Gesamtaufnahme oder Einzelaufnahmen ? Versuch einer Betrachtung

  • Gesamtaufnahme oder Einzelaufnahmen ?


    Eigentlich ein immer wieder aktuelles - und daher oft erörtertes Thema.
    Ein Einsteiger - oder aber auch ein Neuling auf einem Spezialgebiet möchte "Rasch und billig" zu einer repräsentativen Sammlung eines Spezialgebietes (beispielsweise alle Symphonien eines Komponisten) kommen, dabei nicht allzuviel investieren - und fragt im Forum an.


    Sofort wird ihm von derlei Vorhaben abgeraten - Einzelaufnahmen seine in jedem Falle vorzuziehen - und nun folgt ein Schwall von gut 400 Einzelaufnahmen die man "unbedingt haben muß"


    Der Fragesteller fühlt sich jedoch verunsichert, sooo sehr wollte er sich eigentlich gar nicht engagieren.


    Wollen wir mal nachsehen was für Vor- und Nachteile der Erwerb von Gesamtzyklen hat.


    Es ist hiebei eher bedeutungslos um welchen Komponisten es sich handelt. Nehmen wir aber mal Mahler (weil der grad so aktuell ist)


    Es gibt hier verschiedene Gesamteinspieliungen, von denen jede ihre Stäreken und Schwächen hat. Eines jedoch haben ALLE gemeinsam: Jede vermittelt ein subjektives Gesamtbild, welche sich der betreffende Dirigent von Mahler gemacht hat, soll heissen, man kennt nach dem Kauf nicht etwa alle Mahler-Sinfonien (so man sie überhaupt härt- bei Gesamtaufnahmen bleibt viles ungehört im Archiv stehen - das Hören wird "auf später" verschoben...) sondern lediglich die Sicht EINES Dirigenten auf alle Mahler Sinfonien. Ob man beispielsweise Bernstein oder Gielen kauft- dazwischen liegen Welten.
    Na gut - aber es gibt doch auch verschieden "Mix" Collektionen -mit verschiedenen Dirigenten. Ist sowas empfehlenswert ?
    Bedingt ja.
    Aber man sollte sich vor Augen halten, daß es eben ein "Mix" ist.
    Was bedeutet das ? "Schlechte Aufnahmen"? Nicht unbedingt.
    Aber eben ein mix. Zwei oder drei "legendäre" Aufnahmen werden als "Aufhänger verwendet - vorzugsweise solche, deren Aufnahmetechnik nicht unbedingt auf dem letzten Stand ist.
    Das misch man nun mit eim weiteren Teil "berühmter Namen" die bei den von ihnen gewählten Einspielungen "nicht ihren besten Tag" hatten oder, deren Einspielungen von noch besseren ein wenig ins Abseits geraten sind. Das restliche Drittel füllt man mit Aufnahmen, deren Verkaufszahlen einfach unbefiredigend waren, sei es durch schlechte Kritiken, eine langweileige Interpretation oder schlechte Tontechnik, aber auch durch Zufall bedingt...


    Reichen solche Einspielungen für den Interessenten ?


    Das hängt davon ab.
    Wann man dem gewählten Komponisten ohnedies ein wenig reserviert gegenübersteht (und grade dann ist die Versucheung zum günstigen "Pauschalkauf" besonders groß) dann KÖNNTE es sein, daß gar nichts dabei ist, was einen "mitreisst" - und man hat sich auf diese Art auf einige Zeit den Zugang verbaut.
    Persönlich halte ich es so, daß ich bei Komponisten denen ich mißtraue - entweder eine ganz billige Einzelaufnahme erwerbe - mit dem Ergebnis, daß die Faszination ausbleibt - was ich schon vorher wusste - oder aber die "Beste" nehme. Gefällt sie mir dann nicht- so weiß ich daß es wahrscheinlich aussichtslos ist, einen zweiten Versuch zu starten (Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel).....


    Mein Tip - vor allem an jüngere Klassikfreunde.


    EINE Einzelaufnahme die allgemein empfohlen wurde - kaufen und INTENSIV hören. Bei Gefallen dann nach ein bis 2 Monaten - je nach Geldbeutelfüllung oder Kontostand die nächste dazukaufen - es ist nicht anstrebenswert mit 30 schon alles was je komponiert wurde im CD-Schrank zu haben....man freut sich auch in den folgenden Jahren über Neuentdeckungen...


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch eine Frage der Zeit. Sinfonien werden in der Regel scheibchenweise aufgenommen. Bei sehr guter Kritik kauft man sie häufig sofort. Würde man abwarten, bis der ganze Zyklus fertig ist (man weiß aber nie, ob er es wird) käme es günstiger für den Geldbeutel. Bei Opernaufnahmen ist es genau umgekehrt. Erst erscheint die GA, vielleicht später der Querschnitt. Häufig würde aber der Querschnitt reichen, nicht immer. Beim EMI-Querschnitt des Don Giovanni mit Prey und Wunderlich hätte ich lieber die GA gehabt. Die gibt's es ja nun Gott sei Dank aus Köln von der DG. So könnte man dies unendlich fortsetzen. In einem anderen Thread las ich gerade von einem Neumitglied über die Beethoven-Sinfonien mit Järvi dass die 4. gut gefallen hat, aber die anderen so alala. Nur wegen der 4. würde ich auch nicht die GA kaufen. Ich hab sie einzeln teuer erworben, weil ich sie alle haben wollte. Und mir gefallen sie auch ganz gut. Im Alter wird man nicht nur milder, sondern oftmals auch großzügiger, was das Sammeln betrifft. Man weiß ja nie, wie lange man noch sammeln und hören/sehen kann.


    Liebe Grüße aus Burgdorf bei Hannover, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich erachte den Kauf von Boxen, sei es jetzt mit verschiedenen Dirigenten oder eines Dirigenten bei Opern oder Sinfonischen Werken, sofern der Preis stimmig sein sollte, durchaus als richtig.
    Auf diesem Wege hat man die preiswerteste und bester Möglichkeit sich mit dem Schaffen eines Komponisten vertraut zu machen.
    Wir können hier nicht pauschal davon ausgehen das sich jeder eine Sammlung von großem Ausmaß ins Regal stellen will, auch halte ich es für ungerechtfertigt 15 - 20 Euro für eine Aufnahme auszugeben , wenn man zum gleichen Kurs eine komplette Box der gesamten Sinfonien oder Opern eines Komponisten oder eines Musikers bekommen kann.
    Außerdem dürfen wir hier nicht immer von uns auf andere schließen, nicht alle haben das gleiche verständnis für Musik und auch nicht alle haben das Verlangen dieses entwickeln zu wollen.
    Nicht jeder hat wie ich bereits mit 42 eine Sammlung und einen Überblick wer was wann eingesungen hat, viele habe dieses erst zum Ende ihres Lebens erreicht.
    Somit stehen wir in der Verpflichtung Rat zu geben aber dieser Rat muß von Person zu Person unabhängig gegeben werden und kann keineswegs pauschalisiert werden, das halte ich im höchsten Maße für unseriös.
    Ich Rate jedem, der sich mit dem Werk eines Komponisten nur am Rande beschäftigen will zu einer preiswerten Box, weil hier das Preisleistungsverhältnis für meine Begriffe stimmiger ist.
    Haben wir hier aber jemanden vor uns, der sich mit einem Komponisten im Detail auseinandersetzen will, oder eine Person die von einem Künstler einfach mal eine CD hören möchte oder ist es jemanden der das Klangerlebnis in drei bis vier D genießen möchte, weil hier der technisch perfekte Klang im Vordergrund steht, für den ist sicherlich der Kauf einer einzel CD Ratsammer.
    Aber wie schon gesagt hier muß man abwägen, was für die betreffende Person im Vordergrund steht.

  • Lieber Alfred, liebe Taminoianer,


    Zitat

    EINE Einzelaufnahme die allgemein empfohlen wurde - kaufen und INTENSIV hören.


    das kann man in der Tat gar nicht oft genug sagen. Es kommt nicht auf die Größe und/oder Qualität der Sammlung, sondern auf die Intensität der tatsächlich stattgefundenen Hörerlebnisse an.


    Lieber einmal im Monat eine Flasche wirklich guten Weines mit Genuss zu zweit getrunken als ... hm.


    In den ersten Jahren bin ich allerdings beim CD-Kauf - wie wohl die meisten - anders verfahren: Ich habe mir eine passable Gesamtaufnahme besorgt und diese dann mit "Perlen" ergänzt. So hatte ich dann auch Vergleichsmöglichkeiten. Die Gesamtaufnahme muss keine hochprofilierte sein, es ist vielleicht sogar besser, wenn es nicht gerade Gardiner, Jacobs, Bernstein oder ein ähnlich "extremer" Dirigent ist.


    Beispiele in der Sinfonik wären Mozart mit Böhm, Beethoven mit Günter Wand, Schumann mit Sawallisch, Bruckner mit Günter Wand (erster Zyklus), Brahms mit Karajan (70er Jahre), Dvorak 9 mit Kubelik, Tschaikowsky 6 mit Abbado, usw. usw.


    Ich habe solche Aufnahmen "weiße Interpretationen" genannt, weil sie die Extreme meiden, die jeweiligen Werke sehr gut darstellen und einen Hintergrund bieten, vor dem sich tendenziösere Interpretationen gut abheben.


    So wurden die o. g. Aufnahmen ergänzt mit Harnoncourts Mozart, Eroica mit Klemperer, Beethoven 5.+7. mit Carlos Kleiber und Furtwängler, Schumann mit Bernstein, Bruckner 4. mit Karajan, Bruckner 5. mit Barenboim, Bruckner 8.+9. mit Giulini, Brahms 1. mit Furtwängler, Brahms 4. mit Carlos Kleiber, Tschaikowsky mit Mrawinsky usw. usw.


    Diese "Vergleichsinterpretationen" habe ich dann in der Tat sehr intensiv gehört - mit großem Gewinn.


    Bei Mahler hatte ich mit den DG-Aufnahmen Bernsteins begonnen, was mich wohl recht einseitig prägte.
    Zitat:
    man freut sich auch in den folgenden Jahren über Neuentdeckungen


    Wer das wirklich will und sucht, der wird im 20. und 21. Jahrhundert natürlich auch dann in immer wieder beglückender Weise fündig, wenn er das Standard-Abonnementskonzert-Repertoire schon in mindestens zehn verschiedenen Versionen im Schrank hat.


    __________________

  • Ich sammle ja nun sehr komponistenbezogen und dabei verschiedene herausragende Werke oder Werkgruppen auch häufiger.


    So habe ich z.B. von den 9 Sinfonien Beethovens alleine 24 Gesamtaufnahmen, auch seine Klavierkonzerte, Sonaten, Violinkonzert, Streichquartette, Missa Solemnis, Fidelio jeweils in mehreren Aufnahmen, die neunte Sinfonie sowie das erste, dritte und 5. Klavierkonzert noch dazu in weiteren Einzelaufnahmen. Das liegt auch an so simplen Gründen, dass z. B. Künstler wie mein Lieblingspianist Swjatolsaw Richter nur Beethovens 1. und 3. Klavierkonzert aufgenommen haben.


    Von vier Komponisten habe ich auch jeweils eine Gesamtaufnahme aller Werke: Bach, Beethoven und Mozart. Bei Brahms und Haydn überlege ich noch, jedoch habe ich von beiden jeweils schon weit über 100 CD's in meiner Sammlung.


    Insgesamt habe ich die meisten CD's von Beethoven (knapp 600), Mozart (kanpp 500), Bach und Schubert (jeweils über 200).
    Ein ende ist noch nicht abzusehen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Also wenn man bedenkt, dass es heute durchaus ernst zu nehmende Gesamtaufnahmen von Gustav Mahler für 25 – 30 Euro gibt (Inbal, Sinopoli, Bernstein, Levine, Chailly…), d.h. ca 3 Euro je Sinfonie, dann ist das schon verlockend. Vor allem wenn man „Sammler“ ist und nicht nur einen der Zyklen haben möchte (wohl wissend, dass nicht alle Interpretationen innerhalb einer Box höchsten Ansprüchen genügen mag). Das macht schon Sinn, zumal ein Einzelkauf auch nur so recht Spaß macht, wenn man die Originaleinspielungen mit dem Originalcover kauft. Und da wird’s dann, falls überhaupt noch vollständig erhältlich, teuer.
    Ob so ein Unterfangen dann bei Bach, Mozart oder Haydn noch recht Sinn macht, muss jeder für sich entscheiden. Mir ist eigentlich schon meine 9-CD-Box mit 24 Mozartschen Klavierkonzerten (Gardiner) zu „unübersichtlich“. Und doch freu ich mich, dass ich sie habe.


    Allerdings erinnere ich mich auch noch an Zeiten, wo ich mir nur alle Nase lang eine Platte/ CD kaufen konnte und die dann so intensiv hörte, dass sie mir quasi in Fleisch und Blut übergegangen ist. Spätere Käufe mit mehreren CDs wurden dann niemals mehr in dieser Intensität angehört, da man immer schon die nächste im Blick hatte.


    Ich denke, zum intensiv kennenlernen sollte man sich peu-á-peu Einzel-CDs zulegen; zum Sammeln je nach Disposition Original-Einzel-CDs oder eben die preislich unschlagbaren Boxen

  • Zum intensiven Kennenlernen eines Solisten ist es zu empfehlen, Einzelaufnahmen zu kaufen. Soll jedoch Musik ganzheitlich erlebt werden kommt man nicht umhin, Gesamtaufnahmen anzuschaffen. Eine gute Alternative waren die gelungen Opernquerschnitte, die in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts vor allem bei der EMI produziert wurden. Diese damals überaus sorgfältig konzipierten, beliebten "Renner" wurden technisch ausgezeichnet digital remastert und ab 2001 wieder als CD neu veröffentlicht. Eine interessante Variante, um wenigstens die Höhepunkte einer Oper konzentriert, zeitsparend zu erleben. Ausgezeichnete Vergleiche erlauben auch "Sammel-CDs", in denen wie beispielsweise bei der bei EMI Classics erschienenen CD "Bassissimo" eine ganze Reihe der großen Bassisten, wie Frick, Böhme, Ridderbusch, Moll, Crass usw. in großen Bassarien gehört werden können.
    Kritisch zu sehen ist m. E. allerdings das durchaus erfolgreiche Konzept von Klassikradio, bei dem sehr gezielt aus einer Oper, Sinfonie oder Oratoium ausschließlich nur die Filetstücke herausgeholt und präsentiert werden. Daduch ensteht ein verfälschter Eindruck beim Hörer.
    Fazit: Der Musikfreund sollte also seine Erwartungen, für welchen Zweck er die Aufnahme möchte, definieren und dann entsprechend gezielt einkaufen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Im Prinzip würde ich nur Einzel-CD´s kaufen, weil man dann zu jeder CD und der Musik sein eigenes intensives Verhältnis aufbauen kann.


    Bei den Bruckner-Sinfonien mit Karajan (DG) und bei den Schostakowitsch - Sinfonien mit Roshdestwensky (Eurodosc) hat mir das sehr gut getan. Jeder CD-Kauf aus diesen Zyklen war ein Freunde und Spannung. Zudem war es gar nicht einfach so nach und nach alle Einzel-CD´s zu bekommen. Mit jeder CD verbinde ich dann auch noch eine Örtlichkeit (den Besuch einer Stadt, wo die CD her war).


    Thomas Knöchel har es bereits angesprochen: Der heutige Preis von GA-Boxen (manchmal 2Euro pro Werk) führt dazu, dass ich auch von Werkzyklen fast nur noch GA kaufe (soweit diese überhaupt vorliegen). Dann ist die Freude auf den Neukauf zwar zunächst nur einmal da, aber dann hat man gleich alles komplett und kann sich auf den Inhalt konzentrieren. Damit kann ich heute auch sehr gut leben.


    :D Eine gewisse Schadenfreude über die Leute, die meine GA ´n teuer als Einzel-CD´s gekauft haben, kann ich mir nicht verkneifen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Man muss hier unterschiedliche Dinge berücksichtigen.
    Opern- oder Oratorienquerschnitte spielen heute m.E. für den ernsthaften Hörer keine Rolle mehr, da es zum Kennenlernen zu viele sehr preiswerte Gesamtaufnahmen gibt. Das war natürlich vor 40 Jahren und auch teils noch vor 25 Jahren am Beginn des CD-Zeitalters anders. (Unter der überschaubaren Anzahl von Klassikplatten meiner Eltern gab es u,a, die ersten 4 Kantaten des Weihnachsoratoriums mit Richter in einer Club Edition sowie einen "langen Querschnitt" auf zwei LPs (statt 4 oder 5) von Münchingers Einspielung der Matthäuspassion.)
    Klar kann man sagen, dass man sich einzelne Aufnahmen kaufen und die bewußt und immer wieder anhören soll. Als Neuling von über 20 Jahren habe ich das weitgehend auch so gemacht, allein aus finanziellen Gründen (wenn ich die Sachen nicht eh im Radio mitgeschnitten oder von Freunden überspielt habe). Die Beethoven-Sinfonien wollte ich aber sofort komplett auf CD haben, da habe ich mir die damals günstigste Einspielung (Kegel/Dresden) schenken lassen. Es gab Ende der 1980er zwar schon einiges in midprice-Serien, aber weit weniger und außerdem war ich teils auch auf die DDD-Werbung reingefallen.


    Von Bruckner und Mahler habe ich bis heute noch keine kompletten Zyklen. Die habe ich ab etwa 17 mir peu a peu einzeln zugelegt, da ich auch noch gar nicht wusste, ob mir die alle gleichermaßen gefallen würden. Die erste Box, die ich hier gekauft habe, war die mit Levine vor ein paar Wochen.


    Anderswo habe ich natürlich viele Boxen und Gesamtaufnahmen, bei anderen habe ich aber auch bewusst verzichtet (teils, weil mir Stichproben reichen und ich den Überblick nicht ganz verlieren wollte), so z.B. bei den Beethovenzyklen von Zinman und Barenboim, wo ich nur je zwei bis drei Scheiben besitze.


    Was würde ich heute einem (relativen) Anfänger raten? Dem absoluten Anfänger würde ich wohl raten, Radio zu hören, sich CDs von Bekannten oder aus Bibliotheken auszuleihen usw., um überhaupt festzustellen, was ihm gefällt.
    Ansonsten würde ich durchaus Gesamtaufnahmen empfehlen, nicht zuletzt aufgrund des Preises. Eigentlich ohne Bedenken bei überschaubaren "Zyklen" wie z.B. den Sinfonien von Brahms, Schumann, Beethoven, Sibelius. Das sind maximal 5-6 CD und etwa 4-10 Werke, wenn man ohnehin weiß, dass man die letztlich alle haben will, muss man hier nicht einzeln kaufen und es ist auch nicht soviel Musik, dass man das nicht in einigen Wochen bewältigen könnte. Bei Bruckner und Mahler oder z.B. Beethovens Streichquartetten ist es etwas mehr. Letztere kann man in mittlerer Körnung kaufen (also früh, mittel, spät), ich habe mir vor 20 Jahren nach einer Einzel-CD gleich eine GA geholt. Bei Bruckner und Mahler eben nicht, weil sie mir zu teuer waren und weil ich, als die Boxen vor ein paar Jahren billiger wurden, schon genügend Einzel-Aufnahmen hatte. Bruckner 1+2 (oder gar 0 und 00) sind ebenfalls nicht oft einzeln zu haben.


    Der nächste Punkt ist oft, dass es mühselig sein kann, einzelne Werk überhaupt einzeln zu kriegen, weil sie fast immer nur im Rahmen von Zyklen aufgenommen werden. Es wird also nicht nur teurer, sondern aufwendig. Das gilt z.B. für die frühen Sinfonien von Dvorak oder Tschaikowsky oder auch für einige Mozartschen Klavierkonzerte und Beethovens Sonaten. Bei den letzten beiden habe ich auch einige Jahre Einzel-CDs gekauft, dann aber doch eine GA. Es ist einfach ein Umstand, eine teure CD wegen eines einzelnen Werks das noch fehlt (und mit einem Füller, den man schon dreimal hat)


    Aus solchen Überlegungen heraus habe ich letztlich auch GesamtBoxen von Haydns Sinfonien, Quartetten, Klaviersonaten gekauft, nachdem ich schon etliches einzeln hatte, weil das einfach zu teuer und zu mühsam ist. (Bei Haydns Quartetten geht es inzwischen opusweise ganz gut, wenngleich nicht billig, vor 10 Jahren konnte man das vergessen, außer man nahm die Naxos-CDs).
    Solche Boxen habe ich nicht gekauft, um sie sofort am Stück durchzuhören, sondern um die Sachen komplett zu haben. (Ich habe sie im Falle Haydns aber irgendwann alle komplett gehört, nur eben nicht auf einmal.)


    Ähnliches gilt für die (oft historischen) Interpretenboxen. Die Aufnahmen sind einzeln oft gar nicht, oder nur zu absurden Preisen erhältlich. (Die Sony-Bernsteinbox habe ich trotzdem nicht gekauft, selbst wenn ich seine Hindemith-Sinfonie oder Haydn Nr.88 dann vielleicht nie hören werde. Ich werde es überleben.)


    Letztlich ist "Schneller Kaufen als Hören Können" erstmal unabhängig von Boxen, nur geht es natürlich leichter mit...


    Von mir letztlich also ein Pro GA in vielen Fällen, ungeachtet einiger kleiner Bedenken. (Und meinem Eindrucke nach kaufe ich selbst in den letzten Jahren sehr viel weniger Boxen als viele andere Leute in Internetforen...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Alfred,


    Entscheidend für eine Kaufberatung in Sachen Klassik sind zunächst Fragen.


    Warum willst du Klassik hören?


    Was hörst du sonst?


    Dann einfach genau zuhören.


    Man kann niemanden sein Glück aufzwingen. Aber Radio hören ist immer ein guter Tip. Ich habe hier im Forum z.B. gelernt, auf diese kleinen, fast schüchternen Beiträge in einer Wust von blumigen und grandiosen Musikbeschreibungen zu achten. Dahinter haben sich für mich wahre Meisterwerke verborgen.


    Viele Grüße Thomas

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Box oder Einzelausgabe? Letztendlich macht´s der Preis bei mir aus, denn warum soll ich mir eine Einzel-CD kaufen, wenn ich für den Preis der selbigen teilweise zwei Boxen mit GAs desselben Komponisten bekomme? Beispiel: die Hindemith-Aufnahmen bei der DG oder die Martinu-Sinfonien bei Brilliant (jeweils 3 CDs für ca. 8.- €).
    Bei dieser Vorgehensweise bin ich bis jetzt wesentlich öfter positiv überrascht, denn enttäuscht worden. Der Korrektheit sei aber gesagt, dass dies vorzugsweise für unbekanntes gilt. Bei bekanntem Repertoire schaut es schon etwas anders aus, da ist es bei mir schon üblich, dass mir ein spezielles Werk auch auf zahlreichen Einzel-CDs in unterschiedlichen Interpretationen vorliegt.
    Das einzige, gegen das ich mich vehement ausspreche sind Opernquerschnitte, selbige rangieren bei mir auf dem gleichen Level, wie "die besten Adagios aus Mozarts Klavierkonzerten" o.ä.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Bei mir gibt es verschiedene Aspekte, warum ich lieber zu Boxen greife als zu Einzelaufnahmen:

    • Aus einem Guss.Wenn ich eine Box, sagen wir, Symphonien oder Konzerte, von einem Interpreten (bzw. Interpretengespann) erwerbe, erkenne ich (bei guten Boxen) den Interpretationsansatz und wie er auf alle entsprechenden Werke des Komponisten angewandt wird. Umgekehrt befreit mich das beim Vergleich der Werke davon, verschiedene Interpretationsansätze zu 'filtern', sondern erlaubt mir, mich auf die Werke zu konzentrieren: wie entwickelt sich das Beethovensche Klavierkonzert, wie baut Mahler seine Welten auf etc. Wie ich nicht müde werde zu betonen: ich bin stets mehr am Werk und dem Komponisten als der Interpretation interessiert. Wenn ich die andere Sichtachse auch noch betrachten möchte, kaufe ich einzelne Werke ergänzend oder eine zweite Gesamtaufnahme. Die 'perfekte' Aufnahme gibt es m.E. fast nie zu einem Werk, also suche ich mir eine Gesamtaufnahme, die mir in ihrer Gesamtheit am meisten zusagt, mit deren Hilfe ich den Zugang zum Werk bekomme.
    • Das Unbekannte. Mitunter kaufe ich mir eine Box, weil ich eines oder mehrere Werke daraus besitzen möchte. Ich suche z.B. Beethovens Klavierkonzerte 3-5, Schuberts Symphonien 5,8 und 9 (oder wie man die auch immer gerade numeriert), Dvoraks 1., und 5-9. Zwangsläufig, wenn ich mir dann eine entsprechende Box zulege, sind da Werke drin, die ich noch wenig oder gar nicht kenne. Das gehört bei mir dazu: dann werde ich 'verleitet', mich mit diesen Werken auch noch auseinanderzusetzen. Manchmal entdecke ich dann noch regelrechte Juwelen, manchmal lerne ich, dass ein Werk zu recht eher vergessen wurde. Aber in jedem Fall erweitere ich wieder meine Werkkenntnis und meinen Überblick.
    • Der Preis. Wie meine Vorredner schon sagten: durch die "wunderbare Boxwerdung" (so drückte es am Freitag ein CD-Verkäufer meines Vertrauens aus) sinkt der Preis der Einzel-CD i.A. erheblich. Ich bin nicht geizig, aber verschenken möchte ich auch nichts. Wenn die CDs günstiger sind, kann ich mehr verschiedene erwerben...


    Manchmal ergänze ich die Boxen um einzelne weitere Aufnahmen.