Hörerfahrungen - Hörerwartungen

  • Hallo


    Heute habe ich in diesem Forum in Bezug auf Smetanas "Ma Vlast" folgendes gelesen


    Zitat

    um so mehr hatte ich das Gefühl, durch einen recht zähen musikalischen Brei zu waten

    .


    Bezogen war des auf jene Teile, die eben NICHT die "Moldau" waren.
    Als ich über das Problem nachdachte, erinnerte ich mich, daß es mir vor etlichen Jahren, beim erstmaligen Hören des Werkes ähnlich ergangen war - Heute kann davon natürlich keine Rede mehr sein.


    Aber geht es uns nicht oft so, mit Werken, die außerhalb unserer Hörerwartungen liegen ?


    Finden nicht etliche die englischen Komponisten des 19. Jahrhunderts
    langweilig? Wie schauts da mit den Skandinaviern und den (unbekannten) Russen aus ? Woran liegt das? Dvoraks Sinfonien, klammert man die letzten beiden mal aus, sind ja auch nicht grade oft gespielt von Suk und Fibek gar nicht zu reden.




    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hatte ich doch gewußt, dass ich mit obiger Formulierung Gefahr laufe, in die Stilblüten-Sammlung des Forums einzugehen :D :D :D


    Das Phänomen, das Alfred hier anspricht, ist in der Tat eines, dessen auch ich mir bewußt bin, weshalb ich obige Charakterisierung auch durch den Zusatz

    Zitat

    Na, vielleicht muss ich mir die Aufnahme erst noch ein paar Mal anhören, bis ich sie richtig würdigen kann.


    relativiert hatte.


    Das war in der Tat so genauso gemeint, wie ich es geschrieben hatte. Ich bin, wie schon erwähnt, immer noch ein, inzwischen vielleicht schon etwas informierterer, Anfänger auf dem Gebiet der klassischen Musik. Und eine der Grundregeln, die sich bei dem Prozeß, klassische Musik kennenzulernen, irgendwie gleich zu Beginn fast automatisch ergab, war die, einem (für mich) neuen Werk immer eine zweite und dritte Chance zu geben, wenn es sich mir nicht auf den ersten Blick (oder besser: beim ersten Hören) erschließt.


    Dass ich ein Werk, das mir beim Ersthören nicht alllzu viel gesagt hatte, beim zweiten oder dritten Hören auf einmal verstand, dass man sich in die spezifische musikalische "Sprache" eines Werkes unter Umständen zunächst einmal einhören muss, war das für mich eine ziemlich verblüffende Erkenntnis. Und bei den hier in Frage stehenden Werken handelte es sich um absolutes anerkanntes Kernrepertoire der klassischen Musik, nicht etwa um sonderlich moderne oder abseitige Werke.


    Eine weitere Erfahrung die ich gemacht habe ist die, dass mir manchmal, angeblich hochrangige (Grammophon/ Penguin Guide/ einhellige Meinung des hiesigen, hochverehrten Forums) Interpretationen einfach nicht liegen, dass sie es nicht schaffen, mir das Werk zu erschließen. Da sitze ich dann, nach dem Erst-, Zweit, und Dritthören da und frage mich "Und das soll wirklich ein großes Werk der Musikgeschichte sein?". Und dieser Eindruck legt sich auch nicht wenn ich die CD immer mal probeweise wieder anhöre. Um die zwei markantesten Fälle zu nennen, das waren bei mir Beethovens 5. und 7. Symphonie in der Aufnahme mit Carlos Kleiber, und Beethovens 3. und 4. Klavierkonzert mit Perahia / Haitink / Concertgebouw.


    Und bei Holst's Planeten in der EMI-Great Recordings of the Century Aufnahme mit Boult als Dirigenten hatte ich das merkwürdige Gefühl, dass einige der Planeten wirklich ganz beeindruckend waren, es den anderen aber irgendwie an Spannung fehlte. Bis ich dann das große Aha-Erlebnis hatte als ich zufällig die Dutoit/Montreal Aufnahme desselben Werkes zum Geburtstag geschenkt bekam: Wumm - da waren auf einmal alle Planeten schillernd, fazinierend und atemberaubend spannend.


    Weshalb ich nunmehr bei Werken, zu denen ich wirklich keinen Zugang zu bekommen scheine, ein geistiges Fragezeichen hinter die Interpretation mache - zwar habe ich in diesem Stadium meiner Sammlung noch eine Abneigung gegen vorsätzliche "Doppelbesetzungen" :D, aber bei solchen Werken mache ich, wenn es sich ergibt, eine Ausnahme.


    Dementsprechend war ich neugierig, als ich mir zur Abdeckung der "weniger berühmten" Beethoven-Symphonien eine Gesamtaufnahme zulegte, wie die darin enthaltene 5. und 7. auf mich wirken würden. Und, um es kurz zu machen: es hat geschnackelt! Das Merkwürdige dabei ist, dass die von mir gewählte Gesamtaufnahme, nämlich die mir den London Classical Players unter Roger Norrington, z.B. hier im Forum nicht sonderlich geschätzt wird. Für mich aber ist sie (das gilt auch für die meisten der anderen Symphonien, vielleicht mit Ausnahme der 9.) ziemlich ideal. Es ist so, als ob ich in dieser Aufnahme auf Originalinstrumenten die Struktur der Werke viel bewußter wahrnehmen kann - auf einmal habe ich sie "verstanden" und damit auch genossen. Ähnlich ging es mir mit den genannten Beethoven Klavierkonzerten als ich sie in der Version mit Wilhelm Kempff und den Berliner Philharmonikern unter Ferdinand Leitner erwarb (wobei mir das 5. Klavierkonzert wiederum mit Perahia besser gefällt).


    Das für mich ein wenig Aberwitzige dabei ist, dass ich mir bewußt bin, dass diese "Hörerfahrungen" sehr subjektiv sind (und auch ich selbst unter Umständen eine Interpretation mit zunehmender Erfahrung / Kenntnis / Alter durchaus anders einschätzen werde), aber dass meine Hör-Präferenz zwischen zwei angeblich erstklassigen Aufnahmen zu diesem jetzigen Zeitpunkt so massiv sein kann, dass sie den Unterschied zwischen "ein Werk verstehen und in es eintauchen" auf der einen Seite und "es tut mir leid, ich weiss ja dass das angeblich ein Meisterwerk sein soll, aber mir gibt es einfach nichts" auf der anderen Seite bedeutet.


    Was Smetana angeht - die Aufnahme ist noch in der "Erprobungsphase", zu neu um schon ein definitives Urteil zu fällen, aber vielleicht werde ich ja Ma Vlast dann irgendwann doch zu der Liste möglicher Doppelanschaffungen im Hinterkopf hinzufügen...


    Gruß


    katlow

  • Salut,


    nur eine vage Vermutung und auch mit der Wahrscheinlichkeit, dass ich am Thema vorbeirede:


    Ich denke [das ist ja schon mal was!], es liegt sehr viel an der jeweiligen Mentalität dieser "fremden" Länder wie Russland, Schweden... zunächst einmal "muss" man die Menschen dort, die Lebensweisen, Schicksale, Mentalität "kennen", um zu verstehen, wie Komponisten in ihren Werken "reagieren". Ma Vlast ist hier ein gutes Beispiel, denn es spiegelt die Idyllen und Unidyllen eines "Vaterlandes" wieder.


    * * *


    Soeben hat katlow mir "dazwischengefunkt" und seine Erklärung abgegeben. Katlow: Ich denke schon, dass das Wer spielt Was bei der Erschliessung eines neuen Werkes eine sehr große Rolle spielt. So, wie Du es selbst darstellst: Man nehme eine andere Aufnahme und schon "schnackelts".


    Vielleicht geht es zunächst darum, die persönliche "Note" eines bis dato unbekannten Komponisten zu erkennen, zu erfahren und dann zu mögen, gar zu lieben oder eben nicht. Dann folgt evtl. die Spezifikation auf einzelne Werke dieses Komponisten und dann erst - die Einspielung. Wobei natürlich in vielen Fällen die erste Bekanntschaft mit einem Komponisten über ein Werk erfolgt, dass einem mehr oder weniger zusagt. Jedenfalls ging es mir so - die "beste" Einspielung ist mir nichts wert, wenn ich das Stück oder den Komponisten nicht mag. So habe ich meine Erfahrungen mit Joseph Martin Kraus gemacht; entdeckt als "Schwedischer Mozart" - sofort gekauft und für "doof" gefunden. Heute weiß ich, dass es an der Einspielung lag, an nichts sonst. Es sind bewundernswerte Schöpfungen und die Parallele zu Mozart muss man einfach auf die Ähnlichkeiten der Lebensdaten beschränken.


    sans, souci
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    Zuerst antworte ich mal Katlow, der sich ja recht rar macht, aber dann doch beweist, daß er von "der Sache" mehr versteht , als er selbst glaubt. ;)


    Beginnen wir mal beim zitierten Satz:


    Zitat

    um so mehr hatte ich das Gefühl, durch einen recht zähen musikalischen Brei zu waten


    Das ist keine Stilblüte, somdern eine sehr subjektive Meinungsäußerung, das Subjektive dezidiert betont durch "hatte ich das Gefühl", somit nicht polemisch - zudem wurde hier was offen ausgesprochen, was die meisten an anderer Stelle auch schon mal irgendwie empfunden haben.
    (Die meisten haben es natürlich verschwiegen :stumm: )


    Zitat

    Dass ich ein Werk, das mir beim Ersthören nicht alllzu viel gesagt hatte, beim zweiten oder dritten Hören auf einmal verstand, dass man sich in die spezifische musikalische "Sprache" eines Werkes unter Umständen zunächst einmal einhören muss, war das für mich eine ziemlich verblüffende Erkenntnis. Und bei den hier in Frage stehenden Werken handelte es sich um absolutes anerkanntes Kernrepertoire der klassischen Musik, nicht etwa um sonderlich moderne oder abseitige Werke


    Das Phänomen des Ersthörens erklärt letztlich ja auch, warum schon in den vergangenen Jahrhunderten heute hochangesehene Werke vom Publikum (und von der Kritik) der Uraufführung abgelehnt wurden - speziell dann, wenn das Werk nicht den "Erwartungen" entsprach-
    Siehe Thread über Bruckners Sinfonie Nr 3


    Zynisch formuliert könnte man sich übrigens die Frge stellen, warum die "Moldau" immer wieder aus "Ma Vlast" ausgekoppelt und extra wiedergegeben wird, die anderen Teile des Werksa aus dem "anerkannten Kernrepertoire" jedoch nicht - oder kaum....


    Zitat

    Eine weitere Erfahrung die ich gemacht habe ist die, dass mir manchmal, angeblich hochrangige (Grammophon/ Penguin Guide/ einhellige Meinung des hiesigen, hochverehrten Forums) Interpretationen einfach nicht liegen, dass sie es nicht schaffen, mir das Werk zu erschließen

    .


    Diese Erfahrung habe ich vor Jahren auch gemacht. Mein Erklärungsversuch für dieses Phänomen tendiert dahin, daß
    "insider" mit der Zeit einen etwas überspitzten Geschmack
    entwickeln, der sie auf Feinheiten achten lässt, aber den
    "großen Bogen" des Werks vernachlässigt.
    Ich gehe davon aus, daß in Redaktionen von Klassikzeitschriften
    (und auch in Internetforen) vorrangig Leute sitzen, die das
    besprochen Werk schon 10 mal im Schrank haben, und nun
    auf etwas "Spezielles" warten. Wenn das vorhanden ist, wird gelobt.


    Doppel- und Dreifachkäufe (von Zehnfachkäufen rede ich erst mal gar nicht) entstanden ja bei uns allen nicht unbedingz aus dem Wusch der Geldvernichtung heraus- sondern aus dem Umstand, daß jede (gute) Einspielung andere Aspekte des Werkes aufzeigt. Das Phänomen. daß Du erkennst, daß eine jahrelang mißachtete und ungeliebte Aufnahme eines Werkes plötzlioch zu Deiner Lieblingsaufnahme avanciert hast Du offenbar noch vor Dir.


    Die Norringon Aufnahme mit den London Classical Players ist IMO nicht so unbeliebt, wie Du es beschreibst. Wenn ich mir richtig entsinne hat Claus Huth sie gelobt, ich mag sie auch, allerdings ist sie nicht "mein" Beethoven, der liegt bei Karajan, Böhm und Jochum und Klemperer.
    Norrington nimmt Beethoben das wuchtig-Erhabene, da bleibt nicht viel titanenhaftes übrig. Norrington erklärt das immerhin schlüssig im Beiheft.
    Die Zwischenstimmen sind fantastisch durchhörbar. BTW: Vielleicht solltesd Du in den diversen Beethoven Threads - es gibt etliche deine subjektiven Eindrücke schildern - denn nichts anderes ist möglich.


    Ich würde Dir mal raten bezüglich "Ma Vlast" in die (übrigens spottbillige) Aufnahme aus der Karel Ancerl Edition hineinzuhören



    Ich nehme an, der Thread wird sich gut entwickeln und werde weitere Aspekte des Themas in der Folge aufgreifen und zu beleuchten versuchen


    freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    es gibt zweierlei Arten von 'Hörerwartung':


    Werke von denen man eine Hörerfahrung hat. Da hat man Angst, daß die persönliche Interpretation zerstört wird.


    Werke aus einem bestimmten Kulturkreis. Ich persönlich verdrehe die Augen, wenn ich ein Tschaikowsky-Werk hören muß. Die Musik der 'Russen': Sie ist überhaupt nicht mein Ding :)


    Aber: Welchen Sinn haben Hörerwartungen überhaupt? Dienen sie nur der Schärfung des persönlichen Profils? Ist der Begriff der Hörerwartung nicht an sich lächerlich, weil er schon ein 'nichterwartet' erwartet?


    Danke fürs Lesen meines Gestammels,


    Oliver

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  • Zitat

    Werke von denen man eine Hörerfahrung hat. Da hat man Angst, daß die persönliche Interpretation zerstört wird.



    Salut Oliver,


    ich glaube, so extrem ist das vielleicht nicht; jedenfalls nicht bei mir. Problematisch ist jedoch, wenn man sich an eine präferierte Interpretation gewöhnt hat, vielleicht weil es über Jahre die einzige war, die man kannte, und plötzlich wird man mit einer anderen konfrontiert. Ebenso plötzlich klingt alles falsch... Wer macht sich dann schon die Mühe, zu eruieren, was nun tatsächlich "richtig" ist, sofern man es überhaupt "kann"...? Und dann noch die fatale Feststellung, dass man vielleicht jahrelang das "Falsche" gehört hat? Das ist schon ein größerer Sprung über den eigenen Schatten...


    Zitat

    Werke aus einem bestimmten Kulturkreis. Ich persönlich verdrehe die Augen, wenn ich ein Tschaikowsky-Werk hören muß. Die Musik der 'Russen': Sie ist überhaupt nicht mein Ding :)


    Mir geht es da zugegebener Maßen ganz ähnlich, was Tchaikowsky und Zeitgenossen betrifft. Aber ist es nicht eher der Stil als das "Russische"? Was ist z.B. mit Maxim Beresowski [27.10.1745 in Gluchow - 2.4.1777 in Petersburg], er komponierte unter anderem Demofoonte, Opera seria in 3 Akten nach Metastasio, 1773, Uraufführung: Livorno 1773. Oder Dmitri Bortnjanski [1751 in Gluchow - 10.10.1825 in Petersburg]. Er komponierte 5 Opern, z.T in frz. Sprache, ein Klavierkonzert und Kammermusik. Oder das Bratschenkonzert von Iwan Chandoschkin [1747 in Petersburg -30.3.1804 in Petersburg]? Ebenso gibt es zahlreiche Barockkomponisten, die noch wiederentdeckt werden müssen. Ohne es mir [leider] zu merken, habe ich irgendwelche dieser Werke gehört - da ist kaum ein Unterschied zu den "Wiener Klassikern" zu finden.


    Zitat

    Aber: Welchen Sinn haben Hörerwartungen überhaupt? Dienen sie nur der Schärfung des persönlichen Profils? Ist der Begriff der Hörerwartung nicht an sich lächerlich, weil er schon ein 'nichterwartet' erwartet?


    Eine sehr interessante Frage - meiner Meinung nach in ihrer Beantwortung ziemlich nach dem persönlichen Lebensstil zu beantworten: Ist man Optimist oder Pessimist? Wenn man nicht gleich alles, was "anders" ist, als "Mist" bezeichnet, sondern ein wenig offen ist für Neues, kann man sich vielleicht irgendwann einmal ein Bild von einer "richtigen" oder "falschen" Interpretation machen. So zumindest geht es mir.


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Und weil das Thema eigentlich hochaktuell ist hole ich den alten Thread wieder nach oben, der bisher - wie ich meine - unter seinem Wert geschlagen worden ist.....
    Hörerwatungen können sich auf Interpretationen beziehe - aber natürlich auch auf Instrument (historisch oder modern) bzw auf Musikgattungen. Hier kann man drüber nachdenken warum die englischen und nordischen Sinfonien so spät fuß bei uns fassten, bzw welche Erwartunghaltung ihr mit dem Begriff "Sinfonie" oder "Streichquartett" , Klavierkonzert etc. verbindet...


    "Hörerwartungen" kann man auch auf einen einzelnen Komponisten oder eine Epoche beziehen.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit Hörerwartungen ist es ja immer so eine Sache...sie können sehr tückisch sein. Gerade, die hier schon angesprochene "Gewöhnung" an eine bestimmte Interpretation eines Werkes kann da manchmal im ersten Moment wie ein Hemmschuh sein, wenn man eine neue Interpretation hört, weil man evtl. nicht mehr ganz offen ist für das "Andere" und nur die Stellen hört, die anders sind, aber auf unangenehme Weise, wie herauspicken der Unterschiede, anstatt sich erstmal auf den Ansatz an sich einzulassen.
    Eine andere Hörerwartung betrifft ja auch die Zeit oder Gattungen, also aus welcher Zeit ein Werk stammt, meist, wenn man schon Stücke aus der gleichen Zeit kennt, hat man, zumindest ich, eine gewisse Erwartung, dass es ähnlich klingen wird... das sowas auch ins Negative ausschlagen kann merkt man an solchen negativen Erwartungshaltungen, wie (nur als Beispiele) "Romantik ist mir schwer", "Verismo-Opern sind nur Effekhascherisch und oberflächlich", "Barock klingt langweilig" oder "Neue Musik klingt nicht nach Musik" usw.
    Ich weiß zum Beispiel, dass es mir da oftmals eben mit Barock und Klassik (also Wiener Klassik) so geht, manchmal erwische ich mich regelrecht dabei, wie ich schon von vorneherein versuche abzublocken...anderseits, habe ich mal mit einer Salieri-Oper eine echte positive Überraschung erlebt.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Mit Hörerwartungen ist es ja immer so eine Sache...sie können sehr tückisch sein.


    Da ich mich fast ausschließlich mit dem Genre Kunstlied befasse, ist das bei den vertonten Gedichten immer so eine Sache. Man kennt den Text der bekannten Werke, zum Beispiel „Erlkönig“ oder „Wanderers Nachtlied“, und ist dann mit den Schubert-Interpretationen groß geworden und hat diese Musik im Ohr, meinte vielleicht zu Beginn seiner „Hörerkarriere“ auch, dass es nur diese Möglichkeit gäbe. Irgendwann taucht dann Carl Loewe auf, der sich dieser Texte auch angenommen hat, und schon klingt das etwas eigenartig fremd (obwohl das auch anerkannt gute Kompositionen sind) Dann hört man den „Erlkönig“ noch von Hüttenbrenner und Tomaschek …


    So ein Hörprozess zieht sich normalerweise über viele Jahre hin und man wird nie erfahren wie es gewesen wäre, wenn man zum Beispiel die Hüttenbrennerversion als erste gehört hätte.

  • Für mich ist es immer die allerbeste Möglichkeit, ein Stück zum ersten Mal live zu hören. Da gefällt mir auch fast alles ;) , Jedenfalls bin ich da eigentlich noch nie enttäuscht worden. Selbst wenn irgendein Jugendorchester etwas zum Besten gibt und es geschehen ein paar Fehler, so packt es mich doch meistens, Das ist bei einem einsamen Erlebnis mit einer CD beileibe nicht immer der Fall. Wenn ich dann so ein Stück kennengelernt habe, kann ich es mir gut auf Konserve anhören, wobei dann die Unterschiede schon eine starke Bedeutung kriegen, allerdings nicht die, die sie hier im Forum haben. (Das kann an meinem mangelnden Wissen liegen).
    Bei ma Vlast hat das z.B. auch gut geklappt. Natürlich kannte ich die Moldau, vom Rest wusste ich gar nicht. Dann spielte mein Orchester :love: das, und schon war alles gut. (Aber richtig oft höre ich es auf CD wohl immer noch nicht. )
    Aber dieses direkte Empfinden bei einem selbsterlebten Auftritt lässt sich in so einem Forum wohl auch nur sehr begrenzt diskutieren.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Nun - es ist natürlich so, daß es etwas anderes ist ob man ein Stück zum ersten oder zum 33. mal hört.
    Dazu kommt noch, daß es Werke gibt, über deren Lesart ein weitgehender Konsens herrscht - die meisten Aufnahmen klingen ähnlich - zumindest, dann wenn sie zeitnah eingespielt wurden. Bei anderen Werken gibt es verschiedene Interpretationsansätze die unter Umständen so weit auseinanderliegen, daß man gelegentlich meint verschiedene Stücke zu hören. Oft ist es aber auch so, daß die Interprtetationen von Haus aus divergieren, man es aber nicht hört, weil man damit beschäftigt ist, das Werk in seinen Grundzügen zu erfassen. Im Laufe der Jahre jedoch entdeckt man immer mehr Feinheiten (nicht immer zum eigenen Vorteil) und hört vergleichend in verschiedene Einspielungen ....
    Es ist (bei mir) allerdings nur sehr selten der Fall, daß ich eien Neuaufnahme eines Werkes als echte Bereicherung empfinde - zu sehr hat mich das in der Vergangenheit gehörte geprägt. Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !