten Stimmungslage erfreut haben. Auf die komplette Erstauffürhung dieses Werkes mußte die Musikwelt bis zum 27. Oktober 1877 warten. Sie fand unter August Manns im Londoner Kristallpalast statt.


    Als VACLAV NEUMANN diese Symphonie mit der TSCHECHISCHEN PHILHARMONIE bei Supraphon aufnahm (Zusammen mit der "Unvollendeten", griff ich damals sofort zu und erstand diese mich sehr überzeugende Interpretation 1970. Ich kann diese Aufnahme nur jedem SCHUBERT-Liebhaber empfehlen, doch dürfte diese auf CD vermutlich nicht vorliegen, und man müßte versuchen, diese als LP antiquarisch zu erstehen.


    Viele Grüße


    ,

  • Einführungstextlich wurde das Wichtigste zu dieser Sinfonie bereits gesagt. Ältere Konzertführer schenken den Sinfonien Nr 1-4 von Schubert kaum Beachtung und handeln sie - wenn überhaupt - sehr pauschal ab. Diese bekannte Tatsache wird in neueren Werken dieses Genre zu recht als Arroganz und Ignoranz gegeisselt, und ebenfalls wird erwähnt, daß sich die großen Dirigenten von dieser falschen Einschätzung niemals haben irritieren lassen, immer wieder standen diese Frühwerke auf den Spielplänen. Im Konzertführer von Cyampai und Holland wird auf die stellenweise Atmosphäre einer Tanzveranstaltung der Wiener Vorstadt und auf den "Ländler" hingewiesen, und überhaupt werden dem jungen Komponisten Rosen gestreut, ebenso der britsche Musikkritiker Geoffrey Crankshaw (1912-2009) welcher als einer der wenigen, auch die frühen Sinfonien Schuberts einer, wenn auch kurzen Besprechung für würdig befunden hat.


    Im Falle der Dritten tu ich mich eigentlich recht schwer, wenn ich Blomstedt mit Böhm vergleiche. Prinzipiell klingt Blomstedt einen Hauch dramatischer, bei Böhm ist es die unvergleichliche Harmonie - bei ungebremstem Temperament (!!) - die diese Dritte so einzigartig macht.


    Weil aber - nicht nur hier - immer wieder behauptet wird, Schubert habe sich hier ab der dritten von seinen Vorbildern gelöst - so bemerke ich leise, daß mich zumindest der erste Teil des zweiten Satzes doch sehr an Haydn erinnert. (Bei Böhm fast ein wenig schüchtern, bei Blomstedt sachlicher) Auch möchte ich meinem Entzücken über den zweiten Teil des dritten Satzes (mit dem Bläserpart) an dieser Stelle Ausdruck verleihen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich mag die dritte Symphonie sehr, ihre Heiterkeit und ihr tänzerischer Schwung muten für mich schon anders an als Mozart und Haydn. Dabei gibt es auch immer wieder Momente einer verhaltenen Spannung, eines geheimnisvollen, dunklen Untertons, der ganz kurz aufblitzt; zumindest macht dies Lorin Maazel immer wieder hörbar. Auch klangtechnisch eine sehr gelungene, erfreuliche Aufnahme, die als live-Mitschnitt einen wunderbaren Einblick in Schuberts symphonisches Schaffen gewährt.


  • Die dritte ist einer meiner Favoriten unter den frühen Schubertsinfonien, weil es sich hier um ein originelles, anscheinend bewusst unprätentiöses Werk handelt. Außer dem Kopfsatz sind alle Sätze sehr leicht und humorvoll gehalten; der 2. Satz ist noch weniger als in einer der anderen ein "langsamer" Satz.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wenn man in einem Schubert-Thread aktiv ist, wo dessen Leben in Briefen, Zeitzeugnissen, zeigtgenössischen Kritiken und nicht zuletzt Abbildungen dem Mitleser ersatunlich nahe gebracht wird, dann landet man früher oder später bei den Aufnahmen seiner Werke.
    Ich habe mir für heute die Sinfonie Nr 3 in D.dur D200 ausgesucht und angehört. Ein kurzer Eintrg bei "Was hört ihr gerade jetzt" - und das wars dann schon.
    Man könnte den Beitrag dann noch mit ein paar Bemerkungen garnieren, Ist aber schade drum. Also suchen wir den Spezialthread auf.
    Gehört habe ich die 3, Sinfonie - von der Johannes Roehl schrieb, sie wäre einer seiner Favoriten unter den frühen Schubert Sinfonien (was ich gut nachvollziehen kann) in einer Aufnahme des Royal Symphony Orchester unter Sir Thomas Beecham. Eigenartigerweise wurde die von einem englischen Orchester gespielte, vom Engländer Thomas dirigierte und von legendären englischen Toningenier Christopher Parker tontechnisch verantwortete Aufnahme angeblich im Salle Wagram in Paris aufgenommen, im gleichen Satz werden die Londoner Abbey Road Studios (Studio Nr 1 ) genannt. Vielleicht waren dort die Postproduktion (?)


    Beechham verleiht der Sinfonie schon zu Beginn Beethovensche Wucht, oder das was man sich oft darunter vorstellt. Aber trotz des Dunklen Monumentalen Beginns ist es doch ureigenster Schubert, der immer einen Schuß Leichtigkeit oder einen lieblichen ins Monumentale mit einbringt


    Im zweiten Satz ist das Vorbild Haydn nicht zu überhören, aber auch hier dominert plötzlich Schuberts ureigne eingängige Tonsprache, vermutlich eher ungewollt vom Komponisten. Der Satz endet daher wieder im Haydn- affinen Stil.


    Der dritte Satz das Menuet wird von Barbirolli auch eher relativ "wuchtig" interpretiert, zumindest bis zur Mitte des Satzes, danch folgen Soloeinlagen, betörend schön gespielt und sehr wirkungsvoll. Beecham lotet die Balance optimal aus


    Mit überraschend hohem Tempo startet Beecham den Finalsatz, eher auf furioso getrimmt, denn als Leichtigkeit



    Ich würde sagen, wer diese Interpretation Beecharts gehört hat, der würde nie auf die Idee verfallen diese Sinfonie als "Jugendwerk" abzuwerten. Schubert war, als er dies Werk komponierte, 18 Jahre alt, zwei Sinfonien waren schon vorangegangen. Es werden immer Einflüsse genannt, unter anderm Haydn, Mozart, Cherubini und Mehul. Der von mir teilweise gehörte Beethoven (!. Satz !!) wird indes nicht erwähnt, oder nur indirekt, wird doch Mehul auch als der "französische Beethoven" bezeichnet. Aber trotz allen Einflüssen - Schuberts "Dialekt" lässt sich nicht verleugnen, selbst wenn er es gewollt hätte.


    Ein wunderbares, sehr eingängiges Werk mit hohem Wiedererkennungswert, das ich ohne Zögern auf eine Stufe nebern Beethoven stellen würde.... (man steinige mich bei Bedarf....)


    Wir verdanken diese Sinfonie übrigens neben Schubert aus dem britischen Musikschriftsteller Sir Georg Grove der zusammen mit seinem Freund Arthur Sullivan 1867 nach Wien reiste um nach Schubert Manuskripten zu suchen...Und sie fanden:"I found, at the bottom of the cupboard, and in its farthest corner, a bundle of music-books two feet high, carefully tied round, and black with the undisturbed dust of nearly half-a-century. …"



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !