Mozart, W. A., Sinfonia concertante, Es-Dur, KV 364 bzw. 320d

  • KV 364 bzw. 320d


    Hallo,


    unlogisch fange ich mit dem 2. Satz an (dabei kommt mir mit den Anfangstönen immer die "Maurerische Trauermusik" in den Sinn):


    Das beeindruckende Zusammenspiel der beiden Soloinstrumente - eine gedankliche Zwiesprache zwischen ihm (Violine) und seiner in Paris verstorbenen Mutter (Viola)?
    Der Orchestersatz vor dem 1. Einsatz der Violine einschl. des Violinenthemas - incl. der 2-maligen Wiederholungen - in Moll (stets 1 Ton höher als Steigerung des Gefühls), als Ausdruck des Verlustschmerzes,
    der darauf folgende 1. Violaeinsatz (auch mit Wiederholung) - mit leichter Abwandlung des Themas - in Dur, als Ausdruck liebevoller Erinnerung,
    wenn sich dann beide Instrumente, auch das Orchester (mit der für Mozart so typischen Behandlung der Blech - und vor Allem Holzbläser) mit einbeziehend, mit dem immer wieder leicht abgewandelten Thema in (unendlich wirkenden) Kantilenen umspielen, Dur und Moll (überwiegend) wechselnd, gegenseitig antwortend, zum Schluss in breitem Largotempo, Stimmenführung in Moll abwärts mit kurzen Aufwärts-Passagen in den letzten Takten(wie fragend)---


    Die ersten Takte des 1. Satz sind ja nicht direkt vergleichbar mit denen von KV 543, dennoch höre ich eine Ähnlichkeit im Rhythmus. Bis zum Einsatz der Solovioline klingt es wie eine Ouvertüre, Großes vorbereitend - Es-Dur, mit seinem "gold verbrämten" Klang, betont diese Atmosphäre. Die Soloinstrumente inspirieren sich beim Vortrag des Themas gegenseitig, was sich bei eng geführten Stellen wie ein kleiner Streit um die Vorherrschaft anhört, aber letztlich jubelnd endet. Das retardierende Moll-Thema und die stets darauf folgenden verhaltenen Dur-Passagen lassen die Stimmung des 2. Satzes vorahnen. Nach einer kurzen Kadenz der beiden Soloinstrumente, klingt der Satz, bevor er noch mal inne gehalten hat, rhythmisch betont aus.


    Der 3. Satz in Dur ist nicht überschäumend jubelnd, aber er verbreitet vorantreibend Zuversicht und auch die Soloinstrumente lassen die Stimmung des 2. Satzes vergessen und sind mehr auf Einigkeit ausgelegt im Vergleich zum 1. Satz; ein harmonisches fest gefügtes Ende.


    In einem gesonderten Beitrag werde ich zu zeigen versuchen, welche Gemeinsamkeiten KV 364 bzw. 320d, KV 297b und KV 543 haben und warum für mich KV 543 das beste Mozart'sche Orchesterwerk ist (neben der "Gran Partita, KV 361 bzw. 379a, als außergewöhnliches Klangereignis außer Konkurrenz mitlaufend).
    Gleiches gilt für "Concertone" C-Dur, KV 190 bzw. 166b, das Konzert für Flöte, Harfe und Orchester, KV 299 und KV 551.


