Todestonart - Trauertonart - Was gibt es noch???

  • Hallo liebe Taminoraner!


    Wie gestern/heute angekündigt, nun ein neues Thema:


    Zitat

    von mir
    dies steht im Zusammenhang mit der gewählten Tonart g-Moll, welche auch als Todestonart bezeichnet wird(dazu werde ich morgen oder besser gesagt heute, einen neuenThread starten, denn den Gedanken hege ich bestimmt schon 4 Wochen!).



    Und zwar gab es mal bei mir im Unterricht die Diskussion über Mozarts 40. Sinfonie...
    Ich hatte es schon angesprochen, mit der Todessehnsucht...


    Jedenfalls meinte mein Lehrer, g-Moll sei die Trauertonart und Mozart drücke seine Trauer (wäre ja auch möglich, der Ulli hat es hier ja auch gesagt) aus.


    Ich versuchte, etwas dazu herauszubekommen und mit ein wenig Hilfe, bekam ich einen Link zugeschickt, wo Harnoncourt folgendes sagt:
    Es ist nicht die Todestonart, das ist g-Moll.


    Davor sagt er:
    d-Moll ist die Tonart großer Trauer


    Harnoncourt nannte eine weitere Tonart, die eine solche Bedeutung hatte, oder "die generell für etwas steht":
    D-Dur: Das ist die königliche Tonart, die Tonart der Trompeten, die Tonart des strahlenden Herrschers, des Siegers.


    Das Interview findet ihr hier.



    Soweit ich mich nicht irre, hat eigentlich jede Tonart eine bestimmte Bedeutung. C-Dur ist doch (so glaube ich) die Sonnenscheintonart.


    Mich würde eure Meinung zu diesen Namensgebungen interessieren. Wie seht ihr das? Kann man Tonarten solche Stimmungen und Namen geben?


    Und kennt ihr noch andere Namen für Tonarten?



    Ich bin mal ganz gespannt, wer sich im Bereich der Tonarten aukennt :D



    Viele Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik


    Interessante Sache, am besten, wir erweitern das Thema als allgemeine "Tonartencharakteristik".


    Das hat mit der Stimmung zu tun. Unsere heutige "gleichschwebende" Stimmung ist ja im Prinzip unsauber und "gleichgeschaltet". Es gibt ja x verschiedene Arten zu stimmen, beispielsweise gibt es mehrere "Kirnbergerstimmungen" etc. etc.
    Und wenn man in einer alten Stimmung ein Stück in eine andere Tonart transponiert, dann verändert sich tatsächlich der Charakter des Stücks, weil die 12 Halbtonschritte eben nicht relativ gleichmässig verteilt sind, sondern weil es da Unterschiede gibt.
    Es gibt Dutzende alte (Lehr-)Bücher zur Tonartenästhetik, Mattheson dürfte das bekannteste geschrieben haben.


    Ich werde recherchieren, aber Ulli oder andere Spezialisten werden sicher einiges zum Thema spontan schreiben können.


    Gruß, Markus

  • Lieber Maik ,
    Friedrich Gulda hat , nachdem er während eines Konzertes nach einem Satz durch Apllaus unterbrochen worden war , süffisant angemerkt:
    "Es freut mich , dass Ihnen das leuchtende D-Dur so gefallen hat" .
    Ausser Mozart , um den es hier ging , soll laut Gulda auch Chopin , der ihn bewunderte , eine besondere Affinität zu D - Dur gehabt haben .
    Viele grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Hallo Maik


    Interessante Sache, am besten, wir erweitern das Thema als allgemeine "Tonartencharakteristik".


    Hallo Markus,


    mit der Erweiterung habe ich keinerlei Probleme!!!
    Sorgt dann sicher für mehr Gesprächsstoff!
    Danke




    @Frank
    Danke für dieses Zitat! Es bestätigt ja auch Harnoncourts Ansicht, dass D-Dur strahlt...



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Soweit ich weiß, stellt E-Dur einen majestätischen, erhabenen Charakter dar.


    Von anderen Tonarten habe ich mal was gelesen, da müsste ich nochmal nachsehen, ob ich das finde.



    Gruß, Peter.

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  • Lieber Maik ,
    es wäre interessant herauszufinden , ob es weitere Originalzitate von Künstlern zu und über bestimmte Tonarten gibt .
    Beste Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Salut, Maik,


    Was Mozart’s g-moll betrifft, so muss ich doch ausführen, dass ich eine Todessehnsucht darin zwar für möglich halte, diese aber fast ausschließen kann. Dem link folgend können meine Ausführungen diesbezüglich nachgelesen werden.


    Ansonsten: schönes Thema!


    Grundsätzlich glaube ich, dass jeder Komponist seinen eigenen Tonartenkreis im Laufe der Zeit gebildet und angewendet hat. Ob dies Parallelen aufweist, wird hoffentlich dieser Thread im weiteren Verlauf zeigen. Ich kann mich nur zu Mozart äußern. Es ist kaum möglich, jeder Tonart eine Eigenschaft zuzuordnen. Im Einzelnen, der Reihe nach und nach Ton-Geschlecht getrennt:


    C-Dur ist bei Mozart die göttliche Tonart. Die überwiegende Anzahl an Messen und geistlichen „Nebenwerken“ Mozarts stehen in C-Dur. Hier soll vielleicht das “Reine“, „Unverfälschte“, die „Unschuld“ sich widerspiegeln. Wie sind aber die Ouvertüren zur Entführung oder zu Cosí fan tutte diesbezüglich zu beurteilen? Ein Appell an die Zucht? Mozart als Moralapostel?


    D-Dur dürfte das weltliche Pendant zu C-Dur sein: Eine strahlende, helle, glänzende Tonart, die oft für höhere weltliche Anlässe verwendet wurde [„Krönungskonzert“ KV 537, viele Sinfonien, Serenaden und Cassationen].


    E-Dur ist bei Mozart selten erhaben, majestätisch. Es könnte sich maximal auf Oh statua gentilissima aus dem Don Giovanni bezeiehen. E-Dur ist ebenso wie A-Dur eher der Liebe zuzuordnen.


    Es-Dur dürfte eine gewisse Feierlichkeit, Huldigung, vielleicht ein bisschen das Heroische ausdrücken. Man vergleiche hierzu die Chöre in La clemenza di Tito und Die Zauberflöte sowie deren Ouvertüre, Die Sinfonie KV 543.


    G-Dur könnte naiv, locker, unbelastet sein: Eine kleine Nachmusik, „Der Vogefänger bin ich ja“ oder verschiedene Violin- bzw. ein Flötenkonzert/e.


    A-Dur ist bei Mozart mit Sicherheit die Tonart der Liebe. Die Liebes-Arien und –Duette stehen zumeist in dieser Tonart: Là ci darem la mano [Don Giovanni], Un’ aura amorosa [Cosí fan tutte], O wie ängstlich, o wie feurig [Entfürung].


    c-moll ist nicht die Tonart der Traurigkeit, sondern erhabener Feierlichkeit. So sind z. B. die „Waisenhausmesse“ KV 47a und die „Große“ Messe KV 417a aus erhöhten feierlichen Umständen heraus entstanden. Das Fragment der c-moll-Messe plante Mozart ursprünglich als Messe für seine eigene Hochzeit – sicherlich kein trauriger Anlass. [?]


    d-moll ist schwer einzuordnen. Vielleicht ist diese am ehesten die „Todestonart“, nicht zuletzt durch das Requiem. Ähnliche Gefühle vermitteln auch das Klavierkonzert KV 466 und das Streichquartett KV 421, Kyrie KV 341, Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen [Zauberflöte]


    g-moll – endlich! – dürfte die Tonart der Traurigkeit und des Leidens sein: Traurigkeit ward mir zum Lose [Entführung], Zum Leiden bin ich auserkoren [Zauberflöte], Padre, germani, addio! [Idomeneo], Da schlägt die Abschiedsstunde [Schauspieldirektor], Ach, ich fühl’s es ist verschwunden, ewig hin der Liebe Glück… [Zauberflöte].


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Ulli ,
    Du schreibst , dass c - Moll n i c h t die Tonart der Traurigkeit , sondern der erhebenen Feierlichkeit sei .
    Ich hatte in der gymnsaialen Oberstufe ja einen Musiklehrer , der dies genau umgekehrt sah und erläuterte .
    Sein Paradebeispiel war Mozarts Klavierkonzert c-Moll , KV 491 .
    Bis heute (!) suche ich in den verschiedensten Interpretationen diese "Traurigkkeit" .
    W i e kann es zu solchen entgegengesetzten Deutungen kommen ?
    Herzlich,
    Frank
    PS.: Es ist nu wirklich ein berü+hmtes Klavierkonzert ! F.

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Ulli,


    herzlichen Dank für diese fantastische Auflistung!


    Zitat

    Ob dies Parallelen aufweist, wird hoffentlich dieser Thread im weiteren Verlauf zeigen


    Als ich deinen Beitrag las, ist mir sofort eine kleine Parallele eingefallen.


    Zitat

    Es-Dur dürfte eine gewisse Feierlichkeit, Huldigung, vielleicht ein bisschen das Heroische ausdrücken. Man vergleiche hierzu die Chöre in La clemenza di Tito und Die Zauberflöte sowie deren Ouvertüre, Die Sinfonie KV 543.


    Als ich das las, musste ich an Beethovens 3.Sinfonie denken. Denn die Eroica ist ja auch ein heroisches Werk! Da ich nicht wusste in welcher Tonart es stand, sah ich schnell nach und siehe da: in Es-Dur.


    Eine kleine Parallele...


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Lieber Frank,


    Traurigkeit ist - wie alles - relativ. Vergleiche einmal die Traurigkeit Bach's mit der Mozart's. Es liegen Welten dazwischen. Die Traurigkeit bei Bach wird nicht wzingend durch die Wahl des moll-Geschlechtes ausgedrückt [vgl. Doppelkonzert c-moll BWV 1060 - ist das traurig?]. Oder Mozart: Das alla turca, zwar a-moll, aber immerhin moll. Traurig? Oder ist Beethovens Klavierkonzert c-moll traurig? Nein, es ist festlich. Neben dem d-moll Konzert ist KV 491 [c-moll] Beethovens Lieblingskonzert gewesen. Von Traurigkeit ist in diesem Konzert nicht die Spur... hinzu kommt, dass Mozart das Eröffnungsthema bei Carl Ditters von Dittersdorf "geklaut" hat und volle Kanne durch den Kakao zieht... vielleicht hat das Konzert eher heroische züge?


    Man kann seine Traurigkeit auch in einer tiefen, feierlichen Erhabenheit ausdrücken. Als Beispiele seien noch genannt die Serenade c-moll KV 388, Nachtmusique genannt. Gedacht für eine kleine Bläser-Kapelle. Mozart schreibt:


    ... ich habe geschwind eine Nacht Musique machen müssen, aber nur auf harmonie, [sonst hätte ich sie für Sie [nämlich für die Festlichkeit im Haffnerschen Hause] auch brauchen können].


    Mozart gibt ganz klar an, dass das Werk für eine festliche Gelegenheit geeignet ist, nur die Besetzung [Bläserensemble] passt nicht.


    Die Frage ist eigentlich, wie man Traurigkeit definiert resp. interpretiert.


    Im Autograph des Klavierkonzertes c-moll KV 491 schreibt Mozart übrigens vor dem Ende der Reprise/Übergang zur Coda "dal segno". Das ist bei ihm üblich, um sich viel Schreibarbeit zu ersparen. Als "segno" benützt er vier lustige Männergesichter! [Faksimile in der NMA abgedruckt].


    Maik: Manche Fährten habe ich absichtlich gelegt... ;)


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Hallo, Maik!
    Ein interessantes Thema, über das ich auch schon häufiger nachgedacht habe!
    Hätte ich das gewußt, hätte ich gestern zu Mozarts g-moll-Symphonie einen thread eröffnet, die hat glaube ich auch noch keinen, aber das kann sich ja noch ändern.



    Zu a)
    Ich sehe in Mozarts vorletzter Symphonie auch keine Todessehnsucht. Die "Todestonart" ist für mich, nicht nur bei Mozart, am ehesten d-moll, vor allem wegen Mozarts Requiem und Schuberts Der Tod und das Mädchen. "Trauertonart"? Ich weiß nicht. Der erste Satz des Klavierquartetts g-moll klingt jedenfalls für mich nicht traurig, eher beethovensch-aufbegehrend.
    Zu b)
    Bei Bach stimmt das wohl. D-dur ist seine "Pauken- und Trompeten-Tonart".
    Zu c)
    Ich denke, man darf das mit der Tonartensymbolik nicht überbewerten. Manche Komponisten haben sich wohl Gedanken darüber gemacht, andere nicht. Daher ist es auch von Komponist zu Komponist, auch von Werk zu Werk anders zu beurteilen.
    Eine solche Namensgebung für Tonarten ist als Definition der Tonart meiner Ansicht nach unsinnig, als Beschreibung des Charakters dieser Tonart in vielen Werken (wird wohl nicht immer einheitlich sein) mag es manchmal ganz treffend sein.
    Es gibt auch häufig persönliche Vorlieben für gewisse Tonarten, z.B. bei mir für d-moll.


    Frage von mir: War den "alten" Tonarten, wie "phrygisch" oder "lydisch" eigentlich ein bestimmter Charakter angedacht?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Leute


    Mir persönlich fällt auf, dass in der Romantik für Liebesszenen und andere lyrische Sachen sehr häufig Des-Dur verwendet wird.


    Beispiele:


    G. Verdi: Rigoletto, Duett Herzog/Gilda + Romanze des Herzogs im dritten Akt; Aida, Duett Aidas mit Amorasno; La Traviata, "Di provenza il mar il sol", Arie des Germont
    G. Bizet: Carmen, Arie des Don Jose, "Blumenarie"
    F. Chopin: Regentropfen-Prelude, auch der lyrische Mittelteil des berühmten Trauermarsches steht in Des-Dur
    F. Liszt: Consolation Nr. 3?
    E. Grieg: Klavierkonzert, 2. Satz
    A. Dvorak: Symphonie Nr. 9, 2. Satz


    Woran dies liegt, weiß ich nicht, vielleicht ist es auch nur Zufall. Sicherlich ist Des-Dur aber eine Tonart, die z.B. am Klavier hervorragend liegt und sehr gut spielbar ist.
    Auch für Sänger liegt sie gut, man kann, was Verdi dann beispielsweise oft macht, sehr schön einen Dominantseptnonakkord schreiben, wo dann der Tenor auf dem hohen B schön glänzen kann (bzw. der Bariton auf dem Ges), bevor man wieder zurück geht in die Tonika.


    Gruß,
    Flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Zum Thema "Tonartencharakteristik" habe ich da vor längerer Zeit einen großartigen Link gefunden. Da stehen Ansichten von Komponisten und Musiktheoretikern aus 300 Jahren ohne Wertung aufgelistet. Aber mit der gleichschwebenden Stimmung der Instrumente sind diese Charakteristika sowieso sehr undeutlich gemacht worden, und ich glaube ferner, eine so rigorose Einteilung ist selbst in reiner Stimmung unmöglich.

  • Ein toller Link...danke sehr!
    Jetzt kann man den Thread ja fast schließen ;) :D

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo,
    hier ein bisschen alte Tonartensymbolik aus der Zeit der Opern Monteverdis und der Florentiner Camerata....


    E-Dur --> Liebesentbehrung
    a-Moll/A-Dur --> Liebessehnsucht
    d-moll/D-Dur --> è per la música... ;-)
    g-moll/G-Dur --> Zärtlichkeit der Liebe
    B-Dur --> wilde Festesfreude
    und zu guterletzt:
    C-Dur --> Liebesvereinigung


    Naja, ihr merkt schon, an was die alten Herren die ganze Zeit gedacht haben...


    Mit lieben Grüßen,
    momo

    "Orgel spielen heißt, einem mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen offenbaren!"
    Charles-Marie Widor

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