War "HIP" ein "trojanisches Pferd" ?

  • Gleich vorweg:


    Ich bin ein Hörer der ersten Stunde (na ja fast, jedenfalls), der schon in den siebzigern Schallplatten mit dem Collegium Aureum ("Harmonia mundi"- später umgetauft in "Deutsche Harmonia mundi) kaufte - also keineswegs ein Gegnert von Aufnahmen mit "Originalinstrumenten, seien sie nun original oder nachgebaut, wobei ich der Meinung bin eine Stradivari, Amati, Stainer oder Guarneri kann gar nicht nachgebaut werden, sie wird immer "neu" klingen. Aber das ist hier nicht Thema dieses Threads.


    Ich wollte hier nur festhalten, daß mich Aufnahmen mit Originalinstrumenten immer schon interessiert haben, und ich ihnen positiv gegenüberstehe. Das Collegium aureum hat mich irgendwie nicht überzeugt, jedoch später "The English Concert" unter Trevor Pinnock, oder die "Akademie für Alte Musik", Berlin. Auch das eher "rabiate" Ensemble "Il Giardino Armonico", vermochte mich zu begeistern - ich bezweifle jedoch, daß das was die machen , historisch korrekt ist. Schwamm drüber.


    Plötzlich rutschte das Hauptthema in den Hintergrund und man begann mit "modernen Instrumenten" "historisch informiert" zu spielen. Besonders gut daran zu erkennen, daß jeglicher schöne Klang auf der strecke blieb zugunsten von Strukturen der Werke (ich würde es so sehen, daß man Skelette vom Fleisch befreite - und Skelette sind num mal an sich grauenerregend)
    Allmählich rutschten die "Originalklang-Ensembles" in den Hintergrund, sie wurden - von wenigen Ausnahmen mal abgesehen - zahmer und zogen sich auf das für sie geeignete Repertoire zurück, Die späte Wiener Klassik und beginnende Romantik wurde jedoch wieder von "modernen" Orchestern übernommen. Aber was ist daraus geworden ?
    "Das ist nicht mehr MEIN Beethoven", sagte schon vor Jahren ein Sitznachbar anlässlich eines Konzertes, wo Rattle mit den Wiener Philharminikern Beethoven Sinfonien einspielte (Dabei fand ich das noch einigermaßen moderat)
    Blankes Entsetzen ergreift ich jedoch wenn ich lesen muß. wie manche Neueinspielungen klingen. Überbetonte Rhythmik (bei Järvi hopst das gesamte Orchester im Rhythmus mit) Akzente wo sie nie waren - und Eigenwilligkeiten bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit. Das führt dazu, daß - selbst wenn ich Klassik höre - ich gefragt werde "welch grauenvoller Neutöner" da schon wieder in meinem Player gelandet sei - und ich muß dann leider sagen "Schubert"
    Irgendwie erinnert mich die gesamte heutige Orchesterszene (in abgemilderter Form) an das Regietheater: Alles wird verfremdet und umgemodelt - hier allerdings mit unter dem Schutz des Mantels der "Originaltreue"
    Ich vermute hier ein "Trojanisches Pferd", das unter dem Vorwand "historisches" anzubieten, die Rhytmik und den Zeitgeist des späten 20. bzw frühen 21. Jahrhunderts hier einschmuggelt. (?)
    Ich glaube auch, daß das Klassikpublikum hier (passiven) Widerstand leistet. Es werden ja doch am liebsten die Aufnahmen unter Karajan und Bernstein gekauft - und in Klassikläden auch bevorzugt emfpfohlen......
    Klassikforen indes sind eigentlich kein guter Indikator, da hier der Geschmack doch sehr unterschiedlich ist. Denn selbst wenn ich - um meinen Horizont zu erweitern - nicht weil ich mir schöne Musik erwarte, einer Empfehlung des Forums nachgehen will, so bin ich gezwungen über Versand zu kaufen, in den Wiener Klassikläden - und wir haben einige - ist das meiste davon nicht lagernd - weil es nicht verlangt wird. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Naja, lieber Alfred, Du greifst jetzt aber mit Järvi auch gleich die Extreme heraus ...


    Tatsächlich ist die Szene der Historischen Aufführungspraxis - HAP - alles andere als tot oder auf Barock und Frühklassik reduziert, sondern erfreut sich pudelwohlster Gesundheit: Der Concentus Musicus WIEN rockt Strauß I und Lanner, dass sich die Balken biegen (siehe meine Konzertbesprechung aus dem großen Saal des Musikvereins), Jos van Anima Eterna graben bei Poulenc an den Grenzen zur klassischen Moderne, Gardiners Revoluzzer spielen Brahms, dass es kracht, Herreweghe kann auch mit seiner Royalen Kapelle Brahms: dass sie sich damit „das für sie geeignete Repertoire“ aneignen, ist zwar richtig, aber dass die HAP damit „zahmer“ würde ... ich weiß nicht, es wäre mir aufgefallen.


    Järvi nun ist ja nur eine Ausprägung der Historisch Informierten Praxis - HIP -. Ist er wirklich so viel extremer als Mackerras, Norrington, Herreweghe (Königliche Flamen), Zinman, Harnoncourt, ... und wie sie alle heißen, die teils von HAP herkommend, ihre Erkenntnisse nun in HIP über den armen traditionellen Orchestern ausgossen? Das ist doch der eigentlich dramatische Vorgang: dass die HAPpisten hinterhältig sich unter dem herkömmlichen Konzertbetrieb durchgruben und quasi von hinten die feindlichen Linien des erstarrten durchromantisierten Orchesterquarks durchlöcherten und das Unterste zuoberst kehrten.


    Sucht man das Beispiel einer CD-Einspielung, so finde ich die Beethoven-Sinfonien unter Osmo Vänskä mit dem Minnesota Orchestra bei BIS ein schönes solches: ein Dirigent, der mit schönem, frischem, aber letztlich herkömmlichem Sibelius und Grieg seine Bekanntheit erlangt hatte, ein Orchester des mittleren Westens der USA, das in Europa nur Eingeweihten etwas sagt, stampfen urplötzlich einen HIPpen Beethoven aus dem Boden, dass es eine Freude ist. Gut, den tumben Altweltlern ist das nicht genug, Järvi Sohn I kann’s noch besser, weil noch extremer.


    Aber es zeigt: unsere Orchester wurden stillschweigend unterwandert von dem Virus HIP, den das nach vorne strahlende HAP-Pferdchen in aller Stille hinten rausgelassen hat. Dein Bild mit dem trojanischen Pferd trifft es also ganz schön. Es ist doch ein Elend, letztes Wochenende wieder erlebt: Da spielt das Gürzenich-Orchester - bestimmt nicht als HIP verleumdet - in Köln unter Mark Elder aus Manchester in schönster romantischer Tradition Dvoraks In der Natur und Sibelius sechste und siebte Sinfonie - und plötzlich mittendrin, nach der Pause und vor Sibelius’ Siebenter wird Zweidrittel oder auch Dreiviertel des Orchesters mal eben aus dem Weg geräumt, um als Kammerorchester mit HIPper Diktion Mozarts Sinfonia Concertante aufzuführen. (Allerdings eine wirklich gelungene Interpretation mit Sitkovetsky und Rysanov, an deren Zusammenspiel sich alle anderen die Finger lecken mögen, aber das ist hier nicht der Punkt!) Danach dann wieder großes Orchester mit Sibelius 7. Was ist denn das für eine Programmdramaturgie? Dergleichen macht den Kulturschock für das gestresste Publikum, das sich nun wirklich nicht wehren kann, perfekt.


    Da holen sich Traditionsklangkörper wie das Beethoven Orchester Bonn über mehrere Spielzeiten hinweg ganz bewusst die unterschiedlichsten HIP-Dirigenten auf das Pult als eine Art von Fort-(oder Ver-)bildungsmaßnahme. Das ist ja der Skandal: HIP ist in der Mitte der Orchesterlandschaft angekommen. Und das Publikum ist machtlos. Viel lieber würden sie ja, wie Du schreibst, Karajan oder Bernstein da vorne auf dem Podium sehen. Aber diese Feiglinge haben sich ja gerade noch einmal rechtzeitig aus dem Staub gemacht zu einer Zeit, als bereits ruchbar war, dass der HIP-Virus eines Tages alles überrollen würde.


    So führt nun Thielemann das kleine Fähnlein jener Aufrechten an, die noch genug Rückgrat haben, um nicht dem Zeitgeist „des späten 20. bzw. frühen 21. Jahrhunderts“ anheim zu fallen. Thielemann und ... und ... tja, wer kommt denn da noch hinter seinem Fähnlein ... gut, mir fallen die Namen der anderen Progressiven gerade nicht ein, aber bestimmt werden sich da noch welche finden ... und wenn wir jetzt alle hier im Forum nur laut genug „BUHHH!“ schreien, wird es uns schon gelingen, unseren Orchestern wieder das HIPpe mit dem HAPpen auszutreiben. In diesem Sinne: Halali!

  • Ein typischer Thread der Marke "Alfred Schmidt polemisiert zugunsten von Einschaltquoten" bzw. von Anklickraten. Welch niedrige, kunstferne Triebe ... :hello:


    wobei ich der Meinung bin eine Stradivari, Amati, Stainer oder Guarneri kann gar nicht nachgebaut werden, sie wird immer "neu" klingen.


    Es ist ein riesiger Unterschied, ob man eine Stainer-Violine im 19. Jahrhundert klangverstärkt hat und mit modernen Stahlsaiten und Tourtebogen spielt oder ob sie im Originalzustand verblieben ist und mit Darmsaiten und altem Bogen gespielt wird. - Eine nachgebaute Stainer-Geige mit Darmsaiten und altem Bogen wird sich immer "alt" anhören.


    Besonders gut daran zu erkennen, daß jeglicher schöne Klang auf der strecke blieb zugunsten von Strukturen der Werke (ich würde es so sehen, daß man Skelette vom Fleisch befreite - und Skelette sind num mal an sich grauenerregend)


    Vielleicht hat man nicht Skelette freigelegt, sondern lediglich ein Abspecken von gesundheitsschädlichem Fett vorgenommen. Der David von Michelangelo wurde auch nicht als 5-Zentner-Mann modelliert, sondern schlank, sehnig, drahtig. - Wenn jemand den langsamen Satz aus Beethovens Neunter mit fettem Dauervibrato spielt, ist das so, als ob man Michelangelos David auf eine 5-Zentner-Figur hochgepäppelt hätte.


    Allmählich rutschten die "Originalklang-Ensembles" in den Hintergrund, sie wurden - von wenigen Ausnahmen mal abgesehen - zahmer


    Das ist eine ganz natürliche Pendelbewegung. Am Anfang wurden die "neuen" "alten" Entdeckungen sicher übertrieben, aber schon die zweite Generation (Kujiken, Herreweghe, Gardiner) brachte viel mehr Sinnlichkeit in den Klang zurück.


    "Das ist nicht mehr MEIN Beethoven", sagte schon vor Jahren ein Sitznachbar anlässlich eines Konzertes, wo Rattle mit den Wiener Philharminikern Beethoven Sinfonien einspielte


    Gegenfrage: Warum geht er zu Rattle, wo er Rattles Beethoven hört, wenn er doch eigentlich "seinen" Beethoven hören will? Ich gehe ja auch nicht zu McDonalds, wenn ich Mamas Frikadellen essen will.


    Blankes Entsetzen ergreift ich jedoch wenn ich lesen muß. wie manche Neueinspielungen klingen.


    Beispiele? - Und den Satz "Wenn ich lesen muss, wie manche Neueinspielungen klingen" finde ich sehr bezeichnend - anstatt sich ein eigenes (Hör-)Bild zu machen, genügt schon das Lesen der Berichterstattung anderer ... wie einfach die Welt doch sein kann.


    Eigenwilligkeiten bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit.


    Vielleicht ist es ja umgekehrt: Furtwängler, Klemperer, Böhm usw. haben sich Eigenwilligkeiten geleistet bis an die Grenze des Erträglichen und darüber hinaus - alleine die großen Unterschiede zwischen den Interpretationen dieser drei Ikonen sprechen ja schon für Richtigkeit dieser Behauptung. Die HIP-Ensembles sind dichter an der historischen Wahrheit, darum klingen sie auch einander vergleichsweise ähnlich! So rum wird ein Schuh draus.


    Das führt dazu, daß - selbst wenn ich Klassik höre - ich gefragt werde "welch grauenvoller Neutöner" da schon wieder in meinem Player gelandet sei - und ich muß dann leider sagen "Schubert"


    Oh, lieber Alfred, es würde mich sehr interessieren, mit wem Du da so Klassik hörst. Taminos können es ja nicht sein (keine privaten Treffen). Aber warum wirbst Du diese Menschen dann nicht für Tamino? - Na ja, machen wir es kurz: Ich behaupte, dieser Absatz ist reine Erfindung von Dir, um den Thread anzuheizen.


    Ich vermute hier ein "Trojanisches Pferd", das unter dem Vorwand "historisches" anzubieten, die Rhytmik und den Zeitgeist des späten 20. bzw frühen 21. Jahrhunderts hier einschmuggelt. (?)


    Interpretation wird IMMER den Stempel der Zeit tragen, in der sie vorgenommen wird. Beginnend (spätetens) mit Mendelssohns Bach-Aufführungen. Das ist gar nicht zu vermeiden. Wer Beethoven, Strawinsky und Schönberg im Ohr hat, hört Mozart anders als jemand, der nur Haydn, Kozeluch, Cannabich und Salieri kennt.


    Ich glaube auch, daß das Klassikpublikum hier (passiven) Widerstand leistet. Es werden ja doch am liebsten die Aufnahmen unter Karajan und Bernstein gekauft - und in Klassikläden auch bevorzugt emfpfohlen......


    Kannst Du das belegen?


    Ich werde noch einmal meine Harnoncourt-Bücher lesen, um besser zu antworten. Jedenfalls hat Harnoncourt nicht auf alte Quellen zurückgegriffen, um museale Aufführungen zu bewirken, sondern um die Musik modern zu interpretieren.


    Der Maestro NH komme zu guter Letzt selbst zu Wort:


    "So befinden wir uns heute also in einer nahezu ausweglosen Lage, wenn wir noch immer an die verändernde Kraft und Macht der Musik glauben und sehen müssen, daß die allgemeine geistige Situation unserer Zeit die Musik von ihrer zentralen Position an den Rand gedrängt hat – vom Bewegenden zum Hübschen. Wir können uns aber damit nicht abfinden, ja, wenn ich sehen müßte, daß das die unwiderrufliche Situation unserer Kunst ist, würde ich sofort aufhören, Musik zu machen.“

  • Ich schließe mich meinem Vorredner mit einem virtuellen"Gefällt mir"-Klick an! :)


    Beim trojanischen Pferd wäre noch die Frage, ob die Wahl dieses Mittels alleine zu verurteilen ist, oder ob man sich anschaut, wer oder was dem Bauch des Pferdes entspringt.
    Würde es helfen, die Etikettierungen "HIP" und "HAP" wegzulassen?


    Man könnte sich fragen, was man denn sonst noch anders machen könnte/ sollte, um diese alte Musik neu hören zu können. Sind diese musikalischen Aufführungsmoden nicht auch reizvoll und wichtig, weil sie Abwechslung mit sich bringen?


    Sind Karajan und Bernstein [Achtung, Polemik: dem Letztgenannten gönne ich es aus vollem Herzen... haha!] wirklich die einzigen Erfolgreichen am Klassik-Counter?
    Ich Teile Wolframs Zweifel! Auch ohne Zahlen zu kennen, meine ich, aus der Berichterstattung damals erfahren zu haben, dass bspw. Zinmans Zyklus nicht nur Furore sondern auch Kasse gemacht hat. Zwei junge Berliner Zyklen mit Abbado, Rattles Wiener Einspielung, dazu viele andere hier schon genannte sind wahrscheinlich zusammen nicht so oft verkauft worden, wie Karajan alleine (??), aber für heutige Zeiten gut verkauft haben sie sich sicherlich.


    Ich bin mit den alten Schlachtrössern sehr zufrieden und die Trojaner in meinem CD-Regal erhalten auch entsprechende Zuwendung. Ich bin froh, dass es beides gibt!


    Beste Grüße
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Es ging und geht ja zunächst einmal darum, die Alte Musik ( auch Beethoven gehört ja dazu) so zu spielen, dass sie dem Publikum verständlich wird. Je älter die Musik, desto nackter sind die Partituren: Es steht nicht allzu viel über die wirkliche Ausführung drin, manchmal fast nichts.
    Wer als Musiker dem Publikum einen verstehenden Zugang zu dieser Musik eröffnen will, muss also erst einmal selbst so viel wie möglich verstanden haben, wozu viel Forschungsarbeit über die Ausführungspraxis geleistet und viele praktische Erfahrungen ( inklusive Missverständnisse und Irrwege sowie deren Korrekturen) gesammelt werden mussten.


    Die alten Instrumente kamen ins Spiel, weil sich zeigte, dass auf Ihnen bestimmte Spielweisen, die auch auf heutigen Instrumenten möglich sind, leichter und natürlicher vielen. Ebenso zeigte sich, dass das Klangbild gerade in den Bereichen Renaissance, Frühbarock und Barock sehr von dem Timbres , vom Mischklang und von der einfacher herzustellenden Balance der alten Instrumente profitierte.


    Für mich ist für die Barockmusik der wichtigste Aspekt, dass man als Musiker verschiedene Notengruppen als bewegte Gesten (oder im alten Deutsch "Figuren" ) erkennt, diese intellektuell versteht und vor allem körperlich nachempfindet. Mit ihrer Hilfe vermittelt man den Affekt, die Charakterstimmung des Stücks. Es kommt darauf an, diese Figuren mit Hilfe einer detailreichen Dynamik, Artikulation und Agogik richtig, d.h. nach den Regeln der Zeit "auszusprechen" und ihre Bedeutung auch im Sinne einer musikalischen Grammatik, die sich am Aufbau einer Rede orientiert zu erfassen und herauszuarbeiten.


    Mit diesen barocken Erfahrungen im Gepäck wurden einige Interpreten der historischen Aufführungspraxis gebeten, ihre Erkenntnisse auf die Musik Mozarts, Haydns und Beethovens angewandt auch mit den "modernen" Orchestern zu teilen.
    Im Gegensatz zu den Pionierensembles der Alten Musik konnten diese Orchestermusiker jedoch nur auf ihre "barocke" Hörerfahrung mit Tonträgern zurückgreifen, jedoch nicht auf eine jahrzehntelange Spiel- und Forschungspraxis.
    Wie sie eine Phrase zu verstehen und zu spielen hatten, musste der ausführungspraktisch erfahrene Dirigent ihnen im Crash-Kurs-Verfahren versuchen schnell und effektiv zu vermitteln - Probenzeit kostet ja in der Tat viel Geld.
    Viele gute Aufnahmen aus diesen Jahren zeugen davon, dass es bei einem Dirigenten, der selbst bis in die Dynamik des Einzeltons hinein genau versteht, warum er etwas so haben will, durchaus möglich war, auch mit den Mitteln einen Crash-Kurses ein überzeugendes, klingenden Resultat hinzubekommen.


    Weil diese Aufführungen überzeugend klangen und ein neues Verständnis dieser Musik eröffneten, hat sich HIP zunehmend durchgesetzt.
    Es gab immer mehr Nachahmer, meines Erachtens allerdings mit einer vielschichtigen Verständnistiefe. Manches ist hervorragend, manches grenzt eher an den Begriff des grandiosen Missverständnisses.


    Wenn man meint, dass kleine Besetzungen, ruppige Akzente, eine federnde Durchsichtigkeit, rasende Tempi und Non-Vibratospiel schon historisch informiertes Spiel sei, dann ist man sehr auf dem Holzweg. Da muss man sich schon die Mühe machen, sich die Quellen selbst kritisch vorzunehmen, die alten Partituren durchforsten und bei den Pionieren viel länger und genauer hinhören und sich immer die "Warum-Frage" stellen.
    Wenn etwas nur gehetzt und eckig klingt, wenn man die Phrasen nicht atmet, dann geht es schnell am Ziel vorbei. Heraus käme dann tatsächlich eine zeitgeistige Modeerscheinung, die schnell wieder verschwindet und später so befremdlich wirkt wie die Kleidung aus den späten 70er-Jahren in alten Derrick-Filmen, die man sich heute verwundert in den Blueray-Player legt.


    Was bleibt denn eigentlich?
    Gibt es denn in der Interpretation Elemente, die immer gut und richtig bleiben und damit selbst in den Status "klassisch-zeitlos" erhoben werden?
    Ja, ich meine schon.
    Da die Alte Musik aus gestischen und damit eigentlich im Grundsatz eher runden Bewegungen besteht, hat sich jedenfalls bei mir die Erkenntnis durchgesetzt, dass völlig unorganische Akzente, die körperlich nicht nachvollzogen werden können, tatsächlich auch Fehler sein können.
    Alles sollte man atmen und körperlich nachvollziehen können.
    Nun muss man dazusagen, dass z.B. Beethoven (über den wir hier ja aufgrund des ersten Postings reden) oft absichtlich Sforzati und Akzente an Stellen setzte, die man normalerweise nicht betonen würde. Hier geht es dann um absichtliche Störungen des Systems, die aus meiner Sicht aber auch immer in gewisser Weise natürlich bzw. organisch klingen sollten, auch wenn sie als Irritationen verstanden werden müssen.


    Wenn man Worte im gesprochenen Satz absichtlich vorzieht oder die Sylbenbetonung "aus Spass" andersherum macht und dann auch noch ein tieferes Sinn dahintersteht ( z.B. Humor oder auch Rebellion) , dann überzeugt das. Trotzdem müssen solche Sachen aus dem Wortzusammenhang, also aus dem Kontext von gestischer Bewegung und erkannten Figuren auch verstanden werden, wenn sie vom Hörer nachempfunden werden sollen.


    Ist dies nicht der Fall, dann mag ich eine Interpretation nicht, auch wenn sie sehr perfekt auf der CD daherkommt.
    Das ist allerdings recht unabhängig davon, ob es nun eine Symphonie unter der Leitung von Thielemann oder Järvi (und den Philosophien, die dahinterstehen) ist.


    Bei beiden kann ich Positives hören und loben, und bei beiden kann ich auch Kritik anbringen.
    Die übergrosse Perfektion einer "Järvi-Symphonie" auf CD (salopp gesagt) kann auch ein Gefühl von Unberührtheit, eine Eindruck von kalter Berechnung hinterlassen. Es wird ja so viel richtig gemacht, alles sitzt, die Artikulation passt....aber fehlt da nicht etwas? Werden da nur brilliante Teile eines nicht klar zu erkennenden Ganzen zusammengesetzt? Muss es nur stürmend sein, oder gibt es nicht auch etwas unerklärlich Poetisches in diesen Werken, eine menschliche Komponente, die man irgendwie bei einer solchen Interpretation vermisst?


    Auf der anderen Seite können die zerdehnten Übergänge, die sich Thielemann bei Beethovens 9. in Wien geleistet hat, tatsächlich als zu sehr gewollt, als "dem Furtwängler nachgemacht" empfunden werden.
    Beim ersten Satz fand ich noch, dass diese Art der Interpretationen, bei denen einem vor dem geistigen Auge Schwarzweiss-Dokumente Furtwänglers auftauchen, gerade wegen ihres heutzutage schon anachronistischen Ansatzes eine starke Berechtigung haben- warum nicht, denn an diesem deutsch- titanenhaften Beethovenbild ist ja auch etwas Wahres dran.
    Spätestens ab dem 3. Satz aber erschienen mir viele Spezialitäten als "Nachmache", als auffällige Effekthascherei. Der Zusammenhang des Werkes schien manchmal nicht mehr vorhanden zu sein. Wenn eine Musik ohne Spannung oder mit einem irgendwie nur gewollten Spannungseffekten faktisch stehenbleibt, dann vermisse ich den Ernst der Aussage zugunsten eines "seht mal, so mach ich es jetzt" des Dirigenten.
    Zuviel Gestaltung bei gleichzeitig zu wenig Ergriffensein, zu wenig von der Hingabe an den dramatischen Fluss der Musik.
    Thielemann benutzte zwar Furtwänglers Gestaltungsmittel, aber er ist nun einmal nicht Furtwängler. Dafür müsste er ganz und gar in die Gedanken- und Gefühlswelt Furtwänglers eintauchen können. Höchstwahrscheinlich sollte man es wohl auch nicht versuchen, denn gerade bei der Spontanität dieses Dirigenten muss man sagen, dass es hier tatsächlich nur einen Herrn Dr. geben kann. Wie im wirklichen Leben so soll man ja auch als Interpret immer sich selbst sein.


    Mein Fazit also:
    Egal ob man nun historisch informiert oder bewusst dagegen verstossend oder irgendwo in der Mitte angesiedelt spielen will:
    Es kommt darauf an, dass man die Musik immer authentisch aus sich heraus musiziert. Man sollte so viel wie möglich sich von den besten, auch unterschiedlichsten Interpreten, Lehrern, CDs, Büchern etc. beeinflussen lassen und von ihnen im Sinne der Verfeinerung des Geschmacks so viel wie nur irgend möglich lernen.
    Im Moment des Spielens aber, muss man ganz sich selbst sein, sonst wirkt es nicht "rührend" ( wie es Quantz sagen würde) sondern nur (nach) gemacht.
    Ich finde auch, dass sich gerade HIP- und Barockmusiker durchaus auch die alten Grossen wie Furtwängler oder Böhm anhören sollten.
    Nicht alles, was die machten war falsch, auch nicht aus heutiger Sicht. Manchmal sind sie, ohne von der barocken Aufführungspraxis geprägt zu sein mit ihren Interpretatione auf Dinge in der Musik gestossen, die tatsächlich enthalten sind, und die damit auch wahr sind.


    Karajan z.B. setzt mit seiner Interpretation der 9. Symphonie von Beethoven aus meiner Sicht auch heute noch den Masstab: Bei ihm erfährt man wirklich den grossen und grossartigen dramatischen Zusammenhang. Höre ich "seine" 9. , dann bin ich vor Ergriffenheit und Erschlagenheit danach nicht ansprechbar. Bei der von mir angeführten Thielemann-Interpretation oder wohl auch irgendeiner anderen heutigen HIP-Darstellung (die meisten kann ich irgendwie nicht zu Ende hören) kann es jedoch sein, dass mich die Musik schon während des Hörens ziemlich kalt und unbefriedigt lässt, was gewiss nicht am Komponisten liegt.
    Nur nebenbei: ich finde Thielemanns Wagner-Ouvertüren und seine Beethoven 1 und 2 ziemlich gut, höre aber bei Wagner auch den Karajan immer noch lieber, bin also keinThielemann-Feind, nur weil ich seine 9. nicht überzeugend fand.
    Es kommt also weniger auf die Schublade HIP oder nonHIP an, sondern die Erfahrung, die Reife, die Musikalität, Frische und Ausdruckskraft des Dirigenten sind nach wie vor die entscheidenden Faktoren.
    Wenn es daran fehlt, dann hilft weder die Basis des historisch informierten Spiels, noch der satt durchgezogene, romantische Streicherton.


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Es kommt also weniger auf die Schublade HIP oder nonHIP an, sondern die Erfahrung, die Reife, die Musikalität, Frische und Ausdruckskraft des Dirigenten sind nach wie vor die entscheidenden Faktoren.

    Als Resümee sehr schön gesagt, lieber Glockenton. Danke für diese sehr differenzierte Betrachtung.

  • HIP als Kriegslist um eine Festung zu erobern?


    Nun welche Festung ist gemeint, die wohlgehütete Plattensammlung der Jahrzehnte-Lang-Hörer, oder die Geisterfestung der "Großen ALten", oder die Festung des altgedienten Plattenladens, in dem die Angestellte schon das empfiehlt, was sie schon seit dreißig Jahren empfiehlt?


    Oder des langjährigen Karajan-Fan`s, der sich jahrelang seinen Beethoven zurecht gezimmert hat, so und so muss Beethoven klingen, alles andere ist Humbug?


    Ist das trojanische Pferd des "HIP" eine Falle, die sich arglose Hörer in ihr Wohnzimmer ziehen, hoffend einen neuen Karajan, Bernstein zu hören und dann böse und bitter enttäuscht werden, plötzlich mit der Substanz der Musik konfronitiert werden, oh Gott o Gott, muss ich mich damit auseinander setzen? Hilfe, das klingt ja ganz anders, also muss es falsch sein.


    Wie jeder weiss, hat die Kriegslist gesiegt.


    Wie sieht jetzt das Schicksal eines Furtwängler-Anbeters aus? Nun, er wird weiter seinem Idealbild zuhören, in seiner Festung sitzen, die er tapfer gegen die immer zahlreicher werdenden trojanischen Pferde verteidigt, den hundersten digitalen Abklatsch einer Furtwängler-Aufnahme bejubeln und fröhlich in seinem eigenen Saft schmoren. Und natürlich gegen alles Neue wettern.

  • Ich finde das Auseinanderdividieren von HIP und non-HIP falsch, da m.E. nach beide Interpretationsmöglichkeiten ihre Berechtigung haben. Ich empfinde es erfrischend, wenn ein Stück manchmal gegen den Strich gekämmt wird, da kann man immer wieder was Neues über das Werk erfahren - wenn man dies auch möchte.


    Alfred hat in seinem Beitrag u.a. auch Giardino Armonica erwähnt - diese Kombo ist wirklich sehr radikal, allerdings hat mir die Interpreation der Quattro Stagioni erst dieses Werk wirklich eröffnet und seitdem liebe ich es. Auch der Harnoncourt-Mozart war für mich ein Erlebnis (da ist meine Lieblingsaufnahme Mozart 40 mit Concertgebouw), ebenso seine Interpretation von Beethoven 7. Doch bei Beethoven präferiere ich eben doch Furtwängler oder Thielemann. Es kann doch jeder sich das rauspicken, was ihm gefällt - und niemand ist gezwungen in Konzerte zu gehen, die ihm nicht gefallen (meistens kennt man ja den Stil der Interpreten) - nur um sich dann eine "Erregung zu gestatten" ??? (frei nach Thomas Bernhard).


    Wenn man heutzutag eher HIP-Interpretationen hört - nun, das ist vielleicht einfach eine Modeerscheinung oder eine Phase. Aber gerade in Wien hat man die Möglichkeit so viele verschiedene Orchester und Interpreten zu hören, dass man ohne Zweifel sich die Rosinen rauspicken kann! Von einem "trojanischen Pferd" kann man sicher nicht reden - eher davon, dass dem Klassikliebhaber weitere Varianten des selben Themas geboten werden. Die "Neue Musik" wird vom breiten Publikum ignoriert (und ja, ich behaupte immer wieder, dass die besten Melodiker heutzutage im Filmgeschäft tätig sind), daher bleiben dem durchschnittlichen Liebhaber im Prinzip nur die "alten Hadern" übrig - und dass man sie Jahrzehnt umd Jahrzehnt in der gleichen Weise vorgesetzt bekommt, das kann's ja auch nicht sein...

    Hear Me Roar!

  • Wie versprochen, hier einige Zitate von Nikolaus Harnoncourt, aus seinem Buch "Musik als Klangrede":


    [ ... ] Heute ist Musik zu einem bloßen Ornament geworden, um leere Abende durch Opern- oder Konzertbesuche zu garnieren. [ ... ] So ist der paradoxe Fall eingetreten, dass wir heute quantitativ mehr Musik haben als je zuvor - ja nahezu pausenlos -, dass sie aber für unser Leben fast nichts mehr bedeutet: eine nette kleine Verzierung! [ ... ]


    Diese totale Veränderung der Bedeutung der Musik ist in den letzten beiden Jahrhunderten mit zunehmender Geschwindigkeit vor sich gegangen. Mit ihr Hand in Hand geht eine Veränderung der Einstellung zur zeitgenössischen Musik - ja wohl auch der Kunst im allgemeinen: solange die Musik wesentlicher Bestandteil des Lebens war, konnte sie nur aus der Gegenwart kommen. Sie war die lebendige Sprache des Unsagbaren, sie konnte nur von den Zeitgenossen verstanden werden. Die Musik veränderte den Menschen - den Hörer, aber auch den Musiker. [ ... ] So konnte man auch die Alte Musik, die Musik der ergangenen Generationen, nicht mehr verstehen und nicht mehr gebrauchen; man bewunderte gelegentlich ihre hohe Kunstfertigkeit.


    Seit die Musik nicht mehr in der Mitte unseres Lebens steht, ist dies alles anders geworden: als Ornament soll die Musik nun in erster Linie "schön" sein. Sie darf auf keinen Fall stören, sie darf uns nicht erschrecken. Die Musik der Gegenwart kann idese Anforderung nicht erfüllen, weil sie zumindest - wie jede Kunst - die geistige Situation ihrer Zeit, also der Gegenwart, spiegelt. Eine ehrliche, schonungslose Auseinandersetzung mit unserer geistigen Situation kann aber nicht nur schön sein; sie greift in unser Leben ein, stört also. So ist der paradoxe Fall eingetreten, dass man sich von der Kunst der Gegenwart abwandte, weil sie störte, vielleicht stören musste. Man wollte aber keine Auseinandersetzung, nur Schönheit zur Erholung vom grauen Alltag. So wurde die Kunst, insbesondere die Musik, zum bloßen Ornament, und man wandte sich der historischen Kunst, der Alten Musik, zu: hier findet man die Schönheit und Harmonie, die man sucht.


    Meiner Meinung nach konnte diese Zuwendung zur Alten Musik - womit ich jede Musik meine, die nicht von unseren lebenden Generationen geschaffen wurde - nur durch eine Reihe eklatanter Missverständnisse erfolgen. Wir können also nur "schöne" Musik gebrauchen, die die Gegenwart uns offenbar nicht geben kann. Solch eine lediglich "schöne" Musik gab es nie. Die "Schönheit" ist eine Komponente jeder Musik, wir können sie nur dann zum bestimmenden Kriterium machen, wenn wir über alle anderen Komponenten hinweggehen, sie ignorieren.. Erst seit wir die Musik als Ganzes gar nicht mehr verstehen konnten und sie vielleicht auch nicht mehr verstehen wollten, war es uns möglich, sie auf ihre Schönheit zu reduzieren, sie gleichsam glattzubügeln. Seit sie nur mehr nette Garnierung unseres Alltags ist, dürfen wir die Alte Musik - also das, was wir eigentlich Musik nennen - gar nicht mehr in ihrer Gesamtheit verstehen, weil wir sie ja sonst nicht auf das Ästhetische reduzieren und glattbügeln könnten.


    So befinden wir uns heute also in einer nahezu ausweglosen Lage, wenn wir noch immer an die verändernde Kraft und Macht der Musik glauben und sehen müssen, daß die allgemeine geistige Situation unserer Zeit die Musik von ihrer zentralen Position an den Rand gedrängt hat – vom Bewegenden zum Hübschen. Wir können uns aber damit nicht abfinden, ja, wenn ich sehen müßte, daß das die unwiderrufliche Situation unserer Kunst ist, würde ich sofort aufhören, Musik zu machen. [ ... ]


    So weit die Worte von Nikolaus Harnoncourt. Diese Worte könnten genauso gut im Regietheater-Thread stehen oder im Thread zur Avantgarde oder an manchen anderen Stellen.

  • Zitat

    Naja, lieber Alfred, Du greifst jetzt aber mit Järvi auch gleich die Extreme heraus ...


    Immer zielgerecht ins Schwarze !!



    Zitat

    Tatsächlich ist die Szene der Historischen Aufführungspraxis - HAP - alles andere als tot oder auf Barock und Frühklassik reduziert, sondern erfreut sich pudelwohlster Gesundheit:


    Keine Frage - sie hat sich beruhigt - ihr hysterische-fundamentalistisches Gehabe abgelegt und zu sich selbst gefunden, ich habe dies bereits in meinem Eröffnungsbeitrag vorsichtig angedeutet...



    Zitat

    Järvi nun ist ja nur eine Ausprägung der Historisch Informierten Praxis - HIP -. Ist er wirklich so viel extremer....


    Sagen wir mal so : Auch mich wirkt er wie eine Parodie....



    Zitat

    und wenn wir jetzt alle hier im Forum nur laut genug „BUHHH!“ schreien, wird es uns schon gelingen, unseren Orchestern wieder das HIPpe mit dem HAPpen auszutreiben


    Das habe ich zumindest nicht vor - aber es ist zu beobachten, daß das konventionelle Orchester (welch schrecklicher Ausdruck!) wieder zusehends an Terrain gewinnt....



    Zitat

    Ein typischer Thread der Marke "Alfred Schmidt polemisiert zugunsten von Einschaltquoten" bzw. von Anklickraten.


    Voll erwischt ! - Aber der Zweck heiligt die Mittel ......



    Zitat

    Gegenfrage: Warum geht er zu Rattle, wo er Rattles Beethoven hört, wenn er doch eigentlich "seinen" Beethoven hören will?


    Weil die, die seinen Beethoven dirigiert haben vermutlich schon alle tot sind.
    Ich habe mit dem Herrn ein wenig geplaudert: "Sein" Beethoven war jener von Carlos Kleiber...



    Zitat

    Blankes Entsetzen ergreift ich jedoch wenn ich lesen muß. wie manche Neueinspielungen klingen.


    Mein Fehler: Mangel an journalistischer Sorgfalt: Der Satz sollte heissen:

    Zitat

    Blankes Entsetzen ergreift mich jedoch wenn ich hören muß. wie manche Neueinspielungen klingen.



    Zitat

    Ich behaupte, dieser Absatz ist reine Erfindung von Dir, um den Thread anzuheizen.


    Psychologisch brilliant - aber in diesem Falle leider falsch



    Zitat

    Aber warum wirbst Du diese Menschen dann nicht für Tamino?


    Zum einen, weil viele an Tamino interessiert sind mitzulesen, aber sie wollen nicht schreiben, sich nicht beleidigen lassen.
    Dieses Familienmitglied meint zudem, Tamino wäre nicht der richtige Umgang für mich, abgesehen davon, daß es meine musikalischen Geschmack zerstöre ... (das weitere ist nicht druckfähig)



    Zitat

    vom Bewegenden zum Hübschen." NH


    Dieser Gefahr setzt sich Harnouncourt in der Tat nicht aus. Ich empfinde sein Dirigat - von Ausnahmen abgesehen - stets aggressiv und spröde - Er ist kein Klangmagier.
    Daß Karajan ihn von den Salzburger Festspielen fernhalten wollte, ist in diesem Kontext verständlich...



    Zitat

    Beim trojanischen Pferd wäre noch die Frage, ob die Wahl dieses Mittels alleine zu verurteilen ist


    Es wird hier gar nichts verurteilt.
    Jedoch wird man ein trojanisches Pferd nur dann einsetzen, wenn man vermutet oder sich sicher ist, daß der darin verpackte Inhalt beim Empfänger unwillkommen ist - Lediglich das wollte ich festgehalten haben.



    Zitat

    Sind Karajan und Bernstein [Achtung, Polemik: dem Letztgenannten gönne ich es aus vollem Herzen... haha!] wirklich die einzigen Erfolgreichen am Klassik-Counter?


    Ich gehe sogar soweit, zu behaupten, daß Karajan der weitaus erfolgreichere war - und ist.
    Im Leben war der Vorsprung zeitweise oft nur gering - aber heute ? Bernstein scheint mir ebenso vergessen zu sein wie Böhm und Klemperer.
    Natürlich nicht wirklich vergessen - aber Karajan ist eine Ikone wie Caruso und Callas.


    Glockentons Ausführungen kann ich wirklich nicht widersprechen, wohl aber dem nächsten Statement



    Zitat

    Wie jeder weiss, hat die Kriegslist gesiegt.


    Das ist mir zumindest neu.
    Es sei denn ich hätte das Stetement mißverstanden.


    In der Tat hat sich HIP in der Barockmusik durchgesetzt, den frühen Haydn und Mozart aufgewertet und Biber und Vivaldi überhaupt erst anhörbar gemacht.


    Aber Beethoven ? später Mozart ? etc etc


    Ich meine hier haben sich die Altvorderen lebhaft behaupten können.


    In Wiens führenden Tonträgergeschäften findet man unter Beethoven Sinfonien in etwa: Karajan, Abbado, Bernstein, gelegentlich Rattle und Reste vonanderen Zyklen.
    Kaum jedoch Harnoncourt (nur in der Lowprice Grabbelkiste) Norrington,Zinman oder Dausgaard oder Herrewege. Päärt wird es für kurze Zeit geben - weil neu - und dann wird er in der Versenkung verschwinden.
    WEil: Karajan kennt jeder - Karajan kauft jeder.



    Zitat

    Seit die Musik nicht mehr in der Mitte unseres Lebens steht, ist dies alles anders geworden: als Ornament soll die Musik nun in erster Linie "schön" sein. Sie darf auf keinen Fall stören, sie darf uns nicht erschrecken. Die Musik der Gegenwart kann idese Anforderung nicht erfüllen,


    GENAU das ist es !!


    Harnouncourt hat dann noch treffsicher analysiert, WARUM das so ist - und ich habe hier nicht allzuviel Widerspruch anzumelden.
    Lediglich, daß Musik , die dies nicht kann, ihren eigentlichen Zweck verfehlt.
    Denn die Mehrheit des Publikums - und ich meine hier das klassische - ist an Musik als Spiegel der Gegenwart einfach nicht interessiert....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich meine hier haben sich die Altvorderen lebhaft behaupten können.


    Ein Widerspruch in sich oder? :D



    Mein erster Beitrag bezieht sich auf den Ursprung des Begriffes, der Kriegslist der Griechen gegen Troja.


    Wer einen solchen Umweg braucht, um lediglich seinen Unmut über eine Inszenierung kund zu tun, muss aufpassen, das er nicht unfreiwillig ins "Komische" abdriftet. Der Grat ist verdammt schmal in diesem Thread.

  • Vielleicht ist es ja umgekehrt: Furtwängler, Klemperer, Böhm usw. haben sich Eigenwilligkeiten geleistet bis an die Grenze des Erträglichen und darüber hinaus - alleine die großen Unterschiede zwischen den Interpretationen dieser drei Ikonen sprechen ja schon für Richtigkeit dieser Behauptung.


    Dann gib mir bitte ein Beispiel, wo sich Karl Böhm eine Eigenwilligkeit über die Grenzen des Erträglichen hinaus geleistet hat.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Frage ist eindeutig mit JA zu beantworten, obwohl eigentlich nicht ganz richtig gestellt. Korrekt müsste sie lauten: «War "HIP" eines der "trojanischen Pferde" ?»
    Das Pferd dürfte bei den meisten Werken (entstanden bis vielleicht 1940) wohl generell "moderne" Orchesterbesetzung heissen, und die Kriegslist ist unter anderem, mit "falschen" Instrumenten und in "falscher" Besetzung dem Publikum vorzumachen, ein Werk aus früherer Zeit zu spielen, und in Kauf zu nehmen, dass die Hörer annehmen, es entspräche der Komposition zum Zeitpunkt der Entstehung.
    Dem Grunde nach würde aber ein einfaches computergeneriertes Midi-File reichen, um die Melodie wieder zu geben; nichts anderes machen (überwiegend) heutige Orchester. Dass noch eine Art von Auslegung der geschriebenen Noten, also die Interpretation, hinzukommt, ist nur nettes Beiwerk.


    Wer heute wissen möchte, wie z.B. Beethoven's 3. Sinfonie, die Eroica, vom Komponisten tatsächlich angelegt wurde und geklungen hat, kommt nicht umhin, sich eine Zeitmaschine zu bauen und einer von Beethoven dirigierten Aufführung beizuwohnen. Wobei auch da nicht unberücksichtigt gelassen werden darf, dass zu Beethoven's Zeit die Orchestermusiker nicht immer ausgebildete und erfahrene "Berufsmusiker" waren.
    Ob nun mittels historisch informierter Praxis oder "nur" in heutiger Orchesterbesetzung modern in unsere Zeit gebracht, beides schafft es kaum, ein Klangempfinden der damaligen Zeit herüber zu bringen. Und für die Problematik der Auslegung einer Komposition, als der Interpretation, ist es - übertrieben dargestellt - unerheblich, ob nun HIP oder modern gespielt wird, obwohl sicherlich Kenntnisse der Instrumentierung und der Bauweise der damaligen Instrumente schon oft Auskunft über Klang und Tempi geben können, und somit auch bedingt Einfluss auf die Interpretation haben (sollten).


    Der heutige Hörer und Konzertbesucher kennt es doch meist nicht anders. Hier gebe ich immer gerne als Beispiel den Vergleich des Quarks mit echten Erdbeeren und des industriell gefertigten (oft künstlichen) Produkts an: je jünger der Tester ist, desto öfter schmecke das Originalprodukt nicht nach Erdbeere.
    Für mich ist, wiederum etwas drastisch dargestellt, "HIP" & Co. nur eine Ausrede dafür, unnütz große Klangkörper (Orchester) aufzubauen, die in immer größer werdenden, und in, meist nicht vollen, immer wuchtigeren Sälen spielen sowie eine Wortneuschöpfung, die werbewirksam Hörer und Käufer anlocken soll.


    Wenn es eine "HIP"-Besetzung schaffen würde, mit einem großen Orchester in moderner Besetzung einen Klang zu zaubern, wie z.B. Schooenderwoerd/Ensemble Cristofori mit den Beethoven Klavierkonzerten, dann Hut ab, trotz teilweisem Nachbau der Instrumente. Aber ein solches "Chapeau!" konnte ich bislang in dieser HIP-Bewegung nicht ausmachen.


    Dass, wie Alfred schreibt, diese Bewegung u.a. "Vivaldi überhaupt erst anhörbar gemacht" hat, halte ich für ein Gerücht (wennschon, dann durch "HAP") respektive für einen nicht ausreichend ausgeführten Gedankengang. Es ist doch nur noch als grauenvoll zu bezeichnen, wie nicht nur eines der bekanntesten Werke (Vier Jahreszeiten) mit teils unnütz aufgebauschtem Orchesterapparat angeblich historisch informiert wieder gegeben wird. Das wäre ja so, als würde ich im umgekehrten Fall Messiaen's Turangalila als Oktett mit Cembalo und einer zu quälenden Katze aufführen... :D

    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen. [frei nach George Orwell]

  • Zitat

    Blankes Entsetzen ergreift ich jedoch wenn ich lesen muß. wie manche Neueinspielungen klingen. Überbetonte Rhythmik (bei Järvi hopst das gesamte Orchester im Rhythmus mit) Akzente wo sie nie waren - und Eigenwilligkeiten bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit. Das führt dazu, daß - selbst wenn ich Klassik höre - ich gefragt werde "welch
    grauenvoller Neutöner" da schon wieder in meinem Player gelandet sei - und ich muß dann leider sagen "Schubert"


    Irgendwie erinnert mich die gesamte heutige Orchesterszene (in abgemilderter Form) an das Regietheater: Alles wird verfremdet und umgemodelt - hier allerdings mit unter dem Schutz des Mantels der "Originaltreue"


    Ich vermute hier ein "Trojanisches Pferd", das unter dem Vorwand "historisches" anzubieten, die Rhytmik und den Zeitgeist des späten 20. bzw frühen 21. Jahrhunderts hier einschmuggelt. (?)

    eigentlich müssten die Gegener des sog. "Regietheaters" bei HIP in Freudentaumel und Jubelschreie ausbrechen. Denn die Aufführungspraxis von HIP versucht dem nahezukommen, wie "usprünglich vorgesehen zu sein scheint"..
    endlich keine unsäglichen Verfremdungen mehr durch Furtwängler, Thielemann, Klemperer & Co, die dem Zeitgeist des 20. Jahrhundert hinterherhechelten bzw. sich gemein machten :thumbsup: ....und den des früheren 19. Jahrhunderts ignorierten ts .. ts.. ts...


    Opern orchestral HIP-mäßig aufzuführen, wird auch z.Tl. praktiziert. Bei de Regie wird es sehr schwer. Es müssten z.B. die Beleuchtungstechnik des 19. Jahrhunderts reinstalliert werden, um die Lichteffekte möglichst authentisch den "Vorstellungen der Komponisten" :thumbsup: anzupassen... also müssen wir mit dem sog. "Regietheater" leben, ob wir es wolllen oder nicht.. :pfeif:

  • Es müssten z.B. die Beleuchtungstechnik des 19. Jahrhunderts reinstalliert werden, um die Lichteffekte möglichst authentisch den "Vorstellungen der Komponisten" anzupassen...


    Diese Gedanke kam mir neulich auch ... Kerzen im Orchester, eingeschränkte Beleuchtung auf der Bühne. Keine gekühlten Getränke in der Pause, keine Wassertoiletten, Anreise ohne Autos, Busse, Bahnen usw. usw. Wäre doch spannend!


    Aber das Wesentliche ist, dass man dann auch ein Publikum bräuchte, das im 18. oder 19. Jhd. aufgewachsen wäre. Und das gibt die moderne Physik noch nicht her. Also müssen wir notgedrungen akzeptieren, dass das Publikum einen geistigen Horizont des 21. Jhd. hat, wenn es Opern des 18. oder 19. Jhds. sieht. Was historisch völlig falsch ist, da Librettist und Komponist ganz andere Zuhörer voraussetzten.


    (Ironie-Modus an) Ich lehne diese Modernismen im Publikum völlig ab. Kann man diese Opern nicht endlich mal wieder für das Publikum aufführen, für das sie komponiert wurden? (Ironie-Modus aus)

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  • Zitat

    Ich lehne diese Modernismen im Publikum völlig ab. Kann man diese Opern nicht endlich mal wieder für das Publikum aufführen, für das sie komponiert wurden?

    Ja, so kanns nicht mehr weitergehen. Weder im Konzert noch in der Oper. Uns kann aber geholfen werden, vor allem was das Publikum betrifft: am besten bei Madame Tussauds nachfragen und sie bekäme einen Auftrag, der die Terrakottaarmee von Xi’an in den Schatten stellen würde :thumbsup:
    :hello:


  • eigentlich müssten die Gegener des sog. "Regietheaters" bei HIP in Freudentaumel und Jubelschreie ausbrechen.


    Während die HIP-Anhänger wiederum im Regietheather den leibhaftigen Antichrist sehen müssten.


    Wem so sehr daran gelegen ist, das es genauso klingt wie damals, dass die Orchesterbestzungen und Tempi identisch sind mit denen, wie es zu Lebzeiten des Komponisten war, ja wie kann denn so jemand ertragen, das alles außerhalb der Musik, alles visuelle plötzlich in der Jetztzeit angekommen ist. Zu Darmsaiten sind nun mal gepuderte Perücken eher die adäquate Ausstattung als minimalistische Outfits des 21. Jhdts. Wenn man romantisierende Sichtweisen der Partitur verteufelt, wie kann man denn dann um alles in der Welt postmoderne Bühnengestaltung gutheißen, oder gar eine Transposition der Handlung in die Jetztzeit? Da treiben sich wohl gespaltene Persönlichkeiten in unseren Opernhäusern herum


    :baeh01:


    Ich bin durchaus ein Befürworter des Regietheaters, solange es geistreich (ich weiß, ein weites Feld) und ästhetisch ansprechend (und dazu brauche ich eben keine hypergegenständlichen Kitschkulissen) ist.
    Gleichermaßen bin ich kein HIP-Gegener, zumindest nicht gänzlich. Doch empfinde ich so manche Norrington-Interpretation in wesentlich höherem Maße als selbstgefällige Bevormundung des Zuhörers als die schlimmsten Blüten des Regietheaters.


    An sich wäre aus meiner Sicht einfach zielführend, beiden, sowohl den HIP-Musikern wie auch den Regie-Regisseuren zu empfehlen, ihren Interpretationsansatz nicht mit einer Heilslehre zu verwechseln.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Doch empfinde ich so manche Norrington-Interpretation in wesentlich
    höherem Maße als selbstgefällige Bevormundung des Zuhörers als die
    schlimmsten Blüten des Regietheaters.

    Bevormundung im Zusammenhang mit Norrington ist mir eher fremd (also ich bin nie auf den Gedanken an Bevormundung gekommen), obwohl ich mit seinen Bruckner- und Mahlerwiedergaben überhaupt nichts anfangen kann... um so mehr mit seiner Elgar Sinfonie Nr. 1 -Lesart.


    Bei einigen Beethoven-Sinfonien z.B. Nr. 3 stören mich die oft Norringtons sehr starre und z.Tl. unflexible Handhabung der Tempi... aber das hat noch wenig mit HIP zu tun.. problematisch ist mir z.B. auch die Bläserlastigkeit der Eroica unter Savall. (die mir aber dennoch sehr gefällt) ...


    insgesamt stehe ich aber dem HIP bzw. das was sich an daran orientiert, sehr aufgeschlossen gegenüber...

    Zitat

    An sich wäre aus meiner Sicht einfach zielführend, beiden, sowohl den HIP-Musikern wie auch den Regie-Regisseuren zu empfehlen, ihren Interpretationsansatz nicht mit einer Heilslehre zu verwechseln.

    Ja, obwohl die Überzeugung an "Heilslehre" bei vielen Künstlern (egal welchem Lager) so etwas wie eine notwendige "Berufskrankheit" zu sein scheint..


    :hello:

  • Während die HIP-Anhänger wiederum im Regietheather den leibhaftigen Antichrist sehen müssten.


    Da offenbart sich ein großes Missverständnis bzgl. HIP.


    Es ging Harnoncourt & Co. nicht um Wiederherstellung historischer Bedingungen, um museale Aufführungen zu bewerkstelligen, sondern um spätromantischen Ballast abzuwerfen und einen modernen Blick auf das Werk zu bekommen. Ein Blick, der frei ist von Hör- und Spielgewohnheiten des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das schien vor allem dadurch möglich, dass man zurück zu den Quellen ging und fragte, was denn die zeitgenössischen Theoretiker des 17. und 18. Jhds. über Aufführungspraxis geschrieben haben.


    Harnoncourt hat selbstverständlich mit intelligenten Regisseuren wie Ruth Berghaus zusammen gearbeitet.

  • Es ging Harnoncourt & Co. nicht um Wiederherstellung historischer Bedingungen, um museale Aufführungen zu bewerkstelligen, sondern um spätromantischen Ballast abzuwerfen und einen modernen Blick auf das Werk zu bekommen. Ein Blick, der frei ist von Hör- und Spielgewohnheiten des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das schien vor allem dadurch möglich, dass man zurück zu den Quellen ging und fragte, was denn die zeitgenössischen Theoretiker des 17. und 18. Jhds. über Aufführungspraxis geschrieben haben.

    Das man das immer wiederholen muss.... :pfeif:

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  • Zitat von »Wolfram« Vielleicht ist es ja umgekehrt: Furtwängler, Klemperer, Böhm usw. haben sich Eigenwilligkeiten geleistet bis an die Grenze des Erträglichen und darüber hinaus - alleine die großen Unterschiede zwischen den Interpretationen dieser drei Ikonen sprechen ja schon für Richtigkeit dieser Behauptung.


    Dann gib mir bitte ein Beispiel, wo sich Karl Böhm eine Eigenwilligkeit über die Grenzen des Erträglichen hinaus geleistet hat.


    Lieber Theophlius,


    netter Versuch! :hello: Verzeih mir die Bemerkung, aber Du hattest schon gekonnter argumentiert ... :stumm:


    Es war ja eigentlich umgekehrt. Alfred behauptete:

    Blankes Entsetzen ergreift ich jedoch wenn ich lesen muß. wie manche Neueinspielungen klingen. Überbetonte Rhythmik (bei Järvi hopst das gesamte Orchester im Rhythmus mit) Akzente wo sie nie waren - und Eigenwilligkeiten bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit.


    M. a. W.: Alfred behauptet, die Vertreter von HIP nähmen sich Eigenwilligkeiten heraus.


    Meine Argumentation läuft hingegen so:


    Die Einspielungen von Furtwängler, Klemperer und Böhm unterscheiden sich bei Standardrepertoire in der Regel sehr. Dagegen klingen Einspielungen aus der HIP-Ecke - nehmen wir die frühen Beethoven-Aufnahmen unter Norrington, Hogwood, Goodman um 1990 - einander recht ähnlich.


    Das spricht doch eher dafür, dass Alfred nicht recht hat - denn die HIPler haben die historischen Quellen studiert und kommen damit zu recht ähnlichen Ergebnissen.


    Furtwängler und Co. haben das nicht getan - und klingen entsprechend unterschiedlich. Furtwängler und Co. haben sich also Eigenwilligkeiten geleistet - das ist eine logische Konsequenz.


    Das hatte ich wie folgt formuliert:

    Vielleicht ist es ja umgekehrt: Furtwängler, Klemperer, Böhm usw. haben sich Eigenwilligkeiten geleistet bis an die Grenze des Erträglichen und darüber hinaus - alleine die großen Unterschiede zwischen den Interpretationen dieser drei Ikonen sprechen ja schon für Richtigkeit dieser Behauptung. Die HIP-Ensembles sind dichter an der historischen Wahrheit, darum klingen sie auch einander vergleichsweise ähnlich! So rum wird ein Schuh draus.


    Wenn Du mich fragst, wo sich Böhm Eigenwilligkeiten geleistet hätte, fällt mir auf Anhieb nichts ein - aber ich würde in Werken wie KV 550 suchen, welche Kontraste und Härten er glattgebügelt hat.

  • Es ging Harnoncourt & Co. nicht um Wiederherstellung historischer Bedingungen, um museale Aufführungen zu bewerkstelligen, sondern um spätromantischen Ballast abzuwerfen und einen modernen Blick auf das Werk zu bekommen.


    Harnoncourt hätte ich so eine Engstirnigkeit auch nie unterstellt, den mag ich nämlich ;)


    Die Frage ist aber dann einfach, ob der HIP-Ansatz nun wirklich historisch richtig oder doch eher modern ist, wie Du ja sagst.
    Ich denke, es ist wohl eher ein wenig von beidem, auch wenn manch besonders missionarische Dirigent der Ansicht ist, nur ersteres zum Ziel zu haben.
    Vermutlich wird man in einigen Jahrzehnten von einem neuen Ansatz aus ebenfalls um historisch korrekte Wiedergabe bemüht sein und zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.


    Ein schönes Beispiel für den Zusammenhang von Zeitgeschmack und Wissenschaft findet sich oft bei architektonischen Rekonstruktionen. So tragen die minoischen Palastanlagen auf Knossos deutliche Kennzeichen des Jugendstils, während man die zu unterschiedlichen Zeiten rekonstruirten Limestürme, trotzdem ja alle eigentlich den gleichen standartisierten Bautyp wiedergeben sollen, problemlos zeitlich einordnen kann. Jede Rekonstruktion eines Wachturmes, obwohl durchaus nach dem besten Kenntnisstand der Archäologie ausgeführt, lässt sich vom Architekturhistoriker mühelos datieren, da sie deutlich die Stilelemente ihrer Entstehungszeit trägt.


    So gesehen trägt auch HIP ür mich einfach zur Vielfalt bei. Ob das ganze nun nur dank HAP durchs Hintertürchen Einzug halten konnte, kann ich nicht unbedingt bestätigen, jede Zeit sucht sich ihren Stil, wie Alfred schon erwähnte, kam nach Furtwängler Karajan, später dann mit etwa mit Gardiner akademischer Beethoven, der deutlich auf historische Auffürungsangaben zurückgriff, momentan gibt es Järvi, der mit kleinerer Besetzung und besonders schnellen Tempi wohl auch irgendwie Strömungen der Zeit wiedergibt, die man aber erst im Nachhinein wird einordnen können (der Beethoven der i-pod-Generation? ;) )

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Ein typischer Thread der Marke "Alfred Schmidt polemisiert zugunsten von Einschaltquoten" bzw. von Anklickraten. Welch niedrige, kunstferne Triebe ...


    Also, wenn ich mir den Thread sowohl von der Quantität, als auch von der Qualität, bzw Aussagekraft her anschau, dann meine ich, daß die Anregung auf fruchtbaren Boden gefallen ist.


    Und die absolute Krönung ist der Folgende zitierte Satz:


    Zitat

    Es ging Harnoncourt & Co. nicht um Wiederherstellung historischer Bedingungen, um museale Aufführungen zu bewerkstelligen, sondern um spätromantischen Ballast abzuwerfen und einen modernen Blick auf das Werk zu bekommen.


    GENAU DAS habe ich - wenngleich mit anderen Worten im Threadtitel verpackt, oder verpacken wollen.
    Unter dem Mäntelchen der Historisierung - damit kann man bei den meisten Klassikhörern punkten - hat man versucht MODERNE Interpretationen ans Publikum zu bringen !!! -Etwas, das einen Liebhaber von Musik des 18. und 19 . Jahrhunderts generell abstossen wird (von Ausnahmen natürlich abgesehen)


    Ich hatte schon immer den Verdacht, daß das Wörtchen "historisch" eine beschwichtigende Funktion haben soll, dazu eingefügt um einen eventuellen Proteststurm im Keime zu ersticken (Wir reden jetzt nicht von historisierenden Aufnahmen mit "Originalinstrumenten" sondern davon wie man Interpretationen mit "modernem" Orchester unter dem Vorwand der "historisch informierten Interpretation" auf "modern" hingebogen hat.
    Im Prinzip geschießt hier eigentlich das Gleiche wie beim Regietheater - nur ungleich versteckter - subtiler wäre hier nicht der richtige Ausdruck....


    Wenn bei Werken des 18. und 19. Jahrhunderts die Musik des 20 und 21. Jahrhunderts unterschwellig mitklingt - dann ist etwas faul im Staate Dänemark....


    mit freundlichen Grüßssen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Unter dem Mäntelchen der Historisierung - damit kann man bei den meisten Klassikhörern punkten - hat man versucht MODERNE Interpretationen ans Publikum zu bringen !!!


    Harnoncourt hat sich nie unter einem solchen Mäntelchen versteckt. Seine Absichten waren jedem zugänglich, der sich der Mühe unterzogen hat, diese zu lesen.

  • Zitat

    Harnoncourt hat sich nie unter einem solchen Mäntelchen versteckt. Seine Absichten waren jedem zugänglich, der sich der Mühe unterzogen hat, diese zu lesen


    Keine Frage. Harnoncourt betont ja in zahlreichen Statements auch, daß er etwas gegen "hübsche" Musik habe.
    Es waren die VERMARKTER die das Publikum zu täuschen versuchten.
    Harnoncourt habe ich persönlich immer als brillianten Geist gesehen, dessen Artikel über Musik ich stets für überzeugender fand, als wenn er Musik machte. Dann wurde es in der Regel spröde und unrund - und er hat - wie Du richtig sagst - nie ein Geheimnis daraus gemacht. Jedoch hatte er schon etwas sektiererisches an sich, weil er meinte, er allein (und alle die seinen Thesen folgten) habe die Wahrheit gepachtet. Letzteres mag vielleicht sogar zutreffen - wenn das aber der Fall ist, dann ist diese Wahrheit - wie die meisten Wahrheiten - unangenehm zu hören... :angel:


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Es handelt sich um die Kritik eines Konzerts unseres lokalen Symphonie Orchesters


    Zitat

    ......Wer nun gedacht hatte, dass der Abend mit Mozarts „Jupiter“-Symphonie als Finale wieder in altbekanntes Fahrwasser steuere, der hatte sich geirrt. Denn Mueller setzte hier ganz auf die Annäherung an den Originalklang, ließ die Streicher ohne Vibrato spielen, die Trompetenstimme auf ventillosen Naturinstrumenten. Das machte den Klang wunderbar leicht und transparent, die Musik konnte ihren geistreichen Witz unbeschwert von falschen Sentimentalitäten entfalten, sich federleicht in den Himmel erheben. Dementsprechend beschwingt wurde das Publikum aus der Saison verabschiedet.


    Ist das HAP oder HIP? Wurde das Publikum betrogen? Ich - als krasser Laie - muss zugeben, ich bin etwas verwirrt von der bisherigen Dikussion. Ich selbst höre gerne Kammermusik, wenn sie auf Originalinstrumenten gespielt wird (und man die Stimmen schon am Klang unterscheiden kann). Und mir ist es auch lieber, wenn Vibrato sparsam eingesetzt wird (und nicht wie Ketchup alle Details vernebelt). Wenn ich selber spiele - vorsichtshalber im Keller ;) - kann ich Vibrato allerdings nicht lassen. Wo liegt da eigentlich das Problem ?

  • Die trojanische Pferd-Idee ist natürlich wieder mal so ein Verschwörungtheorie-Quatsch.
    Zwar könnte man einige Musiker wie etwa Scherchen, die sich sowohl für die Moderne eingesetzt haben als auch (für die 1950ern) erstaunlich viel Bach, Händel, Vivaldi eingespielt haben, hier im Verdacht haben, aber obgleich eigenwillig, sind dessen Bach-Interpretationen weder HIP noch modernistisch. Scherchen, oder auch Ansermet oder die Busch-Brüder waren eben aufgeschlossene, breit aufgestellte Musiker, die sich nicht auf das Standardrepertoire beschränkten und deren Bemühen um Klarheit sowohl Bach als auch Musik des 20. Jhds. zugute kam.


    Harnoncourt hat vielleicht inzwischen auch mal Berg dirigiert, hatte aber Jahrzehnte meines Wissens nichts mit Musik am Hut, die neuer als Beethoven oder Schubert war.


    Ein interessanterer Strang führt der vom Neoklassizismus a la Stravinsky zur modernen Aufführungspraxis barocker Musik. Dies betrifft aber das Prä-Hippe Musizieren mit Kammermorchestern (wie Musici, Marriner usw.) genauso. Kontrast ist hier eher die unbeirrt romantische Interpretation von Bach (von ein bißchen Händel abgesehen wurde der restliche Barock ja eher ignoriert) durch Furtwängler, Jochum oder Mengelberg. Demgegenüber, das hat der Musikologe Taruskin auch anhand von Beispielen verdeutlicht, entspricht der straffe,trockene, "leidenschaftslose" Stil besagter Kammerorchester und vieler HIP-Musiker eher den Maximen die Stravinsky für Stücke wie Pulcinella, Dumbarton Oaks oder sein Violinkonzert ausgab. Das stimmt inzwischen aber auch nicht mehr. Bei Harnoncourt stimmte es noch nie und seit mit den jüngeren italienischen Ensembles, mit Minkowski, Jacobs u.a. die eher nüchterne Darbietung der in den 1970ern und 1980ern britisch und niederländisch dominierten HIP-Szene durch solche mit wesentlich mehr Rubato, "saftigerem" Klang usw. aufgelockert haben.


    Überdies sind mir, zumindest in Foren, nicht wenige Hörer begegnet, die wenig von HIP halten, aber Moderne und Avantgarde hochschätzen.
    Es gibt halt nur eine Gruppe von Hörern (oder mindestens einen), denen nichts recht ist, was irgendwie anders wäre als zur Zeit ihrer Sozialisation vor 30 oder 40 Jahren und die obendrein Klassik für eine Art edlere Popmusik, nämlich zur angenehmen Unterhaltung, halten. Dass denen ein etwas rauherer HIP-Zugang ebensowenig gefällt wie Neue Musik ist kein Wunder. Damit gibt es damit aber noch keine sachhaltige Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Feldern, so wenig Rosenkohl und Tintenfisch etwas gemein haben, nur weil ich beides nicht gern esse.


    Der Punkt, den die Modernehasser machen könnten, ist ein ganz anderer: Weil ein nicht geringer Teil der Musik der letzten 100 Jahre eher ein Nischendasein fristet, muss der Rest des Publikums sich neue Unterhaltungsmöglichkeiten suchen. Daher gab es eine Expansion in die andere historische Richtung vom üblichen Konzertrepertoire ab dem Hochbarock, sowie eine Ausweitung im Hochbarock, Frühklassik und Klassik durch alle möglichen Ausgrabungen. Und statt der 3. Karajan-Aufnahme von Beethoven oder Schubert eben eine HIP-Lesart.


    Kommerziell scheint es funktioniert zu haben. Da bei Karajan immer als Argument angeführt wird, dass der so reich und beliebt war, daher supergut gewesen sein muss, können wir das doch einfach übertragen: Irgendwas machen die HIPisten richtig, sonst hätten sie keinen Erfolg.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Es gibt halt nur eine Gruppe von Hörern (oder mindestens einen), denen nichts recht ist, was irgendwie anders wäre als zur Zeit ihrer Sozialisation vor 30 oder 40 Jahren und die obendrein Klassik für eine Art edlere Popmusik, nämlich zur angenehmen Unterhaltung, halten.


    Diese Gruppe - eigenartigerweise habe ich gewisse Kontakte zu ihr - ist in Wahrheit sehr groß.
    Warum - so wird man fragen - findet man sie nicht bei Tamino und meldet sich zu Wort?
    Diese Frage habe ich mir ursprünglich auch gestellt und lange keine Antwort gefunden -
    Dabei ist sie ganz einfach:
    Genau die von Johannes Roehl beschriebene Gruppe ist zumindest tendenziell computerfeindlich - und wenn sie einen Computer durch ihr Umfeld aufgezwungen bekommen hat, dann verweigern sie zumindest das Internet, und wenn das nicht, so beschränken sie sich aufs Notwendigste. Sie sind in der Regel Widerspruch nicht gewohnt und würden ihn speziell von Fremden nicht ertragen, fürchten "angegriffen " zu werden - und stehen Internetforen somit nicht als Diskussionspartner zur Verfügung.


    Der "eine" von J.R beschriebene User ist eine Ausnahme. Mehrere unglückliche Zufälle haben ihn ins Internet gespült - und auf Grund einer Verstrickung in einem Punkt dieses Netzes ist er darin gefangen, wie ein zappelndes Insekt, das sich nicht mehr daraus befreien kann. Er hat jedoch Schaden an seiner Seele genommen - musste im harten Training lernen, Widerspruch zu ertragen. Andere User dieser Strickart haben sich das leichter gemacht, sind gegangen - oder erst gar nicht gekommen. In meinem beruflichen Umkreis kenne ich etwa 5-10 Leute, welche klassische Musik hören - und dazu auch etwas sagen könnten - indes - sie haben kein Internet - oder verabscheuen es.
    Das führt meines Erachtens dazu, daß das Internet ein völlig verzerrtes Bild der Realität ergibt, oder - korrekter formuliert - nur einen relativ kleinen Kreis davon beleuchtet, der sehr spezifisch gefärbt ist.


    Ob klassische Musik "Unterhaltungsmusik" ist ?
    Eine interessante Frage.
    Ich werde ihr noch heute einen neuen Thread in diesem Forum widmen, und nehme an, daß dabei - wie man bei uns in Wien salopp zu sagen pflegt - "die Fetzen fliegen werden" :baeh01:


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • auf Grund einer Verstrickung in einem Punkt dieses Netzes ist er darin gefangen, wie ein zappelndes Insekt, das sich nicht mehr daraus befreien kann. Er hat jedoch Schaden an seiner Seele genommen

    Das tut mir persönlich sehr leid. Ein solches Gefühl absoluter Hilflosigkeit ist grauenerregend.


    Was nun aber die näher umschriebene Gruppe angeht, wird man festhalten dürfen, dass es ihr geht wie allenthalben jederfrau und jedermann. Wer nicht in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu artikulieren, wird keine Befriedigung erlangen. Und die Statthaltung durch ein einziges zappelndes Insekt würde ein zwar verzweifeltes Bemühen, gehört zu werden, dokumentieren, jedoch keine Aussage zur statistischen Relevanz ermöglichen. Es sei denn wiederum, die Größe der näher beschriebenen Gruppe verhalte sich zur (nach wie vor undefinierten) Gruppe der Klassikhörer wie 1 zu 795 (Tamino-Mitglieder am 27.6.11: 796). :pfeif:


    Zum Glück ist die statistische Relevanz in diesem Zusammenhang völlig irrelevant - denn Alfred hat einfach die schlagkräftigeren Argumente zur Hand! :yes:

  • Ich rede nicht von Internetforen. Ich rede von der Abstimmung mit den Füßen und Geldbörsen.
    Wenn sich HIP nicht auch kommerziell lohnen würde, wäre es, wie vermutlich schon häufig prophezeit, wieder in der Versenkung verschwunden. Im Gegenteil ist es nach langem Nischendasein in den letzten ca. 30 Jahren förmlich explodiert. Der Befund scheint mir (anders als bei der Avantgarde) wirklich eindeutig zu sein.


    Dem widerspricht natürlich nicht, dass es Ablehner gibt. Das ist aber egal. Solange etwas genügend Unterstützer hat, bleibt es, oder expandiert.


    (BTW halte ich die Eingangsthese in vieler Hinsicht auch auf der Beschreibungsebene für falsch. Es gab lange eine gewisse Ruppigkeit aufgrund der alten Instrumente. Die ist aber bei den meisten Ensembles schon lange verschwunden. Gerade Harnoncourt mit dem Concentus pflegt einen tendenziell sogar "weichen", "erdigen" Klang. Bei Beethoven oder Schubert ist das Manko vieler HIP-Lesarten m.E. keine Überexpressivität, sondern ein Mangel ans Ausdruck. Verglichen mit gewissen Glattbüglern, deren Namen ich nicht nenne, mag das nicht auffallen. Aber verglichen mit Mengelberg, Scherchen, Furtwängler, Schnabel, Juilliard Quartett usw.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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