Wie hoch ist der Anteil der Klassikhörer ?

  • Eigentlich ziemlich merkwürdig, daß dieser naheliegende Thread sein Entstehen einem Zufall verdankt. Ich hatte irgendwo die Quote der Klassikhörer sehr niedrig angesetzt, wobei ich mit einer ARD Studie konfrontiert wurde, welche wesentlich höhere ermittelt haben will.


    Meines Wissens nach ist in Wien die Quote der Klassikhörer weltweit am höchsten - natürlich die japanischen Musikstudenten mit eingerechnet.
    Ich erinnere mich dass damals ein Wert von 8 - 10 % ermittelt wurde (ich persönlich glaube, daß er realistisch unter 5 % liegt) Für London wurde damals ein Wert von 3,2% ermittelt in den USA unter 2 %


    Man müsste nun noch definieren was man unter "Klassischer Musik" versteht, vor einigen Jahren schnellte die Anzahl der Klassikkäufer (weil man ist ja an diesen interessiert und an sonst nichts) rasant in die Höhe - nämlich weil man die Filmmusik zu "Titanic" als "klassische Musik" eingeordnet hatte


    Man denke mal darüber nach, wie viele Klassikfreunde man persönlich kennt, sei es im Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Leben (soweit bekannt) Man erinnere sich an die vielen Bücher über all die Schreihälse der Popmusik, und die bescheidene Auswahl an Klassikliteratur. Keine mir bekannte Wiener Buchhandlung hat ein Exemplar von U. Schreibers "Opernführer für Fortgeschritten" auf Lager, dafür jede Menge an Biographien von struwelköpfigen Schreihälsen, die irgendwann durch eine Überdosis an Rauschgift ins Jenseits gesegelt sind, und nach denen eigentlich kein Hahn mehr krähen sollte - aber offensichtlich doch noch kräht......


    Also machen wir uns nichts vor - Klassikfreunde sind eher selten und kommerziell allmählich unbedeutend....


    Oder ??



    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    keine Frage, was Du dort als persönliche Umgebungswahrnehmung schilderst, stimmt mit meiner subjektiven Einschätzung exakt überein: der klassische Einschlag in meinem Umfeld ist dürftig.


    Dass ich verblüfft war, als ich diese angeblichen Zahlen aus der ARD-Studie und aus dem österreichischen Forschungsbericht sah, liegt auf der Hand. Dabei war dies nur ein ad-hoc-google, und wer die Zeit findet, kann hier mal in der Tiefe nachsuchen und die Texte auch wirklich lesen. Denn die von Dir gestellten Fragen müssen natürlich vorab geklärt werden, vor allem: welcher Klassikbegriff wurde hier zugrunde gelegt.


    Nachfolgend einkopiert das angesprochene Google-Ergebnis:
    Zitat:
    Original von Ulrich Kudoweh
    Die ARD-E-Musik-Studie 2005 kommt für Deutschland zu ganz anderen Ergebnissen zum Thema Höreranteil Klassische Musik:
    hatetepe://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/05-2006_Oehm
    ichen.pdf
    die für ein Stadtgebiet wie Wien allein schon auf ein Vielfaches anzunehmender Klassikhörer schließen lassen.


    Auch für Österreich ist der Klassikhöreranteil erhoben worden:
    hatetepe://www.unet.univie.ac.at/~a0206158/Forschungsbericht_Musikkonsum.do
    c#_Toc147299765
    er liegt zwischen 21 und 63 %, für ein Stadtgebiet wie Wien tendenziell im höheren Segment.


    Für den neu zu eröffnenden Fred steht also ausreichend Futter zur Verfügung

  • Wie hoch ist der Anteil der Klassikhörer ?


    Recht unterschiedlich !


    In Städten mit Theater/Opernhaus wahrscheinlich höher als auf dem flachen Land, wo ich herkomme. Aber auch dort ist der Klassikanteil nicht unbedeutend.
    In meinem Freundeskreis, ca. 20, alles Klasikliebhaber. Ich hab mir meine Freunde danach ausgesucht und sie vermutlich mich. Nur mit meiner Frau habe ich nicht soviel Glück gehabt, die steht auf Gianna Nanini und Peter Maffay und schenkte mir zum 66sten von Maffay "Die wilden Jahre sind vorbei" Na denn. Ich werd's überstehen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich kann mir schon vorstellen, dass ein recht hoher Anteil der Europäer ab und zu mal Klassik hört (und somit zum "Klassikhörer" gezählt werden darf).


    Klassischer Rock dürfte verbreiteter sein.

  • Mein lieber Bernward!


    Burgdorf liegt doch garnicht so weit von Hannover weg, daher müßte es da "auf dem Land" doch viele Klassikliebhaber geben. Ich kenne Hannover und daher auch Burgdorf noch aus meiner Militärzeit und daher auch das Opernhaus. Dort habe ich meine ersten Gesangsstunden von einem Privatlehrer bekommen. Mein Kompaniechef und Spieß waren Opernliebhaber und ich mußte bei bestimmten Anlässen vorsingen.


    Gottseidank habe ich eine Frau die auch die Klassik liebt und auch Opern hört. Mit ihr kann ich auch über Sänger diskutieren. Leider nicht über Richard Wagner.


    Gruß Wolfgang

    W.S.

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  • Die zitierte ARD_Studie zeigt u.a., dass sehr unscharf ist, was in den unterschiedlichen Untersuchungen überhaupt mit "Klassikhörer" gemeint ist.


    Da reicht mitunter schon, wenn jemand nicht wegschaltet, wenn im Autoradio Klassik läuft. Andererseits wird eingeräumt, dass Wenig-Radiohörer freilich nicht erfasst werden, selbst wenn sie sonst sehr viel Klassik hören.


    Ich erinnere mich, dass es in den Statistiken der Phonoindustrie 1998 oder so einen gewaltigen Sprung der "Klassik-Verkäufe" gegeben hat... weil der Film-Soundtrack zu "Titanic" aus unerfindlichen Gründen zu "Klassik" gezählt wurde.


    kommerziell unbedeutend?
    Das kommt sehr darauf an. 10% von einem milliardenschweren Markt (nicht zu reden von erhelblichen öffentlichen Mitteln wie beim Rundfunk und anderswo) sind noch immer sehr viel Geld. Dass das sehr unterschiedlich verteilt ist und die einen scheffeln, während die anderen herumkrebsen, ist kein Alleinstellungsmerkmal des Musik/Kulturbereichs...


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Der Cellist Daniel Müller-Schott weist heute in einem Interview mit dem general-anzeiger-bonn.de -> lokales | kultur darauf hin, dass er bei dem Rockfestival in Roskilde vor 20.000 Hörern das Erste Cellokonzert von Shostakovich aufgeführt habe. Er glaube schon, dass es auch so möglich sei, neues Publikum für die Klassik zu gewinnen. In Roskilde habe man mit einer Verstärkeranlage gespielt, der Lärmpegel sei gigantisch gewesen, da die Leute sich weiterhin unterhalten hätten. Es sei ihm darum gegangen, "dieses Werk den Menschen richtig ein(zu)brennen!"


    Ääääh - richtig einbrennen? Wie auf CD-Rom? Den Menschen?


    Also auch so lässt sich der Klassikhöreranteil offenbar erhöhen, unter den richtigen Voraussetzungen bis auf 100 % - lasst sie sich einfach weiter unterhalten, dann tut das Einbrennen nicht so weh.

  • An meiner Schule waren ca. 1.000 Schüler, davon um die 100 in einem der Schulchöre. Bach, Mozart, Mendelssohn, Brahms, Orff, ... auch Beatles, ja, aber viel Klassisches.


    Ich leitete mal einen Männerchor in einem Dorf, das hatte 300 Einwohner. Davon 25 in diesem Männerchor. Schubert, Mendelssohn, Silcher, Grieg, ... sicher, auch Musical-Titel oder Spirituals, aber eben auch Klassisches. Und nicht zu knapp.


    Ich kann mir vorstellen, dass die Ergebnisse einer solchen Studie sich je nach Auftraggeber unterscheiden mögen. Wenn die Klassikabteilung des WDR sie beauftragt, sind sie eventuell anders, als wenn PRO7 oder KabelEins die Studie bezahlen.

  • Wolfram beschreibt das ja zutreffend, wie solche Studien zu bewerten sind.
    Eigentlich wird diese Frage besser beantwortet, wenn man in den übers Land verstreuten Drogeriemärkten, die auch CDs verkaufen, nach KLASSIK sucht. Das dürfte wohl ein realistisches Bild geben.
    Sicher frindet man da eher Hansi Hinterseer als Hans Hotter ...
    .

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  • Zitat

    Also machen wir uns nichts vor - Klassikfreunde sind eher selten und kommerziell allmählich unbedeutend....


    Das mag sein oder auch nicht. Die Frage ist auch, was "kommerziell bedeutend" heißen soll. Wichtig fände ich, dass wir nicht "kommerzielle Bedeutung" mit "künstlerischer Bedeutung" verwechseln. Sonst wären nämlich die Fantastischen Vier bedeutender als die Wiener Philharmoniker.


    Gemäldesammler sind kommerziell gesehen vermutlich noch viel unbedeutender als Klassikfreunde, trotz zum Teil sehr hoher Stückpreise. (Das ist eben auch ein Anzahlproblem.) Dennoch wird niemand deswegen auf den Gedanken kommen, die Bildende Kunst als Ganzes für unbedeutend zu halten.


    Also bitte: Anständig argumentieren, seriös bleiben.

  • Ich höre während meiner Arbeit classic fm Uk über wlan Radio. Viele meiner Kunden fragen dann ganz interessiert was ich für einen Sender höre und wie man ihn empfangen kann. WDR 3 finde ich ist das schlecht gemachteste öffentlich rechtliche Klassikprogramm, da sind andere Programme wie Bayern Klassik schon besser, die wenigstens die Premieren der Bayerischen Staatsoper live übertragen. Aber hier in NRW scheint das ja nicht möglich zu sein. Wenn ich zu Hause Besuche habe, schalte ich schon automatisch das Radio aus, da die meisten meiner Bekannten mit klassischer Musik überhaupt nichts anfangen können. Durch meine Opernbesuche habe ich in den letzen Jahren 5 sehr gute Freunde kennen gelernt. Wenn wir nicht zusammen in Oper gehen treffen wir uns ein mal im Monat zu unserem Opernstammtisch. Dem Wirt war das zwar auch ganz neu das es sowas gibt und er meinte nur: Solche Menschen muss es ja auch geben.

  • Lieber Wolfgang 9079,


    Du hast ja vollkommen recht. Ich wohne erst seit 3 Jahren in Burgdorf, vorher 31 Jahre in Hannover. Geboren und aufgewachsen im Untereichsfeld, nähe Duderstadt. Sporadische Besuche im Opernhaus während meiner Junggesellenzeit bis 1984. Erste Oper in Hannover Hoffmanns Erzählungen, aber auch Tosca, Barbier, Fidelio usw. usw. Aber Salzburg war leider besser, von München und Wien ganz zu schweigen. Letzter großer Obernabend in Hannover waren in einer Gala die Meistersinger mit Weikl, Jerusalem und Prey.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Zitat

    Original von Bernward Gerlach
    Nur mit meiner Frau habe ich nicht soviel Glück gehabt, die steht auf Gianna Nanini und Peter Maffay und schenkte mir zum 66sten von Maffay "Die wilden Jahre sind vorbei" Na denn. Ich werd's überstehen.


    ...und hoffentlich liest sie nicht in diesem Forum...


    Aber ehrlich: alles zu seiner Zeit. Ich oute mich: ich besitze zwar keine CDs von Peter Maffay - ist nicht meine Richtung - aber einige von Gianna Nanini. Was solls, ich bin eben vielseitig.


    Ist es Dir nie gelungen, mit der Methode 'steter Tropfen' zumindest Interesse bei Deiner Frau für die Musik zu wecken?


    Zum Topic: Mein Empfinden ist erschütternd. Ich habe in meinem beruflichen Umfeld noch niemanden getroffen, der meine Musikfreude teilt. Das sind mittlerweile bestimmt schon dreistellige Personenzahlen; wer davon überhaupt mal ein Konzert besucht, ließe sich an einer Hand abzählen - von klassischem CD-Kauf ganz zu schweigen.


    Ich bin umgeben von Ignoranten und mein Arbeitsplatz ein Hort der Diaspora mit meinem iPod...




    .

  • Zitat

    Original von travinius:
    "Ist es Dir nie gelungen, mit der Methode 'steter Tropfen' zumindest Interesse bei Deiner Frau für die Musik zu wecken?"


    Doch, doch, aber bitte nicht den ganzen Tag Arien Königin der Nacht, Arie der Olympia, Traviata usw. usw.


    Und auf keinen Fall Wagner und Schubert-Lieder !


    Im forum kann sie nicht lesen, da ich ihr mein passwort nicht verrate. Im Übrigen hasst sie Computer wegen der vielen Kabel im Büro und sie darf sauber machen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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