Prokofjew: Toccata op. 11

  • Hallo, liebe Musikfreunde,


    dieses Stück von Prokofjew nimmt sicher in der Klavierliteratur einen Sonderplatz ein. Es hat keine Themen oder Motive, besteht aus reiner Motorik, und das wird jetzt vielleicht jeden abschrecken, der bisher schlechte Erfahrungen mit der Musik des 20. Jahrhunderts gemacht hat. Das Gegenteil ist der Fall! Das Stück wirkt bis heute so frisch wie kaum ein anderes Werk für Klavier. Für mich ist es ein echtes Pendant zum Bolero von Ravel. Lange vor den Einflüssen des Jazz nimmt es bereits alles vorweg, was dann in den 1970er Jahren in den anspruchsvolleren Werken des Rockjazz wieder aufgenommen wurde.



    (Natalia Gontscharowa: Pfau in heller Sonne, 1913)


    Prokofjew (1891 – 1953) hat es 1912 am Ende seiner 10-jährigen Studienzeit in St. Petersburg komponiert. In diese Zeit fällt die Revolution 1905 und in ihrem Umfeld eine der spannendsten Aufbruchphasen, die die Kunst je erlebt hat. Davon ist in diesem Stück viel zu spüren. Es wurde erstmals 1916 öffentlich aufgeführt (von Prokofjew selbst, der ein hervorragender Pianist war) und war von Beginn an eins seiner erfolgreichsten Stücke.


    Eine Übersicht verschiedener Einspielungen: Link


    Viele Grüße,


    Walter

  • Zu dem Thema kann ich noch was beitragen:


    Jean Guillou hat eine Transkription für Orgel geschaffen, schön eingespielt von Latry: [Nachtrag: vielleicht doch etwas zahm. Sollte nicht unbedingt als Kaufempfehlung verstanden werden.]


    (was man allerdings von der insgesamten Zusammenstellung der Stückchen dieser SACD halten soll, ist eine andere Frage...)

  • 8o
    Die Toccata auf der Orgel??
    Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen,wie jemand auf die Idee kommt, dieses percussive, hämmernde Stück auf der Orgel zu spielen, "zahm" kann ich mir denken... :D
    Also, ja, die Toccata ist ein geniales Stück und ich tendiere auch dazu, daß die beste Einspielung die von Martha Argerich ist.
    Das was ihre Einspielung (neben ihren andere wohlbekannten Tugenden wie den unglaublichen Vorwärtsdrang, die große Linie nicht zu vergessen usf.) so besonders macht, ist vor allem das Tempo, sie spielt es von allen, die ich bis jetzt kenne (Argerich; Horowitz; Gilels; Prokofiev auf einer Piano Roll in leider so schlechter Qualität, daß man die Interpretation nicht vergleichen darf; Frederic Chiu (Prokofiev Piano-Gesamtwerk!!)) am schnellsten und vor allem hält sie es durch, ich glaube, Horowitz beginnt sogar schneller, kriegt es aber technisch nicht auf die Reihe, das Tempo zu halten (ab da, wo diese beliebten Bass-Sprünge beginnen :D), wodurch es etwas lahm wirkt.


    Also, meine Empfehlung für dieses Stück und aber vor allem auch für Prokofiev allgemein. (JA, es ist JETZT der richtige Augenblick den 1-4-5-1-Quartvorhalt-Triller-1 - Mozart auszuschalten, die Provinz zu verlassen und sich zumindest eine CD mit Prokofiev zu kaufen :P :D :yes: )


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Lieber Peter ,
    Martha Argerichs Interpretation als sie den Busoni - Wettbewerb gewann bleibt für mich der Massstab ..
    Dieses 2. (!) Debut-Recital fällt gegenüber der Argerichaufnahmen bei EMI doch ab . Aber das am Rande .
    Beste Grüsse
    F r a n k

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Zitat

    Original von bubba
    8o
    Die Toccata auf der Orgel??
    Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen,wie jemand auf die Idee kommt, dieses percussive, hämmernde Stück auf der Orgel zu spielen, "zahm" kann ich mir denken... :D


    So abwegig finde ich die Idee überhaupt nicht! Der Begriff "Toccata" wird ja heute mehr der Orgel assoziiert als früher: es gibt mittlerweile mehr bekannte "Orgeltoccaten" als "Klaviertoccaten". Von daher ist es doch naheliegend, eine der berühmtesten KLAVIERtoccaten zu einer ORGELtoccata umzuarbeiten. Umgekehrt ist's ja auch der Fall (Liszt, Busoni...).
    Ich habe Latrys Einspielung der Guillou-Orgelfassung ebenfalls. "Zahm" würde ich nicht unbedingt sagen - jeder, der schon mal ein bisschen in die verschiedenen Orgelstile hineingeschnuppert hat, weiß dass eine Kirchenorgel sehr wohl überaus "percussiv" und "hämmernd" klingen kann (auch die Orgel von Notre-Dame de Paris).
    Man muß zugeben, dass aufgrund des Instrumentes und vor allem der Akustik einige "Abstriche" gemacht werden müssen, sei es im Tempo oder in der "hämmernden" Klangfarbe. Latry hat das meines Erachtens sehr gut gelöst. Ich kenne sonst nur die EInspielung von Winfried Bönig im Dom zu Köln (die Registrierung ist dort "agressiver", allerdings braucht er eine ganze Minute länger als Latry). Guilous eignee Einspielung kenne ich (noch) nicht...


    Gruß
    Karsten

  • Hm, ja, du hast schon recht, bei Reger ist eine Orgel auch nicht unbedingt zahm (Fantasie über "Wachet auf" ?? :D ). Doch Toccata bedeutet ursprünglich nur soviel wie "flüchtig die Tasten berühren", kurz, es handel sich wohl um was schnelles. Dass es viel mehr Orgeltoccaten gibt, liegt doch vermutlich daran, daß Bach derart viele schrieb und er formprägend war (ist nur eine Vermutung), sodaß die Nachfolgenden "Orgelkomponisten" eben Toccata eher mit Orgel als mit Klavier assoziierten.
    Aber eine Orgel ist doch einfach kein Schlaginstrument, hat keine Hämmer, deswegen habe ich mich gewundert, doch ist vielleicht auch alles was ich schreibe Stuss, und ich sollte es mir einfach mal anhören :D


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Hallo,


    ich habe am Mittwoch Möglichkeit gehabt, in die Noten zu schauen und diese mit der Aufnahme der Argerich mitzuverfolgen.
    Beim Anfangsmotiv, den motorischen Oktavachteln und der Melodie, die darin zu schweben scheint, war es auch noch kein Problem.
    Als es dann jedoch in die Zwischenteile überging, war es fast nicht mehr zu machen, dort mitzukommen. Ich habe dann drauf gewartet, dass wieder das Anfagsthema kommt.
    Ein Wahnsinnsstück, wenn man so will. :yes:



    Gruß, Peter.

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Lieber Peter ,
    Martha Argerichs Interpretation als sie den Busoni - Wettbewerb gewann bleibt für mich der Massstab ..
    Dieses 2. (!) Debut-Recital fällt gegenüber der Argerichaufnahmen bei EMI doch ab . Aber das am Rande .
    Beste Grüsse
    F r a n k


    das ist die einzige Aufnahme, die ich habe - also ein Glückstreffer.


    Als ich Samstagmorgen, ich schätze so gegen halb 1 uhr durchs Fernsehen gezappt habe bin ich auf einem Französischen Sender hängen geblieben: Lise de la Salle hat dort ein Stück von Liszt und eben diese Toccata gespielt. Ich hab mich dann sofort noch mal dessen vergewissert, aber sie spielt den Schluss ziemlich im gleichen Tempo wie Martha. Es scheint zwar leider noch keine Einspielung zu geben - aber falls jemand wüsste wie ich an einen Videomitschnitt davon rankäme wäre ich sehr dankbar. Von Liszt gibt es ja schon eine CD von ihr:



    Dies hab ich noch gefunden (je w w w .):


    abeilleinfo.com/forum/read.php?f=2&i=3887&t=3887


    lotusrecords.at/fileadmin/lotus/downloads/KL-06-05.pdf (auf Seite 9 eine Kritik)


  • hallo,


    prokofievs toccata hat eine ähnliche stimmungslage, wie einige andere seiner werke (sarkasmen, suggestions diaboliques). martha argerichs interpretation aus jungen jahren ist sicherlich die rascheste und dabei temperamentvollste darstellung. wie sollte es auch anders sein. mich stört aber etwas die nervosität und unregelmäßigkeiten in den akzenten. ich bevorzuge die einspielung des jungen vladimir ovchinikov bei EMI. obwohl er die toccata etwa 40 sek. langsamer spielt als argerich, ist es immer noch ein rasches sprich adäquates tempo. durch die gleichmäßigkeit des anschlages und die brutal gesetzten akzente gelingt eine art hommage an das superlativ-industrielle, was einzug im stalinistischen system gehalten hatte. vielleicht etwas weit hergeholt :rolleyes:



    gruß, siamak

    Siamak

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