Eine veritable Entdeckung namens Löw-Szöky

  • Den Namen hatte ich schon ein paarmal gehört/gelesen, ohne mir irgendwas dazu vorstellen zu können. In einer einzigen Radio-Operngesamtaufnahme stand er seit je aufgeführt - ausgerechnet als die Alte Madelon (eine Alt-Partie!) in der deutschsprachigen BR-Gesamtproduktion von Giordanos ANDREA CHÉNIER aus 1956 mit Hopf, Metternich, Schech unter dem jungen Sawallisch. Sonst keinerlei Spur von einer Erstfachsängerin mit Stimmausstattung und Gesangsfähigkeiten wie nur die erste Sopranistinnen-Garde der 1950-1980er: Elisabeth Löw-Szöky, seit Beginn der 1960er als Nachfolgerin von Kapper, Eipperle und Kinas(iewicz) die erste Diva der Württembergischen Staatsoper Stuttgart, Protagonistin neben Mödl, Wissmann, Hillebrecht, Pütz, Silja, Gr.Hoffman, Res Fischer, Plümacher, Sailer, Windgassen, Traxel, Tobin, Alexander, Wolansky, Nöcker, Neidlinger, von Rohr und einem Dutzend weiterer großer Namensträger.


    Durch den rührigen Privatsammler, Kenner + Zeitzeugen der großen Stuttgarter Nachkriegs-Ära und lieben Freund Helmut Vetter kamen mir letzten Winter erstmals private Mitschnitte dieser, wie ich sie dann genannt habe: „Diva ignorata“ vor Ohren - Poppea, Medea, Vitellia, Donna Anna, Fiordilligi, Trovatore-Leonora, Aida, Desdemona, Senta, Elisabeth, Elsa, Tosca, Lisa, Ariadne. Was für ein Spektrum! Und ein Erlebnis mit frappantem Überraschungs-, ja Unglaublichkeits-Effekt. So eine wunderbare Sängerin – und nicht ein einziges offizielles Tondokument? Nicht zu glauben!


    Jedem Gesangsfreund, -liebhaber, -kenner sei diese Erstrangsopranistin ans Herz bzw. Ohr gelegt. Sie wird im August dieses Jahres 90 – in, wie Vertraute berichten, großer geistiger Frische und physischer Regsamkeit. Ihr zu Ehren hier ein beschreibendes Wort:


    Wir hören einen atemtechnisch sicher fundierten, runden, vollen, dabei kernigen und expansionsfähigen Sopran, mit strömender Phrasierung, exzellent registerverblendet, mit dezentem Vibrato entfaltet, von „sahniger“ Opulenz, bei Bedarf auch metallisch-klirrender Durchschlagskraft und einem im Stimmzentrum dramatisch-gesättigtem Habitus. Die Stimme ist nicht so schlank geführt wie bei Eipperle oder Watson, nicht so metallisch wie bei Kinas oder Bjoner, nicht so flackernd wie bei Kupper oder Cunitz. Löw-Szöky verbindet warmes, farbenreiches Klanggepräge mit schwingender, sinnlicher Tonfülle. Ihr Atem wird wohldosiert eingesetzt, wirkt daher fast unerschöpflich. Besonders faszinierend: Sie beherrscht das Instrumentarium für sängerische Effekte, wie man sie, selten genug, fast ausschließlich von nach der „alten“ Schule geformten Virtuosa des Verdi-Gesangs, wie etwa Martinis oder Gencer, zu hören bekommt. Belege bieten ihre fast explosiv wirkende Intonation und Tonbildung, darauf aufbauend eine fabelhafte Strömungstechnik mit meisterlichen Crescendi und Diminuendi – besonders fesselnd bei souverän modulierten Piano-Passagen im oberen Stimmregister.
    Und nicht zuletzt: Ihre Persönlichkeit teilt sich in künstlerisch ausgewogener Balance als „feminin und heroisch“ mit. Es erscheint, auch im Vergleich mit den populären Konkurrentinnen ihrer Ära, unfassbar, dass eine Gesangskünstlerin dieser Klasse von Medien und Tonträgerproduzenten so vollständig übergangen werden konnte. Sie war ein Musterbeispiel für dramatische Singdarstellung fast ohne Grenzen – und dem Ideal oft nahe.


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    Schön, dass es Sammler wie Helmut Vetter gibt, meint


    Euer K U S

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Hallo K U S,


    vielen Dank für Deinen interessanten Bericht. Ich kannte die Sängerin bislang auch nur aus der von Dir erwähnten Rundfunkproduktion "Andrea Chenier" von 1956.


    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Ich habe vor vielen Jahren auf einem Flohmarkt eine Doppel-LP
    von „Boris Godunow“ gekauft, die 1968 während eines Konzertes im Kongresshaus
    Biel aufgenommen worden war. Neben Elisabeth Löw-Szöky als Marina singt Kim
    Borg den die Titelrolle.