Gedichte und ihre Vertonungen - ihr Sinn im 18. und 19. Jahrhundert

  • Nein, das ist nicht schon wieder ein neuer hochgeistiger Thread über spezielle Veronungen von mehr oder weniger anspruchsvollen Gedichten, sondern quasi ein "Abfallprodukt" des Threads


    Und wie haltet ihrs mit Zugaben?


    Dort wird immer wieder über Sinn bzw. Doppelsinn, tiefere Bedeutung und Mißdeutung von Worten diskutiert, was ja an sich hochinteressant ist, jedoch allzuleicht in einer Sackgasse enden kann aus der der Thread dann nicht mehr herausfindet.


    Dafür, daß man Wilhelm Müller zu Beginn des genannten Threads eigentlich beinahe in die Gruppe der "minderwertigen" Dichter eingetelt hat - zumindest meine ich einige so interpretieren zu können - analisiert man nun eine ganze 'Menge an sprachlichen Spitzfindigkeiten und Doppelbedeutungen heraus.


    So interessant das (auch für mich) ist, habe ich mir dennoch die Frage gestellt, ab sich der Dichter dieser vielen Bedeutungen überhaupt bewusst war - und natürlich in zweiter Hinsicht - ob das zeitgenössische Publikumes diese Dinge wahrgenommen hat - bzw sie überhaupt wahrnehmen sollte.


    Dazu müssen wir uns die Frage stellen, für welche Zielgruppe solche Gedichte überhaupt geschrieben wurden, bzw wie sie mit den Werken überhaupt Bekanntschaft machten.
    Natürlich wäre es einfach, zu sagen, er wäre hauptsächlich das Lied, welches Gedicht ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gebracht habe. Das mag auf unsere Zeit zutreffen, ich glaube, kein Mensch würde die Winterreise heute noch kennen, wäre sie nicht von Schubert (und als Einzerlgedichte auch von anderen Komponisten ) vertont worden.


    Aber die Vertonung war ja nicht das ursprüngliche Ziel. Die Gedichte sollten ja auch als gesprochenes oder gelesenes Wort Bestand haben und ihre Wirkung entfalten.


    Und hier stelle ich mir die Frage, ob im 18. und 19. Jahrhundert die Gedichte vorzugsweise in Form von Gedichtbänden, als Einzelberöffentlichungen in Zeitschriften oder in Form von "Dichterlesungen" unters Volk kamen.


    Hat man das geklärt, kann man darüber spekulieren ob man die Text "naiv" oder "doppelbödig" auslegen dar, soll, oder gar muß. Ich bin geneigt, anzunehmen, daß oftmals die "naive" Lesart die richtige ist, wobei noch die Sprache und Gefühlswelt der Entstehungszeit in Betracht gezogen werden muß.


    Ich weiß, wovon ich rede, dennn ich persönlich wurde in erster Hinsicht von meiner Großmutter (geb. 1888) erzogen (meine Eltern waren geschieden, meine Mutter berufstätig). Da meine Großmutter relativ alt war als sie meine Mutter zur Welt brachte, habe ich eine Erziehung genossen, die noch die Jahrhundertwende widerspiegelte - mit allen Vor- und Nachteilen. Und ich verfügte über einen Wort- und Phrasenschatz, welcher von jungen Leuten kaum verstanden würde.


    Umso schwieriger ist für uns heute nachzuvollziehen welche Wirkung Gedichte der Vergangenheit auf die einstige "Zielgruppe "(ein Wort das es damals mit Sicherheit noch nicht gab) ausübten.......


    Ich meine, dieser Tatsache wird oft zu wenig Betrachtung geschenkt....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Frösche



    Ein großer Teich war zugefroren;


    Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,


    Durften nicht ferner quaken noch springen,


    Versprachen sich aber im halben Traum,


    Fänden sie nur da oben Raum,


    Wie Nachtigallen wollten sie singen.


    Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,


    Nun ruderten sie und landeten stolz


    Und saßen am Ufer weit und breit


    Und quakten wie vor alter Zeit.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • So recht habe ich nicht verstanden, worauf Alfreds Schmidts Thread letzten Endes hinauswill. Dieser möge mir das bitte nachsehen. Aber ich möchte es mir nicht ganz so einfach wie farinelli mit seinen Fröschen machen (so witzig und geistvoll dieses Goethe-Gedicht auch ist!), sondern versuchen, auf einige Feststellungen Alfreds einzugehen. Die hier üblichen Zitatkästchen mit angehängtem, häufig nichtssagendem Wurmfortsatz verwende ich aus Prinzip nicht, folglich bleibt nur der auf einzelne Punkte abzielende Kommentar.


    Die Frage, wie im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert Gedichte an die Öffentlichkeit kamen, lässt sich nur von Fall zu Fall (also von Dichter zu Dichter) beantworten. Der "Regelfall" sah so aus, dass zunächst einmal eine Veröffentlichung in Zeitschriften erfolgte. Das waren zumeist - ich lasse die Namen jetzt mal weg - Zeitschriften für das Bildungsbürgertum, manchmal aber auch reine Lietarturzeitschriften mit hohem Anspruch (s. etwa "Athenäum"). Die Buchform kam dann, wenn ein Autor schon so bekannt war, dass ein Verlag eine Sammelausgabe seiner Werke riskieren konnte, oder sogar "Gesammelte Werke" einen Absatzmarkt versprachen. Autorenlesungen, wie sie heute üblich sind, gab es damals noch nicht: Nur Lesungen in Freundeskreisen oder literarischen Abendgesellschaften in bekannten groß- oder bildungsbürgerlichen Häusern. In diesen Kreisen sind auch die "Adressaten" der Autoren jeweils zu suchen.


    Der Begriff "Zielgruppe" führt hinsichtlich der Frage, wie Gedichte zu interpretieren sind, nicht weiter. Denn ein Autor, vor allem wenn er ein bedeutender ist und einen literarischen Anspruch an sich selber stellt, schreibt nicht mit Blick auf einen bestimmten Leserkreis. Es ist also durchaus legitim, das Gedicht bei der Intepretation "absolut" zu nehmen und es auf die Frage hin zu lesen, was es dem heutigen Rezipienten zu sagen hat. Entscheidend dabei ist allein, was im Text steht. Zu vernachlässigen ist dabei die Frage, wie dieses Gedicht zu seiner Zeit verstanden wurde.


    Für uns hier ist lediglich der Frage nachzugehen, wie ein Komponist das jeweilige Gedicht gelesen und verstanden hat. Das geschieht zum Beispiel eben gerade bei der "Winterreise". Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man darüber keine Aussagen machen kann. Es ist buchstäblich aus dem Notentext abzulesen, und es wurde auch bei den bisher besprochenen Liedern der Winterreise aufgezeigt


    Berechtigt ist Alfred Schmidts Verdacht, dass zuweilen in die Gedichte der Winterreise etwas hineingelesen wurde, was der Text gar nicht hergibt. Als Beispiel dafür seien die Überlegungen genannt, die hinsichtlich der Reaktionen des "Mädchens" auf das Verlassen des Hauses durch den Protagonisten und dessen Motive dafür angestellt wurden.


    Im Falle der "Winterreise" und der "Schönen Müllerin" wurde sehr detaiilert dargestellt, wie Müllers Gedichte zustandekamen und wie sie veröffentlicht wurden. Bei der "Schönen Müllerin" kennt man sogar den Kreis der ursprünglichen "Adressaten" der Gedichte und kennt den Hintergrund ihres Zustandekommens. Dass die Gedichte der "Winterreise" (aber auch die der Schönen Müllerin") lange Zeit in ihrem literarischen Wert falsch eingeschätzt wurden, wird heute in der Germanistuik nicht mehr bestritten. Es hing damit zusammen, dass man seinen Blick auf Wilhelm Müller sozusagen aus der Perspektive Heinrich Heines richtete. Auch darauf wurde im zugehörigen Thread hingewiesen.


    Alfred Schmidts "Unbehagen" scheint - so lese ich die Eröffnung des Threads - sich letzten Endes darauf zu richten, dass in der letzten Zeit zuweilen zuviel in die Gedichte "hineininterpretiert" wurde, die den jeweils besprochenen Liedern zugundeliegen. In Einzelfällen mag das zutreffen - ich hatte das Beispiel des ersten Liedes der "Winterreise" genannt - , aber es scheint mir nicht der Regelfall zu sein. Eigentlich bemüht man sich doch immer nur, ins Bewusstsein zu rufen, was das jeweilige Gedicht als solches zu sagen hat, damit dann um so besser erkennbar wird, worauf - in dieser Gesamtheit der Aussagen - der Komponist nun jeweils einen besonderen Akzent gesetzt hat. Das wurde zum Beispiel bei Schumanns Opus 39 so gehalten.


    Ich meine, dass man nicht darauf verzichten sollte, auch einen Blick auf die lyrischen Texte zu werfen, die den jeweiligen Liedern zugrundliegen. Denn die Komponisten haben sie ja auch zunächst einmal gelesen, bevor sie zur Feder griffen und ein Lied daraus machten. Man versteht einfach besser, was sie da gelesen und in Musik umgesetzt haben, wenn man sich die jeweilige dichterische Aussage der Texte unabhängig von ihrer Vertonung vergegenwärtigt. Gedicht-Interpretation ist also für einen Liedfreund eine durchaus sinnvolle Sache, wenn er verstehen will, was ein Komponist aus einem Gedicht musikalisch gemacht hat.


    Was ich aber ausdrücklich hinzufügen möchte ist: Diese Gedichtinterpretation sollte in einem Lied-Forum nicht zum Selbstzweck werden. Sie sollte immer an das gebunden und dem untergordnet sein, was Inhalt der jeweiligen Threads hier ist: Die Beschäftigung mit dem Kunstlied und seiner Bedeutung als musikalisches Kunstwerk.

  • Nein - es gibt von meiner Seite kein "Unbehagen" was alles in Müllers Gedichte hineininterpretiert werden kann - es hat mich lediglich gewundert.


    Der eigentliche Anlass war, daß man "Geselle" auch als "Spielgefährten" interpretieren kann. Das mag sein, aber ich würde das in dieseem Zusammenhang nicht tun. Eher erscheint mir hier die Bedeutung von "Kamerad" oder "Bursche" (letztlich auih zwei eher antiquierte Begriffe aus der Sicht heutiger Hörer)zu passen.


    Derartige Anmerkungen - so meinte ich - sind zwar interessant - können aber den Thread auch zum Erliegen bringen.


    Kommen wir zum Begriff "Zielgruppe"
    Helmut Hofmann schreibt, es gäbe gar keine solche, der Dichter habe für "alle" geschrieben- Das zweifle ich gar nicht einmal an - aber zumindest war die Zielruppe "zeitgenössisch"


    Und genau darauf möchte ich hinaus:
    Jene Sprache, die dereinst den Nerv der Zeit traf - oder zumindest nicht weit daneben ging - ist heute für weite Kreise der Bevölkerung - wenn schon nicht ungeniessbar - so doch unverständlich.


    Aus meiner Sicht resultiert daraus auch die Fehleinschätzung von Müller. Müller wird des öfteren als schwacher Poet abgetan.
    Mag sein - oder aber auch nicht. Denn es ist durchaus möglich, daß ein Komponist bei der Wahl seiner Texte mal danebengreift. Aber gleich zwei komplette Zyklen ?
    Müller dürfte in gewisser Hinsich mit seinen Texten ins Schwarze getroffen haben. Zumindest Schubert hat es anscheinend so gesehen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Verehrter Alfred,


    Du schreibst:


    Mag sein - oder aber auch nicht. Denn es ist durchaus möglich, daß ein Komponist bei der Wahl seiner Texte mal danebengreift. Aber gleich zwei komplette Zyklen ?


    Dazu ist zu sagen: No fight, no glory. Wenn man sich nicht der Mühe einer Textdeutung unterzieht, kann man zwar nicht danebenliegen, aber man hat auch keine Meinung dazu. Ob ein Text gelingt, ist keine Bausch- und Bogen-Frage, sondern erfordert Detailarbeit.


    Lange vor Müller ist das rezeptionsästhetische Dilemma zu beklagen, daß die Kunstfertigkeit der Faktur der Verständlichkeit nicht entgegenarbeitet. Das sagst Du ja im Grunde selbst:


    Derartige Anmerkungen - so meinte ich - sind zwar interessant - können aber den Thread auch zum Erliegen bringen.


    Wenn man aufhört, sich mit Polyvalenzen, Doppelbödigkeiten und versteckten Nebenbedeutungen im Text zu beschäftigen, hat man die Zensur eingeführt. Man kann das tun, wie eine perfekte Gastgeberin, die im entscheidenden Moment einfließen läßt: "Keine Politik, bitte!"


    An Deinem ironischen Web-Zitat im Kleingedruckten, zum "Abgehobenen Gelaber", das ich also partiell auf mich beziehen darf, ist interessant, daß es aus einer Newsgroup von 2009 stammt und sich mit dem Thema Tamino meets Elly Ney und dem Ausscheiden von gewissen ehemaligen Taminos beschäftigt. Auch insofern besinnt sich das Forum hier gleichsam auf seine Kernkompetenzen - möge es dem Gedeihen förderlich sein.


    Wäre ich Guido Westerwelle, ich sagte am Ende: "Wir haben verstanden."


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Da es sich hier ja um einen relativ freien Thread handelt - werde ich hier vom Thema abweichen und sagen, daß es hier gar nichts zu verstehen gibt - ausser daß ich diesen alten dummen Satz ausgegraben habe´und mich darüber lustig gemacht habe.
    Weil ich persönlich- das weiß jeder der mich kennt - dieses " abgehobene Gelaber" brauche wie andere Leute Sauerstoff oder Liebe....


    Ferner wurde niemand verboten im Originalthread zu analysieren - es sit sogar erwünscht.
    Es wurde kediglich eine Möglichkeit geschaffen hierher auszuweichen, wenn das Seitenthema allzu ausführlich wird.
    Dieses Angebot kann angenommen werden - oder auch nicht.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich weiß nicht, ob ich Alfred richtig verstehe. Auch mir ist das Antiquiertwerden von bestimmten Sprechweisen vertraut. Ich denke an einen Film wie "Das Mädchen und der Kommissar" und andere europäische Produktionen der 60er, die versuchen, den lässigen Slang der Hollywood-Thriller nachzubilden (mit meist peinlichem Erfolg). Oder die liebenswert harmlosen 50er-Jahre-Komödien mit ihren altmodischen Umgangsformen. Und so weiter rückwärts.


    Käutners Zuckmayer-Verfilmung "Des Teufels General" oder die collagierte Prosa Kempowskis sind der Alltagssprache des Dritten Reichs näher als heutige Filmversuche. Dennoch würden die Leute damals "Tadellöser und Wolf" verbrannt haben.


    Das Selbstverständnis einer nicht miterlebten Ära ist per se uneinholbar. Schon die Zeitgenossen aber haben sich über Wagners Verskunst lustig gemacht; und auch die Französische Klassik enging nicht dem Spott der Italiens.


    Was Alfred aber insinuiert, daß nämlich Wagner z.B. für die Zeitgenossen etwas Natürliches oder Selbstverständliches gehabt hätte, eine Ingredienz, die uns veroren ging und mangels derer wir seinen Bühnenwerken mit mehr Unverständnis begegnen müßten, ebnet Alltagsverständnis und Kunstverständnis allzusehr ein.


    Kunst, und nun gar die Winterreise, die ja schon die Freunde Schuberts befremdete, lädt zur Identifikation ein mittels höchster Stilisierung, nicht durch Komplizenschaft mit dem Alltäglichen. Daß es eine solche lebensweltliche Verbindung und Quelle zur Kunst überhaupt gebe, ist eine relativ moderne Auffassung.


    Richtig ist vielmehr, daß die Kunstwelten des Dramas, der Oper, der Lyrik usw. aufgeladen waren mit Repräsentationen, nicht Abbildlichkeiten der realen Lebenswelt und ihrer Ideale - "Sire, gebt Gedankenfreiheit!"


    Der melodramatische Ego-Trip der Winterreise geht in seiner Radikalität doch nicht so weit wie z.B. Büchners Woyzeck. Der Einbruch lebensweltlicher Repräsentation in die Kunst war ein Prozess langwieriger Widerstands-Dialektik, gegen die Zensur, die Moral, die Gattungsgesetze. Und es war beileibe kein eindimensionaler Vorgang (da ist Wagners mythologische Idealität das beste Beispiel).


    Ich glaube, daß jeder Gymnasiast, der sich für Schiller begeistern läßt, dem jugendlichen Verständnis der Schillerzeit nahekommt; und jeder betörte Wagnerianer empfindet den gleichen Thrill wie Baudelaire oder Thomas Mann. Große Kunst altert überhaupt niemals, man denke nur an Chopin. Was uns allenfalls verloren geht, ist das perspektivische Verhältnis der Expression zur Buchstäblichkeit, denn wir fühlen immer mehr, als im Text steht. Dieses "Mehr" empfinden wir dann als das Moderne, bis es als überholt aus der Mode kommt.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


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  • Ohne auf einem Detail herumreiten zu wollen, ist die "Winterreise" rein sprachlich heute doch problemlos verständlich, oder?
    Das Befremden, mit dem selbst Schuberts Bekannte auf die "schauerlichen Lieder" reagierten, dürfte doch sicher der Düsterkeit der Musik zuzuschreiben sein, nicht der Lyrik.
    Das ist kein Gryphius, kein Klopstock und kein Wagner. Es gibt keine mythologischen Anspielungen usw. Das vermutlich einzige Wort, was ich vorher noch nie gehört hatte, ist "Schloßen." Wagner ist ein extremer Fall, der sich ja selbst als Sprachschöpfer verstand und überhaupt nicht typisch für eine zeitgebundene Sprache ist. Natürlich wurde das sofort verspottet. In einer lebendigen kulturellen Landschaft wird fast alles von irgendjemandem verspottet. Es lädt nur nicht alles gleichermaßen zur Parodie ein (Müller ist fast zu schlicht, um gut parodierbar zu sein), Wagner ist natürlich ein gefundenes Fressen. Aber nicht er allein. Ein alter Favorit:


    Schiller: Würde der Frauen


    Ehret die Frauen! sie flechten und weben
    Himmlische Rosen ins irdische Leben,
    Flechten der Liebe beglückendes Band,
    Und in der Grazie züchtigem Schleier
    Nähren sie wachsam das ewige Feuer
    Schöner Gefühle mit heiliger Hand.
    Ewig aus der Wahrheit Schranken
    Schweift des Mannes wilde Kraft;
    Unstät treiben die Gedanken
    Auf dem Meer der Leidenschaft;
    Gierig greift er in die Ferne,
    Nimmer wird sein Herz gestillt;
    Rastlos durch entlegne Sterne
    Jagt er seines Traumes Bild.


    usw.


    August Wilhelm Schlegels Parodie:


    Ehret die Frauen! Sie stricken die Strümpfe,
    Wollig und warm, zu durchwaten die Sümpfe,
    Flicken zerrissene Pantalons aus;
    Kochen dem Manne die kräftigen Suppen,
    Putzen den Kindern die niedlichen Puppen,
    Halten mit mäßigem Wochengeld Haus.
    Doch der Mann, der tölpelhafte,
    Findt am Zarten nicht Geschmack.
    Zum gegornen Gerstensafte
    Raucht er immerfort Tabak;
    Brummt wie Bären an der Kette,
    Knufft die Kinder spat und fruh,
    Und dem Weibchen nachts in Bette
    Kehrt er gleich den Rücken zu.


    vgl.:
    "http://www.kerber-net.de/literatur/deutsch/lyrik/schiller/frauen_wuerde.htm"


    Man sollte seinerzeitiges Publikum nie unterschätzen. Es war, anders als heute, bibel- und mythologiefest, ebenso meistens in der damals zeitgenössischen Literatur beschlagen. Überdies wurden viele Lieder in der Hausmusik selbst musiziert; es war also auch musikalisch bewanderter als das heutige Durchschnittspublikum. Wagner befremdete eher, weil er die Mythologie zu seinen Zwecken veränderte, nicht weil die Figuren nicht vertraut gewesen wären.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Johannes Roehl meint:


    "Das Befremden, mit dem selbst Schuberts Bekannte auf die "schauerlichen Lieder" reagierten, dürfte doch sicher der Düsterkeit der Musik zuzuschreiben sein, nicht der Lyrik"


    Das ist sicher zutreffend. Die Lyrik Müllers bot damals - und bietet heute - keinerlei Verständnisprobleme, von ihrer sprachlichen Ebene her. Für ihre Metaphorik dürfte das ebenfalls gelten. Schuberts Freundeskreis war erschrocken über die musikalische Faktur der Lieder, die sich vor allem durch ihre ungewöhnliche, in der Modulation z.T. schroffe Harmonik und überhaupt durch ihre auf den wesentlichen Kern reduzierte Klanglichkeit auszeichnet. So etwas hatten die "Schubertianer" von ihrem Lied-Komponisten bis dahin noch nicht gehört. Über ein Lied wie den "Leiermann" dürften sie regelrecht erschrocken gewesen sein. Beim "Lindenbaum", der als einziges Lied Anklang fand, ist wahrscheinlich die fünfte Strophe im Eindruck, den die anderen Strophen machten, untergegangen, bzw. sie ist von ihnen "verdrängt" worden.


    Zitat:


    "was ich vorher noch nie gehört hatte, ist "Schloßen."


    Das geht wahrscheinlich den meisten von uns so. Deshalb eine Anmerkung hierzu:


    Dieses Wort ist im Mittelhochdeutschen als "sloze" (mit langem o ) belegt. Im Neuhochdeutschen wird daraus "Schloße". Die Etymologie des Wortes ist unklar. Klar ist aber, dass das Wort "Schlackerwetter", bzw. "Schlickerwetter" damit zusammenhängt. Das Wort wird - regional begrenzt - als Bezeichnung von Hagelkörnern verwendet. In diesem Zusammenhang gibt es auch das Wort "schloßweiß", also "weiß wie Hagel".

  • Lieber Johannes, lieber Helmut -



    Ich bin mir sicher, daß Alfred mit der Bemerkung:


    Jene Sprache, die dereinst den Nerv der Zeit traf - oder zumindest nicht weit daneben ging - ist heute für weite Kreise der Bevölkerung - wenn schon nicht ungeniessbar - so doch unverständlich.


    keineswegs auf lexikalische Bedutungen, dunklen Wortsinn, historischen Sprachgebrauch usw. abzielte.


    Schubert hat das Kunstlied ja sozusagen erfunden, eng am Volkslied entlang und unter Bevorzugung sinnfälliger, eingängiger Texte. Sogar kompliziertere Lyrik klingt, durch Schubert vertont, verständlicher.


    Die gesellschaftliche Basis des Schubertliedes waren künstlerisch ambitionierte Freundeszirkel, Geselligkeiten, in denen Musik und Dichtung gepflegt wurde. Von heute aus erstrahlen Schuberts Lieder dagegen auf dem Olymp musikalischer Meisterwerke - schon insofern haben wir einen ganz anderen Zugang dazu.


    Es gibt einen Ton, vor den formalen Kriterien, an dem man ein Gedicht des 19. Jh. erkennt und der für uns das Verflossenene, Epochale daran signalisiert, während den Zeitgenossen dieser Anachronismus fremd war. Wir finden auch im "Werther" z.B. nicht mehr die Anzeichen einer lebensweltlichen Übereinstimmung; dazu müßten wir zu Plenzdorfs "Neuen Leiden des jungen W." greifen.


    All das führt dazu, daß etwa die "Winterreise" mit ihrem ländlichen Setting, ihrem Stationswegschema, ihrem fingierten Realismus und ihrer plakativen Symbolik zunächst einen höchst befremdlichen Eindruck auf uns macht. Finden wir dann "moderne", zukunftsweisende Ansätze in der Psychologie oder der gewählten Metaphorik, bauen wir uns eine Brücke in den Zyklus. Aber wie der Müllerbursch ist auch der Winterreisende zuvorderst eine historisch abgesunkene Figur - aus ihrer Zeit herausstilisiert und uns daher doppelt fremd. Nicht einmal das ehedem Schockierende kann uns noch wie die Zeitgenossen packen - denn Hand aufs Herz: Die Themen der "Winterreise" sind ja seit Müller noch häufig literarisiert worden.


    :hello:

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  • Missgeschick! Was ich sagen will, ist im nächsten Beitrag zu lesen. Muss wohl wieder einmal Computerunsinn fabriziert haben, der sich nicht löschen, sondern nur in dieser kommentierenden Form "bearbeiten" lässt.

  • Nur eine kleine, sicher nicht sehr geistreiche Anmerkung.


    Johannes Roehls Satz hat mir etwas bewusst gemacht. Und das führt auf Alfreds Schmidts zentrale Frage zurück. Auf ihren Kern sozusagen: Bleibt lyrische Sprache, auch über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg, für uns heute verständlich?


    Sie bleibt. Man kann es an diesem schönen Bild sehen:


    "Die Krähen warfen Bäll´und Schloßen
    Auf meinen Hut vor jedem Haus."


    Das Wort "Schloßen" muss man gar nicht verstehen. Es genügen das Bild und die sprachlichen Laute, die in ihm aufklingen, wenn man diese Verse liest oder - von Schubert vertont - hört. Und man weiß alles.


    Da wird einer davongejagt, einer der in dieser Stadt verachtet wird, der nicht mehr dazugehört. Krähen werfen ihm vom Dach etwas hinterher.


    Was das ist, spielt gar keine Rolle. Bälle, Schloßen. Die Aufeinanderfolge dieser Laute "ä" und "o", - das klingt nach Dreck, in Ballform einem hinterhergeworfen, der davoneilt, weg von den Häusern, hinaus aus der Stadt. Stärker kann man dieses Davongetriebensein eines Menschen aus einer Gemeinschaft gar nicht zum Ausdruck bringen.


    Na also! Wirklich gute, weil rein lyrische Sprache bleibt all die Zeit über, die über sie hinweggegangen ist, bis zum heutigen Tage verständlich.

  • Jaja. Nur, dass Vögel, also insbes. Krähen, meines Wissens noch nie dabei beobachtet wurden, wie sie mit Bällen oder Hagelkörnern oder sonstigem "Dreck" gezielt ("auf meinen Hut") nach einem Menschen geworfen hätten. Zumal sie auch keine zum Werfen geeigneten Gliedmaßen haben (außer in Comicfilmen).


    Bestenfalls könnten Vögel entweder etwas mit ihren Krallen aufnehmen und über ihrem Zielobjekt fallen lassen oder etwas von den Dächern herunterscharren. - Aber "Bäll" im Zusammenhang mit "werfen" suggeriert eher etwas anderes als "Herunterscharren" oder "fallen lassen".


    "Von jedem Haus" sagt ja auch , dass es nicht um einen zufälligen Einzelfall geht, wie etwa bei einem Treffer mit Vogeldreck.


    Wer oder was sind also die "Krähen"? Das Müllersche Gedicht sagt:


    - sie treten in der Mehrzahl auf
    - sie handeln einmütig
    - sie sind gegen den Ausgestoßenen verbündet
    - sie bemühen sich, ihn zu treffen - und sind dabei erfolgreich


    Muss nicht jede vordergründige Deutung, die hier noch "Vögel" versteht, wenn von Krähen die Rede ist, in den Unsinn führen?


    Wie deutlich muss Müller denn noch werden, bis man einsieht, dass es hier nicht um Vögel geht, die einen Wanderer im Winter bewerfen? Ist denn nicht das Festhalten an der vordergründig-naturalistischen Deutung (meinetwegen als monologischer Prozess mit Stationencharakter oder sonstwie mit klugen Worten bezeichnet) mühsamer und gekünstelter als die naheliegende Anwendung des Wissens, dass Metternichs Spitzel seinerzeit als "Krähen" bezeichnet wurden?

  • Entartung



    Hat die Natur sich auch verschlechtert,
    Und nimmt die Menschenfehler an?
    Mich dünkt, die Pflanzen und die Tiere,
    Sie lügen jetzt wie jedermann.


    (...)


    Ich zweifle auch, ob sie empfindet,
    Die Nachtigall, das was sie singt;
    Sie übertreibt und schluchzt und trillert
    Nur aus Routine, wie mich dünkt.


    Die Wahrheit schwindet von der Erde,
    Auch mit der Treu ist es vorbei.
    Die Hunde wedeln noch und stinken
    Wie sonst, doch sind sie nicht mehr treu.


    :hello:

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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Du fragst mich, wie es uns hier ergeht?
    Hier ist es still, kein Windchen weht,
    Die Wetterfahnen sind sehr verlegen,
    Sie wissen nicht, wohin sich bewegen ...


    Kein Zweifel, Heine kannte die "Winterreise":


    Es glotzen mich an unheimlich blöde
    Die Larven der Welt. Der Himmel ist öde,
    ein blauer Kirchhof, entgöttert und stumm.
    Ich gehe gebückt im Wald herum.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ich möchte den Gedanken, den ich in meinem letzten Beitrag (Nr.12) angeschnitten hatte, noch ein wenig weiterführen, um eine Antwort auf die Fragen zu finden, die Alfred Schmidt in diesem Thread aufgeworfen hat.


    Wenn man sich die Gedichte der "Winterreise" unbelastet von den Vorurteilen anschaut, die lange Zeit gerade unter Germanisten gang und gäbe waren, dann fällt unter anderem dieses auf: Es finden sich in ihnen in einem eigentlich erstaunlichen Nebeneinander sowohl Verse von parataktischer Schlichtheit und Trockenheit (nach dem Muster: "Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus" oder "Der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht"), als auch Bilder, die eine ungewöhnliche Ausdruckskraft entfalten.


    Ich möchte die These wagen, dass gerade diese Bilder Müllers von einer zuweilen kühnen Modernität sind. Sie kommen in die Nähe einer absoluten Metapher, also eines Bildes, das aus sich selbst heraus spricht, dazu keiner kontextualen Einbindung mehr bedarf. Ein Musterbeispiel dafür ist das von den Krähen, die von den Dächern "Bäll und Schloßen" auf den Hut des Wanderers werfen.


    Die Nähe zur "absoluten Metapher" besteht hier darin, dass es sich weitgehend von aller Realitätsbindung löst und fast schon die Ausdruckskraft entwickelt, wie das Bilder in der expressionistischen Lyrik tun. Ich möchte als Beispiel dafür ein Bild von Georg Trakl bringen. In einem seiner Gedichte entwirft er dieses Bild: "Krähen, die sich zerstreuen... Ihr Flug gleicht einer Sonate, voll verblichener Akkorde und männlicher Schwermut; leise löst sich eine goldene Wolke auf."


    Um nicht missverstanden zu werden: Dieses expressionistische Bild ist nun wirklich eine absolute Metapher (mit dem Charakter einer Chiffre), und es geht in dieser seiner Eigenart weit hinaus über das von Wilhem Müller entworfene Bild von den Krähen. Aber letzteres kommt durchaus schon die Nähe dieses Trakl-Bildes, weil es sozusagen Realität transzendiert, um die Wirkung des Schreckens zu erzeugen. Ich meine, dass sich in einem solchen Bild tatsächlich die Modernität des Lyrikers Wilhelm Müller zeigt.


    Es lassen sich viele Bilder in den Gedichten der "Winterreise" finden, die zwar nicht so weit in die sprachliche Gestalt einer absoluten Metapher vorgetrieben sind, die aber durchaus ihre Aussagekraft, ihre lyrische Expressivität also, in sich selbst tragen, ohne sie aus einer kontextualen Bindung zu gewinnen. Beispiele, in eigenen Worten umschrieben:


    - die Wetterfahne, die mit ihrem Quietschen den "armen Flüchtling" "auspfeift" (wie er meint);
    - die Tränen, die als gefrorene Tropfen von den Wangen herabfallen;
    - das erfrorene Bild der Geliebten, das im erstorbenen Herzen "starrt",
    - die Eisdecke auf dem Fluss, die als "harte, starre Rinde" erscheint;
    - die Krähen, die dem aus der städtischen Gemeinschaft Vertriebenen "Bäll und Schloßen" auf den Hut und hinterherwerfen;
    - die Raben, die vom Dach schreien, als der Wanderer in Kälte und Finsternis aufwacht;
    - das Bild der Einsamkeit. "Wie eine trübe Wolke durch heit´re Lüfte geht ...";
    - die Krähe, die mit dem Wanderer "aus der Stadt zieht", auf seinen Leichnam wartet und vom Wanderer mit dem Begriff "Treue" assoziiert wird;
    - Sturm: "Wie hat der Sturm zerrissen des Himmels graues Kleid" ... "Wolkenfetzen" die umherflattern;
    - "Nebensonnen", die "lang und fest angestarrt" werden;
    - ein "Leiermann", der barfuß auf dem Eise hin und her wankt.


    In einem Kommentar, den Rolf Vollmannn zu den Gedichten der "Winterreise" verfasst hat, findet sich diese Feststellung:


    "Nichts, gar nichts in Müllers Biographie deutet den Ton an, den er hier anschlägt. Und wenn man nicht wüsste, dass er diese Gedichte wirklich geschrieben hat - nie würde man in ihm den Autor vermuten. (...) Er sieht Dinge so, als seien sie noch nie von der Poesie entdeckt worden; er sieht sie mit einem Auge, dem alle Gewohnheiten fremd geworden sind, dem die Welt abhanden gekommen ist; in Bildern und Gesichten von fast entsetzlicher Kindlichkeit."


    Dem kann man nur voll zustimmen! Wenn man einen Blick in die Gedichte wirft, die Wilhelm Müller neben denen der "Winterreise" noch so verfasst hat, dann bestätigt sich das. Die sind in ihrer Metaphorik nicht nur höchst "konventionell", sondern zumeist auch noch nichtssagend.


    Ich habe mich gefragt, wie es zu diesem Überschreiten der Grenzen gekommen ist, die ansonsten dem Lyriker Wilhelm Müller gesetzt sind. Meine These ist vielleicht ein wenig spekulativ. Sie sei dennoch geäußert.


    Könnte es sein, so habe ich mich gefragt, dass Müller als Lyriker gerade dadurch über sich selbst hinausgewachsen ist, dass er sich in diese Gestalt des einsamen und seinen seelischen Obsessionen ausgelieferten Wanderers förmlich hineinversetzt und mit ihm lyrisch die Welt gesehen, lyrisch mit ihm seine Gefühle gelebt hat?

  • Lieber Helmut,


    "Krähen, die sich zerstreuen... Ihr Flug gleicht einer Sonate, voll verblichener Akkorde und männlicher Schwermut; leise löst sich eine goldene Wolke auf."


    leider hab ich zu diesem Feuilletonjugendstil ein gestörtes Verhältnis und würde die Qualität dieser Verse erheblich in Zweifel ziehen. Ein Bild wie das von Rilke in einer Widmung entworfene scheint mir in der Plastizität seiner Durchführung etwas nachvollziehbarer:


    Wie die Vögel, welche an den großen
    Glocken wohnen in den Glockenstühlen,
    plötzlich von erdröhnenden Gefühlen
    in die Morgenluft gestoßen
    und verdrängt in ihre Flüge
    Namenszüge
    ihrer schönen
    Schrecken um die Türme schreiben:


    können wir bei diesem Tönen
    nicht in unsern Herzen bleiben


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Georg Trakl - und "Feuilletonjugendstil"?


    Das ist mir neu! Ganz neu sogar! Um nicht "verwunderlich" zu sagen, lieber farinelli.


    Und "ein gestörtes Verhältnis" zu solchen Versen habe ich schon gleich gar nicht.


    Ist aber völlig unerheblich, denn darum ging es mir in meinem Beitrag gar nicht.


    Ich wollte eigentlich nur deutlich machen, dass da etwas in der Lyrik Wilhelm Müllers zu hören ist, das ihn über das Qualitätsurteil erhebt, das man vor noch nicht allzu langer Zeit über ihn fällte.


    Vielleicht, das räume ich gerne ein, habe ich ein wenig "überzeichnet". Aber, wenn schon das Wort "Feuilleton" gefallen ist: Es war aus "feuilletonistischen Gründen" erforderlich.

  • Selbstredend, lieber Helmut. Ich war sogar recht beeindruckt von Deinem Katalog. Allerdings finde ich ihn etwas unausgewogen, was die Themen und Topoi betrifft.
    Der Punkt Sturm z.B. müßte spezifiziert werden zu: Nachbild[Verwandlung] des Sturms. Es ist der Wintermorgenhimmel nach einem nächtlichen Sturm, das malerisch Zerrissene mit der Nuance des Aufgelösten, Durchbrechenden, wozu auch die Tageszeit gehört.


    Die Metapher des Wolkenkleids selbst scheint mir weniger glücklich, geschweige denn originell, zumal in der Fortführung der in "mattem Streit" flatternden Fetzen.


    Wie man diese Metaphorik großartig und knapp durchführen kann, beweist z.B. A.W. Schlegel in der Übersetzung von Shakespeares "King Lear", III,4:


    "Der Sturm im Geist
    raubt meinen Sinnen jegliches Gefühl,
    Nur das bleibt, was hier wühlt -"


    und natürlich Emily Brontës unsterbliche Formel:


    A perfect misanthropist's heaven:


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!