Heinrich Marschner und seine Lieder

  • Wenn der Musikfreund heute den Namen Marschner hört, kann es sein, dass er an den bekannten Dirigenten, Komponisten, Violinisten und Geigenpädagogen Wolfgang Marschner denkt.
    Aber es ist auch durchaus möglich an den Komponisten Heinrich Marschner (1795-1861) zu denken, der Opernfreunden durch seine Opern „Hans Heiling“ /
    "Der Vampyr“/
    und "Der Templer und die Jüdin" bekannt ist. Diese Werke Marschners ließen erst den Stimmtypus „Bariton“ für Hauptpartien entstehen.
    Heinrich Marschner wurde von Mendelssohn und Schumann zwar geschätzt, aber Marschners Ruhm verblasste schon zu seiner Lebenszeit.
    Mindestens den älteren Operngehern ist die Oper „Hans Heiling“ noch ein Begriff auf den Spielplänen der Opernhäuser.
    Allerdings wird in einem Forumsbeitrag vom Jahre 2007 berichtet, dass „Hans Heiling“ an der Deutschen Oper Berlin aufgeführt wurde und der Zuschauerraum nach der 3. Vorstellung leer war. Einen Kommentar möchte ich dazu nicht schreiben, denn es soll hier in diesem Thread um den Liedkomponisten Heinrich Marschner gehen.


    Die Aussagen über das Liedschaffen Marschners sind recht unterschiedlich. In der Literatur heißt es einerseits: „Im Lied ist es Marschner, im Vergleich zu seinem Opernoeuvre, nicht gelungen, zu einem charakteristischen Personalstil zu gelangen.“
    Andererseits: “Doch findet sich neben allem Bühnenglanz auch mitunter echte liedhafte Intimität.“


    Helmut Deutsch, als gestandener Liedbegleiter wohl durchaus kompetent, schreibt:
    „Denn in diesem Oeuvre von 420 Liedern finden sich Schätze, die Marschner würdig an die Seite der berühmtesten Liedkomponisten seiner Zeit stellen."


    Folgt man dieser Aussage, dann ist es ein Muss, diesem Komponisten auch hier ein Forum zu geben
    Nach meinem Kenntnisstand bieten aktuelle Liedsänger kaum Lieder dieses Komponisten an; wenn, dann zusammen mit anderen Komponisten. So finden sich zum Beispiel vier Marschner-Lieder auf einer „gemischten“ EMI-CD von 1994, die mit dem Bariton Olaf Bär heraus kam.
    Möchte man den Liedkomponisten Heinrich Marschner näher kennen lernen, muss man praktisch auf historische Aufnahmen zurückgreifen – und findet wahre Kostbarkeiten, wenn man Freude an diesem Genre hat.
    Von den 420 Marschner-Liedern habe ich lediglich 30 in meiner Liedsammlung und zehn verschiedene Sängerinnen und Sänger interpretieren diese Stücke.
    Vielleicht können andere Forianer hier noch ihre Meinungen, Anregungen und Erfahrungen einbringen.
    Ich stelle einen humorvollen Text von Friedrich Rückert ein, der von Heinrich Marschner entsprechend vertont wurde.
    Dieses Lied habe ich von zwei Sängern verfügbar: Arno Schellenberg und Olaf Bär


    Der betrogene Teufel, op.87 Nr.1
    Friedrich Rückert


    Die Araber hatten ihr Feld bestellt,
    Da kam der Teufel herbei in Eil;

    Er sprach: Mir gehört die halbe Welt,
    Ich will auch von eurer Ernt mein Teil.


    Die Araber aber sind Füchse von Haus;
    Sie sprachen: Die untere Hälfte sei dein!
    Der Teufel will allzeit oben hinaus:
    "Nein," sprach er, "es soll die obere sein!"


    Da bauten sie Rüben an einem Strich,
    Und als es nun an die Teilung ging,
    Die Araber nahmen die Wurzeln für sich,
    Der Teufel die gelben Blätter empfing.


    Und als es wiederum ging in's Jahr,
    Da sprach der Teufel in hellem Zorn:
    "Nun will ich die untere Hälfte fürwahr!"
    Da bauten die Araber Weiz und Korn.


    Und als es wieder zur Teilung kam,
    Die Araber nahmen den Ährenschnitt,
    Der Teufel die leeren Stoppeln nahm
    Und heizte der Hölle Ofen damit.


  • Wenige werden hier lesen, weil das Kunstlied ohnehin zu der eher seltenen Musikgattung gehört. Wenn sich dann doch jemand auf diese Pfade begibt, dann sind es eher Lieder von Schubert oder Schumann - vielleicht noch Brahms ... Wolf gilt vielen als schwer hörbar, Loewe ist weit weg und Marschner kaum noch ein Begriff.
    Sein Todestag ist der14. Dezember 1861, vielleicht fällt jemandem die Jahreszahl auf ...


    Der Sänger, op.7 ist - zumindest für "Normalhörer" - ein nicht ganz einfaches Stück. Das beginnt bereits beim Text. Der Autor wird mit F. Gleichen angegeben, aber weder über den Dichter noch über den Text lässt sich im Internet etwas in Erfahrung bringen.
    Die einzige Aufnahme, die ich von diesem Lied habe, hat eine Spieldauer von 13:34 - es ist also ein relativ langes Lied, das so beginnt:


    Zu dem Grab der Lieb´und Schmerzen, zu dem heil´gen Grabe hin ...


    Eigenartigerweise findet man den zweiten Liedteil bei YouTube unter dem Titel: Der Sänger, Teil II
    Wer am Liedgesang Interesse hat, sollte es sich dort anhören. Es handelt sich um eine Aufnahme mit Peter Anders, Aufnahmedatum 8. Januar 1945 !

  • Der wohl erste Liederzyklus überhaupt, Beethovens Opus 98 "An die ferne Geliebte", besteht ja auch nur aus 6 Liedern ... und Schuberts "Schwanengesang" ist bei Lichte besehen eigentlich gar kein "echter" Zyklus ...


    Beim Hören der wenigen verfügbaren Marschner-Lieder sind mir fünf Lieder aufgefallen. Diese Lieder handeln von einem Wanderburschen und einer Wirtstochter; man wird an "Müllerin" und "Winterreise" erinnert, auch wenn das Ganze nicht so "tiefgründig" ist, wie die Schubertschen Zyklen.

    Kurzbeschreibung dieser Lieder
    :
    Nach Texten von Julius Rodenberg


    Einkehr, op.168 Nr.1
    Der Wanderbursche sucht Herberge und Trank und die Annäherung ans Wirtstöchterlein; die Musik erinnert stark an Loewe.


    Nachts in der Herberge, op.168 Nr.2
    Der Wanderbursche liegt noch lange wach, das Mädel hat ihn ganz verhext ...

    An der Schanktür
    , op.168 Nr.3
    Als der Wanderbursch morgens früh aufsteht, ist das Mädchen bereits munter...
    Er wollte sich verabschieden, aber sie lächelt "so lieb und hold", dass er nicht von der Stelle kommt; er bleibt noch zum Fest und zur Nacht.
    Beim Fest tanzt die Schöne mit dem schmucken Förstersohn.

    Das Wirtstöchterlein singt
    , op.168 Nr.5
    Die Wirtstochter fragt sich, was sie ihm wohl getan habe ...
    Er zieht von dannen, ihr Röslein am Hut und sieht sich noch tausendmal um ...


    Abschied, op.168 Nr.6
    "So schau´ich denn zum letzten mal, hinunter in das grüne Tal, die Morgenglocke klinget, die Lerche munter singet" ...
    Er ruft ins Tal hinein:
    "Leb´wohl, leb´wohl, leb´wohl! Wirtstöchterlein." Auch in der Ferne bewahrt er ihr Röslein und trinkt im Freundeskreis auf das Wohl des Wirtstöchterleins.


    Ab 1853 ist eine Freundschaft des Dichters Julius Rodenberg mit Heinrich Marschner bekannt, der erstmals Lyrik Rodenbergs vertont. Marschner vermittelte auch die Bekanntschaft mit Franz Liszt, Peter Cornelius und Hector Berlioz.
    Wenn man nachliest, dass 1938 die Gedenktafel an Rodenbergs Geburtshaus zersört wurde; wundert man sich, dass 1944/45 noch diese Lieder aufgenommen wurden.

  • Hoffmann von Fallersleben, der auch das "Lied der Deutschen" (Nationalhymne mit der Musik von Joseph Haydn) schrieb, ist der Dichter dieses von Marschner vertonten Liedes "Ja, du bist mein!", zwar finden sich Hinweise, dass es sich um 6 Liebeslieder handelt, aber sie werden (nach meinem Kenntnisstand) nicht als Gesangsstücke angeboten. Hoffmann hat im Jahre 1860 "Heidelieder für Ida" (13 Gedichte) geschaffen, Ja, du bist mein! soll bereits um 1850 herum entstanden sein. Ida war die junge Frau des Dichters.


    Wenn das Lied gesungen wird, hat man praktisch die doppelte Textmenge, weil fast jede Zeile "doppelt" gesungen wird.

    Ja, du bist mein!


    Ich will's dem blauen Himmel sagen,
    Ich will's der dunklen Nacht vertrau'n,
    Ich will's als frohe Botschaft tragen
    Auf Bergeshöh'n, durch Heid und Au'n.
    Die ganze Welt soll Zeuge sein:
    Ja, du bist mein!
    Und ewig mein!



    In meinem Herzen sollst du leben,
    Sollst haben, was sein Liebstes ist,
    Du sollst, von Lieb und Lust umgeben,
    Ganz fühlen, dass du glücklich bist!
    Schließ' mich in deine Arme ein!
    Ja, du bist mein!
    Und ewig mein!


    Hoffmann von Fallerleben 1798-1874

  • Zitat

    Möchte man den Liedkomponisten Heinrich Marschner näher kennen lernen, muss man praktisch auf historische Aufnahmen zurückgreifen – und findet wahre Kostbarkeiten, wenn man Freude an diesem Genre hat

    Hier zitiere ich mich einmal selbst und füge zur Anschauung und Information eine aktuell am Markt befindliche CD mit Marschner-Liedern ein.
    Leider muss ich jedoch sagen, dass ich von den verfügbaren Hörproben nicht begeistert bin; ich ziehe die historischen Aufnahmen vor.
    Die CD bietet 26 Liebeslieder und Balladen.


    Die vortragenden Künstler sind:
    Steven Kimbrough, Bariton und Dalton Baldwin, Klavier


    So weit ich weiß, singt Kimbrough auch Lieder von Kienzl, Korngold, Schönberg, Schreker, Weigl, Zemlinsky ...



  • Erstaunt stelle ich fest, dass diese von mir bereits vor etwa15 Jahren gekaufte CD neuerdings wieder im Handel angeboten wird. Olaf Bär (Helmut Deutsch, Klavier) singt hier Lieder von Conradin Kreutzer / Otto Nicolai / Hermann Goetz / Engelbert Humperdinck / Heinrich August Marschner.
    Die Titelliste des Anbieters zeigt nur 24 Titel; die mir - optisch völlig identisch - vorliegende CD hat jedoch 27 Lied-Titel, darunter die sieben Marschner-Lieder:


    Die sieben Freier / Das Flämmchen auf der Heide / Die Monduhr / Der betrogene Teufel / Der König von Thule / Die Rache / Das Lied vom alten König


  • Der Kuss ist ein weit verbreiteter Titel im Bereich der Kunst. Da gibt es das berühmte Gemälde von Gustav Klimt, die Skulptur von Auguste Rodin, einen Holzschnitt von Edvard Munch, eine Oper von Smetana ... um nur einige Beispiele zu nennen.


    Im Zusammenhang mit dem Kunstlied hat Beethovens "Der Kuss", op.128 - Text von Christian Felix Weiße, einen gewissen Bekanntheitsgrad und erzielt bei Liederabenden stets Heiterkeit im Publikum. "Ich war bei Chloen ganz allein, und küssen wollt ich sie ..."


    Das mit dem gleichen Titel versehene Marschner-Lied, op.115 Nr.2, ist nach einem Gedicht von Friedrich Rückert (1788-1866) komponiert.

    Der Kuss

    Sie sagen wohl, ein Kuß sei Scherz,
    Sie sagen wohl, ein Kuß sei Spiel,
    O wie ein Kuß mir viel aufs Herz,
    O wie ein Kuß aufs Herz mir fiel!


    Ich küsse nicht zum Scherze dich,
    Ich küsse dich aus vollem Ernst,
    Und wenn du anders küssest mich,
    So bitt' ich, daß du's besser lernst.


    Ich sage dir mit diesem Kuß,
    Daß ich die Deine bin und bleib',
    Ich sage dir, daß ewig muß
    Ich mich bekennen als dein Weib.


    Du hast das selbe mir gesagt,
    Du liebst im Ernst und nicht im Scherz,
    Und wenn mein Mund dich zweifelnd fragt,
    So küss' es wieder mir ins Herz.


    Solche Aufnahmen haben einen gewissen Seltenheitswert; ich schätze eine Interpretation mit der unvergessenen Altistin Gertrude Pitzinger (1904-1997)

  • Die vielbesungene Loreley bzw. Lorelei (es gibt noch andere Schreibweisen) wurde oft vertont, die schlichte Volksweise Friedrich Silchers hat wohl die weiteste Verbreitung gefunden.
    Auf in den letzten Jahren erschienenen Kunstlied-CDs findet man auch zunehmend die Komposition von Clara Schumann.


    Heinrich Marschner hat (soweit mir bekannt) den Heine-Text nicht in Musik gesetzt, sondern Emanuel Geibels Gedicht Unter der Loreley.
    In der mir zur Verfügung stehenden Aufnahme wird das Lied von einem Sopran und einer Altstimme gesungen und man merkt ganz deutlich, dass Heinrich Marschner ein Opernkomponist war,denn diese Darbietung erinnert doch sehr an ein Opernduett. Wie auch immer - auch diesem Marschner-Lied wäre eine weitere Verbreitung zu wünschen.


    Unter der Loreley
    Wie kühl der Felsen dunkelt
    Hernieder in den Rhein!
    Kein Strahl der Sonne funkelt
    Im grünen Wasserschein.
    Es kommt im Windesweben
    Ein Gruß der Märchenzeit -
    Wie fern von hier das Leben!
    Die Welt wie weit von hier, wie weit!


    In dieser Schattenkühle
    Der Einsamkeit im Schoß,
    Wird alles, was ich fühle,
    So still, so klar, so groß.
    Kein Wunsch mehr, kein Begehren,
    Geschlichtet jeder Zwist -
    Ich kann der Welt entbehren,
    Wo du, o Liebe, bei mir bist.


    Emanuel Geibel

  • Hallo hart,


    ich hoffe, mein Beitrag wird nicht falsch verstanden:
    Ich sehe, dass Du hier völlig alleine schreibst.
    Von dem Umstand abgesehen, dass mir H. Marschner als Liedkomponist noch völlig unbekannt ist - was sich bei mehr Zeit noch ändern kann - kann ich nicht auf noch mehr "Hochzeiten tanzen".


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zweiterbass meint, - und Mitgefühl schwingt dabei mit (das man nachvollziehen kann!): "Ich sehe, dass Du hier völlig alleine schreibst."


    Als erfahrener Taminoaner und Liedfreund musste hart damit rechnen, dass ihm dies widerfahren würde. Andererseits hat er natürlich recht mit seiner Feststellung: "...dann ist es ein Muss, diesem Komponisten auch hier ein Forum zu geben." Es ist ihm ganz sicher als Verdienst anzurechnen, dass er es unternommen hat, den Liedkomponisten Marschner hier vorzustellen und dabei das Risiko auf sich zu nehmen, ganz allein auf weiter Flur zu agieren. Ein schönes Gefühl ist das nicht!


    Hier liegt ein Grundproblem des Forums vor. Es gibt eine ganze Reihe von Liedkomponisten, denen hier ein Thread gewidmet werden müsste. Ich sage "müsste" und denke dabei vor allem an solche aus der Zeit der Jahrundertwende und des zwanzigsten Jahrhunderts. Hier hat sich in der Geschichte des Kunstliedes ungeheuer viel ereignet, und diese Komponisten hätten es ganz sicher verdient, dass man sich hier im Forum mit ihnen auseinandersetzt. Aber man würde genau dieses Risiko laufen, das hart mit diesem Thread eingegangen ist.


    Das Problem bei Heinrich Marschner ist, dass kaum einer seine Lieder kennt und dass sie auf dem Tonträgermarkt nicht zugänglich sind. Die vierzig Lieder, die hart kennt, sind ihm von der CD mit Marschner-Aufnahmen in der Edition Raucheisen bekannt. Besitzt man diese nicht, dann ist man in bezug auf Marschner buchstäblich aufgeschmissen.


    Dass Heinrich Marschner als Liedkomponist so wenig bekannt ist, liegt allerdings auch an der Qualität seiner Lieder. Hart möge es mir nicht verübeln, wenn ich dies feststelle. Sie weisen zwar sehr oft eine recht eingängige melodische Linie in der Singstimme auf. Diese ist aber wenig liedhaft, in ihrer Linienführung eher an der Arie ausgerichtet, und sie ist oft auch wenig originell.


    Was aber noch schwerer wiegt ist dieses: Für ein von Schubert und Schumann geprägtes Liedfreund-Ohr wirken die Lieder von Marschner meist wohltönend, aber letzten Endes nichtssagend. Es tut mir leid, dass ich das so hart formulieren muss, aber es ist für mich unumgänglich.


    Es fehlt völlig das, was man seit Schubert kennt und als Liedhörer auch erwartet: Eine komplexe, aus dem Zusammenspiel von Klavier und Singstimme resultierende musikalische Faktur. Die Klavierbegleitung ist bei Marschner in den Fällen, die ich kenne, in der Regel tatsächlich nichts als "Begleitung". Sie besteht aus einfachen, meist gebrochenen Akkordlinien. Vor allem aber ist sie,- und das sind der Stand des Liedes vor Schubert - , schlicht aus der melodischen Linie der Singstimme entwickelt und eben nicht selbständig.


    Dennoch bleibt gültig: Es ist gut und sinnvoll, dass Heinrich Marschner hier ein eigener Thread gewidmet wurde. Man muss gar nicht zu einem solchen Urteil kommen, wie ich es hier formuliert habe. Dann nämlich nicht, wenn man einfach Freude an schönen ariosen Melodien hat.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich sehe, dass Du hier völlig alleine schreibst


    Lieber zweiterbass,
    ich mache das aus "denkmalpflegerischen" Gründen, denn es handelt sich um Kulturgut - und wenn sich auch nur ein Mitleser findet, hat es sich rentiert.
    Aber ich hoffe auch Wissenslücken füllen zu können ... vielleicht gibt es doch jemand, der diesen F. Gleichen, den Dichter von "Der Sänger", kennt oder Hinweise zum Text geben kann.



    Dass Heinrich Marschner als Liedkomponist so wenig bekannt ist, liegt allerdings auch an der Qualität seiner Lieder


    Dass das von Helmut Hofmann kommen musste war mir eigentlich klar...
    Auch die Schumanns meinten irgendwann (wenn ich mich nicht täusche, habe ich das mal im Hause Inselstraße 18 gelesen), dass Marschner seinen künstlerischen Höhepunkt überschritten habe ...


    In Wikipedia wird Hans Joachim Moser (ein Musikwissenschaftler) wie folgt zitiert:


    „Marschner zeigt das tragische Schicksal eines in den drei wichtigsten Bühnenwerken genialen Romantikers, der dann während der Enge des Biedermeiers sich selbst überlebte und in Liedertafelei verflachte.


    Was aber noch schwerer wiegt ist dieses: Für ein von Schubert und Schumann geprägtes Liedfreund-Ohr wirken die Lieder von Marschner meist wohltönend, aber letzten Endes nichtssagend. Es tut mir leid, dass ich das so hart formulieren muss, aber es ist für mich unumgänglich.


    Also "wohltönend" ist für mich auch schon ein Qualitätsbegriff und "nichtssagend" ist mir einfach eine zu harte Aussage, aber hier sind wir dann im rein subjektiven Bereich und dass ich der Stimme bzw. der Interpretation einen hohen Stellenwert einräume ist ja bekannt.


    Das Stück "Der Sänger" in der Interpretation von Peter Anders mag etwas sentimental sein, ist aber aus meiner Sicht schön gesungene Musik; Mayrhofers "Nachtstück" ist vom Text her auch etwas sentimental - natürlich von Franz Schubert genial vertont, ich weiß ...


    Erstaunt stelle ich fest, dass diese von mir bereits vor etwa15 Jahren gekaufte CD neuerdings wieder im Handel angeboten wird. Olaf Bär (Helmut Deutsch, Klavier) singt hier Lieder von Conradin Kreutzer / Otto Nicolai / Hermann Goetz / Engelbert Humperdinck / Heinrich August Marschner.


    Hier zitiere ich mich mal wieder selbst, um zu zeigen, dass es natürlich nach Raucheisen etwas gibt und verweise auch auf meinen Beitrag vom 10. März 2011, wo eine CD mit den Künstlern Steven Kimbrough / Dalton Baldwin eingestellt wurde; hier finden sich immerhin 26 Marschner-Titel.

  • Zitat hart:


    "Also "wohltönend" ist für mich auch schon ein Qualitätsbegriff und "nichtssagend" ist mir einfach eine zu harte Aussage, aber hier sind wir dann im rein subjektiven Bereich und dass ich der Stimme bzw. der Interpretation einen hohen Stellenwert einräume ist ja bekannt."


    Ich glaube, dass ich mit dem letzten Satz meines Beitrags diesen Einwand schon sozusagen antizipatorisch vorweggenommen und ihm damit Verständnis entgegengebracht habe.


    Das Wort "musste" in dem Satz: "Dass das von Helmut Hofmann kommen musste war mir eigentlich klar... " empfinde ich als ein wenig ärgerlich. Ist aber eine ganz private Reaktion und nicht weiter von Belang!

  • empfinde ich als ein wenig ärgerlich


    Entschuldigung!
    Gott sei Dank nur ein wenig ärgerlich: Es ist nicht meine Absicht hier jemand zu ärgern, ich werde versuchen emotionsloser zu schreiben.

  • Zitat hart:


    "...ich werde versuchen emotionsloser zu schreiben. "


    Das wäre nun auch nicht gut, denn es könnte sehr langweilig werden, - hier im Forum. Es gab keinen Grund, sich zu entschuldigen. Ich sagte doch: "...nicht weiter von Belang". Das "musste" hat mich nur deshalb gestört, weil ich mir plötzlich wie so eine Art zwangsneurotischer Liedfreund vorkam. der gar nicht anders kann, als alles schlecht zu finden, was im großen Kosmos des Kunstliedes nicht das Niveau von Schuberts "Winterreise" oder Schumanns "Liederkreis op.39" hat.


    Dem ist ja nicht so! Ich habe hier schon mehrfach bekannt, dass ich eine helle Freude an Liedern habe, die ganz sicher nicht dieses einsame Niveau der erwähnten großen Werke haben. Wenn ich zum Beispiel Loewes "Graf Eberstein" höre, möchte ich am liebsten mitschmettern.


    Es ist nur eben so, dass man, wenn man gerade wieder einmal vor einem Lied der Winterreise sitzt und fassungslos staunt, wie Schubert allein schon in der Einleitung mit müde sich dahinschleppenden und zwischen Bass und Diskant hin und her pendelnden Achtelakkorden das urmenschliche Gefühl der Einsamkeit beim Hörer evozieren kann, - dann ganz einfach feststellen muss, dass zum Beipiel Marschners Lied "O kühler Wald" (op.132, Nr.2) in der musikalischen Faktur "schlicht gestrickt" ist. Das Klavier begleitet mit einfachen gebrochenen Akkorden, die so klingen, wie man sich selbst auf der Gitarre begleitet.


    O kühler Wald
    O kühler Wald,
    Wo rauschest du,
    In dem mein Liebchen geht?
    O Widerhall,
    Wo lauschest du,
    Der gern mein Lied versteht?


    O Widerhall,
    O sängst du ihr
    Die süßen Träume vor,
    Die Lieder all,
    O bring sie ihr,
    Die ich so früh verlor!


    Im Herzen tief,
    Da rauscht der Wald,
    In dem mein Liebchen geht,
    In Schmerzen schlief
    Der Widerhall,
    Die Lieder sind verweht.


    Im Walde bin
    Ich so allein,
    O Liebchen, wandre hier,
    Verschallet auch
    Manch Lied so rein,
    Ich singe andre dir!
    (Clemens Brentano)


    Dabei ist die melodische Linie so eingängig, dass man sie ohne Bedenken als schön gestaltet bezeichnen kann und ihr mit Vergnügen lauscht. Allein schon, dass Marschner einen großen melodischen Bogen über die ersten drei Verse spannt und sich damit von Brentanos Versgliederung kompositorisch löst, zeigt, dass er gestalterische Kraft besitzt und den Gehalt des lyrischen Textes in eine adäquate musikalische Struktur umzuwandeln versteht. Beeindruckend auch, wie er harmonische Wechsel einsetzt, um den Wandel der Perspektive einzufangen: Deutlich ausgeprägt besonders bei der dritten Strophe.


    Will sagen: Das ist ein Lied, das man sehr gerne hört. Aber es ist, von der musikalischen Struktur her betrachtet und bewertet, ganz sicher kein großes Lied.

  • dass zum Beipiel Marschners Lied "O kühler Wald" (op.132, Nr.2) in der musikalischen Faktur "schlicht gestrickt" ist.

    Dem kann in keiner Weise widersprochen werden, aber Schlichtheit hat für mich in der Gestaltung einen hohen Stellenwert. So habe ich erfreut festgestellt, dass hier Brentanos O, kühler Wald eingestellt wurde.
    Bei aller "Marschner-Begeisterung" kann man nicht sagen, dass die Klavierbegleitung dieses Liedes etwas Besonderes ist.


    Wer bei Marschner "mehr Klavier" (und auch Stimme) hören möchte, sollte sich für das Stück Der Sänger, op.7 mal ein knappes Viertelstündchen Zeit nehmen ...

  • Im Lied "Der Sänger" ist in der Tat, wie hart sagt, "mehr Klavier" zu hören. Man möge mich aber bitte nicht für einen Pedanten halten, wenn ich um der sachlichen Korrektheit willen anmerke: Es ist quantitativ mehr Klavier zu hören. Qualitativ ist das, was da zu hören ist, klassisches Accompagnement. Das Klavier fungiert auch hier vorwiegend als Begleitinstrument, nicht als eigenständiger Mitspieler. Es übt allerdings auch eine gewisse lautmalerische Funktion aus, vor allem in der Strophe, die eingeleitet wird mit den Worten: "Leise von den Höhen hernieder..." Das klingt sehr eindrucksvoll!


    Man möge sich aber bitte erinnern, dass in vielen Liedern Schuberts, vor allem seinen späten, das Klavier quantitativ weitaus weniger leistet, als dies hier bei Marschner der Fall ist. Aber es agiert als eigenständiger Bestandteil der musikalischen Faktur.


    In aller Deutlichkeit: Das soll kein absolutes und ausschließliches Qualitätskriterium für ein Lied sein. Hart ist ohne Einschränkung zuzustimmen, wenn er feststellt: "Schlichtheit hat für mich in der Gestaltung einen hohen Stellenwert."

  • Auf ein Lied bin ich noch gestoßen, das vielleicht ganz typisch für die Art ist, wie Marschner komponiert: „Liebe, Lied und Musikant“, auf einen Text von Hoffmann von Fallersleben.


    Liebe, Lied und Musikant!
    Eines folgt dem andern,
    Will zusammen Hand in Hand
    Durchs Gebirge wandern.


    Wenn nur eins dir erst gefällt,
    Mußt du dich ergeben,
    Und mir nach durch diese Welt
    Wie der Nachhall schweben.


    Nach einem kurzen Klaviervorspiel setzt eine melodische Linie ein, die sich in volksliedhafter Schlichtheit und mit einfach auf und absteigenden Toschritten in Form von zwei Melodiezeilen über je zwei Verse legt. Sie sind so angelegt, dass sie in je einem Bogen weit ausgreifen und zusammen eine Einheit bilden, die am Ende in die Tonika mündet. Es wird silbengetreu deklamiert, und die einzige überraschend Klangfigur ist ein bogenförmiger Tonsprung über den Worten „zusammen“ (1. Strophe) und „nach“ (2. Strophe).


    Es handelt sich um ein Strophenlied. Im Übergang von der ersten zur zweiten Strophe und am Ende des Liedes entfaltet sich ein reizvolles und ansprechendes Klavierspiel, bei dem die Melodie der Singstimme, in gebrochene Akkorde eingebettet, noch einmal aufklingt. Ansonsten beschränkt sich die Klavierbegleitung auf einen jeweils einzigen pro Takt angeschlagenen Akkord.


    Das ist verblüffend simpel, entfaltet aber im Zusammenhang mit der ebenso einfach gestalteten melodischen Linie eine Wirkung, die den frisch- und frohgemuten Geist des lyrischen Textes in kompositorisch durchaus gelungener Weise musikalisch verstärkt und hervorhebt.


    Ganz sicher bin ich mir nicht, da ich Marschner viel zu wenig kenne. Aber im Augenblick würde ich bei diesem Lied - Marschner wohlwollend - von einem durchaus raffinierten kompositorischen Understatement sprechen.

  • Bevor hart noch auf meinen letzten Beitrag hier antworten kann, - was er wohl tun wird -, möge er etwas wissen:


    Im Augenblick, nach all den Plackereien mit Schuberts "Winterreise" und all den zuweilen doch intellektuell recht hochgeschraubten Auslassungen darüber, verspüre ich mehr und mehr das Bedürfnis nach dem schönen, wohlklingenden und das Herz erfreuenden, schlichten Lied.


    Heinrich Marschner mag kein großer Liedkomponist sein, aber seinen Liedern zu lauschen, - das tut zuweilen sehr gut!

  • Bei diesem Lied handelt es sich wohl um eine Aufnahme mit Hermann Prey (dass mir die Interpreten wichtig sind ist ja bekannt). Ein Liedchen, kürzer als eine Minute, das ziemlich burschikos daher kommt und insbesondere zu Hermann Prey passt.
    Es sind aber andere Lieder, die mich zu Marschner gebracht haben. Da liegt mir O kühler Wald, Der Kuss, Ja, du bist mein oder Der Sänger weit mehr am Herzen ...


    Und dann treibt mich immer noch und immer wieder die Frage um: Ist es ein Zyklus? (Beitrag vom 8. März 2011) Wenn ich mir diese fünf Lieder betrachte, die ja eine Geschichte erzählen ...


    Beethovens An die ferne Geliebte hat zwar ein Lied mehr, aber ich sehe durchaus eine ähnliche Struktur; ebenso eine Ähnlichkeit, die Marschners Wirtstöchterlein zu Schuberts Müllerin hat.


    den zuweilen doch intellektuell recht hochgeschraubten Auslassungen darüber

    Und noch ein Seitenblick zur Winterreise unter Zugrundelegung dieses Zitats:
    Wie soll ein junger Sänger an dieses Stück herangehen, wenn er all das gelesen hat? Und wie soll oder muss ich die Winterreise hören?
    Man ist versucht an "Don Carlos" zu denken: Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!

  • Antworten an den Liedfreund hart:


    "Bei diesem Lied handelt es sich wohl um eine Aufnahme mit Hermann Prey"


    So ist es! Zu hören in der "Lied-Edition Hermann Prey", die ich in Form der vier ursprünglichen Kassetten besitze. Er hat mich hier als Sänger wieder einmal sehr beeindruckt. Wahrscheinlich ist er als Lied-Interpret sehr oft von vielen falsch eingeschätzt und unterbewertet worden.


    "Und dann treibt mich immer noch und immer wieder die Frage um: Ist es ein Zyklus?"


    Es gibt einige Faktoren, die dafür sprechen. Leider besitze ich die Noten nicht und auch sonst keine Kenntnisse hierzu, - kann also leider nicht behilflich sein.


    "Wie soll ein junger Sänger an dieses Stück herangehen, wenn er all das gelesen hat?"


    Ich glaube, Sänger gehen an ein musikalisches Werk, hier etwa die "Winterreise", anders heran als unsereiner. Ich habe hier den Mitschnitt einer Einstudierung der Winterreise durch Fischer-Dieskau und Alfred Brendel. Da wird unmittelbar von der musikalischen Faktur her gedacht und musiziert. Der analytisch-intellektuelle Faktor ist zwar vorhanden, aber nicht in der Weise dominant, dass das Resultat primär aus der Reflexion geboren würde. Denselben Eindruck bieten übrigens die Mitschnitte, die es von den Meisterkursen Fischer-Dieskaus gibt.


    Was ich sagen will ist dies: Einem Sänger könnte man mit dem, was wir hier liedanalytisch zutage fördern, zwar behilflich sein, aber in der entscheidenden Fragen, der sängerischen Umsetzung des Notentextes nämlich, nicht wirklich nützen.


    "Man ist versucht an "Don Carlos" zu denken: Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!"


    Da liegt, glaube ich, ein Missverständnis vor. Alles, was im einschlägigen Thread an Aussagen getätigt wird, ist Interpretationsangelegenheit. Es wird nicht erwartet, dass das in irgendeiner Weise verbindlich ist. Es sind Denkanstöße zum Verständnis der "Winterreise". Nicht mehr, - aber auch nicht weniger!


    "Da liegt mir O kühler Wald, ... mehr am Herzen"


    Das kann ich sehr gut nachfühlen. Dieses Lied hat es in sich!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich erlaube mir eine kleine Abschweifung vom Thema des Threads, weil ich zu meiner Bemerkung über Hermann Prey oben noch etwas ergänzend hinzufügen möchte. Ich glaube, die Stärke Preys als Liedersänger lag in seiner Fähigkeit, den emotionalen Gehalt eines Liedes stimmlich und interpretatorisch voll auszuschöpfen. Das konnte problematisch werden, wie etwa bei der "Winterreise". Aber bei weniger heiklen Liedern gelangen ihm sehr oft regelrecht überwältigende Interpretationen.


    Ich habe das an einem Beispiel einmal auf eindrucksvolle Weise erlebt: Bei dem Lied "Zwei Särge" von Friedrich Silcher. Das kannte ich in der Interpretation von Hermann Prey, und als ich dann die sehr nüchterne, fast trockene Interpretation von Cornelius Hauptmann hörte, erkannte ich das Lied kaum wieder. Ich war regelrecht enttäuscht.


    Jetzt habe ich eine Interpretation der "Winterreise" von Florian Prey, seinem Sohn, gehört. Verblüffend ist das Timbre dieses Baritons. An manchen Stellen meint meint man, seinen Vater zu hören! Er liefert allerdings eine "modernere" Interpretation des Zyklus.


    Ich bitte um Entschuldigung. Normalerweise bleibe ich hier im Forum strikt bei Thema und vermeide persönliche Meinungsäußerungen.

  • Dass hier eine Bemerkung eingeführt wurde, die mit dem Thread-Thema streng genommen nichts zu tun hat, ist nicht schlimm, weil sich das Gedränge zum Marschner-Thema in Grenzen hält.


    Das Lied "Zwei Särge" kenne ich leider nur in der Interpretation von Hermann Prey, gut gesungen - das ist keine Frage. Zu Florian Prey müsste ich zu weit ausholen (auch ich habe diese "Winterreise")


    Aber zu Cornelius Hauptmann möchte ich eine kurze Bemerkung machen:


    Soweit mir bekannt, wurde Cornelius Hauptmann lange Zeit von Elisabeth Schwarzkopf künstlerich beraten, die ja als strenge Lehrerin bekannt war. 1989 hatte ich Cornelius Hauptmann erstmals auf CD gehört, das war sieben Jahre nach seinem Debüt am Staatstheater Stuttgart.


    Diese CD bietet Balladen und Lieder von Carl Loewe. Insbesondere bei den kleinen Kostbarkeiten wie zum Beispiel "Meeresleuchten" und "Heimlichkeit" zeigt Cornelius Hauptmann Stimmkultur. Hermann Prey war eindeutig Bariton; bei Cornelius Hauptmann hört man spätestens wenn er bei "Meeresleuchten" <Pracht> singt, dass es eine Bass-Stimme ist.

  • Zitat hart:


    ..."zeigt Cornelius Hauptmann Stimmkultur"


    Ich glaube, lieber hart, wir haben uns da falsch verstanden. Vermutlich deshalb, wil ich mich missverständlich ausgedrückt habe. Dass Cornelius Hauptmann über "Stimmkultur" verfügt, das hört sogar ein Laie wie ich.


    Mir ging es um etwas ganz anderes: Um die Fägigkeit nämlich, sich stimmlich in den emotionalen Gehalt eines Liedes einzufühlen, stimmlich also seinen musikalischen Gehalt zum Ausdruck zu bringen. Und da scheint mir die eigentliche Messlatte für Sänger zu liegen, - Stimmkultur hin oder her. Elisabeth Schwarzkopf konnte das übrigens in unübertrefflicher Weise.


    Ich gebe ein Beispiel: Das Marschner-Lied "O Kühler Wald", das ich inzwischen sehr liebe (harts Thread sei Dank!), würde ich gar gerne mal von Hermann Prey gesungen hören. Ich bin mir völlig sicher: Ich würde es noch mehr lieben als in der Interpretation, die mir hier vorliegt. Der von Hanns-Heinz Nissen nämlich.


    Jetzt werde ich wahrscheinlich wieder hören, was für ein großartiger Sänger dieser Mann war. Ich werde das sogar akzeptieren, denn ich kenne ihn gar nicht und habe keinerlei Ahnung von seinen sängerischen Verdiensten. Aber man verzeihe mir diesen naiven Wunsch: Dieses Lied, gesungen von Hermann Prey, das wäre wirklich ein Geschenk für mich.


    Leider unerfüllbar (wie sogar ich weiß).

  • Bisher wurden in diesem Thread genau ein Dutzend Marschner-Lieder besprochen. Nach längerer Pause soll nun für Interessierte ein Überblick gegeben werden, was dem „normalen“ Liederfreund nach heutigem Stand (und meinem Wissensstand) alles an Informationen zur Verfügung steht.


    Das sind 30 historische Aufnahmen aus der Raucheisen-Edition (Aufnahmen der 1940er Jahre) mit diesen Interpreten:
    Peter Anders / Lore Hoffmann / Margarete Klose / Hanns-Heinz Nissen / Gertrude Pitzinger /
    Tresi Rudolph / Arno Schellenberg / Marie-Luise Schilp / Karl Wolfram


    Marschner-Lieder in der Interpretation von Steven Kimbroug
    Die meisten der 26 Lieder, die Steven Kimbroug (Aufnahmejahr 1996) singt, sind für den Kenner der historischen Aufnahmen neu, nämlich die Lieder:


    Treu, süßes Mädchen / Komm, komm und fort / Der König von Thule / Trennung / „Leonore“ / Das Flämmchen auf der Haide / Der Fischerknabe / Meine Lieb ist ein Bächlein / Nachtgesang / Die Rache / Auf die Berge muss ich gehen / Er liebt und reitet fort / Marchese del Orco / Im Frühling / War eine Ratt´ im Kellernest / Serenade / Tanzlied / Ave Maria


    Erfreulicherweise sind alle Liedtexte im Booklet abgedruckt.


    Über einige dieser Lieder soll in den nächsten Tagen etwas gesagt werden, auch über Lenore, die mitunter auch mal als Leonore bezeichnet wird.

  • Treu, süßes Mädchen


    Treu, süßes Mädchen, lieb' ich Dich !
    O gib dein Herz auch mir !
    Vom Leben trennt' ich leichter mich,
    viel leichter als von Dir !
    Drum wende Dich nicht ab, mein Lieb,
    O wende Dich nicht ab;
    ich werde was da kommen mag
    Dich lieben bis ans Grab !

    Sieh, eh' vergißt die Lerch' ihr Lied
    beim ersten Morgenschein,
    eh' mich Dein Auge treulos sieht,
    eh' ich vergesse Dein !
    Drum wende Dich nicht ab, mein Lieb',
    o wende Dich nicht ab !
    Ich werde was da kommen mag
    Dich lieben bis ans Grab !


    Diese CD beginnt mit einem unspektakulären Lied; an Sänger und Pianisten werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Das Klavier dümpelt als Hintergrundmusik dahin und man kann sich voll auf den Text konzentrieren. Eines der typischen Lieder, die niemals eine weite Verbreitung finden werden, weil keine ergreifende oder mitreißende Melodie erkennbar ist. Die Emotionalität geht also hier ganz vom Text aus. Dieses Stück würde sich als Hochzeitsgesang eigentlich besser eignen als das allgegenwärtige „Ave Maria“(das – siehe oben – auch in einer Marschner-Version vorliegt). Die rot dargestellten Textstellen, werden von der Singstimme wiederholt – nachdem der Gesang endet, klingt das Lied noch mit fünfzehn Klaviertakten so schlicht aus, wie es begonnen hat.

  • Lenore ist ein recht unscheinbares Lied; der Vortrag dauert kaum länger als eine Minute; kein Vor- oder Nachspiel ; in der letzten Zeile „Für mich und meine Braut“ verabschiedet sich der Sänger mit ganz verhaltener Stimme. Dieses Lied ist ein Beispiel dafür, dass auch "unspektakuläre" Musik schön sein kann.

    Den Text findet man in Des Knaben Wunderhorn, Teil II, wo man informiert wird: (Bürger hörte dieses Lied in einem Nebenzimmer)
    In diesem Buch sind insgesamt 12 Strophen abgedruckt – hier wird die 1. / 3. und 7. Strophe gesungen.


    In anderen Publikationen und auch im Booklet wird als Textdichter Ludwig Pfau genannt. Auf der vorliegenden CD ist das Lied auch mal mit „Leonore“ benannt, aber das ist vermutlich ein Druckfehler. Der rot markierte Text wird von der Singstimme wiederholt.

    Lenore
    Es stehn die Stern am Himmel,
    Es scheint der Mond so hell,
    Die Todten reiten schnell:


    Der Hahn beginnt zu krähen,
    Und singet an den Tag,
    Nicht lang mehr bleiben mag.


    Auf einer grünen Haide,
    Da ist mein Haus gebaut,
    Für mich und meine Braut.


    Text aus dem Buch:


    Lenore.
    Der Hahn der thät schon krähen,
    Er singt uns an den Tag,
    Nicht lang mehr bleiben mag.

  • In meinem Beitrag Nr. 2 vom 3. März 2011 hatte ich geschrieben:


    Sein Todestag ist der14. Dezember 1861, vielleicht fällt jemandem die Jahreszahl auf ...


    Und siehe da, es ist tatsächlich jemandem aufgefallen. Der Lehrer (für Mathematik und Physik) Alexander Aschoff aus Bielefeld, der auch eine klassische Gesangsausbildung hat, brachte anlässlich des 150. Todestages von Heinrich Marschner eine Auswahl der schönsten Klavierlieder des Komponisten heraus.
    Die Edition enthält auf 100 Seiten 21 Lieder und Romanzen Heinrich Marschners.


    Der Inhalt des Buches stellt sich so dar:


    Der Sänger (Op. 7)
    Sängers Genesung (Op.30 Nr. 6)
    Es ist vorbei (Op. 35 Nr. 2)
    Kennt ihr die Wunde (Op. 35 Nr. 3)
    Wasserfahrt am Morgen (Op. 61 Nr. 3)
    Es ist umsonst, drum gute Nacht (Op. 86 Nr. 5)
    Der Morgentau (Op. 87 Nr. 2)
    Maisuna im Zelte (Op. 90 Nr. 1)
    Nach „Reinmar der Alte“ (Op. 92 Nr. 4)
    Die süße Dirn von Inverness (Op.103 Nr. 1)
    Du liebst mich (Op. 106 Nr. 3)
    Der Himmel hat eine Träne geweint (Op. 113 Nr. 4)
    Diebstahl (Op. Nr. 114 Nr. 2)
    Über Nacht (Op. 115 Nr. 5)
    Liebesmut (Op. 115 Nr. 6)
    Fort auf die Bergeshöh´ (Op. 116 Nr. 3)
    Verloren (Op. 123 Nr. 1)
    Die sieben Freier (Op. 128 Nr. 1)
    O kühler Wald (Op. 132 Nr. 2)
    Frühlingstreiben (Op. 165 Nr. 1)
    Abschied (Op. 168 Nr. 6)


    Die fett gedruckten Titel sind auf der Internetseite von Alexander Aschoff zu hören.