Muzio Clementi - Die Sinfonien

  • Längere Zeit habe ich drüber nachgedacht welch originellen Titel ich diesem Thred geben könnte um die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken. Dann entsann ich mich all der unglückseligen Aussagen über Clementi, schon seit Mozart. Auch wenn in einem anderen Thread festgestellt wurde, daß Mozarts Herbe Kritik an Clementi ("nicht für einen Kreutzer guten Geschmack") seinem Klavierspiel galt -und nicht seinen Kompositionen, so blieb doch etwas davon hängen und schadete der Reputation Clementis.


    Hier im Forum war das Interesse an Clementi bisher eher gering - obwohl es schon zwei Threads über ihn gibt, wovon der eine allerdings von einem User gestartet wurde, der ein Büchlein über Clementi geschrieben hatte und immer wieder (erfolglos ??) versuchte den Tamino-Mitgliedern zu verkaufen.


    Andrerseits wurde die von mir hier erneut vorgestellte CD.Box von Brilliant (ursprünglich von ASV) von einem weiteren User verrissen - und wir hatte hier in der Vergangenheit User, wenn die etwas vernichtend rezensierten, so war das ein geschmackliches Dogma für alle jene, die sich nicht so auskannten. Aber auch hier wurde vorzugsweise das Spiel des Orchesters beanstandet - nicht die Werke selbst - ein Mitglied fand die Aufnahme aber immerhin besser als jene unter Bamert mit den Mozartplayers - womit wir bei der Wiedergabe an sich wären.


    Aber wiederum litt indirekt Clementis Popularität darunter. Deshalb: Keine Experimente von meiner Seite - ein sachlich kurzer Threadtitel. Es geht um Clementis Sinfonien, die - an ihrer Schönheit gemessen - viel zu unbekannt sind




    Die Brillant Version ist via Link mit Klangbeispielen versehen....



    und


    sind die ursprünglichen ASV Ausgaben der oben abgebildeten Box, die zusätzlich noch das Klavierkonzert UND zwei weiter Sinfonien enthält


    Womit wir schon bei der Frage wären: Wieviele Sinfonien hat Clementi eigentlich geschrieben ?


    Rasch zu Hand mit dem berühmten Harenberg Konzertführer. Gleich werden wir es wissen.......
    Schnell geblättert - und da steht: NICHTS
    Der Sinfoniker Clementi existiert für Harenberg ganz einfach nicht !!!


    Irgenwie findet man dann doch heraus, daß es zwei komplette Sinfonien gibt mit der Opuszahl 18 jeweils Nr 1 und 2


    Aber es gibt 4 weitere - alle finden sich auf der von mir gezeigten Brilliant Box. sie sind sämtlich ohne opuszahl - und zudem noch unkomplett. Dem italienischen Komponisten Alfredo Casella ist es zu verdanken, daß wir sie trotztdem hören können. Er komplettierte und bearbeitete sie , sodaß sie aufführbar sind. Um die Sache verwirrender zu machen, werden diese Sinfonien ebenfalls ab Nr 1 beginnend durchnummeriert.


    Ja- wie soll es nun weitergehen ? sollen wir etwas über die Einspielung sagen - oder ein paar Worte über die Wichtigsten Sinfonien verlieren.
    Vielleicht hat aber jemand eine der Sinfonien schon gehört und will uns seine Eindrücke schildern.


    Ich schrieb an anderer Stelle ich könne schwer sagen, mit wessen Musik Clementis Sinfonien zu vergleichen wären, jemand meinte, er getraue es sich nicht zu sagen, daß er eine Ähnlichkeit mit Beethobens Tonsprache sähe. Dem kann ich mioch leider ganz und gar nicht anschliessen, bin aber heute in meinem Urteil sicherer als vor einigen Jahren und würde behaupten, daß man Clementis Sinfonine mit NIEMANDEM vergleichen könne, weil sie nämlich völlig eigenständig sind.
    Kaum Jemand käme auf die Idee, Beethovens oder Mozarts Musik als Juniorpartner mit jemandem anderen vergleichen wollen,.....


    Die CDs - es sind DREI sind zum SUPERPREIS von 7.90 bei jpc (oder zum Originalpreis für gut betuchte :P ) zu haben - somit sollte es sich jeder leisten können an diesem Thread zu beteiligen......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Du wirst Dich warscheinlich wundern gerade von mir die erste Antwort zu erhalten, da ich doch sonst in dieser frühklassischen Musikrichtung nicht so ganz "zu Hause" bin !?


    Die von Dir angebildeten ASV-Aufnahmen habe ich in einer anderen Ausgabe mit der Bezeichnung Complete Symphonies. Auf der abgebildeten ASV-Doppel_CD bedinden sich die Jugendwerke
    Sinfonien op. 18 Nr.1(1787) und op. 18 Nr.2 (1787). Es sind laut Textheft die einzigen Jugendwerke Clementis, die der Nachwelt erhalten geblieben sind;
    dann die Sinfonien, die Clementi dann tatsächlich nummeriert hat -
    Sinfonie Nr.1 in C
    Sinfonie Nr.2 in D
    Sinfonie Nr.3 in G
    Sinfonie Nr.4 in D

    sowie eine Ouvertüre in D-Dur und Menuett pastorale.



    ASV, 1992, DDD


    Die CD´s stammen aus einer Sammlungsübernahmne von 2008 und ich hatte seinerseit reingehört, weil die Clementi-Sinfonien sogar zwei mal dabei waren und um die bessere abzuchecken. Ich habe mich für diese zügigere ASV-Aufnahme mit d´Avalos entschieden, weil mir die andere Doppel-CD-Ausgabe (könnte Schimone gewesen sein) eben klanglich flacher und nicht so frisch und lebendig erschien, wie diese schönen ASV-Aufnahmen.


    :) Ich habe deinen Thread zum Anlass genommen mir diese frischen Werke wieder einmal anzuhören. Wirklich nette Werke, die durchweg froh stimmen, ohne aufregende und ohne wirklich dramatische Gegebenheiten. Recht eigenständige Werke, die besonders durch Clementis Frohsinn geprägt sind. Nichts was mich persönlich total vom Hocker haut - aber sehr nett anzuhören !


    Es ist tatsächlich schwierig diese einzuordnen und zu sagen: "Das ist so ähnlich wie ..... Mozart, Haydn, Beethoven (der wohl am wenigsten von den Dreien)". Aber das muss doch auch nicht sein. Die Werke sind für ihre Entstehungszeit deutlich in ihrem Zeitrahmen und instrumentierungstechnisch von den großen drei genannten Clementi - Zeitgenossen geprägt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich höre die Clementi-Symphonien oft und mit größtem Vergnügen. Ich bin immer vorsichtig mit der qualitativen Einschätzung der Werke von Komponisten aus der "2.ten Reihe", aber die Symphonien Clementis würde ich als den Londoner Symphonien Haydns ebenbürtig betrachten. Bei Kraus und Cherubini würde ich das definitiv nicht behaupten. Besonders auffällig ist die 4.te Symphonie, die schon deutliche Anklänge an die Hochromantik hat. Das Scherzo beispielswese, könnte fast in einer Brahms-Symphonie stehen. Aber alle vier sind wunderbare Werke, auch wenn das "God save the Queen" in der dritten Symphonie (deshalb "Grand National") etwas plakativ ist.
    Mit der brilliant Box bin ich äußerst zufrieden, die Konkurrenzaufnahme von Scimone bei Erato würde ich nicht höher einschätzen.

  • Ich würde Clementi eigentlich nicht als Komponisten der 2. Reihe sehen. Seine Reputation hat lediglich durch das (implizit) vernichtende Urteil Mozarts ("ein bloßer Mechanicus ...Übrigens hat er um keinen Kreutzer Geschmack noch Empfindung" ) gelitten, wenngleich sich diese Bemerkung lediglich auf Clementis Klavierspiel bezog - und auch dies war eher gekränkte Eitelkeit. Clementi hat Mozart vermutlich im öffentlichen Wettstreit am Pianoforte geschlagen (?)
    Leider scheint es die von uns empfohlene Brilliant Ausgabe nur mehr antiquarisch zu geben. Sie wird von JPC nicht mehr gelistet, ebensowenig wie das ASV-Original deren Lizenzausgabe sie war......


    Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Natürlich, "2.te Reihe" ist ein fragwürdiger Begriff. Aber gerade in der Zeit der Wiener Klassik, dominieren Haydn, Mozart und Beethoven derart, dass alle anderen dadurch fast automatisch ins "2.te Glied" zurücktreten. Meiner Meinung nach hat das mit den immensen Anforderungen des klassischen Stils an das kompositorische Können zu tun. In der Romantik war für mehr Komponisten Platz an der Sonne, da hier auf mannigfaltige Weise auf hohem Niveau komponiert werden konnte. Einen Grieg z.B. im 18.ten Jahrhundert, würde man heute jedenfalls kaum kennen. Clementi und Cherubini, jeweils mit Werken auf allerhöchstem Niveau, kommen dem Dreigestirn meiner Meinung nach noch am nächsten.

  • Ich würde ja annehmen, dass Grieg heute höher geschätzt wird als Clementi, jedenfalls beide deutlich geringer als Haydn und Mozart. Letztere hätten am ehesten noch durch Gluck Konkurrenz, aber selbst den wird man in die "2. Reihe" zurückstellen, womit dann Clementi ehestens in der "3. Reihe" drankäme, wenn nicht weiter hinten ...
    ;)


  • Ich würde ja annehmen, dass Grieg heute höher geschätzt wird als Clementi, jedenfalls beide deutlich geringer als Haydn und Mozart. Letztere hätten am ehesten noch durch Gluck Konkurrenz, aber selbst den wird man in die "2. Reihe" zurückstellen, womit dann Clementi ehestens in der "3. Reihe" drankäme, wenn nicht weiter hinten ...
    ;)

    Klar, das ist es ja, was ich gemeint habe. Schon an der Zahl der Einspielungen kann man sehen, dass Grieg mehr geschätzt wird als Clementi. Ich behaupte aber, dass Clementi ein viel besserer Komponist war als Grieg, und dass jemand mit Griegs Fähigkeiten im 18.ten Jahrhundert nicht reüssiert hätte. IMO, sind jedenfalls die vier großen Symphonien von Clementi im allerhöchsten Qualitätssegment anzusiedeln. Das würde ich, im Vergleich mit Griegs Zeitgenossen, von keinem einzigen Werk Griegs behaupten. Was an Grieg beeindruckt ist die melodische Invention, aber zur Zeit der Wiener Klassik war das eben nur die halbe Miete.

  • Dass bei Grieg nur die melodische Invention beeindruckt, halte ich natürlich für ein Fehlurteil, aber darüber sollte man in einem Grieg-Thread diskutieren.
    :hello:

  • Ich würde ja annehmen, dass Grieg heute höher geschätzt wird als Clementi, jedenfalls beide deutlich geringer als Haydn und Mozart. Letztere hätten am ehesten noch durch Gluck Konkurrenz, aber selbst den wird man in die "2. Reihe" zurückstellen, womit dann Clementi ehestens in der "3. Reihe" drankäme, wenn nicht weiter hinten ...
    ;)


    Ich weiß schon, Grieg hat natürlich den musikalischen Ethnizismus mehr oder weniger aus der Taufe gehoben mit seinen Slatter-Stücken. Der "Glokkeklang" weist schon auf den Impressionismus voraus, etcc. Ich behaupte aber, dass das nur einen relativ kleinen Teil Griegs Schaffen ausmacht, zudem den weniger beliebten (wieviele Aufnahme der Slatter gibt es denn?). Am beliebtesten und am häufigsten eingespielten sind doch eindeutig Klavierkonzert, Holberg-Suite und Peer Gynt. Clementi hat seinerseits immerhin mehr oder weniger die moderne Klaviersonate aus der Taufe gehoben, wie Beethoven, der Clementi als Vorbild sah, mehrmals betonte.

  • Das eher verhaltene Interesse an Clementi halte ich für eine Modeerscheinung, die viele Komponisten des 18,. Jahrhunderts betrifft (im Barockbereich ist es ja kaum besser).
    Man bejubelt (?) Haydn und Mozart, sowie Beethoven, der aber einerseits eine Ausnahmestellung einnimmt und andrerseits schon dem 19. Jahrhundert zuzuorden ist. Theoretisch könnte man dies bei Clementi auch sagen aber ich meine er ist doch sehr im 18. Jahrhundert verwurzelt
    Ein ähnliches Schicksal erfuhren beispielsweise ja auch Pleyel und Boccherini, wenngleich man sich in alolen drei Fällen allmählich dere Bedeutung dieser Komponisten wieder bewusst wird....
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Clementi hat seinerseits immerhin mehr oder weniger die moderne Klaviersonate aus der Taufe gehoben, wie Beethoven, der Clementi als Vorbild sah, mehrmals betonte.


    Hey, das finde ich doch gleich viel interessanter als das Grieg-Bashing!
    ;)
    Kannst Du in einem Clementi-Klavier-Thread eine Andeutung machen, wieso Clementi die "moderne Klaviersonate" getauft hat und nicht Schobert, CPE Bach, JChr Bach, Haydn oder Mozart?
    :hello:


  • Hey, das finde ich doch gleich viel interessanter als das Grieg-Bashing!
    ;)
    Kannst Du in einem Clementi-Klavier-Thread eine Andeutung machen, wieso Clementi die "moderne Klaviersonate" getauft hat und nicht Schobert, CPE Bach, JChr Bach, Haydn oder Mozart?
    :hello:

    Können wir gerne einmal machen. Leitest du ein?

  • Ich habe in Form eines Radiomitschnittes die Symphonie Nr. 3 von Muzio Clementi kennengelernt, und war auf Anhieb begeistert und überrascht, welch vollmundige, farbenreiche Musik er geschrieben hat -- ich kannte ihn bis dato nur als Verfasser von Klavierwerken, die ich als eher unaufgeregt und wenig aufregend empfunden habe.
    Wie zuvor bereits in einem anderen Beitrag dargestellt, empfinde ich zwar auch die Verwendung des "God save the Queen"-Themas als etwas plakativ bzw. plump, ansonsten empfinde ich die Musik jedoch als sehr inspiriert, ideenreich, romantisch angehaucht. Eine veritable Entdeckung, ich werde mich auch bemühen, der anderen Symphonien habhaft zu werden. Leider ist die Brilliant-Classics Aufnahme nicht mehr erhältlich, aber die Naxos Einspielung ist noch verfügbar:



    Einen kleinen biographischen Eintrag aus dem Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 428-429, darf ich auch noch anfügen:


    "Clementi, Muzio, Pianofortecomponist und vortrefflicher Lehrer, geboren zu Rom 1750, im Sterbejahr J. S. Bach's, auf dessen Grundlage er seine Lehre fortbaute, die wiederum J. B. Cramer erweiterte. Ein reicher Engländer, den Clementi's Talent interessirte, nahm den fleißigen Künstlerjüngling mit nach England. In seinem 2. Werke, was dort entstand, brachte er zuerst die noch jetzt gebräuchliche, als künstlerisch schön erkannte Form der Sonate auf. Nach verschiedenen Anstellungen und Reisen in Frankreich und England besuchte er 1781 Wien, wo Mozart und Haydn seine Freunde wurden, und späterhin zu verschiedenen Malen Paris, Wien und Petersburg. Im Jahre 1820–1821 hielt er sich in Leipzig auf, und starb 1832, als im 82. Jahre, auf seinem Landgute Evesham in der Grafschaft Wortchester. – Seine berühmtesten Schüler sind Field, Ludewig, Berg, Klängel, Zeuner. – Außer seinen viel bekannten Sonaten, von denen die späteren, die bei weitem mehr phantastischer sind, schrieb er auch das große Etudemark Gradus ad Parnassum, das sich durch Vielseitigkeit der mechanischen Uebungen, durch Solidität im Stil, der gewisser Eigenheiten halber sich leicht erkennen läßt, und auch in einzelne Werke seiner Schüler übergegangen ist, wie durch charakteristische Haltung jeder besondern Studien auszeichnet."