Schuberts Winterreise in liedanalytischer Betrachtung

  • Schuberts "Winterreise" ist eines der bedeutendsten Werke der Liedliteratur deutscher Sprache. Ihre Bedeutung gründet nicht nur darin, dass Schubert hier den Gipfel seiner Meisterschaft als Liedkomponist erreicht hat.


    Die "Winterreise" ist, unter musikhistorischen Gesichtspunkten betrachtet, zukunftsweisend, weil sie partiell die Grundlagen klassischer Tonalität verlässt und, wie der Schubertbiograph Hans J. Fröhlich einmal treffend formulierte, "der Selbstsicherheit der klassischen Epoche den Todesstoß versetzt" hat.


    Die "Winterreise" ist schließlich auch in ihrer Aussage als musikalisches Kunstwerk in hohem Maße gegenwartsrelevant, weil ihre Lieder Grundfragen der menschlichen Existenz berühren.


    In einem "Kunstlied-Forum", wie sich diese Abteilung des Tamino Klassikforums definiert, sollte es nicht nur einen Ort geben, an dem man Hörerfahrungen auf der Grundlage von Aufnahmen der Winterreise austauscht, sondern auch einen, an dem man sich in analytischer Form der inneren Struktur des Zyklus und seiner einzelnen Lieder zuwendet.


    Die ideale Form hierbei ist, dem Wesen eines Forums entsprechend, der sachorientierte Dialog, der jeweils zu Aussagen über die Struktur und den künstlerischen Gehalt der Lieder führt. Dabei wird man sich nicht nur auf eine Analyse des Notentextes beschränken können, sondern man wird auch eine Interpretation desselben in der Form vornehmen, dass die Ebene der Rezeption in die gemeinsamen Überlegungen einbezogen wird.


    Die Frage wird also nicht nur lauten: Wie sieht die musikalische Faktur des jeweiligen Liedes aus? Es wird auch danach gefragt werden müssen, welche Wirkung diese in ihrer Gesamtheit und in ihren einzelnen Elementen auf den Hörer hat und welche "Botschaft" Schubert damit vermutlich vermitteln wollte.


    Nicht unbedingt zwingend ist es, dass man in der vorgegebenen Reihenfolge der Lieder vorgeht. Es würde allerdings sehr zur Übersichtlichkeit des Threads beitragen.


    Der Initiator dieses Threads bittet um Mitarbeit und lädt herzlich zu einer lebhaften Beiteiligung ein.

  • Dieser Thread baut auf den vielen Beiträgen auf, die sich zu seinem thematischen Ansatz bisher im Thread "Zyklus der Verzweifllung" vorfinden. Insbesondere wurde dort die Frage der Entstehung des Zyklus ausführlich behandelt, ferner wurde geklärt, wie Schubert mit der dichterischen Vorlage, wie sie ihm Wilhelm Müller geliefert hat, umgegangen ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die dortigen Beiträge 321 - 326. Zusammengefasst lässt sich folgendes hier festhalten:


    Schubert hat die "Winterreise" in zwei Anläufen komponiert. Zunächst entstanden die Lieder 1 - 12 auf der Grundlage der Gedichte Müllers, die er in dem Almanach "Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1823" vorgefunden hatte. Das Autograph ist mit dem Datum "Februar 1827" versehen. Wilhelm Müller beschloss aber, dieser ersten Serie von Gedichten noch eine mit weiteren 12 Gedichten hinzuzufügen. Er ließ sich dabei von der Absicht leiten, eine Art in sich geschlossenes poetisches Werk mit dem Titel "Die Winterreise" vorzulegen. In seinem Zenrum sollte die Wanderung eines Menschen stehen, der in tiefer Verzweiflung und Zurückgeworfenheit auf sich selbst ziellos durch eine imaginäre winterliche Landschaft irrt und keine Hoffnung mehr für sich selbst sieht.


    Die dichterische Leistung Müllers wird heute anders beurteilt als noch vor vierzig Jahren. Lange Zeit schätzte man sie als gering ein. Heute ist man der Meinung, dass Müller mit der "Winterreise" ein genialer poetischer Wurf gelungen ist, der all das weit überragt, was er ansonsten noch geschrieben hat. Hervorgehoben werden die Kargheit der lyrischen Sprache und die Kühnheit der Metaphorik.


    Dieser in sich geschlossene Zyklus wurde dann von Wilhelm Müller 1824 in Dessau veröffentlicht. Die restlichen Gedichte vertonte Schubert im Spätsommer 1827. Auf dem Autograph steht "Oktober 1827. Schubert, der sich damals in einer tiefen Lebenskrise befand, musste sich von den Gedichten Müllers unmittelbar angesprochen gefühlt haben. Den Grund dafür haben seine Biographen gründlich herausgearbeitet. Er hängt ganz unmittelbar mit dem zentralen Motiv des Wanderers zusammen, das eine zentrale Rolle in der eigenen Daseinsbefindlichkeit Schuberts, wie auch, in Folge davon, in seinen Liedern spielt.


    Für die Frage, von welchen Motiven sich Schubert bei der Komposition der "Winterreise" leiten ließ, finden sich die maßgeblichen Quellen bei: "J. Mayrhofer, Erinnerungen an Franz Schubert" und: "J. v. Spaun, Aufzeichnungen über meinen Verkehr mit Franz Schubert", die erst nach Schuberts Tod verfasst wurden.


    Schubert selbst hat dieses Werk als "einen Zyklus schauerlicher Lieder" bezeichnet und Joseph von Spaun gegenüber bekannt: "Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war". Daraus darf man schließen, dass es sich bei der Komposition der Winterreise um einen Fall von unmittelbarer existentieller Betroffenheit bei Schubert handelte. Diese Gedichte sprachen ihm aus der Seele, und er nahm sie als Grundlage für die Komposition eines Werkes, in dem er seine damalige existentielle Befindlichkeit in Form einer expressiven Gestaltung des Wanderermotives musikalisch zum Ausdruck brachte.

  • Zu dem Lied GUTE NACHT finden sich im Thread "Zyklus der Verzweiflung" mehrere Beiträge unter den Nummern 450 - 466. Das Wesentliche daraus soll von dort hierher übernommen werden.


    Das Lied GUTE NACHT stellt sich bei Wilhelm Müller und bei Schubert als Eröffnung dessen dar, was sich in der Folge des Liederzyklus vollzieht. Es ist eine Art programmatischer Entwurf des ganzen Zyklus und setzt als solcher die entscheidenden Akzente. Darüberhinaus führt es wesentlich Symbole ein, die den Gehalt der folgenden Lieder prägen.


    Der Titel "Gute Nacht" ist zunächst einmal ein Wunsch, der sich an die Frau richtet, die den Wanderer verstoßen hat. Im Rückblick, aus der Perspektive der nachfolgenden Lieder betrachtet, enthüllt er sich jedoch in seiner schrecklichen Doppeldeutigkeit: Er leitet den Weg des Wanderers in die Nacht des ihm verbliebenen Lebens ein, das ein Leben hin zum Tode sein wird.


    Das erste Wort des Gedichts ist dasjenige, das dem ganzen Zykus den entscheidenden Akzent verleiht: "Fremd". Der Protagonist ist als ein Fremder in eine Welt eingezogen, die, wie sich später zeigt, von typisch bürgerlichen Maßstäben geprägt ist, und er zieht als Fremder wieder aus. Ein Fremder sein, - das ist jetzt sein Schicksal auf seinem weiteren Weg.


    Fremd sein, das heißt: Auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, keine Geborgenheit in einer Gemeinschaft mit anderen zu finden, kein existentielles Zuhause haben. Wenn dieses Fremd-sein als existentielle Befindlichkeit während der Winterreise erhalten bleibt, dann wird dieser Mensch bei allen Versuchen, sich zu artikulieren, zum Monolog verurteilt sein.


    Die Welt in der er sich bewegen wird, auf sich selbst zurückgeworfen und zum Selbstgespräch verdammt, wird mit wenigen Strichen als menschenfeindlich und abweisend charakterisiert. Geborgenheit kann er also dort also auch nicht finden. Diese Welt ist "trübe", ihre Wege darin sind "in Schnee gehüllt". Der Wanderer muss in der Dunkelheit "sich selbst den Weg weisen". Das ist ein erster Vorausgriff auf den Zyklus: Das Lied "Der Wegweiser" wird dieses Symbol auf schreckliche Weise wieder aufgreifen.


    Aber es gibt noch mehr symbolische Verweise auf spätere Lieder. Mit dem lyrischen Bild des "Mondenschattens", der sein einziger Begleiter ist, wird nicht nur die Einsamkeit des Auf-sich-selbst- Zurückgeworfenseins erschreckend deutlich gemacht, es taucht auch das Doppelgänger-Motiv auf, das im Lied "Der stürmische Morgen" eine wichtige Rolle spielt. Den Hunden wird man wieder begegnen, im Lied "Im Dorfe" und ganz zum Schluss beim Leiermann. Hunde bellen die aus der Gemeinschaft ausgestoßenen Mensch fort, treiben sie weiter in ihre Einsamkeit.


    Die musikalische Faktur des Liedes unterstützt alle diese Aussagen des lyrischen Textes. Es handelt sich um ein durchkomponiertes Strophenlied. Die dominierende Tonart ist d- Moll, die Tonart des Todes bei Schubert. Zwei Drittel der Lieder der Winterreise stehen in Moll. Das letze Lied, "Der Leiermann" steht in a-Moll, - und steht damit in der Quintenbeziehung zum ersten. Der zyklische, in sich geschlossene Charakter der Winterreise ist zum Beispiel hieran erkennbar.


    Für das Verständnis des Zyklus bedeutsam ist der Tempocharakter dieses Liedes. Die Tempovorschrift lautet "mäßig" Im Autograph ist sie mit dem Zusatz versehen: "in gehender Bewegung". Der Takt ist ein Zweivierteltakt. Die Deklamationseinheit sind aber Achtel, sowohl in der Singstimme als auch in der Klavierbegleitung.


    Wandern kann man auch dieses Lied nicht: Weder auf die Viertel noch auf die Achtel des Liedes. Mit den Vierteln läuft man zu langsam, mit den Achteln zu schnell. Und das ist der entscheidende Sachverhalt für das Verständnis all dessen, was in diesem Zyklus nachfolgt:


    Hier geht es nicht um eine reale Wanderschaft, sondern um eine Bewegung im seelischen Innenraum des Protagonisten. Diese Bewegung stellt sich in der Folge als ein Prozess dar, bei dem sich dieser auf sich selbst zurückgeworfene Wanderer immer mehr in Bilder verstrickt, die er aus der Außenwelt holt und die sich in diesem seelischen Innenraum zu wahnhaften Gebilden entwickeln.


    Das sechstaktige Vorspiel gibt den Takt dieser Bewegung in dieser Seelenlandschaft vor. Bezeichnend ist, wie die Singstimme einsetzt. Sie wird wie willenlos in diese Bewegung der KLavierbegleitung hineingezogen. Diese Achtel ziehen gnadenlos weiter, die Singstimme vollzieht immer wieder eine fallende Bewegung, und zwar in dem melodischen Fallmotiv: f - e - d - a.


    Die metrisch-rhythmische Struktur des ersten Liedes lässt die Zwanghaftigkeit dieser Wanderbewegung im seelischen Innenraum des Protagonisten hörbar und fühlbar werden.


    Das "Wandern-Müssen" geht bei diesem Wanderer einher mit einer abgrundtiefen Müdigkeit, die in Hoffnungslosigkeit wurzelt. Dieses kann man am musikalischen Text des Liedes ablesen, und man kann es hören. Das Lied "GUTE NACHT" setzt mit den Achteln im Klavierbass ein, die es durchgängig beherrschen und seinen Charakter prägen. Der Klavierdiskant setzt erst mit dem letzten Achtel des ersten Taktes ein. Und dann läuft diese Bewegung der Achtel im Klavier, die sich zum Gehen zu schnell und zum Wandern zu langsam entfaltet, unerbittlich weiter.


    Eigentlich müsste das Klavier auf den Einsatz der Singstimme warten. Das tut es aber nicht. Deren Einsatz kommt dann ja auch: Aber erst auf dem letzten Achtel des siebten Taktes. Sie setzt ein, als müsste sie sich dazu aufraffen und schaffe es vor Müdigkeit kaum. Sie tut es dann mit diesem musikalischen Fallmotiv ein: "f - e - d - a".


    Dieses Hineingezogenwerden der Singstimme in die immerzu pochend weiterlaufenden Achtel der Klavierbegleitung, die Tatsache, dass dies immer auf dem letzten Achtel des jeweiligen Taktes geschieht, ferner die eine Fallbewegung suggerierende Struktur der melodischen Linie, - all das bildet musikalisch dieses "Davongetriebensein" des Wanderers ab, und zugleich lässt es die unendliche Müdigkeit dieses Menschen spüren und hören, der gar nicht wandern will, weil er nicht weiß wohin und keine Zukunft mehr vor sich sieht. Schubert hat aus lyrischem Text Musiksprache gemacht.


    Die kleine Sekunde spielt in diesem Lied eine große Rolle. Nicht nur am Anfang zeigt sich das, sondern noch einmal in der letzten Strophe. Durchweg herrscht ja in den ersten drei Strophen die Tonart d-Moll vor. Mit Beginn der vierten Strophe aber ("Will dich im Traum nicht stören...") treten Dur-Klänge an die Stelle des Molls: A-Dur-Harmonien erklingen.


    Der Grund: Der Wanderer verlässt in einer Vision seine "reale" Situation, in der er in den vorangegangenen Strophen gefangen war. Er stellt sich vor, er könne noch einmal mit seiner ehemaligen Geliebten sprechen, und er tut das auch. Dieses Ansprechen der Geliebten ist eine Art visionärer Ausbruch aus der vom d-Moll geprägten Realsituation, und deshalb setzt Schubert hier die neue, helle Tonart A-Dur ein.


    Es ist aber weniger der Wechsel der Tonart, der dieses Gefühl eines Wandels im Inneren dieses Wanderers beim Hörer auslöst, - es ist der Tonschritt, der mit "Will dich..." vollzogen wird. An die Stelle der kleinen tritt eine große Sekunde, an die Stelle des "f" tritt ein "fis" ! Der Tonschritt lautet jetzt "fis - e". Man hört also nicht mehr diesen Klageton der kleinen Sekunde, sondern empfindet das "fis" wie ein befreites Aufatmen.


    Dann aber, im letzten Vers ("An dich hab ich gedacht"), bricht das Bewusstsein seiner bedrückenden Situation wieder über den Wanderer herein: Dieser Vers ist klanglich wieder in das alles beherrschende d-Moll getaucht!


    Schubert hat diesem Vers seinen besonderen Nachdruck nicht nur durch die Rückkehr zur alten Tonart verliehen, sondern auch dadurch, dass er das "dich" der Ansprache besonders bestont. Er hat den Text von Wilhelm Müller verändert. Dort lautet dieser Vers nämlich: "Ich hab´ an dich gedacht".


    Dieses Lied ist die Eröffnung einer Wanderung, die sich in der Abfolge der weiteren Lieder als ein Vorgang darstellt, bei dem sich der Protagonist immer mehr in die deprimierende Trostlosigkeit der Bilder verstrickt, denen er sich gegenübersieht. Es sind Bilder, die sich aus einer von Wilhelm Müller mit großer Meisterschaft lyrisch gestalteten Vermischung und Synthese von seelischer Innenwelt und realer Außenwelt aufbauen.

  • Man kann sich nicht oft genug in Erinnerung rufen, dass bei der Entstehung eines Liedes dem jeweiligen dichterischen Text der zeitliche Primat zukommt. Zunächst hat der Komponist die Botschaft des dichterischen Textes vor sich und nimmt sie in sich auf, bevor er zur Feder greift und Noten schreibt.


    Das gilt natürlich auch - und gerade! - für die "Winterreise", fühlte sich doch Schubert durch die Gedichte Müllers zutiefst menschlich angesprochen, ja sogar betroffen. Wie anders hätten daraus "schauerliche Lieder" werden können. Man kann die Lieder der Winterreise nur dann in ihrer ganz spezifischen kompositorischen Eigenart und ihrer musikalischen Botschaft voll verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, was jeweils in den zugrundliegenden Gedichten steht.


    Am Lied GUTE NACHT wird einem das schon ganz am Anfang des Zyklus bewusst. Das heißt es zum Beispiel:


    "Die Liebe liebt das Wandern -
    Gott hat sie so gemacht -
    Von einem zu dem andern.
    Fein Liebchen, gute Nacht."


    Im Grunde ist das ja eine ungeheuerliche Aussage: Gott hat die Liebe als etwas Unbeständiges geschaffen. Zugespitzt formuliert: Untreue ist gottgewollt!


    Bei Lesen des Gedichts erklärt man sich diese Stelle als Ausfluss der tiefen Erschütterung eines Menschen, der von seiner Geliebten verstoßen wurde und infolgedessen in eine Art resignativen Zynismus verfällt. Schubert muss diese Verse wohl auch so aufgefasst haben. Und was macht er kompositorisch daraus? Er wechselt an dieser Stelle seines Liedes von dem anfänglichen tristen d-Moll zu fast heiter tönenden Dur-Klängen über. Die melodische Linie, die diesen Versen unterlegt wird, weist eine für Schubert typische volksliedhafte Schlichtheit auf. Es wird skandiert fast wie bei einem Wanderlied.


    Ganz offensichtlich will Schubert mit der kontrastiven Wirkung eines auf diese Verse gelegten Volksliedtons die tiefe Verbittertung dieses einsamen und verlassenen Menschen auf besonders eindringliche Art spürbar werden lassen.


    Interessant ist, wie darauf ein Rezensent der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" reagiert hat. Er ist regelrecht empört!


    "Und wenn wir auch den Componisten darum loben, dass er diese wahrhaft blasphemischen Worte mit einer gewissen Gemeinheit der Melodie, wie in einer Art von Freude, die sich übermässiger, bis zum Spott hinauf gereizter Schmerz zuweilen erkünstelt, singen lässt: so zeigt doch auch wieder die Wendung der Melodie etwas zu Behagliches, das von dem innern Treiben der Leidenschaft auch nicht die kleinste Andeutung mehr spüren lässt. Das müssen wir aber für unwahren Ausdruck erklären, weil dazu ein Groll des Gemüths erfordert würde, den der arme Verwundete nach allen nachfolgenden Aeusserungen seines Wesens durchaus nicht in sich trägt.


    Zwar wird die folgende Stelle ( "Gott hat sie so genacht"), wenn sie stark, mit verbissenem Schmerze gesungen wird, bis zum Schauder wirken. Das ist aber eben zu viel. Es ist nicht genug, Entsetzen und Grauernzu erregen und die Hölle zu citieren, was sonderbarer Weise unsere Zeit so unmässig gern hat, vielmehr muss ihre grinsende Erscheinung so nothwendig seyn, wie in Göthes Faust, wenn sie nicht widerlich wirken soll." (Allgemeine musikalische Zeitung, 31. Jg., Nr.40, 7. Oktober 1829).


    Wie der gute Rezensent auf den Gedanken kommt, dass der "arme Verwundete" keinen "Groll des Gemüths" in sich trage, - das bleibt einem ein wenig rätselhaft. Hat er das nächste Lied, DIE WETTERFAHNE, dabei nicht im Kopf?

  • Der Schubertforscher Thr. Georgiades hat in seinem Buch „Schubert. Musik und Lyrik“ (Göttingen 1967) zu der Funktion des Liedes „Gute Nacht“ als „Eröffnung“ der Winterreise einige interessante Ausführungen gemacht. Er vergleicht dieses Lied mit dem ersten Chorsatz einer Passion Johann Sebastian Bachs und kommt zu folgendem Ergebnis:


    Der erste Chorsatz hat bei Bach nicht nur die Funktion einer „Eröffnung“, sondern stellt eine Einbeziehung des folgenden musikalischen Werks in die Passionsgeschichte und in die sich darin findende und versammelnde Gemeinschaft der Gläubigen her. Es wird also eine Einheit zwischen dem musikalischen Werk und seinen Rezipienten in der Gemeinschaft des Glaubens gestiftet. Darin unterscheidet sich der Bachsche Eröffnungschor von der klassischen Wiener Ouvertüre: Diese stellt dem Rezipienten eine Bühnenwirklichkeit gegenüber.


    Bei Schuberts Eröffnungslied der „Winterreise“ wird – genauso wie bei Bach und im Unterschied zur Wiener Ouvertüre – ebenfalls kein „Gegenüber“ zum Hörer geschaffen. Und nun heißt es weiter bei Georgiades:


    „Schon im Vorspiel werden Hörer und Werk zur Einheit. Unser Ich fühlt sich dann mit dem des Sängers identisch. Bach und Schubert gemeinsam ist also die Ausschließung eines Gegenüber. Aber bei Bach ist die Einheit von Hörer und Werk von vornherein gegeben, bei Schubert wird sie erst durch das Werk geschaffen.“ (S.364)


    Dieser Aspekt ist von Bedeutung im Hinblick auf die Frage, wie weit zur Aufnahme der kompositorischen Botschaft beim Hörer eine „Einfühlung“ in das Werk erforderlich ist. Sie ist wohl dafür unabdingbar. Die Wirkung, die von der Musik Schuberts in ihrer kompositorischen Reflexion des lyrischen Textes ausgeht, ist rational nicht voll zu erfassen. Die Einbeziehung der emotionalen Ebene ist zwingend geboten. Hier vollzieht sich, was man in der Hermeneutik eine "Horizontverschmelzung" nennt: Das Ich des Höreres und das des einsamen Wanderers verschmelzen in ihrem jeweiligen Horizont.


    Dafür ein beliebiges Beispiel aus dem Lied GUTE NACHT. Wenn Schubert in der letzten Strophe des Liedes zu Dur-Tonarten (D-Dur, A-Dur) wechselt, dann spürt man beim Hören, wie der Wanderer für einen Augenblick in Gedanken noch einmal in die Welt zurückkehrt, aus der er gerade vertrieben wurde. Der Wechsel der Tonart macht das viel intensiver erlebbar, als man das beim reinen Lesen des Textes zunächst empfinden mag.


    Georgiades hat darauf hingewiesen, dass mit der Erhebung des Spitzentons vom "f" zum "fis" bei "Will dich im Traum..." aus der diatonischen Melodie eine pentatonische wird. Solche klanglichen "Effekte", mit denen Schubert die Aussage des lyrischen Textes musikalisch reflektiert, gibt es viele in diesem Lied ( und natürlich in der ganzen Winterreise).


    So taucht bei dem Wort "stören" ein Sekundakkord auf, der musikalisch tatsächlich die D-Dur-Harmonik "stört". Bei der folgenden Zeile "Wär schad um deine Ruh" löst sich diese harmonische "Störung" wieder auf, und es folgt die Rückkehr zum reinen D-Dur. Der Wanderer will gedanklich in die Welt des Mädchens nicht mehr störend eindringen.


    Hier artikuliert sich Schuberts Musiksprache sozusagen aus sich heraus und verleiht dem lyrischen Text eine zusätzliche Expressivität, die aber nur wiedergibt, was im semantischen Gehalt des Wortes steckt. Hörend fühlt sich der Rezipient in das Ich des Wanderers ein und nimmt an dessen Empfindungen teil.

  • Der Texte von Helmut Hofmann ist derart beeindruckend, daß man sich gar nicht traut etwas ergänzendes dazu zu schreiben, geschweige denn, Einwände gegen einzelne Passage einzubringen, schon gar nicht, wenn man sich bewusst ist, daß man hier maum mithalten kann.
    Denoch werde ich hier den ersten Stein werfen, weil ich weiß, daß er andere ermuntern wird, sich hier - jeder so gut er kann - anzuschliessen. Denn ich Habe Helmut zu diesem Thread, den er in einem Telefonat mit mir erwähnte - aber aus Angst, daß ein Monolog draus würde - nicht starten wollte - ermuntert. Helmut Hofmann will hier Diskussion- keinen Monolog.


    Aber selbst auf die Gefahr hinaus, daß hier ein Monolog entstünde - es wäre ein sehr interessanter Monolog. Aber ich glaube, daß es doch sehr interessant sein sollte, die Lieder einzeln zu analysieren - und ich neige dazu, daß die chronologische Reihenfolge von Vorteil wäre.
    Immerhin hat dieser Thread mich ermuntert, den Text des ersten Liedes genauer als sonst zu hören, und mir Gedanken zu machen, inwieweit mein subjektiver Eindruck, mit den Gedanken von Helmunt und seinen zitierten Quellen übereinstimmt.


    Es ist mir noch nie wirklich aufgefallen, daß das Lied "Gute Nacht" in der Tat den Ganzen Zyklus umschliesst.
    Der abgewiesene (oder sich abgewiesen fühlende !!) Fremde verlässt in der Nacht den Schauplatz des Geschehens, in der Erkenntniss, daß alle Liebe vergänglich ist ("Gott hat siie so gemacht")


    Im Satz "Gott hat sie so gemacht" sehe ich nicht notwendigerweise die Einsicht, daß Gott die Untreue als Normalität wünscht, sondern eine resignierende Schutzbehauptung um die gegebene Situation überhaupt ertragen zu können. Es erspart das Hinterfragen nach eigener Schuld oder Unzulänglichkeit, vermeidet auch, dem (Wunsch-) Partner die Schuld zu geben, sondern verweist die "Schuld" an "Gott" oder die Natur.


    WARUM die Sache schiefgelaufen ist, das erfahren wir nicht, es gibt in der Tat Hinweise auf Untreue -mehr aber nicht.
    Immerhin dürfte der Wanderer zu Beginn ziemlich freundlich aufgenommen worden sein -("Das Mädchen sprach von Liebe- die Mutter gar von Eh' ")


    Am Ende der letzten Strophe ist der Wanderer unaufrichtig - auch zu sich selbst.
    Er behauptet, sich klammheimlich fortzuschleichen, um den Schlaf der einstigen Geliebten nicht zu stören -
    hinterlässt ihr indes eine Gute Nacht-Botschaft .


    Diese könnte bei der Geliebten - wie beim Hörer - den Eindruck erwecken - daß es sich bei der
    Winterreise um die Reise eines Selbstmörders in den Tod handle - Eine Sicht der ich mich nicht anschliessen will.
    Resignation und Todessehnsucht ja - Selbstmord ? Nein.


    Schaun wir und noch mal die Textänderung der letzen beiden Zeilen an, welche den Sinn zwar scheinbar nicht grundlegend ändern - jedoch die Wirkung erhöhen


    Während die ursprüngliche Version - so mein Eindruck - sinngemäß bedeutet:
    Ich bin gegangen, aber vergessen habe ich dich noch nicht...
    würde ich die zweite Version so "übersetzen"
    Ich bin NUR DEINETWEGEN gegangen - ich hab es nicht mehr ausgehalten !!


    Schubert hat dieses AN DICH ja auch musikalisch betont -
    und diese Betonung machte die Textänderung fast zwingend notwendig.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn die Art meiner Beiträge zur Folge haben sollte, dass, wie Alfred Schmidt das formuliert, "man sich gar nicht traut, etwas ergänzendes dazu zu schreiben", dann wäre das schrecklich. Leider kann ich nicht anders schreiben, als eben so. Es tut mir leid! Aber vielleicht ist ja alles doch nicht ganz so schlimm.


    Thema ist hier aber die Winterreise. Deshalb zwei , drei Anmerkungen zum Beitrag von Alfred Schmidt.


    Dass man das "Gott hat sie so gemacht auch als "resignierende Schutzbehauptung" lesen kann, sehe ich genauso. Das Seelenleben dieses Menschen ist kompliziert, und das, was er sagt (und singt), muss immer aus der Perspektive eben dieser Seelenlage gesehen werden. Ich habe diese Aussage deshalb im obigen Beitrag wörtlich genommen, weil ich mich in die Rolle des Rezensenten der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" begeben wollte, den ich anschließend zitierte. Der hat das nämlich auch getan, - und daher seine Empörung.


    Dass Müller keine Angaben darüber macht, "warum die Sache schiefgelaufen ist", das hängt wohl damit zusammen, dass die Vorgeschichte der Winterreise für das, was dann kommt, gar keine große Rolle spielt. Es geht hier ja nicht um eine Liebesgeschichte, die gescheitert ist. Es geht um die Erfahrung der "Fremdheit" in der eigenen Lebenswelt. Man könnte so weit gehen und behaupten: Der Auslöser zu dieser Erfahrung hätte auch ein ganz anderer sein können.


    Um einen "Selbstmörder" handelt es sich hier in der Tat nicht. Auch darin stimme ich mit Alfred Schmidt überein. Dieser Mensch ist in eine derart tiefe Hoffnungslosigkeit versunken, dass er noch nicht einmal die Kraft aufbringt, sich zu einem Suizid zu entschließen.

  • Vielleicht ist es sinnvoll, sich zunächst einmal interpretierend auf die Texte Müllers einzulassen, bevor man an die Analyse der Lieder geht. Schubert ist ihren Versen ja komponierend gefolgt und hat sie Musiksprache verwandelt. Es lässt sich dann mit großer Wahrscheinlichkeit besser erkennen, wie er dabei vorgegangen ist, welche inhaltlichen Akzente er gesetzt und wie er die spezifische Eigenart der lyrischen Sprache musikalisch reflektiert hat.


    In dem Gedicht DIE WETTERFAHNE artikuliert der Wanderer seine Gedanken und Empfindungen beim Anblick des Hauses, aus dem er gerade "hinausgetrieben" wurde, - wie er das empfindet. Zum Inbegriff des Geistes, der in diesem Haus herrscht, wird ihm die metallene Wetterfahne auf seinem Dach. Sie symbolisiert ihm den wetterwendischen Charakter der ehemaligen Geliebten.


    Wie sehr er inzischen schon auf sich selbst zurückgeworfen ist und die Außenwelt aus der Perspektive der seelischen Innenwelt wahrnimmt, zeigt sich darin, dass er meint, die Wetterfahne pfeife ihn mit ihrem metallischen Quietschen aus. Immerhin, - noch meldet sich in ihm das Bewusstsein, dass er sich dabei "in einem Wahne" befinden könne. Dieses Bewusstsein wird ihm aber auf seinem weiteren Weg mehr und mehr abhanden kommen. Außen- und Innenwelt werden sich für ihn untrennbar miteinander vermischen, und der wird immer intensiver Bilder aus der realen Welt, in der sich gerade aufhält, als Spiegelung seiner seelischen Befindlichkeit erfahren und unter ihnen leiden.


    Beim Anblick des Spiels, das der Wind mit der Wetterfahne treibt, drängt sich ihm der Gedanke auf, dass es im Innern des Menschen genauso zugeht. Er hat es ja gerade erlebt: Der Wind spielt auch mit den Herzen, und die Menschen verhalten sich wie eine Wetterfahne im Wind.


    Die Erfahrung, die er ganz subjektiv in diesem Haus gemacht hat, verallgemeinert er jetzt. "Was fragen sie nach meinen Schmerzen?", fragt er. Er verwendet die dritte Person Plural, wo er doch eigentlich den Singular hätte verwenden müssen, denn ein Mädchen hat ihm doch dieses Leid zugefügt.


    Dieses Haus, das in diesem Gedicht als eine Art Sinnbild bürgerlicher Existenz erscheint, als ein Ort, an dem er selbst eine bürgerliche Existenz hätte verwirklichen können, erweist sich jetzt als von einem typisch bürgerlichen Kosten-Nutzen-Denken beherrscht. Die Braut aus bürgerlich gut situiertem Haus hat etwas Besseres als Ehemann verdient, als einen von irgendwo her in diese Welt geschneiten Fremden, der nichts zu bieten hat als die Liebe, die er der Tochter entgegenbringen kann.


    Man könnte denken, dass hier eine Spur von Sozialkritik in der Winterreise aufklingt. Man würde dann diese Stelle allerdings überbewerten, denn in keinem einzigen weiteren Lied der Winterreise ist noch eine Spur von Sozialkritik zu finden. Die Schlussverse dieses Gedichts sind wohl so zu werten wie seine Äußerungen über die angeblich von Gott als "wanderlustig" geschaffene Liebe. Er ist tief verbittert und sucht nach einer Erklärung für das, was ihm widerfahren ist, um sich mit seinem Elend besser abfinden zu können.


    Er ist als "Fremder" in diese Welt gekommen, heißt es in GUTE NACHT, und er ist als Fremder wieder "ausgezogen". War die erste "Fremdheit" noch eine Art soziales Phänomen, so ist sie jetzt etwas völlig anderes: Sie ist zu einem existenziellen Phänomen geworden.


    Dies neue Art von Fremdheit geht jetzt an die menschliche Substanz. Und sie beginnt diese langsam aufzuzehren. Am Ende seiner Wanderung erkennt sich dieser Mensch in einem Leiermann wieder, der in fast lebloser Weise barfuß auf dem Eis hin- und herwankt. Eine Figur, aus der das Leben gewichen zu sein scheint.

  • Auf die Gefahr, geschmäcklerisch zu erscheinen, möchte ich denn doch ein paar Vorbehalte anbringen. Sine ira et studio.


    Als erstes störe ich ich mich an dem Vergleich des "Gute Nacht"-Gesangs mit einem Bachschen Passions-Eingangschoral, der mir ähnlich sinnvoll erscheint wie der eines Goldfischs im Glas mit einem Haifischbecken. Tatsächlich aber gleicht der Beginn des Stücks, vor Einsetzen der Stimme, ziemlich genau einem Choralvorspiel, wie er am Sonntag in der Kirche vom Kantor präludiert wird: Die Melodie wird kurz angerissen, in der Weiterführung aber verkürzt und in eine Kadenz gezwungen, wonach dann die Gemeinde das Stück zu singen beginnt. Daß die - auftaktige - Melodie nicht sofort einsetzt, sondern auf der Folie der Begleitung "vorbereitet", ist etwa beim Frühlingsstimmenwalzer nicht anders und daher nicht zwingend zu erwarten.


    Das "Fallmotiv" f-e-d-a wurde ja in der Durvariante im Verzweiflungsthread bereits mit dem Big-Ben-Motiv (Dreiviertelstunde) assoziiert. Ich füge, als besonders prominente Beispiele, die große Hornstelle in C-Dur in Brahms Erster Sinfonie (zuerst IV, Takt 51 ff, also das "Hoch auf´m Berg .."), Verdis allbekanntes "Va, pensiero" sowie die berühmte Violinen-Begleitfigur zu Octavians "Nein nein, nein nein, i trink kein Wein" hinzu, aus der sich dann die Eröffnung der Marschallin im Schlußterzett entwickelt (es entspricht übrigens, in E-Dur, der Umkehrung der vier letzten Noten des Octavian-Motivs h-e-fis-gis). Ich erwähne dieses Stellen bloß als Belege für die Formelhaftigkeit auch der von Schubert gewählten Melodik - konventionell wie die vorspielhafte Eröffnung.


    Daß der Rhythmus "zum Wandern zu langsam, zum Gehen zu schnell" sei, ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar. Einerseits meint ja schon "Andante" bloß einen gewissen Gestus mit bestimmten "schreitenden" Schwerpunkten; zum anderen kann man zu den Schubert-Achteln mühelos die Füße bewegen; Wandern und Gehen sind ja schwerlich so klar gegeneinander abgrenzbar, daß man jeweils die Trittfrequenz angeben könnte, ebenso wenig übrigens wie das genaue Tempo des Stücks.


    Die Indienstnahme formaler Kriterien für eine, mit Verlaub, höchst subjektive Interpretation und Auffassung überzeugt mich daher nicht. Die Monologizität ist kein Merkmal der Winterreise, sondern Voraussetzung der Lyrik und damit des Liedgesangs schlechthin und beweist wenig. Im Duktus der Melodie "willenlos hineingezogen zu werden", "Müdigkeit", "Getriebensein" usw. beschreiben bloß Empfindungvaleurs des Hörers, je nach Stimmung.


    Zitat Helmut:
    Hier geht es nicht um eine reale Wanderschaft, sondern um eine Bewegung im seelischen Innenraum des Protagonisten. Diese Bewegung stellt sich in der Folge als ein Prozess dar, bei dem sich dieser auf sich selbst zurückgeworfene Wanderer immer mehr in Bilder verstrickt, die er aus der Außenwelt holt und die sich in diesem seelischen Innenraum zu wahnhaften Gebilden entwickeln.


    Hier geht es vielmehr um den Versuch, noch die schlechteste Poesie zu psychologisieren und damit alle Qualitätskriterien für gute Literatur einzuebnen. Das mache ich nicht mit.


    Ich kann zu meiner Reisen
    nicht wählen mit der Zeit,
    muß selbst den Weg mir weisen
    in dieser Dunkelheit.
    Es zieht ein Mondenschatten
    als mein Gefährte mit,
    und auf den weißen Matten
    such ich des Wildes Tritt.


    Diese Strophe ist so geschraubt, daß man sie sich erst ins Hochdeutsche zurückübersetzen muß. Offenbar ist der Sinn:


    Ich kann mir den Zeitpunkt meiner Reise nicht aussuchen (warum eigentlich nicht? ) und muß mir daher, da es jetzt dunkel ist, selbst meinen Weg suchen. Gleich darauf aber ist indirekt vom Mondschein die Rede, noch dazu auf einer Schneefläche (weiße Matten) - doch damit nicht genug; aus ganz unerfindlichen Gründen gestaltet sich das Selbst-Wegweisen jetzt als waidmännische Spurensuche.


    Die Funktion dieser Verse ist ganz offenkundig die Eröffnung des landschaftlichen Raums der Winternacht ("Dunkel war´s, der Mond schien helle, Schnee lag auf der grünen Flur"). Die Gewundenheit solcher in unpassende Metaphern verstrickten Passagen läßt sich leider nicht der mentalen Verfassung des Wanderers ankreiden.


    Die Pentatonik der Durwendung ab "Will Dich im Traum nicht stören" verweist möglicher Weise auf ein fernes Ziel der Wanderschaft, nämlich China. Fraglos aber liegt das Fis, zu dem die Mollterz aufrückt, auf einer erschreckend schwarzen Taste. - Der Sinn dieser Strophe ist ihr Doppelsinn, was bereits beim


    "Will Dich im Traum nicht"


    beginnt; denn "nicht im Traum" heißt ja "auf keinerlei Weise" mit der Ingredienz, daß der bloße Gedanke daran eine Zumutung sei. Die Haltung des Sprechers hier ist ganz anders, als was Helmut da heraushören möchte, nämlich scheinheilig. Was morgens auf dem Tor stehen wird, ist ein Denkzettel für die Liebste, ein stenographisches "Gute Nacht", ausformuliert etwa:


    "Und wenn Du denkst, Du blöde Kuh, daß ich hier in der Kälte auch nur einen Gedanken daran verschwendet hätte, mich bei Dir persönlich zu verabschieden, dann bist Du auf dem Holzweg, Du Sauluder; lieber stapfe ich allein durch Schnee und Finsternis, weit, weit fort von Dir, und es geschieht Dir ganz recht, wenn ich mir dabei Frostbeulen hole!"


    Der Gott, der die Liebe so wankelmütig beschaffen macht, dürfte übrigens Amor sein; dies nur in Parenthese.
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • "

    Zitat

    Und wenn Du denkst, Du blöde Kuh, daß ich hier in der Kälte auch nur einen Gedanken daran verschwendet hätte, mich bei Dir persönlich zu verabschieden, dann bist Du auf dem Holzweg, Du Sauluder; lieber stapfe ich allein durch Schnee und Finsternis, weit, weit fort von Dir, und es geschieht Dir ganz recht, wenn ich mir dabei Frostbeulen hole!"


    Nein - nein und nochmals nein !!!


    Soo kann man das natürlich auslegen - aber ich glaube, es ist falsch.
    Wir müssen uns immer vor Augen halten WANN das geschrieben wurde - und daß die Wertvorstellungen damals andere als heut waren.


    Dennoch - auch heute könnte man ähnlich agieren.
    Meine Interpretation wäre indes eine andere:


    Ich wollte dich nicht stören - denn DIR ist es ohnehin gleichgültig wenn ich gehe.
    Ich gehe DEINETWEGEN
    und das schreib ich Dir an Die Tür
    Vielleicht zerfrisst Dich Dein schlechtes Gewissen
    Ich bin das Opfer - und geh jetz hinaus in die Fremde (in die Kälte, den Schnee -letzteres ist wohl aymbolisch gemeint)



    Ich kann zu meiner Reisen
    nicht wählen mit der Zeit,
    muß selbst den Weg mir weisen
    in dieser Dunkelheit.
    Es zieht ein Mondenschatten
    als mein Gefährte mit,
    und auf den weißen Matten
    such ich des Wildes Tritt.



    Ich hab mir den Zeitpunkt des Weggangs nicht ausgesucht
    bin jetzt ganz auf mich gestellt
    ungeliebt in dieser kalten Welt
    mir leuchtet keine Sonne,
    nur der kalte bleiche Mond
    und ich bin fern den Menschen
    im Wald, wo sonst nur das Wild beheimatet ist.....


    Diese Einsamkeit ist unfreiwillig und freiwillig zugleich
    Der Depressive, der sich zurückzieht, weil er mit der Welt nicht klar kommt
    ist seine Entscheidung freiwillig ?


    Wir werden diese Aussagen - sie mögen ein wenig weit hergeholt sein
    noch im Laufe des Zyklus bestätigt finden.


    etwa hier, im "Wegweiser"
    wo sich der Wanderer selbst der Sinnlosigkeit seiner
    Entscheidung bewusst wird -
    ihne in der Lage oder willens zu sein sie zu korrigieren.


    Was vermeid' ich denn die Wege,
    Wo die andern Wandrer gehn,
    Suche mir versteckte Stege
    Durch verschneite Felsenhöhn?


    Habe ja doch nichts begangen,
    Daß ich Menschen sollte scheun -
    Welch ein törichtes Verlangen
    Treibt mich in die Wüstenein?



    Wir müssen uns vor Augennhalten, daß
    der Mensch der Romantik einen Hang zum Morbiden
    und zum Pathetischen hatte.
    Ich würde deshalb Müllers Gedicht nicht abwerten.


    Immerhin hat es bei Schubert eine innere Saite zum Klingen gebracht
    und ihn zur Vertonung eines Zyklus angeregt,
    der mehr als andere die Zeit überdauert hat
    und uns bis heute zu Spekulationen anregt.


    Nein - nicht nur Tamino-Mitglieder,
    über den Zyklus wurde schon an anderer Stelle viel geschrieben.
    Wenn man nun meint es sei Schuberts Musik, die diese Gedichte unsterblich gemacht hat
    so hat das sicher etwas für sich,
    aber es war der Text der Schubert zur Komposition inspiriert hat.



    Mit dem Dichter der Winterreise werden wir uns ohnedies noch eingehender zu befassen haben....


    Aber alles in allem geht es hier um die LIEDER
    Es wird schwierig sein ihnen im einzelenen gerecht zu werden, wenn nicht sogar unmöglich
    Aber allein, sich mit ihnen auseinandergesett zu haben
    war es wert.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Nachfolgenden Beitrag habe ich im Thread "Zykls der Verzweiflung.."gepostet mit der Bitte an Alfred, diesen Vorschlag zu prüfen.


    "Hallo,


    um den Austausch über die Schubert'sche Winterreise zusammen zu führen, schlage ich vor, dafür den Thread "Winterreise, liedanalytische Betrachtung" zu verwenden.


    Wenn User eine in diesem Thread (*) gepostete Meinung für wichitg halten im Thread "...liedanalytische Betrachtung", müsste das eben kurz zusammengefasst nochmal gepostet werden.


    Dieser Thread sollte bestehen bleiben für die Frage, welche "Absichten" Wilhelm Müller mit der Winterreise verfolgt hat.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Abweichende Meinungen sollten hier(*) gepostet werden."


    (*) also im Thread "Zyklus der Verzweiflung..."

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Diese Reaktion auf den Beitrag von farinelli (Nr.9) war ursprünglich viel länger. Die Netzverbindung brach ab, und alles war gelöscht. Vielleicht ein Wink des Schicksals. Es ist nur noch die Kraft für eine Kurzfassung vorhanden. Also denn:


    1. Georgiades hat den Vergleich unter rein funktionalen Gesichtspunkten vorgenommen. Dies ist methodisch zulässig. Die Einheit zwischen Werk und Hörer wird in der Matthäus-Passion Bachs als gegeben vorausgesetzt, zu hören im Text an dem häufig benutzten sprachlichen "Wir". Bei Schubert gibt es kein solches "Wir". Hier artikuliert sich ein lyrisches Ich in seiner Einsamkeit. Die Einheit von Hörer und Werk muss im Prozess der Rezeption allererst hergestellt werden. Nicht mehr und nicht weniger wollte Georgiades sagen.


    2.Die Wertung des Fallmotivs in "Gute Nacht" als Ausdruck von Müdigkeit und Erschöpfung ist zulässig, weil vom lyrischen Text her motiviert, dessen Aussage Schubert an dieser Strelle musikalisch aufgreift. Es ist nicht bekannt, dass Big Benn etwas Vergleichbares zu sagen hätte. Deshalb ist die Assoziation mit den Tönen, die von dort zu hören sind, zwar möglich, aber ohne Aussagewert im Zusammenhang mit der Interpretation der ersten Takte des Liedes "Gute Nacht".


    3. Wem die Feststellung zum Rhythmus des ersten Liedes "nicht nachvollziehbar" ist, der möge einfach mal versuchen, auf die Taktierung dieses Liedes zu wandern oder zu gehen.


    4. Die Feststellung von farinelli: "Die Monologizität ist kein Merkmal der Winterreise, sondern Voraussetzung der Lyrik" ist in ihrem zweiten Teil zutreffend, im ersten nicht. Bei den Gedichten Müller handelt es sich um Lyrik. Hier artikuliert sich ein lyrisches Ich. Dialogische Elemente finden sich nur im ersten Lied. Das sind sie aber nur in ihrer sprachlichen Struktur. Die "Ansprache" des Mädchens in den letzten acht Versen ("Will dich im Traum nicht stören..") kommt bei diesem nicht an. Sie bleibt ein Monolog. Gleiches gilt für die Ansprache des Leiermanns im letzten Lied.


    5. Farinelli meint: "Hier geht es vielmehr um den Versuch, noch die schlechteste Poesie zu psychologisieren und damit alle Qualitätskriterien für gute Literatur einzuebnen. Das mache ich nicht mit."


    Über die Frage der dichterischen Qualität der "Winterreise" Wilhelm Müllers gingen die Meinungen früher auseinander. Heute beurteilt man sie überwiegend positiv. Ich zitiere Peter Gülke( "Schubert und seine Zeit", S.264): "Die herablassende Beurteilung Müllers, deren Fatalität sich in der auffallenden Nachbarschaft zur ästhetischen Hilflosigkeit gegenüber Heine verrät, gehört zu den ebenso lang gepflegten wie ärgerlichen Convenus der Germanistik." Die Lyrik Müllers weist an keiner Stelle der Gedichte der Winterreise auffällige Schwächen in der Metaphorik und der lyrischen Bildlichkeit auf. Jegliche Form von übertriebender Sentimentalität und Gefühlsduselei fehlt. Dies zu zeigen wird u.a. Aufgabe der Beiträge zu diesem Thread sein. Jedem ist unbenommen, hierzu festzustelllen: "Da mache ich nicht mit".

  • Joseph von Spaun berichtet, dass Schuberts Freunde beim ersten Hören der "Winterreise", von Schubert selbst vorgetragen, "ganz verblüfft" gewesen seien. Sie konnten mit diesen Lieder ganz offensichtlich nichts anfangen (mit Ausnahme des "Lindenbaums"). Der "Ton" dieser Lieder, ihre für sie neuartige musikalische Faktur, muss sie sehr befremdet haben. Mag "Gute Nacht" bei ihnen gerade noch so durchgegangen sein, - spätestens das Lied "Die Wetterfahne" muss diesen "Verblüffungseffekt" bei ihnen ausgelöst haben.


    Ungewöhnlich ist schon das Klaviervorspiel: Sechs Takte Unisono von Diskant und Bass. Und nicht nur das: Danach geht es Unisono zwischen Singstimme und Klavier weiter. Auch die melodische Linie klingt befremdlich; sie ist alles andere als schön und eingängig. In unruhigen Aufwärtsbewegungen schraubt sie sich hoch bis zum ersten Höhepunkt ("Liebchens Haus"). Danach muss sie innehalten, weil im Klavier eine Sechzehntel-Bewegung mit eingelagerten Trillern aufrauscht: Den Wind musikalisch malend, der in die Wetterfahne fährt.


    Die Unruhe in der melodischen Linie setzt sich danach fort. Jetzt aber wirkt sie durch große Intervallsprünge wie zerstückt. Das Beharren auf einem Grundton bei "Er hätt es eher bemerken sollen...", bei gleichzeitigen Ausgriffen in großen Intervallen nach oben, wirkt, als würde da einer zerknirscht in sich hineinreden, zumal das Klavier jetzt von seinen Achtelläufen abgekommen ist und die Intervallsprünge mit Akkorden akzentuiert. Diese Stelle wird von Ludwig Stoffels ("Die Winterreise", 1987/91) anders gedeutet. Das "Quasi-Glissando" "pfi-iff", "hä-ätt", "beme-erken" usw. kann man auch als tonmalerisches Aufgreifen des Windes verstehen.


    Der Vers "Der Wind spielt drinnen mit den Herzen..." wird auf die nur leicht modifizierte melodische Linie des Eingangsverses gesungen, leise, vom Klavier wieder im Unisono und pianissimo begleitet. Eindringlich wirkt das. Hier herrscht musikalische Introversion: Das Bild draußen kehrt auf schmerzliche Weise im Innern der Seele wieder.


    Dann aber, laut und bohrend, hart auf einer melodischen Sekunde artikuliert und von leeren Quinten im Klavier akzentuiert: "Was fragen sie nach meinen Schmerzen...". Dieser Gedanke hat sich in den Wanderer so eingebrannt, dass er ihn wiederholen muss. Wieder leise die gleiche melodische Figur in der Singstimme: "Der Wind spielt ...". Jetzt aber zwei Takte lang im Klavier von spielerischen Trillern untermalt. Und dann wieder laut, im Crescendo mächtig sich aufäumend und wieder mit Quinten im Klavier bohrend akzentuiert: "Was fragen sie nach meinen Schmerzen...".


    Bei der bitter-ironischen Feststellung: "Ihr Kind ist eine reiche Braut" erfolgt auf den Silben "rei-che" eine Dehnung über einen ganzen Takt, derweilen im Klavier die Sechtzehntel wie in einem irrwitzigen Lauf nach oben rauschen.


    Das Nachspiel im Klavier ist eine Wiederkehr der melodischen Figur des Eingangs, unisono wieder, aber jetzt absinkend und in Pianissmo-Trillern verklingend. Die Bilder, die sich dem Wanderer bei dem Anblick des Hauses der ehemaligen Geliebten aufdrängten, verblassen. Der Wind hat sein böses Spiel mit der Seele des Wanderers eingestellt.

  • Wie in "Gute Nacht" - und generell in der ganzen "Winterreise" - ist auch in diesem Lied zu hören und zu lesen, dass Schubert den Wechsel der Tonart ganz bewusst dazu benutzt, um einen "Perspektivwechsel" in den Äußerungen des Wanderers hörend nachvollziehbar und -fühlbar werden zu lassen.


    Die Grundton des Liedes ist a-Moll. Wenn der Wanderer aber seinen Blick weg von der sich drehenden und quietschenden Wetterfahne auf sein Inneres richtet, wenn also an die Stelle der "realen" Außenwelt die seelische Innenwelt tritt, - was ja zum zentralen Vorgang in der Winterreise werden wird - dann ändert sich die Tonart in C-Dur: "Da dacht ich schon in meinem Wahne...".


    Noch eindrucksvoller kann man die Wirkung eines solchen Tonartwechsels bei den Versen: "Was fragen sie nach meinen Schmerzen ..." erleben. Hier wechselt die Tonart von a-Moll unvermitel nach F-Dur über und danach, in der Wiederholung, genauso harmonisch unvermittelt nach g-Moll.


    Wenn man das aus der Perspektive der klassischen Harmonielehre betrachtet, dann sind das ungewöhnliche Brüche in der Abfolge der Tonarten. Die naheliegende Erklärung dafür: Schubert will die innere Zerrissenheit und den Seelenschmerz des Wanderers musikalisch "abbilden" und damit hörbar und nachfühlbar werden lassen. Er tut das nicht nur mittels einer Wiederholung des Verses, sondern auch auf dem Weg über einen die Nachdrücklichkeit noch intensivierenden Tonartwechsel.


    Schon in diesem Lied wird voll deutlich, was sich in "Gute Nacht" bereits abzeichnete:


    Es geht in den Liedern der "Winterreise" um musikalisch artikulierte Psychogramme eines Menschen, der sich in eine existenzielle Grenzsituation geworfen sieht. Die Gründe dafür, das Verstoßen-worden-Sein aus dem Haus des "Mädchens", werden von Lied zu Lied mehr aus seinem Blickfeld geraten. Sein Blick wird sich immer mehr nach innen richten, - in die ausweglosen Wirrnisse seiner seelischen Innenwelt, in die die Bilder der menschenfeindlich winterlichen Außenwelt nur noch als gleichsam sinnliche Bestätigung der Hoffnungslosigkeit des eigenen Lebens Eingang finden.

  • "Gute Nacht"



    Hallo,


    die nachfolgenden Infos zur Liedstruktur hätte ich gerne in Form einer Tabelle, nicht Excel-Tabelle, sondern tabellenartig formatiert, gegeben; das hätte das Lesen + Verständnis wesentlich erleichtert. Ich habe deswegen gestern per E-Mail bei Alfred angefragt und auch ganz schnell - danke Alfred! - den Bescheid erhalten: Das lässt die Forensoftware nicht zu, es gibt nicht zu behebende Formatierungsprobleme.


    Es bleibt mit also nichts Anderes übrig, als diese Infos in Sätzen auszudrücken; ich bitte um Verständnis, dass ich mich dabei sehr knapp (andeutungsweise) fassen muss. Auf detaillierte Angaben zur Harmonik habe ich der Übersichtlichkeit wegen überhaupt verzichtet (nur Tongeschlecht; auf die verschiedenen Tonlagen der Singstimme gehe ich im nächsten Beitrag ein); man muss das Lied sowieso anhören um die beschriebene Struktur nachvollziehen zu können.
    Ich bin mir aber sicher, wer sich das Lied anhört, wird meine Infos richtig einordnen können.



    Schubert hat das Lied als "variiertes" Strophenlied komponiert, was ich darunter verstehe:



    1. Liedstrophe:
    a) Gedichttextzeilen 1 - 4 Tongeschlecht Moll----4 Liedzeilen
    b) Gedichttextzeilen 5 + 6 Tongeschlecht Dur-----2 Liedzeilen
    c) Gedichttextzeilen 5 + 6 Tongeschlecht Dur-----2 Liedzeilen
    d) Gedichttextzeilen 7 + 8 Tongeschlecht Moll----2 Liedzeilen
    e) Gedichttextzeilen 7 + 8 Tongeschlecht Moll----2 Liedzeilen


    2. Liedstrophe
    f) Gedichttextzeilen 1 - 4 Melodie wie a) Moll----4 Liedzeilen
    g) Gedichttextzeilen 5 + 6 Melodie wie b) Dur-----2 Liedzeilen
    h) Gedichttextzeilen 5 + 6 Melodie wie c) Dur-----2 Liedzeilen
    i) Gedichttextzeilen 7 + 8 Melodie wie d) Moll----2 Liedzeilen
    j) Gedichttextzeilen 7 +8 Melodie wie e) Moll----2 Liedzeilen


    3. Liedstrophe
    k) Gedichttextzeilen 1 - 4 Melodie wie a) Moll-----------4 Liedzeilen
    l) Gedichttextzeilen 5 - 8 Melodie wie b) + c) Dur-------4 Liedzeilen
    m)Gedichttextzeilen 5 + 8 Melodie wie d) + e) Moll------2 Liedzeilen
    n) Gedichttextzeilen 7 + 8 Melodie wie d) + e) Moll------2 Liedzeilen


    In den Liedstrophen 1 - 3 hat Schubert also durch Textwiederholungen (beachte 3. Strophe!) aus einem 8-zeiligen Gedicht ein 12-zeiliges Lied gemacht, dabei ist die Struktur: 4 Zeilen Moll, 4 Zeilen Dur, 4 Zeilen Moll; die Verteilung Dur/Moll in der 3. Strophe 4:4:4 bleibt zwar erhalten, aber bei wesentlich anderer Textverteilung wie in Strophen 1 + 2 - *


    4. Liedstrophe
    o) Gedichttextzeilen 1 - 4 Melodie wie a) aber Dur --------4 Liedzeilen
    q) Gedichttextzeilen 5 - 8 Melodie wie b) + c) Dur---------4 Liedzeilen
    r) Gedichttextzeilen 5 + 6 Melodie wie d) + e) aber Dur ---2 Liedzeilen
    s) Gedichttextzeilen 7 + 8 Melodie wie d) + e) aber Dur ---2 Liedzeilen
    t) Gedichttextzeile 8 Melodie wie e) Moll---------------1 Liedzeile


    Die 4. Liedstrophe ist ein 13-zeiliges Lied; die Textverteilung ist anders wie Strophen 1 +2
    und noch mal anders wie Strophe 3; die Verteilung Dur/Moll ist völlig anders, bleibt aber in der Struktur 4:4:4 , von t) abgesehen; (*auf die kleinen, aber wichtigen Abweichungen in der Liedmelodie m)/n) + o) - t) gehe ich im nächsten Beitrag ein).



    Ich meine, dass die aufgezeigte Struktur Hinweise zur liedanalytischen Betrachtung gibt. Ich werde in einem folgenden Beitrag dazu Stellung nehmen; ich bitte aber um Nachsicht, dass dafür Zeit notwendig ist.



    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • ----- kann, ---- nicht muss!


    In meinem letzten Beitrag (Nr. 15) hatte ich den Begriff "existenzielle Grenzsituation" verwendet. Das bedarf der Erläuterung.


    Ich verwende diesen Begriff in dem Sinne, wie in Karl Jaspers in seinem Buch "Psychologie der Weltanschauungen" (1919) geprägt und benutzt hat. Er scheint mir sehr gut geeignet zu sein, als eine Art Schlüsselbegriff für das Verständnis der "Winterreise" zu dienen. Das ist meine ganz persönliche Auffassung. Aber ich meine, dass ich es den Lesern dieses Threads schuldig bin, mein Grundverständnis der "Winterreise" offenzulegen, damit meine einzelnen Beiträge besser verständlich werden und kritisch beurteilt werden können.


    Grundlage für mein Verständnis der "Winterreise" ist der Bericht Joseph von Spauns, aus dem hervorgeht, dass Schubert sich von den Gedichten Wilhelm Müllers unmittelbar existenziell angesprochen fühlte.


    Ich leite daraus ab, dass die Lieder der "Winterreise", dem intentionalen Ansatz Schuberts entsprechend, in ihrem künstlerischen Gehalt auf der Ebene existenzieller Relevanz angesiedelt sind und in ihrer diesbezüglichen Aussage ernst genommen werden müssen.


    Ferner gehe ich davon aus, dass Schubert das, was er auf der semantischen Ebene der Lyrik Müllers vorfand, wörtlich nahm, - in dem Sinne, dass er es nicht auf unter dieser Ebene versteckte "Botschaften" irgendwelcher Art hin hinterfragte. In dieser Auffassung stimme ich mit all den mir bekannten Autoren überein, die sich in musikwissenschaftlich kompetenter Weise mit der "Winterreise" auseinandergesetzt haben. Ich selbst verfüge über eine derartige Kompetenz nicht.


    Man darf - und muss! -natürlich die Frage stellen, wie weit das Schubertsche Verständnis der "Winterreise" heute noch eine Gegenwartsrelevanz besitzt. Und hier nun möchte ich den Begriff der "existenziellen Grenzsituation" ins Spiel bringen und die These aufstellen:


    Der Liederzyklus "Winterreise" ist die musikalische Artikulation einer existenziellen Grenzsituation in Form einzelner Lieder, die unter diesem zentralen Aspekt einander zugeordnet und aufeinander bezogen sind.


    Alle Lieder der "Winterreise" kann man hörend aufnehmen und dabei verstehen als musikalisch artikulierte Psychogramme eines Menschen, der sich in eine Situation geworfen sieht, in der es keine Perspektive mehr auf künftige Entwürfe von eigenem Leben gibt.


    In dieser Grenzsituation erfährt sich der Protagonist der "Winterreise" als einen auf seine elementare Existenz reduzierten Menschen, der sich seiner Endlichkeit bewusst wird und erleben muss, dass der Mensch einen Entwurf von künftigem Leben braucht, um sinnhaft weiterleben zu können.


    Den aber hat der Wanderer nicht mehr. Im letzten Bild des Zyklus enthüllt sich für ihn jeglicher Entwurf von eigener existenzieller Zukunft als Chimäre: Ein "Leiermann" wankt barfuß auf dem Eise hin und her, und sein Teller wird ihm immer leer bleiben.


    Schuberts lebenslanges Ringen mit dem Wanderermotiv hat hier, in der "Winterreise", für ihn selbst die endgültige Antwort gefunden.

  • Der Liederzyklus "Winterreise" ist die musikalische Artikulation einer existenziellen Grenzsituation in Form einzelner Lieder, die unter diesem zentralen Aspekt einander zugeordnet und aufeinander bezogen sind.


    Zitat von Helmut Hofmann

    1. Die Winterreise ist ein monolgischer Prozess mit Stationencharakter, der sich am Modell einer Wanderung orientiert. Schon mit dem ersten Lied GUTE NACHT wird dieser Prozess einer monologischen Wanderung programmatisch eingeleitet [...]


    Sehr geehrter Herr Hoffmann,


    wieder einmal muss ich bekennen, Ihnen nicht ganz folgen zu können. Wo sehen Sie den Unterschied zwischen beiden Aussagen?


    Mit freundlichen Grüßen
    Wolfram S.

  • Ich möchte noch einmal betonen, dass mein auf die menschliche Existenz fokussierter Ansatz zur Interpretation der "Winterreise" durchaus auf der Linie der Interpretationen liegt, die man in der Literatur über Schubert und speziell über die "Winterreise" vorfindet.


    "Auf meinem Mist gewachsen" ist nur der Rückgriff auf diesen aus der Existenzphilosophie von Karls Jaspers stammenden Begriff der "existenziellen Grenzsituation".


    Ich muss allerdings gestehen, dass ihn in mit Blick auf die "Winterreise" so faszinierend finde, dass ich ihn all meinen Interpretationen der einzelnen Lieder zugrundlegen möchte. Er ist mir bei dem Bemühen um das Verstehen der "Botschaft" der "Winterreise" ungeheuer hilfreich.


    Übernehmen muss das natürlich niemand hier. Hatte ich aber auch schon gesagt!

  • "Bin gewohnt das Irregehen, s'führt ja jeder Weg zum Ziel,
    Uns're Freuden, uns're Wehen, alles eines Irrlichts Spiel!" (Wilhelm Müller)


    "Auf meinem Mist gewachsen" ist nur der Rückgriff auf diesen aus der Existenzphilosophie von Karls Jaspers stammenden Begriff der "existenziellen Grenzsituation".


    Das Tamino-Klassikforum ist nun sicher zunächst ein Platz zum Gedankenaustausch für Musikinteressierte, und man darf nicht erwarten, dass hier jeder Beitrag wissenschaftlichen Maßstäben standhielte. Man versteht daher, dass mancher verschreckt ist, wenn seine kühn aufgestellte These sich plötzlich im Fegefeuer von Antithesen und Widerlegungsversuchen wiederfindet. - Studenten erfahren dies üblicherweise zum ersten Mal in Seminaren und Oberseminaren. Sie lernen früh, welche Prüfungen eine These ertragen können muss, bevor man an eine Veröffentlichung denken darf. Hat man denn seine ersten eigenen Ergebnisse zur Veröffentlichung eingereicht, und wird man eingeladen, diese auf Tagungen zu präsentieren, so werden die Prüfungen nochmals schärfer.


    Dieser Lernprozess ist gut und wichtig, und man darf ihn niemandem ersparen wollen, denn es würde die Ausreifung der Fähigkeit zur Selbstkritik hindern.


    Wenn wir nun von der These des Herrn H. sprechen, dass die Winterreise die Darstellung einer existenzielle Grenzsituation sei, so darf man ihm bescheinigen, dass er sich damit in bester Gesellschaft befindet. Auch andere haben schon genau diese Bezeichnung verwendet, um bestimmte Eigenschaften des Werkes so kurz und präzise wie möglich auf den Punkt zu bringen (auch ein Pleonasmus - Punkte sind nunmal kurz und präzise).


    Um ein Beispiel zu nennen: Man findet den Begriff in einem Kommentar der Berliner Zeitung vom 10. Februar 2004 anlässlich einer Grammy-Verleihung an Thomas Quasthoff. Grammy-Winterreise-Quasthoff


    Ungeachtet dessen scheint es mir fast eine Platitüde zu sein, darauf hinzuweisen, dass in der Winterreise Existenzielles verhandelt wird. Was denn sonst?


    Es ist ja auch völlig in Ordnung, dass man hier angelesenes Wissen wiedergibt. Viele hier haben gelesen, dass Beethoven die Widmung der "Eroica" wieder gelöscht hat, einige haben dieses Wissen gepostet, überprüft haben dies jedoch die wenigsten (durch Inaugenscheinnahme des Originals). Dagegen ist gar nichts zu sagen. Wenn wir immer bei Null anfangen würden, hätten wir noch nicht einmal das Rad. - Um mit Wilhelm Müller zu sprechen: "Nun weiter denn, nur weiter!"

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  • "Gute Nacht"


    Hallo,
    Vorbemerkungen:
    Trotz des Beitrages Nr. 4 im Thread "Struktur…" gebe ich folgend Beitrags-Nr. an, da die Schubert Threads sehr umfangreich sind und es ohne Beitrags Nr. sehr mühsam wird.


    Nachdem es 2 Threads zu Schuberts Winterreise gibt, kürze ich ab: "Zyklus der Verzweiflung" = "Z", …liedanalytische Betrachtung" = "L".


    Den Protagonisten bzw. "das lyrische Ich" bezeichne ich kurz als Wanderer.


    Auf die Harmonik und Details der Liedmelodie gehe ich nicht mehr ein, da ist schon sehr viel Kluges und für das Verständnis Wichtiges geschrieben worden.
    Außerdem gehe ich davon aus, dass Schubert keine Geheimbotschaften vertont hat (das würde sich anders anhören?)
    Ich bitte daher darum, den nachstehenden Beitrag immer mit dem Lied im Ohr oder anhörend zu lesen.
    Der 1. Absatz im Beitrag "Z549" trifft nicht zu, siehe Beitrag "L16".


    Nachstehend gebe ich meine Meinung (ohne stets neu darauf zu verweisen), die Niemand teilen muss, wieder, für die ich aber in der Liedstruktur Anhaltspunke sehe.

    Die Kleinbuchstaben - a), b) usw. - beziehen sich auf meinen Beitrag "L16".





    Bei a), d), e), f), i) und j) ist der Wanderer mit sich allein**, deswegen Moll*; bei b) + g) wird auf Andere Bezug genommen, auch wenn es bei g) nur der Mondschatten ist (Zitat "Z428"
    "Der Mondenschatten ist zunächst der einzige Gefährte."), deswegen Dur*. c) + h) werden als Wiederholung von b) + g) je 1 Quarte höher gesungen, das (hört sich an und) ist wie eine Bestätigung, die im normalen Sprachgebrauch auch üblich ist.
    * Moll und *Dur:
    Zitat "Z466"---"…und Dur klingt
    nun einmal normalerweise längst nicht so tragisch wie moll, nicht wahr."
    Zitat "Z471"---" Trotzdem ist es ja normalerweise so, dass wenn man nacheinander z.B. D-Dur in Terzlage und danach d-moll in Terzlage auf dem Klavier anschlägt, den zweiten Akkord als weicher, trauriger, melancholischer, tragischer etc. empfindet."



    **Ab wann und warum ist der Wanderer mit sich allein, fühlt sich fremd?


    Zitat "Z493"
    W. Müller wird doch wohl vor Abfassung des Zyklus' eine eigene Vorstellung, ein eigenes Bild von dem Wanderer gehabt haben, mit welchen Eigenschaften, Einstellungen, charakterlich geprägten Verhaltensweisen er ihn zeichnen will, um der Gestalt "Leben, Fleisch und Blut" zu geben. Die ganze Winterreise ist nicht tatsächlich nach zu wandern, aber um den seelischen Vorgängen einen gedanklichen Raum zu geben, muss doch der Wanderer personifiziert werden und ein entspr. Hintergrund muss da sein, damit der Leser erfahren kann, wes "Geistes Kind'" da vorgeführt wird.


    Nun verweise ich auf den Beitrag "Z490".


    Zitat "L3"
    "Der Titel "Gute Nacht" ist zunächst einmal ein Wunsch, der sich an die Frau richtet, die den Wanderer verstoßen hat."
    Unter Verweis auf "Z490" und "Z510" hat nicht die Frau verstoßen, sondern die bürgerliche Welt.


    Zitat "Z290"
    "Das Schlüsselwort des Liederzyklus wird gleich am Anfang geliefert. "Fremd" ("bin ich eingezogen"). Die Erfahrung, von der das lyrische Ich im ersten Lied berichtet, ist die eines Fremdlings in einer bürgerlichen Welt, die sich ihm als Ehe in der Geborgenheit eines Hauses darstellte. Nicht um enttäuschte Liebe geht es also, sondern um das Scheitern der Hoffnungen auf die existentielle Sicherheit und Geborgenheit eines bürgerlichen Lebens."
    Zitat "Z510"
    "In der "Winterreise" geht es im Kern des Werkes nicht um Liebe, - auch nicht um gescheiterte. Das Scheitern einer Liebesbeziehung ist nur der Anlass und der Auslöser für das, was sich in allen folgenden Liedern nach GUTE NACHT lesen und hören lässt: Psychogramme eines Menschen in einer existenziellen Grenzsituation."


    Es geht nicht um gescheiterte Liebe, genauso wenig um die Hoffnung auf existentielle Sicherheit und Geborgenheit (Beides steht nicht im Gedicht) - sondern dass die Liebe den bürgerlichen Vorstellungen Dritter geopfert wird, das wird in folgendem Zitat bestätigt.
    Zitat"L8"
    "Dieses Haus, das in diesem Gedicht als eine Art Sinnbild bürgerlicher Existenz erscheint, als ein Ort, an dem er selbst eine bürgerliche Existenz hätte verwirklichen können, erweist sich jetzt als von einem typisch bürgerlichen Kosten-Nutzen-Denken beherrscht. Die Braut aus bürgerlich gut situiertem Haus hat etwas Besseres als Ehemann verdient, als einen von irgendwo her in diese Welt geschneiten Fremden, der nichts zu bieten hat als die Liebe, die er der Tochter entgegenbringen kann."


    Daraus Folge und Antwort "wann und warum": Der Wanderer zieht gleich von Anfang als Fremder ein, weil er sich in dem, was in der bürgerlichen Welt üblich ist, nicht auskennt und mit anderen, besseren Idealen* "daher kommt".
    *Warum hat er bessere Ideale? Siehe nächsten Beitrag.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • "Gute Nacht"


    Hallo,
    Vorbemerkungen wie im Beitrag "L21"


    *Warum hat er bessere Ideale?


    Zitat "L4"
    ""Die Liebe liebt das Wandern -
    Gott hat sie so gemacht -
    Von einem zu dem andern.
    Fein Liebchen, gute Nacht."**
    Im Grunde ist das ja eine ungeheuerliche Aussage: Gott hat die Liebe als etwas Unbeständiges geschaffen. Zugespitzt formuliert: Untreue ist gottgewollt!
    Bei Lesen des Gedichts erklärt man sich diese Stelle als Ausfluss der tiefen Erschütterung eines Menschen, der von seiner Geliebten verstoßen wurde und infolgedessen in eine Art resignativen Zynismus verfällt. Schubert muss diese Verse wohl auch so aufgefasst haben. Und was macht er kompositorisch daraus? Er wechselt an dieser Stelle seines Liedes von dem anfänglichen tristen d-Moll zu fast heiter tönenden Dur-Klängen über. Die melodische Linie, die diesen Versen unterlegt wird, weist eine für Schubert typische volksliedhafte Schlichtheit auf. Es wird skandiert fast wie bei einem Wanderlied.
    Ganz offensichtlich will Schubert mit der kontrastiven Wirkung eines auf diese Verse gelegten Volksliedtons die tiefe Verbittertung dieses einsamen und verlassenen Menschen auf besonders eindringliche Art spürbar werden lassen."
    Nein!
    Er wird nicht von seiner Geliebten verstoßen - siehe meinen Beitrag "L21"
    Die ganzen 4 Zeilen** bei l) stehen in Dur - weiter siehe unten
    Die Moll-Klänge bei m) + n) haben eine ganz andere Textauswahl - weiter siehe unten


    Auch hier der Verweis auf Beitrag "Z490"


    Zitat "Z504"
    "Die "wahre Liebe" ist die vom Schöpfer gewollte und schließt keine, aber auch wirklich keine dem Menschen innewohnenden Verhaltensweisen aus."


    Und nun bitte l) anhören, die ganzen 4 Zeilen** stehen in Dur. Damit wird die von Gott angelegte Liebe - in Allen ihren Möglichkeiten (nicht sexuell gemeint!) - als natürlich und dem Menschen innewohnend bestätigt/anerkannt. Nun deswegen bitte d) + e) - die ersten 3 Töne mit l) die ersten 3 Töne vergleichen - bei l) geht es nur einen Ton nach oben, eine (an-) ausgeglichene Melodieführung, keine "Aufgeregtheit".
    (Und eine solche Glaubenshaltung entspricht auch Schubert, weswegen er in seinen Messen im Credo das "una sancta…" nie vertont hat.)
    Und nun bitte m) + n) anhören, stehen in Moll mit einer bezeichnenden Textauswahl aus den 4 Zeilen**. Hier lässt der Wanderer seiner Enttäuschung freien Lauf, das hat Nichts mit l) zu tun sondern mit den bürgerlichen Werten (dies wird auch in nachstehendem Zitat "L6" indiekt angedeutet). Und deswegen bitte m) + n) mit d) vergleichen - "fein Liebchen gute Nacht" wird anders wie d) und n) nochmals anders wie m) vertont.
    Zitat "L6"
    "Im Satz "Gott hat sie so gemacht" sehe ich nicht notwendigerweise die Einsicht, daß Gott die Untreue als Normalität wünscht, sondern eine resignierende Schutzbehauptung um die gegebene Situation überhaupt ertragen zu können. Es erspart das Hinterfragen nach eigener Schuld oder Unzulänglichkeit, vermeidet auch, dem (Wunsch-) Partner die Schuld zu geben, sondern verweist die "Schuld" an "Gott" oder die Natur."


    Die Debatten in "Z545, 546, 547" sind unter Berücksichtigung von "Ab wann und warum" in meinem Beitrag "L21" überflüssig; nebenbei: "...trieb" ist Präteritum.
    Viel bedeutsamer ist der Vergleich mit a) "…(fremd zieh') ich wieder aus", fallende Melodie mit k) "…(dass man) mich trieb hinaus", steigende Melodie - Sprachmusik!



    Vierte Strophe:
    Zitat "L9"
    ""Will Dich im Traum nicht"
    beginnt; denn "nicht im Traum" heißt ja "auf keinerlei Weise" mit der Ingredienz, daß der bloße Gedanke daran eine Zumutung sei. Die Haltung des Sprechers hier ist ganz anders, als was Helmut da heraushören möchte, nämlich scheinheilig. Was morgens auf dem Tor stehen wird, ist ein Denkzettel für die Liebste, ein stenographisches "Gute Nacht""
    Ich kann mir nicht helfen - das ist für mich eine absichtliche Text-Fehlinterpretation: Wer "im Traum nicht" gleich setzt mit "nicht im Traum"---??? Jedenfalls will der Wanderer den Traum nicht stören und Schubert hat das "dich" bewusst im Text versetzt; scheinheilig scheint mir da eher der Schreiber (Verzeihung…)?


    Die ganze 4. Strophe o) - s) steht in Dur, bis auf die letzte Zeile t), auch die Melodieteile a), f), k) die sonst in Moll stehen. Der Wanderer denkt in Liebe und ohne Vorwurf an "sein" Mädchen. Beachtlich die Änderungen in der Melodie zwischen r) + s): "Schreib" zuerst tief, dann hoch, "vorübergehen" erst auf- dann absteigend, "gute" und "sehen" wie vor, "hab ich gedacht", bei s) schon im Rhythmus von t).
    In r) ist es in der Vertonung noch "sein" Mädchen, in s) bald nicht mehr (anhören!). Ob man den Unterschied in der Liedmelodie bei " hab' ich gedacht" zwischen r) und s) - als schade, dass du meine Liebe nicht höher wertschätzt als… interpretieren kann? - aber bestimmt als Verzeihung, dass "sein" Mädchen auf die bürgerlichen Interessen hereingefallen ist.
    t) ist der tatsächliche Abschied!


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Liebe Freunde,


    auch die Marschallin im Rosenkavalier sagt ja:


    "Leicht muss man sein,
    mit leichtem Herz und leichten Händen
    halten und nehmen, halten und lassen ...
    Die nicht so sind, die straft das Leben, und Gott erbarmt sich ihrer nicht."


    Das ist eine sehr christliche Auffassung vom Eigentum, das hienieden immer bloß geliehen ist wie´s Leben vom lieben Gott. Von der unbeständigen Fortuna und dem carpe diem macht ihr ein wenig viel Wind. Ein jedes Ding hat seine Zeit ...
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • "Ein jedes Ding hat seine Zeit ..."


    stellt farinelli fest, und hat damit natürlich recht.


    Was aber, wenn Zeit als Vergänglichkeit, als "Geworfenheit" in die Zeit, erfahren wird. Selbiges ist dem armen Franz Schubert widerfahren. Eine überaus moderne Erfahrung, nebenbei bemerkt!


    Und als er die Gedichte jenes Wilhelm Müller in die Hände bekam, die "Die Winterreise" betitelt waren, hat er plötzlich das Wort "Reise" in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit erfahren, wenn es unter dem Gesichtspunkt gelesen wird:


    "EIN JEDES LEBEN HAT SEINE ZEIT. UND DIE HEISST WANDERSCHAFT."


    Und so entstand dieses einmalige musikalische Werk, über das hier im Forum nachgedacht und geschrieben wird.


    Letzteres freilich zuweilen auf wunderliche Weise!

  • Wie sehr der Wanderer schon auf sich selbst zurückgeworfen ist, zeigt dieses Lied. Sein Blick hat sich fast ganz auf die Betrachtung der eigenen Person und ihres seelischen Innenraums beschränkt. Tränen fallen ihm von den Wangen ab. Sie gefrieren in der Eiseskälte der Außenwelt, obgleich sie doch aus dem "heißen" Innern des Wanderers kommen. Eigentlich müssten sie wegen all der heißen Leidenschaftlichkeit der Gefühle, die sie in sich bergen, das Eis schmelzen können.


    Dass sie es nicht können, ist die zentrale Aussage dieses Liedes: Die Außenwelt ist in ihrer menschenfeindlichen Eiseskälte übermächtig. Sie bietet dem Wanderer keinerlei Geborgenheit und lässt ihn seine Einsamkeit auf schmerzliche Weise spüren.


    Die Komposition Schuberts ist in ihrem klanglichen Eindruck ganz von dem Gegensatz zwischen der stakkatohaften Klavierbegleitung und der klagend wehmütigen melodischen Linie der Singstimme geprägt. Man geht wohl interpretatorisch nicht fehl, wenn man in den hingetupften, von Pausen unterbrochenen und immer wieder in die kurze Ruhe einer halben Note mündenden Achtel im Klavier das Fallen der gefrorenen Tränen hört.


    Vielleicht darf man ja noch ein wenig weiter gehen und in der im Klavier aufklingenden klanglichen Härte des Stakkatos die unerbittliche Härte der winterlichen Außenwelt hören. Vom lyrischen Text her läge man dabei durchaus richtig.


    Der Verlauf der melodischen Linie der Singstimme ist in seiner Phrasierung so angelegt, dass je zwei Versen eine Melodiezeile zugeordnet ist, dass diese Zeilen aber wiederum eine Einheit bilden und und die melodische am Strophenende zu einem Ruhepunkt kommt, der nur bei der ersten Strophe der Grundton ist. Das allerdings erst nach der Wiederholung des Verses: "Daß ich geweinet hab". Diese Wiederholung artikuliert musikalisch die Wiederkehr der Erinnerung an das verlorene Glück, die mit Tränen einhergeht.


    Das Ansprechen der Tränen ("Ei Tränen, meine Tränen ...") erfolgt in einem betont deklamierenden Ansatz der melodischen Linie in tiefer Lage. Sie steigt dann langsam und schrittweise nach oben, immer wieder von Pausen unterbrochen. Man kann diese Unterbrechung durchaus als Ausdruck der Intensität werten, mit der der Wanderer sich dem zuwendet, was aus dem Innersten seiner Seele kommt.


    In der dritten Strophe steigert sich der Wanderer derart stark in das aus dem seelischen Innenraum erwachsende Bild der das Eis schmelzenden Tränen, dass mehrfache Wiederholungen von Teilen der Melodiezeile erfolgen. Die Zeile "des ganzen Winters Eis" ist von großer Emphase (Vorschrift "stark") getragen.


    Insgesamt artikuliert sich in der Gestaltung der melodischen Linie die seelische Innenwelt des Wanderers auf gefühlvolle Weise, kontrastierend mit der Stakkato-Kühle des Klaviers. Eine wichtige Rolle spielt dabei wieder der Wechsel der Tonarten.


    Die Grundtonart des Liedes ist f-Moll. Bemerkenswert ist nun, wie Schubert den Wechsel der Perspektive von außen nach innen musikalisch gestaltet. Der Wanderer bemerkt die gefrorenen Tränen in der Außenwelt. Dann wendet er sich seinem Innern zu und fragt sich, ob er denn "geweinet" haben könne.


    An dieser Stelle geschieht in der musikalischen Faktur zweierlei: Die Tonart wechselt, - nur durch einen einzigen Tonschritt im Klavier, also kaum(!), vermittelt - nach As-Dur. Gleichzeitig ändert sich der metrische Akzent: Das "Ob" von "Ob es mir denn entgangen" trägt, wieder unerwartet(!), einen Ton.


    Die Tonart As-Dur taucht bei "Und dringt doch aus der Quelle..." wieder auf. Und das ist gar nicht überraschend, repräsentiert sie doch in diesem Lied musikalisch den seelischen Innenraum des Wanderers. Bei der Vorstellung, dass diese Tränen, die doch so viel seiner innersten Empfindungen in sich tragen, eigentlich den Schnee schmelzen müssten, steigert sich der Wanderer so sehr in die Introversion, dass die Tonart sogar nach Des-Dur ausweicht.


    Es ist in diesem Lied also wieder zu beobachten, wie bewusst Schubert mit dem Mittel des Wechsels der Tonart arbeitet, um die für die Winterreise so typische Verschmelzung von Innenwelt und Außenwelt musikalisch zum Ausdruck zu bringen.

  • Trotz des Beitrages Nr. 4 im Thread "Struktur…" gebe ich folgend Beitrags-Nr. an, da die Schubert Threads sehr umfangreich sind und es ohne Beitrags Nr. sehr mühsam wird.


    Von der Angabe von Beitragsnummern würde ich grundsätzlich abraten, da diese durch Löschung älterer Beiträge sich ändern können!
    Außerdem ist es wohl für 99% der Leser zu mühsam, anhand von Nr.-Angaben nach Beiträgen zu suchen. Zumindest zusätzlich Zitate anzuführen würde die Lesbarkeit Deiner Beiträge erheblich verbessern.
    :hello:

  • Von der Angabe von Beitragsnummern würde ich grundsätzlich abraten, da diese durch Löschung älterer Beiträge sich ändern können!
    Außerdem ist es wohl für 99% der Leser zu mühsam, anhand von Nr.-Angaben nach Beiträgen zu suchen. Zumindest zusätzlich Zitate anzuführen würde die Lesbarkeit Deiner Beiträge erheblich verbessern.


    Danke für Deinen Ratschlag.


    Ich habe mir vorab sehr gründlich Gedanken gemacht, wie ich die Fülle der Infos gut rüberbringe.
    Wenn ich besonders meine älteren Beiträge nochmal komplett zitiert hätte - was als Argumentationskette unbedingt notwendig ist (spärliche Argumentation wurde ja auch schon bemängelt!) - dann wären meine 2 neuen Beiträge (die ich ja eh' schon geteilt hatte) noch länger und unleserlicher geworden.


    Im Übrigen meine ich: Wer sich mit Liedanalyse beschäftigen will, dabei einen liedweise angelegten Thread auswählt - der nicht nur in "überfliegender Weise über den Zyklus hinweg schwebt" - sollte sowieso etwas mehr Zeit (und Geduld?) aufbringen, als in so manch anderem Thread erforderlich. Und wem das zu mühsam ist...


    Im Übrigen war der Einstieg in die Winterreise mit grundlegenden Gedanken, die sich auch über mehr als die ersten 2 Lieder erstreckte, eine ungewöhnliche Aktion, wird sich so kaum mehr wiederholen.


    Abschließend darf ich dazu auf meinen letzten Beitrag im Thread "Über Strukturen... verweisen (zu diesem Beitrag warte ich bislang noch auf Antwort?).

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Es scheint mir sinnvoll, den jeweiligen Liedanalysen Beiträge zur Seite zu stellen, in denen man sich, in einer etwas größeren Distanz zum Notentext, Gedanken über das jeweilige Lied machen und das bereits dazu Gesagte ergänzen, bzw. reflektieren kann. Sie sollen jeweils mit "Gedanken zu..." überschrieben sein. Die "Winterreise" ist in ihrer künstlerischen Aussage eben unerschöpflich!


    Das Lied "Gefrorne Tränen" ist das erste der "Winterreise", in dem die Eiseskälte der winterlichen Welt in ihrem abweisenden, ja feindlichen Gegensatz zur seelischen Innenwelt des Wanderers thematisiert wird. Deren "Wärme", die in diesem Lied sogar noch als "glühend heiß" empfunden und erlebt wird, ist ja im Grunde Ausfluss des Lebenswillens, der sich im Wanderer noch behauptet und der hier noch von den Erinnerungen an die Zeit des gemeinamen Lebens mit dem "Mädchen" genährt wird. Es wird zu verfolgen sein, wie lange dieser innere seelische Zustand des Wanderers in der Abfolge der Lieder noch erhalten bleibt.


    Dieser Gegensatz von eisiger Außenwelt und - noch! - lebenswarmer seelischer Innenwelt wird von Wilhelm Müller auf eindringliche Weise lyrisch gestaltet. Der Metaphorik geht jede vordergründige Gefühlsduselei ab. Das Bild von den Eistropfen auf den Wangen, die sich als gefrorene Tränen herausstellen und sich zu Füßen des Wanderers mit Eis und Schnee vereinigen, als gehörten sie eigentlich dorthin, ist in seiner Aussage von sehr direkter, ja erschreckender Eindeutigkeit. Man fühlt sich ein wenig an das Bild "Eismeer" von Caspar David Friedrich erinnert, und es sei, das nur nebenbei, einmal darauf hingewiesen, dass dergleichen bislang in noch keinem deutschen Lied musikalisch gestaltet worden ist. Das nachfolgende Lied, "Erstarrung", wird diese Thematik im unmittelbaren Anschluss an dieses noch einmal aufgreifen.


    Man kann am Lied "Gefrorne Tropfen" wieder einmal erkennen, wie intensiv Schubert sich in die Metaphorik der Verse Müllers musikalisch "eingefühlt" hat, und wie er daraus die für ihn typische Verwandlung von sprachlicher Struktur in musikalische Struktur durchführt. Die stakkatohaft tupfenden Klaviertöne durchziehen das ganze Lied, jedoch auf ganz unterschiedliche Weise, je nach der jeweiligen Aussage des lyrischen Textes. Sie repräsentieren musikalisch dieses Fallen der gefrorenen Tränen und damit auch die Eiseskälte der Außenwelt.


    Ihnen gegenüber steht die von vornherein kantabel angelegte melodische Linie. Sie entfaltet sich zunächst nur recht zögerlich, in Bögen aus Tonschritten, die kaum eine Quinte überschreiten. Der Wanderer hat ja gar nicht bemerkt, dass er geweint hat, und stellt erst einmal verwundert fest, dass ihm "gefrorne Tropfen" von den Wangen fallen. In einer Art von deklamierendem Unisono spricht er seine Tränen an, und dabei drängt sich in ihm immer stärker seine seelische Innenwelt nach vorne, gegen die eisige Außenwelt, die so mächtig ist, dass sie sogar seine heißen Tränen in sich aufnimmt, ohne dass die dort Spuren hinterlassen.


    Das schlägt sich auch in der musikalischen Faktur nieder. Zunächst in den häufigen Dominantseptakkorden, die zur Auflösung in der Tonika hin drängen. Dann aber in einer immer stärker sich entfaltenden melodischen Linie, die jetzt ihre Kantabilität voll auslebt, und das sogar in Form einer Wiederholung ganzer Melodiezeilen. Während sich bis dahin im Notentext immer wieder die Anweisungen "decrescendo", "fp" und "pp" finden, steigert sich der Ton in den letzten Versen bis zur Anweisung "stark" auf der Wiederholung von "des ganzen Winters Eis".


    Ich habe darin das beinahe schon trotzige Aufbegehren der seelischen Innenwelt des Wanderers gegen die Eiseskälte der Außenwelt gehört, die ja musikalisch immer noch zu vorhanden ist: Im Nachspiel des Klaviers nämlich. Dort tupfen immer noch die Stakkatos, - allerdings im Descrescendo akkordisch verbrämt und im Pianissimo schließlich ausklingend.

  • Ich sehe eben mit Schrecken, dass mir ein Fehler unterlaufen ist. Man soll nicht gleichzeitig an zwei Liedern arbeiten. Die in dem Beitrag "Gedanken zu Gefrorne Tränen" erwähnten Dominantseptakkorde gehören in das Lied "Erstarrung". Ich werde darauf bei der Besprechung dieses Liedes näher eingehen und bitte um Entschuldigung!

  • Das kann passieren. Manchmal sind es ja auch die Textverarbeitungsprogramme, bei deren Bedienung es vorkommen mag, dass ganze Absätze sich plötzlich in anderen Kapiteln wiederfinden.


    Hauptsache, Schubert hatte den Überblick über sein Werk und die Dominantseptakkorde ins richtige Lied geschrieben! Alles andere ist völlig sekundär.

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