Opern unter der Lupe -006- Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte

  • Ich wäre vermutlich gut beraten gewesen die Threadserie "Opern unter der Lupe" mit Mozarts Zauberflöte zu beginnen.
    Aber zum einen bestand schon ein Thread der sich mit der Zauberflöte befasste - zum anderen wollte ich nichts allzu bekannte nehmen...
    Nun sind wir dennoch bei der Zauberflöte angelangt.
    Wolfram stellte in einem anderen Thread die Frage wie sich mein Anspruch nach "Realitätsnähe" oder "historisch korrekter Gewandung" mit dem Libretto der Zauberflöte vertrüge. Und ich stelle mich dieser Herausforderung.
    Mit der Kleidung ist es an sich so eine Sache - Das Libretto schreibt als Bekleidung Taminos, ein "javonisches" Jagdgewand vor. Generationen von Musikhistorikern und Opernspezialisten haben darüber gerätselt was denn da wohl gemeint sein könne,
    Etwa was "japanisches" ? - nein sicher nicht !!
    Leichter tut man sich hier schon mit der Gewandung Papagenos und seinem weiblichen Pendent. Es sind genügend Bilder aus der Zeit der Uraufführung vorhanden die Schikaneder im Papagenokostüm zeigen, ein Kostümentwurf der bis in unsere Tage überlebte - na ja - zumindest BEINAHE bis in unsere Tage....
    Die jeweiligen Landschaften sind gut - und dennoch allgemein - beschrieben....
    Dennoch gab und gibt es - auch in den sogenannten - "klassischen" Inszenierungen starke Abweichungen untreinander,m wobei ein gewisser Grundkonsens stets gewahrt blieb....

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Alfred: Das Libretto schreibt als Bekleidung Taminos ein "javonisches" Jagdgewand vor. Generationen von Musikhistorikern und Opernspezialisten haben darüber gerätselt, was da wohl gemeint sein könnte.

    Urs Fässler schreibt in seiner Deutung auf http://www.schule-bw.de :

    Zitat

    Das javonische Jagdkleid ist bedeutungsvoll. Die Zauberflöte spielt in Ägypten. Tamino kommt also von weither, von außerhalb des Konflikts, aus dem Osten, dem Reich der aufgehende Sonne.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Aus meiner Sicht spielt die Zauberflöte NICHT in Ägypten. Die ägyptischen Sympbole sind den der Freimaurerei gewidmeten Teilen des Werkes zuzuordnen. Es gibt aber jede Menge Unlogik in desm Singspiel - denn formal gesehen ist die Zauberflöte ein solches - daß man auch diese Symbolik nicht allzu streng sehen sollte. Werdfen einerseits Isis und Orisiris immer wieder angerufen, wird andrerseits auch "Gott" erwähnt - zwei Religionen, die nicht zueinander passen wollen - es sei denn man ordnet "Isis und Osiris" der - meiner Meinung nacht - oft recht wirren Geisteswelt der Freimaurer zu.
    Natürlich haben sich Bühnenbildner und Ausstatter oft zu einem ägyptischen Ambiente verleiten lasse - die Verlockung ist ja nicht von der Hand zu weisen - aber LOGISCH gesehen hat Ägypten und seine Götterwelt mit Tamino und Pamino nichts zu tun.
    Ich gehe hier sogar so weit, daß ich der Auffassung bin, Schikaneder hat die Freimaurerei in diesem Stück lediglich dazu mißbraucht, interssantes Kolorit in die Oper zu bringen - und unklärte - weil undefinierte ägyptische Mysterien haben ihre Wirkung auf die Menschen nie völlig verfehlt - vor 220 Jahren nicht - und heute auch nicht.....
    Hat die Zauberflöte eine Botschaft ? Ich behaupte: NEIN.
    Da aber die Menschen - speziell wenn eine philosophische Richtung geheimnisumwittert ist - stets eine Botschaft suchen, so finden sie eine. Vielleicht liegt hierin das Geheimnis des Erfolge der Zauberflöte.
    Wie man sie inszenieren sollte, wie man sie inszeniert hat, wie man sie inszenieren darf, wie man sie bereits inszeniert hat - das sollte eigentlich das Thema dieses Threads sein. Und natürlich was NICHT gemacht werden dürfte (aber schon gemacht wurde)...
    Und man kann auch darüber reflektieren, inwieweit sich die Beurteilung der handelnden Personen dieser Oper im Laufe der Jahre gewandelt hat....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hat die Zauberflöte eine Botschaft ? Ich behaupte: NEIN.

    Das kannst Du doch nicht ernst gemeint haben. Das Gute siegt über das Böse, das ergibt sich doch schon aus dem Text. Der Hölle Rache ... Wenn Pamina Saratro erstochen hätte, wäre die Oper viel kürzer und hätte mit einem Mord geendet.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Aber sie glänzt auch durch seltsame Perspektivverschiebungen. Zu Beginn haben wir doch als Gutmenschgruppe Tamino, Papageno und de Königin mit ihrme Hofstaat.. Das ändert sich mit Taminos Kontakt zu den Eingeweihten. Langsam wird aus Sarastro der Gute und aus der Königin die Böse. Und Tamino wirkt eher wie ein rechter Depp und Wendehals, eine Botschaft, die mir gar nicht behagt. Dass mein Lieblingsgespann aus dem Singspiel Papageno und Papagena ist wil ich nicht verhehlen. Die bodenständige Erdung der beiden würde auch manchem Heutigen gut zu Gesichte stehen.


    Was aber nichts daran ändert, dass die Zauberflöte eines meiner liebesten Opernwerke ist.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Wenn man sich mit den verschiedenen Inszenierungen der Zauberflöte beschäftigt, über die in der Literatur Aufzeichnungen vorhanden sind, sieht man, dass die Regisseure sich meistens mit einer der drei "Schichten" des Werkes befasst hat. Einmal die märchenhafte, fast Kaspertheater- haltige, dann die Mysterienhafte, Philosophische und die phantastische Seite.


    Der grosse Publikumserfolg dürfte in der Mischung liegen, vielleicht hat man auch in jedem Lebensalter eine andere Sichtweise auf dieses Werk, so ist es mir jedenfalls gegangen.

  • Was mir eigentlich als Einziges negativ aufgestoßen ist, sind die aus heutiger Sicht frauenfeindlichen Äußerungen, die in der Zauberflöte getant werden, als da wären:


    1. Nr. 8 Finale, 1. Akt: Sprecher: "Ein Weib hat also dich berückt? Ein Weib tut wenig, plaudert viel";


    2. Nr. 8 Finale: 1. Akt: Sarastro: "Ein Mann muss eure Herzen leiten, Denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten";


    Wer weiß, vielleicht entsprang das ja dem Gedankengut der Freimaurer zu Mozarts Zeiten.


    Liebe Grüße


    Willi :(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber William ,


    sicherlich nicht nur der Freimaurer !


    Ähnlich wie in der Zauberflöte geht es ja auch in der Haydn`schen "Schöpfung" zu, im dritten Teil singt "Eva":


    "Oh du, für den ich ward, mein Schirm, mein Schild,mein all`! Dein Will ist mir Gesetz, so hats der Herr bestimmt, und dir gehorchen bringt Freude , Glück und Ruhm "


    Ein Text , der jeder Sopranistin, die es singen muss, sicher schwer von den Lippen geht, aber sicherlich noch heute einige Herren hoch erfreut !

  • Zitat

    Gunter: Ein Text, der jeder Sopranistin, die es singen muss, schwer von den Lippen geht, aber sicherlich noch heute einige Herren hoch erfreut.

    Da hast du ein wahres Wort gelassen ausgesprochen. Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, in einem eigen Thread über Stellen aus anderen Opern zu sprechen, in denen solche frauenfeindlichen Worte ausgesprochen werden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auf den Freimaurer- und pseudoägyptischen Hintergrund gehe ich später nochmal ein.
    Die Frauenfeindlichkeit kann man m.E. aus diesen beiden, obgleich eindeutigen, Bemerkungen, nicht einfach auf das gesamte Werk beziehen. Man muss die Tatsache, dass Tamino und Pamino in der Probe gleich behandelt werden und auch sie als Geweihte aufgenommen werden kann oder auch das Papageno-Pamina-Duett mit Passagen wie "Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an" daneben stellen. Dieses Duett zeigt ja ein ziemlich modernes Geschlechterverhältnis an, auch wenn es noch als "Pflicht" der Frau bezeichnet wird, "die süßen Triebe mitzufühlen", so ist doch wohl eher an gegenseitige erotische Erfüllung als an Ausbeutung gedacht.


    Es wäre überdies naiv, in einem Stück, das über 200 Jahre alt ist, ungeachtet seiner aufklärerischen Tendenz, nicht auch solche zeitgenössischen Urteile zu finden. Um das Mozartjahr '91 herum habe ich mal ein Radio-Interview mit dem damals noch lebenden Erich Leinsdorf gehört, in dem dieser meinte, dass man eine Textzeile wie "...weil ein Schwarzer häßlich ist" heute jedenfalls ändern müsste. Damals dürfte in Deutschland für eine solch rassistische Zeile noch sehr viel weniger Sensibilität bestanden habe, aber Leinsdorf war ja lange in den USA tätig.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • wobei der Text "weil ein Schwarzer hässlich ist" vom Textdichter ja nicht als eine Aussage von ihm gemeint war, sondern Monostatos weisst darauf hin, wass die Allgemeinheit über das Aussehen von Schwarzen denkt !

  • Welch abscheuliche Oper! Einige der seelisch brutalen Details sind ja schon zitiert worden. Dann dieser sanftmütig-despotische Tyrann Sarastro. Wenn ihm der Chor "Es lebe Sarastro, Sarastro lebe!" untertänig huldigt, fühlt man sich in das Albanien des Enver Hodscha oder gar nach Nordkorea versetzt.


    Die Kernaussage des Werks, nur schön ducken und untertänig sein, nur dann kannst du des Heils (welches eigentlich?) teilhaftig werden. - Der einzige wirkliche Mensch in der "Zauberflöte", der brave, anständige, aber auch listige Papageno, wird (warum wohl?) den ärgsten Schrecknissen unterzogen - nur, um ein Mädchen zu gewinnen, das man doch eher mit anderen Mitteln erringt.


    Dann diese einfältige Szene, in der sich der (schlußendliche) Hauptheld in ein Bildnis verliebt. Oder der bei Mozart nicht zum erstenmal zu findende Umstand, dass das ergreifendste "Liebes"duett ("Bei Männern ...") wie etwa im Giovanni ("Là ci darem ...") von den falschen Partnern gesungen wird.


    Und trotz allem: Welch unglaublich geniale Musik, welche Schönheit, ja welche Dramatik - was muß das für ein Meisterwerk sein, das all die hier zitierten Einwände durch die einzigartige Musik einfach hinwegwischt.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Es ist mit irgendwie entgangen, daß dieser Thread inzwischen doch ins Laufen gekommen ist.


    Ich bin eigentlich aus aktuellem Anlass hierhergekommen - wegen des "wienerischen" Papageno - und des immer wieder als "unwienerisch" "getadelten" Fischer Dieskau.
    Ich bin der Meinung, daß er seine Sache sehr gut macht - abgesehen davon, daß seine Stimme über jeden Zweifel erhaben ist.
    Auch ich war lange der Meinung, Papageno müsse unbedingt von einem Wiener gesungen werden, bin aber indes zu anderen Erkenntnissen gekommen. "Papageno" - jeder wird mir beipflichten müssen - ist nun mal kein typisch wienerischer Name. Er scheint dem Italienischen entlehnt - ein entfernter Abkömmling der Commedia dell Arte.
    Fischer Dieskau gefällt mir in der Rolle beispielsweise wesentlich besser als beispielsweise Simon Keenlyside in der Londoner Aufführung von 2003, der einen depessiven Looser spielt - was meiner Meinung nach nicht rollengerecht ist.


    Kommen wir zum nächsten Punkt: "Weil ein Schwarzer hässlich ist"


    Es ist im gebrachten Zusammenhang keine Aussage - sondern eine Anklage im Sinne von
    "Alle Welt meint, daß ein Schwarzer hässlich ist"


    Natürlich sind wir heutzutage weit darüber hinaus.....
    Glaubt Ihr das wirklich ?
    Um diese Frage EHRLICH VOR SICH SELBST im stillen Kämmerlein zu beantworten - mit der Hypothese im Hinterkopf,
    Euere Tochte habe Euch soben ihren andersfärbigen Lover als zukünftigen Ehemann vorgestellt....


    Frauenfeindlichkeit Ende des 18. Jahrhunderts.


    Sie war - und das ist es was viele auf die Palme bringt - nicht stärker ausgeprägt als heute.


    Es handelt sich hier um archetypische Verhaltensmuster der Menschheit. Sie sind unausrottbar...


    Schikaneder wusste vermutlich nicht was er anrichtete als er das Libretto schrieb.
    Es ist in jeder Hinsicht UNENTSCHLOSSEN.
    Zuerst bringt er den Mohren Monostatos als unglücklich Verliebten, gekränkten, Unterdrückten auf die Bühne -
    gibt aber dann der Erwartungshaltung des Publikums nach , und lässt ihn als "Bösewicht" enden...


    Anregung ans Regietheater.
    Pamina erkennt die übergroße Liebe des Mohren, erwidert sie - und lässt den faden - in jeder Hinsicht blassen - Wendehals Tamino -einfach stehen..... ;)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Welch abscheuliche Oper! Einige der seelisch brutalen Details sind ja schon zitiert worden. Dann dieser sanftmütig-despotische Tyrann Sarastro. Wenn ihm der Chor "Es lebe Sarastro, Sarastro lebe!" untertänig huldigt, fühlt man sich in das Albanien des Enver Hodscha oder gar nach Nordkorea versetzt.

    Nun, der "Tyrann" lässt über seinen Nachfolger abstimmen und leitet eine frühe und geordnete Machtübergabe ein. Hast du das bei einem realen Tyrannen schon jemals erlebt?


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Dann dieser sanftmütig-despotische Tyrann Sarastro. Wenn ihm der Chor "Es lebe Sarastro, Sarastro lebe!" untertänig huldigt, fühlt man sich in das Albanien des Enver Hodscha oder gar nach Nordkorea versetzt.


    Die Zauberflöte ist etwa im 18. Jahrhundert angesiedelt, ihrer Entstehungszeit also. Diese Behauptung stützt sich auf die unverkennbaren Bezüge zur Freimaurerei.
    In jener Zeit war Autorität - und Sarastro verkörpert eine solche - kein Negativbegriff.
    Saratro war de facto sacrosankt - es gab keine Alternative zu seinen Wertvorstellungen. Man muß daß verstehen, daß die für die Menschen des 18. Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit war - bis hin zur französichen Revolution - aber auch danach erneut.
    Erst in späterer Zeit, wo niemand mehr Autoritäten anerkennen wollte, begann man die Figur des Sarastro als salbungsvollen Heuchler darzustellen - als zweifelhaften Guru....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !