Basso cosmopolita: Der endlich zu entdeckende ANTON DIAKOV

  • Ein weiterer markanter Bassist, dessen Vielseitigkeit, ja geradezu Universalität, sich auf „offiziellen“ Tonträgern nur ganz spurenhaft, jedenfalls völlig unzureichend, verfolgen lässt, sei als Nächster der Aufmerksamkeit gesangsbegeisterter T-Forum Mitglieder anempfohlen: ANTON DIAKOV, der absolut gleichrangige letzte Repräsentant im Sextett seiner bulgarischen Landsleute in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Christoff, Arié, Ghiaurov, Petkov, Ghiuselev – und eben Diakov. Als Varlaam in Karajans so opulenter wie spektakulärer „Boris-Godunov“-Produktion in Salzburg 1965-67 trat er (nach Studien und Anfängen in Rom, Milano/Torino, NYC) furios auf die internationale Opernbühne – der Mitschnitt stellt uns eine Art zweiten Boris Christoff vor Ohren; ein Eindruck, der sich später präzisierte und zugleich nivellierte in einer akustischen Profilvielfalt, die für viele Genres, Fächer und Stile jeweils angemessen variable Farben und Ausdrucksgesten bot. Weil die Positionen des italienisch-slawischen Erstfachbasses – profondo und cantante – auf den Spitzenbühnen der Welt, vor allem aber auf den Großlabels, mit den beiden Vermarktungsprotagonisten Christoff und dann Ghiaurov, neben Jahrhundertbässen wie Siepi und Starbesetzungen wie Frick, Talvela, Ridderbusch, Crass + einem Halbdutzend weiteren, gleichsam „besetzt“ war, musste sich Diakov (30 Jahre lang fest an einem Stammhaus, nämlich dem größten Dreispartentheater der Schweiz: Basel) auf international ausgedehntes Gastieren verlegen – und die Reihe seiner Auftrittsbühnen, Gast- und Produktionspräsenzen umfasst das gesamte Musiktheater-Universum auf fünf Kontinenten. Weil er, wie ähnlich u.a. Schlüter, Wegner, Windgassen, Neidlinger, Greindl, von Rohr, Kohn, einem Heimathaus mit festen Terminkontingenten jahrzehntelang treu blieb, konnte er ein Rollenspektrum von enormer Breite erarbeiten und darbieten: italienisches, französisches, selbstverständlich slawisches Repertoire, aber auch Mozart und Wagner. Wo er keine Opernauftritte hatte, wie z.B. in Berlin, kam er als Konzertsänger in Oratorium und Lied umfassend zum Zuge, mit einem Programm von Bach und Händel über die Klassik und Romantik inkl. Raritäten bis zur Moderne, darunter Ur- und Erstaufführungen. Geradezu grandiose Dimensionen nahm seine Befassung mit dem slawischen und russischen Lied an; hier steht seine Leistung in den 1960-1980ern solitär neben der Boris Christoffs, aber in weit varianterer und enzyklopädischer Dokumentation; es gibt an die 1.600 Liedeinspielungen, von Glinka und Borodin bis Vladigerov und Tscherepnin. Diakov war auch als Autor, Musikhistoriker und Rundfunkmoderator tätig. Seine tönende Hinterlassenschaft ist eine Entdeckung wert, will sagen: verlohnt es, endlich multiplikativ rezipiert zu werden. Eine Textarbeit über ihn ist greifbar: KUS@ku-spiegel.de

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Es scheint, dass zur Zeit lediglich der genannte Karajan-Mitschnitt greifbar ist, bei amazon auch als mp3 zum download.



    Ein Rezensent beklagt die schlechte Tonqualität der Aufnahme, vielleicht gibt es eine remasterte Quelle? Ferner hat Karajan Diakov in einer Matthäuspassion besetzt, die aber nurmehr antiquarisch zu bekommen zu sein scheint.


    Danke für den Hinweis auf Diakov. Bin gespannt auf Tonträgerhinweise.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Von interkontinentaler Medienresonanz allzu wenig beachtet, gastierte Anton Diakov seit den 1970er Jahren an großen und größten Opernbühnen. So als Pate im Jahrmarkt von Sarotschinsk und als Varlaam an der Mailänder Scala; als Sarastro, Kaspar und Raimondo an der Wiener Volksoper; als Sparafucile und Guardiano an der Württembergischen Staatsoper; als Méphistophélès an der Bayerischen Staatsoper, als Eremit an LaMonnaie Brüssel; als Varlaam an der Grand-Opéra Paris und am Covent Garden London; als Alvise am Teatro de Liceu in Barcelona; als Rocco und Hunding am São Carlos Lissabon; als Grande-Inquisitore, Guardiano und Don Pizarro in Zürich; mit den Hoffmann-Bösewichtern, Sparafucile und Arkel am Grand-Théâtre de Genève; mit Wagner und deutschen Fachpartien in Rom, Turin, Parma, Lyon, Toulouse, Bordeaux, Nantes, Lille, Marseille; mit gemischtem Repertoire in Graz, Köln, Bremen, Mannheim, Kiel. Einen späten Höhepunkt erreichte seine Gastlaufbahn mit Auftritten im befreiten Südafrika, so 1989 in Johannesburg mit Mozarts Bartolo und Commendatore, Beethovens Rocco und Nicolais Falstaff. Inzwischen wuchs Diakovs Basler Repertoire in allen Fächern auf den vermutlich stärksten Umfang unter den osteuropäischen Fachkollegen seiner Epoche an, vor allem im französischen Fach (so mit Frère Laurent, Conte Des Grieux und Don Quichotte), natürlich russischer Oper (so mit Fürst Gremin und Kotschubej) und in Wagner-Werken (so mit Daland, Landgraf, König Heinrich, Marke, Hagen, Gurnemanz).

    Anton Diakov ist in Produktionen der Schallplattenindustrie spärlich vertreten, in Rundfunkarchiven hingegen gut. Auf Tonträgern, wechselnd in verschiedenen Ländern und Märkten, wird er immer wieder mal greifbar: in Bachs Matthäus-Passion unter Karajan, in Händels Samson unter Markevitch, in Verdis Requiem unter Frühbeck de Burgos, in Dvoráks Stabat Mater unter Dohnanyi, als Varlaam nochmals unter Bertini und Segal, früh auch als Rangoni neben Christoffs Boris, Pimen und Varlaam in dessen zweiter Gesamtaufnahme des Boris Godunov unter André Cluytens, neben Gorr und Vickers als Abimelech und Alter Hebräer in Georges Prêtres Gesamteinspielung von Saint-Saëns’ Samson et Dalila, in Prokofievs Krieg und Frieden (neben Ghiuselev und Petkov) unter Rostropovich, in Wagners Meistersingern unter Kubelik, in Liedzyklen russischer Komponisten und mit osteuropäischer Folklore, sogar mit Loewe-Balladen. Bei europäischen Rundfunkanstalten hat er vielfältig Lieder und Konzertstücke eingespielt. Er arbeitete als Produzent und Moderator für die SRG-Sender Bern und Genf; von ihm stammen die Sendefolgen „Vokalmusik der Süd- und Ostslawen“ und „Die Wurzel der orthodoxen Kirchenmusik“. Der Hinweis, dass er in einer 11CD-Edition beim HAfG dokumentiert ist, wird mir sicher wieder als "Reklame" ausgelegt.


    Man muss Diakov mal mit einem Gustostück gehört haben. Ich bin dabei, eines in YouTube zugänglich zu machen.


    Bis dahin Grüße vom KUS

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Schade, dass ich offenbar kein Interesse für den beachtlichen Sängerdarsteller Diakov mobilisieren kann.


    Vielleicht gelingt es hiermit:



    http://www.youtube.com/watch?v=vkVsCVfZWqQ



    Für mich gehört das in eine Reihe mit Christoff.


    Ziemlich begeistert grüßt:


    KUS

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...