    Wer sich bei diesem Vergleich einbringen will - der ist sehr gerne eingeladen - auch die Führerschaft übernehmend (Mozartexperten - die es bestimmt gibt! - bitte vor)


    Herzliche Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo, zweiterbass,
    ich habe jetzt den Thread gefunden und die drei Werke. KV 634, 297b und 543 bereitgelegt. Ich nehme mal an, dass du auf wesentlich mehr hinauswillst als nur die gemeinsame Tonart Es-dur, aber ansonsten will ich hier jetzt noch nichts sagen, da ich außer der Sinfonie Nr. 39, die ich vor Jahren in der Kölner Philharmonie mit Markus Stenz und seinem Gürzenichorchester in der Trias der letzten drei Sinfonien Mozarts live erlebte die anderen beiden Stücke nur jeweils einmal gehört habe, und das ist auch schon eine Weile her.
    Ich muss "zu meiner Schande" gestehen, dass ich, wie so mancher hier im Forum, mich die letzten beiden Jahre mehr mit Mahler beschäftigt habe als mit Mozart, aber am Sonntag habe ich ausgiebig Mozart gehört (und gesehen), KV 200, 488, 525, 550 und 551 (mit Böhm, anlässlich seines 30. Todestages) (anstatt Rattengrin). Vor Mahler habe ich mich jahrelang mit Mozarts Klavierkonzerten beschäftigt, mit seinen Messen, Requiem, Figaro, Zauberflöte, Entführung, Cosi und Don Giovanni immer wieder, sowie hin und wieder mit den Violinkonzerten (Oistrach), den Sinfonien ab Nr. 29 und ab und zu auch ein Stück aus seiner Unterhaltungsmusik. Auf meiner Agenda stehen aber noch die restlichen Opern und die Kammermusik.
    So, jetzt werde ich erstmal eine Hörsitzung einschieben.


    Viele Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Aus nebenstehender Box, d.h. genauer gesagt aus der Original-Gesamtausgabe Mozart von Brilliant Classics, die noch aus 26 Volumes bestand und die seit vielen Jahren in meinen Regalen steht, habe ich aus dem dortigen Volume 1 die Sinfonia concertante Es-dur KV 364 mit Gil Sharon, Violine, Yuri Gandelsman, Viola und dem Amati Chamber Orchestra unter der Leitung seines Gründers Gil Sharon gehört.


    Es ist dies ein Stück aus Ende 1779/Anfang 1780, in dem er in der Tat die negatvien Erlebnisse auf seiner Parisreise mit dem Tod der geliebten Mutter verarbeitet zu haben scheint. Auffällig ist in diesem wunderbaren Stück die ausgewachsene symphonische Form mit zwei Soloinstrumenten, und die selten als Soloinstrument gehörte Bratsche kommt hier durchaus ebenbürtig zu Wort. In der hier vorliegenden Einspielung kommen beide Solisten, Sharon und Gandelsman zu einem souveränen Zusammenspiel im Verein mit Sharons kongenialen Kammerensemble.


    Formal fällt hier Mozarts Schwerpunktsetzung des Kopfsatzes auf, ebenso wie in der weiter unten angeführten Sinfonia concertante Es-dur KV 297b. Dies kennen wir auch von seinem Klarinettenkonzert und vielen seiner Klavierkonzerte, in KV 459, 466, 467, 482, 488, 491, 503, 537 und 595. Bei seinen Violinkonzerten tritt das nicht so auf.
    Interessant ist auch das Andante, das in c-moll beginnt, später nach Es-dur gewandelt wird. Die Molltonarten fallen mir auch zum ersten Mal in dem der Sinfonia concertante KV 297b benachbarten "Jeunehomme-Konzert" KV 271 auf, sowie in weiteren Klavierkonzerteen, z.B. dem KV 456 und 482.


    Auch die Sinfonia concertante Es-dur KV 297b (witzigerweise ist auch das o.a. angeführte "Jeunehomme-Konzert" in dieser Tonart) zeugt schon von der großen Meisterschaft des damals 22jährigen Mozart und von seiner besonderen Fähigkeit, großartige Variationensätze zu komponieren, wobei hier die Unterschiede in den Variationen nicht so sehr im Tempo und im Rhythmus liegen, sondern in der abwechselnden Federführung der Soloinstrumente. In der einen Variation führt die Klarinette, in der anderen die Oboe, dann das Fagott, dann das Horn, und die übrigen Soloinstrumente und das Orchester gruppieren sich kunstvoll um das Leader-Instrument. Auch hier seien die Künstler genannt:
    Oboe: Bart Schneemann, Klarinette: Harmen de Boer, Horn: Jacob Slagter und Fagott: Ronald Karten. Es spielt die Nieuw Sinfonietta Amsterdam unter Lev Markiz.


    In den hier besprochenen "konzertanten Sinfonien" fällt ebenso wie in allen Klavierkonzerten und vielen Klaviersonaten Mozarts die später nur noch von Beethoven in seinen Klaviersonaten, Konzerten und Sinfonien erreichte Meisterschaft auf, in den langsamen Sätzen durch die überirdische Klangschönheit zu besonderer Ausdruckstiefe zu gelangen. Wem das beim Hören dieser Meisterwerke nicht auffällt, der hat wahrlich den letzten Schuss nicht gehört.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Hallo Willi und zweiterbass,


    Welch ein Zufall: Am 14.08. hatte ich angekündigt, mir nach und nach meine liebsten und m. E. besten LP Aufnahmen der 50er Jahre wieder einmal vorzunehmen und vorzustellen. Nun wollte ich mit meiner nächsten LP fortfahren, nachdem ich diese gestern wieder einmal hörte. Es ist just diese SINFONIA CONCERTANTE, Es-Dur KV 364. Ein herrliches Werk bereits von höchster Meisterschaft, das wohl 1779 in Salzburg entstand. Aus der schon damals reichen LP-Auswahl - bezieht man das Ausland inkl. die USA mit ein - entschied ich mich damals für folgende beiden Einspielungen:


    - die äußerst musikantische, wunderbar zwischen Violine und Viola ausbalancierte Einspielung von ca. 1958 (noch in mono) - mit dem WIENER FESTSPIEL-ORCHESTER unter dem österreichischen Dirigenten FRANZ LITSCHAUER (1903 - 1972) und mit WALTER SCHNEIDERHAN, dem Bruder von WOLFGANG SCHNEIDERHAN (1901 - 1978), damals Konzertmeister der WIENER SYMPHONIKER und


    - der noch etwas virtuoseren, aber dennoch sehr introvertierten, späteren Aufnahme, etwa von 1970 in stereo, mit MITGLIEDERN DES CLEVELAND-ORCHESTERS unter GEORGE SZELL und den vorzüglichen Solisten RAFAEL DRUIAN, Violine und ABRAHAM SKERNICK, Viola.


    Herrlicher Mozart in zwei sehr interessanten Einspielungen!


    Viele Grüße


    wok



  • Hallo wok!


    Vielen Neulingen passiert's, mir ist es auch so gegangen! Die Forensoftware interpretiert die unmittelbare Verbindung von einer 8 mit der geschlossenen Klammer (wie Du in Deinem Beitrag bestimmt gemerkt hast), als Ausgabe eines Smileys. Dem kann man nur abhelfen, wenn nach der 8 erst die Leertaste gedrückt wird...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Bei Mozart scheint in der Tat die Tonart Es-Dur häufig mit einem bestimmten Gestus und entsprechenden thematischen Gestalten zusammenzutreffen. (Es gibt wohl auch Vermutungen bzgl. einer Freimaurerverbindung, das könnte freilich erst späte Werke wie KV 543 und die Zauberflöte, bei der Es-Dur so etwas wie eine Haupttonart ist) betreffen; 1779 hatte er meines Wissens noch nichts mit den Freimaurern zu tun) Stellen wir die in der Authentizität zweifelhafte Bläser-Concertante vielleicht zunächst zurück, ebenso die Hornkonzerte, wo die Tonart wohl durch das Instrument bedingt ist, dann hätten wir hauptsächlich:


    Klavierkonzert KV 271
    Sinfonia Concertante KV 364
    Konzert f. zwei Klaviere KV 365
    Bläserserenade KV 375
    Streichquartett KV 428
    Klavierkonzert KV 449
    Klavierquintett mit Bläsern KV 452
    Klavierkonzert KV 482
    Klavierquartett KV 493
    Trio KV 498
    Sinfonie KV 543
    Streichquintett KV 614


    Bleiben wir bei den Orchesterwerken. Etliche scheinen durch einen besonders warmen und "satten" Klang gekennzeichnet. Das wird bei KV 364 und 365 u.a. durch (im Klavierkonzert nur passagenweise) geteilte Bratschen, in 482 und 543 durch Klarinetten ohne Oboen. In drei Werken steht der Mittelsatz in c-moll, besonders die aus 271 und 364 sind wohl die bedeutendsten langsamen Sätze Mozart unter den vergleichsweise frühen Werken. (Auch die noch frühere Sinfonie KV 184 nach Art einer ital. Ouverture von 1773 hat einen c-moll-Mittelsatz) . Da Moll-Sätze bei Mozart so überaus selten sind, ist es sicher voreilig, hier zu schnell auf ein "System" zu schließen, aber es gibt wohl in keiner anderen Tonart so viele Werke mit entsprechenden Mittelsätzen in der Mollparallele (und umgekehrt noch die c-moll-Serenade und das Klavierkonzert c-moll mit Es-Dur-Mittelsätzen)


    Dazu kommen in 364,365, 375 und 482, sowie 493 ähnliche Themen im Hauptsatz, breit angelegt, punktiert, etwas feierlich marschartig, aber nicht so lebhaft wie die "militärischen" Marschcharaktere in 451, 453, 456, 459 und 467. Der Kopfsatz von 271 wirkt lebhafter, aber das Hauptmotiv und ein wichtiges Seitenthema gehen auch in Halben, nicht in Vierteln. Man spürt daher in diesen Stücken ungeachtet des zügigen Allegro-Tempos oft eher die Halben als Puls, wodurch der majestätische Eindruck erreicht wird. Bei der Sinfonie 543 betrifft das nur die Einleitung, der Hauptsatz ist in 3/4. Das eigenartige, recht knappe und oft etwas schroff wirkende Konzert 449 (Kopfsatz 3/4) besitzt allerdings nicht diesen feierlichen Marschcharakter. D.h. wenn dieser Gestus auftritt, wird er häufig mit dieser Tonart verknüpft, aber die Tonart ist "weiter", da es auch ganz anders charakterisierte Stücke gibt, darunter das Haydn nahestehende letzte Quintett, die beiden Violinsonaten, die ich oben gar nicht genannt habe, das völlig originelle Kegelstatt-Trio usw. Damit soll nichts gegen die Individualität der Werke, deren Gemeinsamkeiten genannt wurden und die Sätze, die vielleicht einem gemeinsamen Typus entsprechen gesagt sein, nur stechen Werke wie das Kegelstatt-Trio eben aufgrund ihrer außergewöhnlichen Originalität noch einmal hervor.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • die äußerst musikantische, wunderbar zwischen Violine und Viola ausbalancierte Einspielung von ca. 1958 (noch in mono) - mit dem WIENER FESTSPIEL-ORCHESTER unter dem österreichischen Dirigenten FRANZ LITSCHAUER (1903 - 1972) und mit WALTER SCHNEIDERHAN, dem Bruder von WOLFGANG SCHNEIDERHAN (1901 - 197, damals Konzertmeister der WIENER SYMPHONIKER und


    Hallo wok,


    diese Aufnahme habe ich auch, allerdings auf einer "uralten" 25 LP.


    Die Tempi im 1. + 3. Satz im Vergleich zu Haenchen sind fast identisch - allerdings höre ich die Solisten (und das Orchester?) bei Haenchen etwas besser phrasierend.
    Im 2. Satz zieht Haenchen das Tempo ganz leicht an gegenüber...


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler