Wagner: LOHENGRIN (Bayreuth 1990)

  • RICHARD WAGNER: LOHENGRIN


    Libretto vom Komponisten



    Generelle Beurteilung : GUT



    Dauer 214 Minuten


    König Heinrich: - Manfred SCHENK
    Lohengrin: - Paul FREY

    Elsa von Brabant: - Cheryl STUDER
    Friedrich von Telramund:- Ekkehard WLASCHIHA
    Ortrud: - Gabriele SCHNAUT
    Heerrufer: - Eike Wilm SCHULTE
    Vier brabantische Edle: - Clemens BIEBER, Peter MAUS,

    Robert RIENER, Heinz-Klaus ECKER


    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele 1990
    Einstudierung (Chor): Norbert BALATSCH
    Dirigent: Peter SCHNEIDER

    Bühnenbild und Kostüme: Henning VON GIERKE :yes:
    Regie: Werner HERZOG


    „Großes Kino“ in Bayreuth! Als man Werner Herzog fragte, ob er den LOHENGRIN in Bayreuth inszenieren würde, soll er erst einmal nach dem Libretto gefragt haben, um sich zu informieren, wovon diese Oper überhaupt handelt. Man merkt Herzogs Inszenierung die Unbefangenheit und Naivität an, mit der er sich seiner Aufgabe entledigte. Hier war kein Meister der Psychologisierung oder der ausgefeilten Personenführung am Werk – und dennoch besitzt dieser LOHENGRIN eine Binnenspannung, die vielen Aufführungen abgeht. Wie kommt das? Nun, Herzog arrangiert durchgehend schöne und beeindruckende Bilder, die durch ihre Statuarik ihre Wirkung entfalten. So hat der Chor – außer im zweiten Aufzug - so gut wie keine Bewegungen auszuführen und bildet meist den dekorativen Hintergrund der Szenerie. Allerdings hat das seine Tücken, da viele Chormitglieder, wenn sie von der Kamera erfasst werden, nicht recht bei der Sache zu sein scheinen und eben nur „in der Gegend rumstehen“. Hier hätte Herzog auf mehr Spannung der Chorsänger achten sollen.


    Die Handlung fließt ruhig dahin, gelegentlich von einschneidenden Aktionen vorangetrieben: Das Erscheinen Lohengrins (und sein Scheiden) findet in von (Laser-)Licht durchzuckten Nebelschwaden statt und die Schwerthiebe des Gralsritters wider Telramund sind wahre Blitze, die er gegen seinen Widersacher schleudert.


    Beeindruckend finde ich die Idee, dass Herzog hier ganz auf eine klare und simple Symbolik in seinen „lebenden Bildern“ setzt: Vor Lohengrins Auftauchen herrscht Winter in Brabant. Die Schelde ist gefroren und König Heinrich versammelt die Brabanter auf der verschneiten Eisfläche, über die die Gerichtseiche ihre kahlen Zweige malerisch ins (Bühnen-)Bild streckt. Mit der Ankunft des Titelhelden wird das Klima milder. Im zweiten Aufzug sieht man – im Hintergrund einer an Caspar David Friedrich gemahnenden Landschaft, die auf der rechten Bühnenseite mit dekorativen Ruinen versehen ist - links im Hintergrund einen See/Teich, der nicht mehr zugefroren ist. (Unbemerkt wird das Wasser übrigens vor dem Auftritt des Chores, der zum Teil auch an dieser Stelle platziert wird, wieder abgelassen!)
    Im dritten Aufzug schließlich sind Schnee und Eis gänzlich verschwunden, so dass das Brautbett von Lohengrin und Elsa unter freiem Himmel auf einer Wiese in einem archaischen Steinkreis stehen kann. Nach Elsas fataler Frage und Lohengrins Abschied kehrt aber der Winter wieder in Brabant ein. Das Schlußbild zeigt erneut die gefrorene Schelde und lässt es gar auf der Bühne schneien. Der Schluß ist übrigens auch der einzige Punkt, an dem sich Herzog von Wagners Handlung löst: Nach der eher enttäuschend umgesetzten Erlösung Gottfrieds, stehen sich Elsa und Ortrud vor ihm gegenüber - aber ob sich die beiden nun verwitweten Frauen versöhnen können oder der Zwist erneut aufflammt bleibt offen, und man fragt sich, was dieses Ende der Handlung bedeuten soll. Allerdings habe ich es nicht als störend oder unpassend empfunden, daß hier ein offenes Ende gezeigt wird. Denn die Frage, ob Gottfried nun wirklich der "Schützer von Brabant" werden kann oder Ortrud nun ohne ihre Marionette Telramund erneut gegen ihn und Elsa vorgehen wird, ist ja nicht uninteressant; zumal Elsa jetzt ohne ihren von Gott gesandten Helfer auskommen müsste. (Allerdings sind das Gedankenspiele, die mit Wagner und seinem LOHENGRIN nicht viel zu tun haben und daher eher willkürlich sind.)


    Passend zu den romantisierenden Bühnenbildern passen übrigens die mittelalterlich angehauchten Phantasiekostüme. Elsa trägt z.B. ein langes weißes Kleid und auch Lohengrin ist in ein bodenlanges Gewand gekleidet und trägt ein wie ein Blitz geschwungenes langes Schwert bei sich. Originell ist übrigens der Einfall, dass sich die überlangen Ärmel des Heerrufers zu einer Art Fahne ergänzen, wenn er seine Hände übereinanderlegt, um seine Ankündigungen zu machen. (Allerdings fällt auch auf, dass einige der Akteure für die winterliche Witterung definitiv zu leicht bekleidet sind.)


    Musikalisch und gesanglich liegt hier ein Mitschnitt der Festspiele auf einem Niveau vor, von dem man heute nur noch träumen kann. Bei der Besetzung gibt es keinen Ausfall und lediglich Paul Freys Stimme merkt man gegen Ende die Anstrengung bei seiner Gestaltung der anspruchsvollen Titelpartie an. (Der negativen Kritik an Gabriele Schnauts Ortrud, die mitunter geäußert wurde, kann ich mich nicht anschließen.)

    Fazit: Wer nach einem stimmigen, märchenhaften und fantasievollen LOHENGRIN sucht, der ist hier genau richtig. Wer jedoch gerne hat, wenn ein Stück „seziert“ wird und auf der Bühne mehr los ist, der sollte nach einer Alternative suchen. Letztlich ist es bei dieser Inszenierung wie bei vielen anderen auch Geschmackssache, ob man diesen Stil mag oder nicht. Mir jedenfalls hat dieser Mitschnitt sehr gut gefallen; nicht zuletzt auch deshalb, weil ich die (frühen) Filme Herzogs ebenfalls sehr schätze.