Joseph Haydn: Cellokonzerte - Detektivarbeit pur

  • Liebe Forianer


    Eigentlich eine spannende Geschichte:
    Ursprünglich wurden 9 Cellokonzerte Haydn zugeschrieben


    (Für Einsteiger: Eine Zuschreibung bedeutet, daß man zwar keinen wissenschaftlichen Beweis für die Urheberschaft hat, jedoch alle Indizien (Stil, Beschriftung von Partituren, die aber nur Abschriften sind) für einen bestimmten Komponisten als Urheber sprechen)



    Heute sind es zwei, die dafür aber als 100%ig authentisch gelten.
    Cellokonzert Nr 1 in C-dur Hob.VIIb:1
    Cellokonzert Nr 2 in D-dur Hob.VIIb:2


    Das eigenartige daran ist, das jene 2 gar nicht in den
    9 zuerst zugeschriebenen enthalten waren ,)


    Das als Nr 2 geführte Cellokonzert wurde bis 1954 als Komposition eines unbekannten Kleinmeisters eingeschätzt, bis neu aufgetauchtes Material die Autorschaft Haydns eindeutig bewies.


    Noch dramatischer ist die Geschichte des Cellokonzertes Nr1: Es galt seit Menschengedenken als verschollen.
    Aus Haydns "Entwurfskatalog" kannte man es, man wußte daß es existiert hat, aber die Noten waren verloren. 1961 tauchte eine Abschrift ab, die es möglich machte das Werk aufzuführen, bzw für die Platte einzuspielen. Wer die beiden Werke je gehört hat kann ermessen, welch unvergleichlicher Musikgenuss verloren gegangen wäre...


    Meine liebste Einspielung ist jene legendäre mit der allzu früh verstorbenen Jaqueline du Pre. Nicht "historisch informiert" nein beileibe nicht, dafür aber ein Celloton, der, jedem der ihn je gehört hat, man möchte fast sagen "überirdisch" erscheinen muß.


    Ich zähle diese CD zu meinen absoluten Favoriten, zu den Sternstunden der Schallplattengeschichte, IMO konkurrenzlos.


    "Gramophone" schrieb: "...very much recommended.....the variety of the playing is a deligth...."
    Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Als "Füller" fungiert auf der CD ein Cellokonzert von Boccherini im Arrangement von Grützemacher.


    Jaqueline du Pre, Violoncello
    English Chamber Orchestra (Nr1)
    Daniel Barenboim
    London Symphony Orchestra (Nr2)
    Sir John Barbirolli
    EMI "Great recordings of the Century" Midprice
    ------------------------------------------------



    Ich möchte noch auf eine preiswerte (ebenfalls erstklassige) Aufnahme dieser Werke mit der Cellistin Maria Kliegel hinweisen. Sie ist ebenfalls nicht HIP
    Neben den beiden schon genannten Werken wurde das Cellokonzert Nr 4 von Haydn in C-Dur Hob VIIb:4 eingespielt, das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von Haydn ist. