Mit der Veröffentlichung der Festaufführung anläßlich der Eröffnung des Großen Hauses der Sächsischen Staatstheater Dresden (ehem. Schauspielhaus)am 22. September 1948 hat "Profil Edition Günter Hänssler" (PH 10033) wieder ein herausragendes historisches Dokument geschaffen. In der attraktiv aufgemachten Box befindet sich eine CD mit Tonaufnahmen und eine DVD mit Filmaufnahmen, in denen neben Originalbeiträgen von der Eröffnung des Großen Hauses die Zeitzeugen, Lisa Otto, Sopran, Reinhard Ulbricht, Konzertmeister der Sächsischen Staatskapelle, die Rundfunksprecherin Christa Klose und der Tonmeister Gerhard Steinke beeindruckende Berichte vom Zustandekommen der Festaufführung und der Aufnahmen unter all den Schwierigkeiten der damaligen Zeit geben. Eine bibliographische Kostbarkeit ist bereits das reich bebilderte, hervorragend gestaltete Booklet. Erstaunlich auch wie gut es gelungen ist, die noch erhaltenen Originalbänder klanglich zu restaurieren. Wobei der "Fidelio" nur in großen Ausschnitten erhalten ist, einige Teile fehlen. In der ehemaligen DDR war es üblich, aus Gesamtaufnahmen Stücke herauszuschneiden und in andere Sendungen hinein zu montieren. So mußten wie bei einem Puzzle die verschiedenen Teile zusammengesucht und zusammenkopiert werden. Trotz allem ist ein hörenswertes Gesamtergebnis gelungen:
Josef Keilberth gelingt mit seiner Sächsischen Staatskapelle eine zügige, straffe musikalische Wiedergabe von Beethovens Freiheitsoper. Die Aufnahme bestätigt, dass der erfahrene Theaterkapellmeister Keilberth ein rücksichtsvoller Sängerdirigent war. Obwohl alle Höhepunkte in dramatischen Steigerungen wirkungsvoll herausgearbeitet werden ,bleibt das Klangbild durchweg transparent und die Sänger werden nie zugedeckt. Das Sängerensemble wird dem ausgezeichneten Ruf der Dresdner Oper voll gerecht und ist das Beste, was dieses führende Opernhaus damals zu bieten hatte. Aus heutiger Sicht ist die Deutlichkeit der Artikulation und die Wortverständlichkeit fast unglaublich. Besonders deshalb weil diese Tugenden im Zeitalter des globalisierten Opernbetriebes zwangsläufig immer mehr vernachlässigt werden bezw. verschwinden.
Christel Goltz gelang mit ihrem voll und warm klingenden Sopran und verinnerlichtem aber dennoch glühendem Vortrag eine mitreissende Gestaltung der liebend-leidenden Frau. Leider fehlt die große Arie "Abscheulicher wo eilst Du hin".
Bernd Aldenhoff sang mit seinem hellen, aber bereits zum heldischen Fach hin tendierenden Tenor einen überzeugenden Florestan.
Ohne Übertreibung und Theaterpathos bietet Josef Herrmann mit höchstem dramatischen Ausdruck eine beeindruckende Charakterstudie des Schurken Pizarro. Auch stimmlich großartig.
Einen väterlich gütigen und doch große Autorität ausstrahlenden Rocco singt Gottlob Frick mit seinem unverwechselbaren, stimmschönen Bass. Er war in seiner Zeit sicherlich eine Idealbesetzung des Kerkermeisters und wurde von den großen Dirigenten bevorzugt in dieser Partie eingesetzt. Bei dieser Aufnahme klingt die Stimme etwas heller. Sie hat in den späteren Gesamtaufnahmen unter Furtwängler, Klemperer und Erich Kleiber noch an Schwärze und dramatischer Wucht gewonnen.
Ideal rollendeckend ist das junge Paar Marzelline und Jaquino mit Elfriede Trötschel und Erich Zimmermann besetzt. Besonders die Sopranistin bezaubert mit der Süße und dem mädchenhaften Charm, der fast immer in ihrer Stimme und ihrem Ausdruck liegt. Bereits nach wenigen Tönen wird man unwilkürlich an die unvergleichliche Rusalka der Trötschel erinnert. Erich Zimmermann ist ein jungenhafter gut passender Partner. Die anderen Partien sind auf gewohnt hohem Dresdner Niveau besetzt.
Insgesamt eine "Fidelio"-Aufnahme, die nicht nur aus historischem Interesse heraus sehr hörenswert ist.
Anrührend, ja fast ergreifend sind die beigefügten Filmaufnahmen. 1948 sehen wir junge gut aussehende Menschen. 2010 als die Filmaufnahmen gemacht wurden, erzählen uns von den Jahren und vom Lebensweg sichtbar geprägte Menschen ihre Erlebnisse und Geschichten. "Mir ist so wunderbar" fühlten meine Frau und ich, als die bei den Aufnahmen bereits 90jährigen Lisa Otto, Sopran und der Konzertmeister Reinhard Ulbricht mit Authentizität, ungebrochener Vitalität (Otto auch im hohen Alter noch ein Temperamentsbündel) und mit großem Herzen beeindruckend berichteten. In der Tat: Wunderbar!
Herzlichst
Operus
Mir ist so wunderbar
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Mein lieber Hans!
Das ist wirklich eine interessante Aufnahme. Da werde ich gleich neugierig. Die Künstlernamen gehen einem runter wie Öl. Kann man die Aufnahme gleich bei Hänssler bestellen?
Herzlichst
Wolfgang
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Lieber Wolfgang,
die Aufnahme gibt es schon bei unserem Werbepartner - derzeit sogar als Einführungsangebot:
Semperoper Edition Vol. 2 - Beethoven, FidelioFestaufführung von Beethovens Fidelio anlässlich der
Eröffnung des Großen Hauses des Dresdner Staatstheaters
1948.
+DVD "Mir ist so wunderbar " - Eine filmische Dokumentation
mit Zeitzeugenberichten der Sopranistin Lisa Otto, des
Konzertmeisters der Staatskapelle, Reinhard Ulbricht, der
MDR-Sprecherin Christa Klose sowie Originalbeiträgen zur
Eröffnung des Großen Hauses aus "DEFA-Augenzeugen".
(stereo;WS/NTSC;54 Spielzeit)
Christel Goltz, Bernd Aldenhoff, Josef Herrmann, Gottlob Frick,
Elfriede Trötschel, Erich Zimmermann, Werner Faulhaber,
Staatskapelle Dresden, Joseph KeilberthLabel: Profil , ADD/LA/m, 1948
LG, Elisabeth
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Die Ausgabe habe ich im Forum bereits mehrfach vorgestellt, z.B. hier:
vergessener Held: Bernd ALDENHOFF
oder hier:
Fidelio - Freiheitsoper oder Desaster ?
Zunächst bin ich äußerst erfreut zu hören, dass die legendäre "Fidelio"-Aufnahme, die zur Eröffnung der Dresdner-Semperoper 1948 aufgenommen wurde bei Hänssler in bestmöglicher Dresdner-Besetzung endlich erschienen ist. Für mich ein Pflichtkauf.
(24.6.2011)
LG
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Hallo, Harald!
Man wird halt älter! Aber zu meiner Entschuldigung muß ich sagen: Bei der Fülle an Aufnahmen, die hier vorgestellt werden und wurden, kann man sich auch mal etwas Gedächtnisschwund erlauben.
Gruß Wolfgang
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Sehr interessant! Danke! Aldenhoff war auch im Kölner Ensemble. Werde mir diese Aufnahme also zulegen:-)
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Liebe Taminos,
nicht zuletzt durch Euren Zuspruch und Eure Ermunterungen, für die Euch nochmals danke, habe ich mich aufgerafft und die "verlorene" ausführlichere Beurteilung der Dokumentation zur Eröffnung des Großen Hauses der Sächsischen Staatstheater mit Beethovens "Fidelio" im Jahre 1948 nochmals verfasst und unter dem Titel "Mir ist so wunderbar" im Thread Opernforum eingestellt. Harald Kral unser stets aktueller "Staraktivist" hatte bereits vor meinem Beitrag im Forum mehrmals auf diese Veröffentlichung hingewiesen.
(Staraktivist klingt irgendwie komisch. Hoffentlich kommt die Anerkennung auch in dieser Formulierung bei Harald und Euch richtig an ? Wer weiß eine treffendere?)
Ich meinte allerdings dieses eminent wichtige historische Dokument sollte noch eine ausführlichere Würdigung bekommen.
Damit ist der "am Boden zerstörte Operus " wieder auf Wolke Sieben.
Herzlichst
Euer
Operus -
Mein lieber Hans!
Gratulation! Das ist mal wieder einen guten Tropfen wert! Alles Gute!
Herzlichst und "Prost"
Wolfgang -
(Staraktivist klingt irgendwie komisch. Wer weiß eine treffendere?)
Ob es besser ist, weiß ich nicht. Aber vielleicht ist " Chefarchivar " die treffendere Bezeichnung. Auf jeden Fall ist es lobend, anerkennend und würdigend gemeint und das weiß jeder hier im Forum. Unabhängig davon freue ich mich für Dich und für uns, lieber Operus, daß Dir Dein interessanter Beitrag nochmal gelungen ist. ( Und falls Dir wieder mal so etwas passiert, versuch´s mal mit Strg und gleichzeitig Z . Mir hat es schon geholfen und bis jetzt hat auch noch keiner unserer Computer- Experten dies verneint ).
Herzliche Grüße
CHRISSY -
Lieber Chrissy,
Chefarchivar klingt zwar nach Bewahrer. Irgendwie aber auch nach der Sammlung von Altem und Bewahrenswertem. . Einiges könnte also durchaus zutreffen. Harald zeichnet sich aber doch gerade besonders durch seine Schnelligkeit, Wendigkeit und sein bewundernswertes brandaktuelles Handeln aus. Also Chefaktivar ist es wohl auch nicht. Lassen wir doch einfach Harald selbst entscheiden. Vielleicht will er gar keinen Ehrentitel und will einfach unser Harald sein, so wie er ist und wir ihn ernorm schätzen.
Herzlichst
Operus