Klassische Musik als Unterhaltungsmusik ?

  • Wieder mal ein scheinbar seichtes Thema - ans Rampenlicht gezerrt vom unsäglichen Quotenjäger Alfred Schmidt - aber es ist Sommer - und da nehmen wir es nicht so genau ......


    Inspiriert zu diesem Thread wurde ich übrigens von Johannes Roehl, der da schrieb:


    Zitat

    Es gibt halt nur eine Gruppe von Hörern (oder mindestens einen), denen nichts recht ist, was irgendwie anders wäre als zur Zeit ihrer Sozialisation vor 30 oder 40 Jahren und die obendrein Klassik für eine Art edlere Popmusik, nämlich zur angenehmen Unterhaltung, halten.


    Ich begann, dann darüber nachzudenken, welche Art von Musik man noch zur Klassik zählen kann oder Muß, was aber indessen als zweckgebundene "Gebrauchsmusik" anzusehen wäre - und welchen Zweck diese Musik zu erfüllen hatte.


    Es gab zwar schon mal einen Thread, wo dieses Thema - auf andere Art - zur Sprache gebracht wurde - oder besser - zu Sprache gebracht werden sollte - denn das Interesse an diesem Thema war damals gering.


    Aber oft kommt es darauf an WIE man ein Thema betrachtet, bzw startet, und so gibt es einen zweiten Versuch.


    Fragen wir uns fürs erste, was Leute bezwecken, wenn sie beispielsweise Mozarts Klavierkonzert Nr 27 anhören.
    Fragen wir uns, was Ludwig XIV bezweckte, wenn er bei Lully oder einem seiner Komponistenrivalen eine Oper oder ein Bellet in Auftrag gab. Fragen wir uns, was Joseph II bezweckte, wenn er Mozart mit Aufträgen versah, oder warum der Adel sich eigenen Hoforchester hielt, warum in den Salons des Bürgertums musiziert wurde, bzw man erlesene Gäste "musikalisch bewirtete". Warum Virtuosen euphorisch - beinahe wie Könige - gefeiert wurden, warum das Großbürgertum im 19. Jahrhundert nahezu nahtlos die Förderung klassischer Musik vom Adel übernahm. Was trieb all diese Leute ?
    Was wollten die Komponisten der beginnenden Moderne, was wollen zeitgenössische Komponisten (kann man deren Werke überhaupt noch der Klassik zuzählen ?)


    Wenn wir einige dieser Fragen beantwortet haben, dann können wir uns allmählich der Titelfrage dieses Threads zuwenden - ohn den Anspruch erheben zu weollen - sie gütig oder endgültig beantworten zu können. Wie werden - im günstigsten Fall - ein Pektum von Antworten sammeln, die einander widersprechen - aber auch das wäre schon interessant...



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wieder mal ein scheinbar seichtes Thema - ans Rampenlicht gezerrt vom unsäglichen Quotenjäger Alfred Schmidt - aber es ist Sommer - und da nehmen wir es nicht so genau ......

    Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, wir nehmen es immer genau. Als vor einem Jahrzehnt eine sehr gute Bekannte von mir ihre Zahnarztpraxis einrichtete, wurden in jedem Behandlungsraum Lautsprecher installiert und ich bekam den Auftrag, Musik zusammenzustellen, die angeblich schonend auf die Patienten beim Bohren, Ziehen und dergleichen wirken sollten. Dies sei wissenschaftlich begründet. Ich hab das zwar nicht verstanden aber Mozart, Vivaldi usw. aufgenommen zur Berieselung der Patienten. Einige Jahre später wurde die Praxis verlegt und vor einigen Jahren nochmals neu eingerichtet. Von Musik ist aber keine Rede mehr. Die Frage, ob hier klassische oder Unterhaltungsmusik angebracht gewesen wäre, entzieht sich meiner Kenntnis. Hocherfreut bin ich aber darüber, dass das Klassikforum nun bereit ist, über Unterhaltungsmusik zu diskutieren.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Da die wenigsten von uns klassische Musik in beruflichen Zusammenhängen hören, ist die logische Konsequenz, dass die meisten von uns klassische Musik zur Unterhaltung hören.


    Ich definiere hier also Unterhaltung als alles, was ich nicht aus beruflicher Notwendigkeit tue, sondern um die mir verfügbare Zeit sinnvoll zu strukturieren und zu füllen. Läse ich den Faust, so wäre auch dies Unterhaltung.


    Im "Literarischen Quartett" stellt Marcel Reich-Ranicki mal die Frage, was ein Roman überhaupt solle, warum er denn geschrieben würde. Und er beantwortete die Frage gleich selbst: Ein Roman soll unterhalten, was sonst?


    Es gibt sicher Kunstwerke, die Menschen verändert haben. Der "Tristan" hat Selbstmordwellen erzeugt. "Parsifal" wurde zu einer Art Kunstreligion. Aber auf den größten Teil der Musik, auch der klassischen, trifft das nicht zu.


    Bisher habe ich nur den Standpunkt des Hörers betrachtet: Warum höre ich Musik - und habe die Antwort geben: Zur Unterhaltung - womit über die Qualität dieser Unterhaltung nichts gesagt sein will. Ich würde nicht widersprechen, wenn jemand sagte, dass das Ansehen des Chéreau-Rings auf DVD eine qualitätsvollere Unterhaltung wäre als das Ansehen eines Horrothrillers (wobei es auch da Unterschiede geben mag).


    Vom Standpunkt des Komponisten ist die Sache vielleicht nicht ganz so einfach. Mozartsche Divertimenti oder Kassationen wurden sicher als Unterhaltungmusik komponiert ("Gran Partita" wäre vielleicht ein Grenzfall). Die Haydn-Quartette Mozarts eher nicht. Und hat Beethoven seine späte Quartette zur Unterhaltung komponiert? Die Appassionata? Die Hammerklaviersonate? op. 111?

  • Und hat Beethoven seine späte Quartette zur Unterhaltung komponiert? Die Appassionata? Die Hammerklaviersonate? op. 111?


    Hallo Wolfram,


    natürlich!


    Es bereitet mir Vergnügen, diese Stücke zu hören. Ohne dieses Vergnügen würde ich sie schlicht nicht hören. Es könnte mich niemand dazu zwingen, ich muss mich nicht beruflich damit auseinander setzen, da geht meine kostbare Freizeit drauf, ein Gut, das zum Kostbarstem gehört, das ich besitze.


    Ich höre diese Stücke nicht immer. Aber der Gedanke alleine, das ich sie für mich zur Unterhaltung entdeckt habe, reicht mir.
    Diese Unterhaltung setze ich auch dosiert ein. Sie hat für mich einen besonders hoch stehenden Wert, ist ein absolutes Sahnestückchen in meiner Freizeitgestaltung.


    Ich bin mal gespannt, wie andere Taminos das sehen. Kann wieder sehr interessant werden!


    Viele Grüße Thomas

  • natürlich!


    Lieber Thomas,


    es gab auch Kompositionen, die entstanden, weil die Komponisten ihre Kunstfertigkeit unter Beweis stellen wollten oder schlichtweg "übten":
    Bach: Kanonische Variationen über "Vom Himmel hoch"
    Mozart: Haydn-Quartette
    Beethoven: Klaviertrios op. 1
    Bruckner: Studiensinfonien
    Webern: Passacaglia op. 1


    Es gab auch Kompositionen, die eine politische Aussage transportieren wollten:
    Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur "Eroica" (Jedenfalls in der ursprünglichen Absicht)
    Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 5 d-moll
    Henze: Das Floß der Medusa


    Es gab auch Musik zur Ehre Gottes:
    Bach: Messe h-moll u. v. a. m.
    Messiaen: Orgelwerke


    Oder zur Ehre von Menschen:
    Mozart: Krönungskonzerte
    Verdi: Requiem


    Also, nicht bei aller Musik steht der Unterhaltungsaspekt aus Sicht des Komponisten im Vordergrund. Was der Hörer damit macht, ist in Zeiten der konservierbaren Musik natürlich eine andere Frage.


    :hello:

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Es gibt da einen alten "Dreiklang" für die Ziele der Kunst und hier insbesondere der Kunstmusik.
    Der geht so:



    1. Ergötzen
    2. Belehren
    3. Erbauen


    Wenn mir mein Gedächtnis jetzt keinen Streich spielt, dann war das auch einer der Grundsätze des einflussreichsten aller Thomaskantoren.


    "Ergötzung" ist ja ein sprachlich in die Jahre gekommener Begriff. Seine Bedeutung hingegen ist im musikalischen Zusammenhang absolut aktuell und - wie ich finde- auch lebenswichtig.
    Man könnte das Wort ja mit "erfreuen", "sich an etwas weiden", "emotional angeregt werden" (man sprach früher vom "rührenden Vortrag" eines Instrumentalisten oder Sängers), "Vergnügen erleben/empfangen", "über etwas entzückt sein" "Lust und Wonne empfinden", "be- oder verzaubert werden"...usw.


    "Unterhaltung" ist m.E. ein Oberbegriff, unter dem die "Ergötzung" auch einsortiert werden kann, denn wer die o.g. positiven Erfahrungen macht, dem wird ganz sicher auf angenehme Art und Weise die Zeit vertrieben, d.h. er wird gut unterhalten.
    Allerdings fällt unter "Unterhaltung" auch vieles, was man vielleicht doch nicht so einfach mit dem Erlebnis einer Beethovensymphonie vergleichen kann: Ich denke da an sogenannte Daily-Sitcoms, bei denen das Lachen über die angestrengte Situationskomik vom Band kommt, an Volksmusik a la Marianne und Michael, die Prunksitzung des Mainzer Karnevalvereins.....Roy Black oder.......


    Klassische Musik (und auch "Alte Musik", also z.B. Barockmusik und davor) will eigentlich also eigentlich immer ergötzen - aber sie erschöpft sich nicht darin, denn sie will ja auch


    belehren.


    Dieses Wort hört sich nun akademisch, anstrengend und irgendwie langweilig an.
    Dabei ist es doch gerade so, dass man seine Ergötzung, seine Freude dadurch intensivieren kann, wenn man etwas verstanden hat, also belehrt worden ist. Wie soll man denn die Wirkung von Dur- oder Mollakkorden empfinden, wenn das Gehör nicht dahingehend geschult wurde? Oder wie soll man den Schmerz eines dissonanten Nonenvorhaltes verstehen und nachempfinden, wie er so angenehm nachlässt, wenn er sich in die Oktave auflöst?
    Ähnliches könnte man zu Melodie oder Rhythmus ausführen. Wenn man nie gelernt hat, dass der Rhythmus extrem gut geeignet ist, körperlich nachvollzogen zu werden, dann wird einem der berühmte "Bolero" von Ravel nichts sagen können.
    Ob man sich nun als Musiker sehr eingehend oder "nur" als Hörer mit der klassischen Musik beschäftigt:
    Sie ist meistens so reichhaltig und oft auch genial aufgebaut, dass man nach dem Spielen bzw. Hören eigentlich etwas gelernt haben sollte, und zwar auf sehr vergnügliche Art und Weise.
    Wenn ich mir etwas von Bach oder Brahms anhöre, dann wundere ich mich immer, wieso ich auch nach Jahrzehnten immer neue Aspekte, Details etc. entdecke; auch bei mir sehr bekannten Meisterwerken.
    Diese Eigenschaft der klassischen Musik macht sie für deren Liebhaber ja gerade interessant. Wenn man an etwas interessiert ist, dann ist man auch gewillt, dazuzulernen, sozusagen seinen "Hörizont" zu erweitern. Hier gibt es eine Wechselwirkung mit der Ergötzung. Durch mein grösseres Verständnis konnte ich mich mehr ergötzen. Weil das so schön war, interessiere ich mich wiederum dafür, noch mehr zu lernen. Ich kann mir denken, dass einige Taminos, die etwa in Kunstlied-Threads schreiben, solche Prozesse durchlaufen haben.


    Und schliesslich gibt es noch den Begriff der "Erbauung".
    Natürlich verbindet man ihn mit der geistlichen Musik, was ja nicht verwundert, denn unsere abendländische Musik wurzelt ja in der christlichen (gregorianischen) Tradition.
    Gemeint ist damit wohl letztendlich, dass die Musik dem Menschen in irgendeiner Form guttut. Bei der geistlichen Musik wird der innere Mensch "erbaut", sein Glaube, seine Liebe zu Gott und seine Erfurcht wird gestärkt.
    Doch auch eine Symphonie von Mozart, Beethoven oder Brahms ist m.E. dem Grundsatz verpflichtet "erbaulich" zu sein. Dem Hörer werden Geschichten in Tönen erzählt, die ihn irgendwie positiv verändern sollen. Wenn ich so ein Werk gehört habe, dann bin ich -jedenfalls für eine gewisse Zeit- ein Anderer, weil ich in eine aus Tönen bestehende Erlebniswelt mitgenommen wurde, die mich innerlich beeinflusst. Selbst der grosse Einfluss von Worten kann mit diesem direkten Zugangsweg der Musik nicht mithalten, jedenfalls dann nicht, wenn der Mensch mindestens über eine gewisse Musikalität verfügt. Allein die Möglichkeiten der Musik, Freude, Trauer, Schmerz, Entsetzen, Grauen, Euphorie, Trost, Ausgelassenheit, Angst und noch so viel mehr derart plastisch nachvollziehbar auszudrücken, ist für den Menschen eine Erbauung an sich.
    Durch solche Dinge unterscheidet sich der Mensch m.E. vom Tier, das hauptsächlich am Fressen (also Fast-Food-Kette besuchen), Jagen (also Fussball), Arterhaltung (also Sex) und solchen Dingen interessiert ist.


    Das Gute an einer erbaulichen Musik ist ja auch, dass sie an sich sinnfrei ist.
    Warum soll man denn bloss sinnlose Luftschwingen verursachen? Dadurch steigen nicht die Kurse an der Wall Street, der Hunger in der Dritten Welt wird nicht bekämpft, man tut nichts gegen den Treibhauseffekt.....
    Die schönsten Dinge im Leben sind oft scheinbar sinnlos aber gleichzeitig so unglaublich wichtig und auch mehr oder weniger erbaulich: Romantische Gedichte, (Pfeife rauchen, Rotwein trinken - beides wohl nur im mässigen Genuss erbaulich ;) ), sich vor eine Anlage zu setzen und klassische Musik lauschen, Konzerte besuchen, Musizieren, Komponieren, oder gar Tamino-Beiträge schreiben.
    Das Gegenteil einer erbaulichen Musik ist vielleicht auch, wenn sie einen kalt lässt, was auch an einer auf reine Perfektion gezüchteten Interpretation liegen kann. Dann wiederum langweilt sie einen auch - man sieht auch hier eine gegenseitige Wechselwirkung zur Ergötzung.


    Jede gute klassische Musik ist also auch Unterhaltung im Sinne der Ergötzung, aber nicht jede Unterhaltung hat die beiden anderen wichtigen Aspekte, nämlich die Belehrung und die Erbauung.


    Aus dem der klassischen Musik zurecht zugestanden Unterhaltungsaspekt jedoch abzuleiten, dass sie nur hübsch und lieb und niemals AUCH erschreckend oder verstörend wirken darf, ist allerdings falsch, weil man damit eine eigene Vorliebe als allgemein anzustrebenden und heimlich doch auch von der schweigenden, rechthabenden Mehrheit erwünschten Massstab hinstellt. Der klassischen Musik wird diese Haltung nicht gerecht, auch nicht der Kunst an sich.
    Nur hübsch und lieb geht es (nur scheinbar) bei Marianne und Michael zu (in Wahrheit empfinde ich die dort gespielten Arrangements als schon brutal, weil in jeder Hinsicht unsensibel simpel kommerziel- anbiedernd und den ausdrucklosen, unausgebildeten Gesang als musikalisch tot), die Klassik jedoch will viel mehr (obwohl sie auch sehr bezaubernd und lieblich klingend kann), wie man ja gut an den von Brahms vertonten "Deutschen Volksliedern" erkennt, die ich jetzt nur im Gegensatz zum volkstümlichen TV-Event als echte Qualitätsmusik in Sachen Volkslieder anführe.


    Ich sage manchem erstaunten Gesprächspartner manchmal, dass sowohl die Winterreise als auch die h-moll Symphonie von Schubert (Unvollendete) im ersten Satz für mich jeden Horrorfilm übertrifft.
    Hier wird wirkliches Grauen, Gänsehaut ( z.B. auch die Stelle " den Vater graust es" aus dem Erlkönig oder der "Doppelgänger" aus dem Schwanengesang) körperlich und seelisch fühlbar; hier tun sich Abgründe auf, wie übrigens auch an manchen Stellen in den Symphonien Mozarts oder Beethovens.
    Ja, auch das kann unterhaltend sein, sonst würde sich wohl auch kaum einer die 50 + xte Einspielung davon kaufen.
    Gleichzeitig empfinde ich auch solche Aspekte in der klassischen Musik als erbaulich, weil es dem Menschen guttut, sich auch solchen Seelenzuständen zu stellen, sich damit auseinanderzusetzen, über sie zu reflektieren.


    Nun zu sagen "Ich will das gar nicht hören, sondern nur die Interpreten sind in Wahrheit akzeptabel, die solche (dummerweise) vom Komponisten eingebauten Dinge verschönern, glätten, verharmlosen" ist eben Ausdruck eines privaten Geschmacks, der zwar aus meiner Sicht bedauerlich einseitig zu sein scheint (auch das Gruseln kann doch so schön sein...), aber sicher legitim ist.
    Nur sollte man diesen Geschmack nicht als allgemeinen gültigen Massstab betrachten, denn es kann ja gut sein, dass die Komponisten selbst ihre Werke gerne etwas "würziger" gehört hätten, wenngleich ich damit nicht verwechselt sehen möchte, dass eine gute Interpretation auch bei diesen erschreckenden Stellen immer organisch und atmend, d.h. menschlich klingen sollte.


    Doch man darf doch Jedem seine Vorlieben gönnen:
    Manche lieben nun einmal mehr die milden, naturbelassenen Mischungen; für andere hingegen müssen es vielleicht die dänischen Aromaten sein, um auf die Welt des Pfeifentabaks zurückzukommen. Beides hat etwas für sich, und ich kann beide Standpunkte aktzeptieren.


    Oder wie beim TV oder bei Film:
    Der eine empfindet schon eine Krankenhausserie extrem dramatisch und für andere muss es schon ein Tatort, oder ein Scifi- oder Horrorfilm (z.B. "Alien") sein.


    Gut, dass man heutzutage über eine so grosse Auswahl an Komponisten und Interpreten verfügt und als Hörer wählen kann.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich wollte, es gäbe mehr solche Beiträge wie Nr. 6, die rundum


    ergötzen, belehren, erbauen (und nicht einschränken, ergänze ich)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe jetzt extra noch mal den Computer angeschalten um Meister Glockentons langen Text endlich zu Ende lesen zu können.
    Vielen Dank dafür! Das war erbauend. Und so spät in der Nacht geschrieben. Ich wünsche dass Du gut geschlafen hast danach und wenn nicht, dann heute.


    Liebe Grüsse

    Julius

  • Lieber Alfred,


    ich hatte einmal die Ansicht geäussert, dass weite Teile der sogenannten "ernsten" Musik "zur Unterhaltung" komponiert wurden, und nun als "E" geführt werden aufgrund des Vermögens der Komponisten, eben noch etwas mehr hineinzuarbeiten.
    Meine Folgerung wäre, dass Teile der sogenannten "U"-Musik von heutzutage in wenigen Jahrzehnten möglicherweise auf "E" "hinaufgewertet" werden.


    Was hältst Du davon? Ist das so eine abwegige Ansicht?


    Liebe Grüsse

    Julius

  • ich hatte einmal die Ansicht geäussert, dass weite Teile der sogenannten "ernsten" Musik "zur Unterhaltung" komponiert wurden, und nun als "E" geführt werden aufgrund des Vermögens der Komponisten, eben noch etwas mehr hineinzuarbeiten.
    Meine Folgerung wäre, dass Teile der sogenannten "U"-Musik von heutzutage in wenigen Jahrzehnten möglicherweise auf "E" "hinaufgewertet" werden.


    Die Frage hierbei ist auch, wann "E" und "U" eingeführt wurden.
    Zu Mozarts Zeiten wurde ja nichts als "ernste Musik" oder "Unterhaltungsmusik" geführt.

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  • Friedrich der Große war nicht nur der bedeutendste preußische König, er war auch Komponist und begnadeter Virtuose auf der Traversflöte. Unter der Leitung seines Lehrmeisters Johann Joachim Quantz fanden am Hofe Friedrichs II. regelmäßig Kammerkonzerte statt. Obwohl ich da noch nicht gelebt habe, bin ich überzeugt davon, das dies der Unterhaltung galt.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Volle Zustimmung zu Glockentonsbeitrag. Außer den Vergleichen mit Pfeiferauchen und Weintrinken ;) das ist beides m.E. "bloß angenehm" und kann daher nicht erbaulich sein. (Auch wenn es einen reflektierten Genuß gibt, ist das m.E. noch etwas anderes als Erleben von Kunstwerken.)
    Ich habe in einem anderen Beitrag neulich ebenfalls versucht, den Aspekt der "Erbauung" oder ästhetischen Kontemplation unabhängig vom religiösen Hintergrund als einen wesentlichen Aspekt "ernster" Kunst, herauszustellen. "Sammlung" und Fokussierung auf das Erleben des Kunstwerks ist eben etwas anderes als die Suche nach "Zerstreuung". Zwar ist das zunächst nur eine Haltung des Rezipienten (Man kann die Eiger-Nordwand ästhetisch auf sich wirken lassen, oder überlegen, wo die beste Route wohl entlanggehen mag oder wo Bergsteiger x seinerzeit abgestürzt ist usw.). Aber Kunst zeichnet sich eben dadurch aus, dass zu solch einer Haltung einlädt bzw. sogar voraussetzt, um angemessen aufgenommen zu werden.


    Zur Irritation und dem angeblich Hässlichen in der Kunst. Das hat natürlich etwas Paradoxes: Wie kann eine katastrophale Tragödie wie Ödipus oder Tosca oder... Genuss bieten oder sogar erbauend oder "erhebend" sein? Sind wir heimliche Sadisten/Masochisten, wenn wir uns an derlei erfreuen? Ob Katharsis aus Sicht heutiger Psychologie plausibel ist, weiß ich nicht. Vielleicht (das findet sich wohl so ähnlich bei Schiller im Anschluß an Kant) sind das oft besonders deutliche Beispiele für das Erhabene: Menschen behalten ihre Würde in tragischen Umständen und das hat etwas Erhabenes und Erhebendes.
    Aber vergessen wir mal mögliche Erklärungen. Wir erleben das doch sogar bei Filmen und Unterhaltungsliteratur. Auch wenn man das Horrorgenre weglässt, jeder erfreut sich in Krimis, Abenteuerromanen usw. an Situationen, die brenzlig, brutal, lebensgefährlich, jedenfalls häßlich und unangenehm sind. Wir finden die Darstellung aber nicht unangenehm, sondern unterhaltend.
    Warum sollte das bei der ernsten Kunst soviel anders sein?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)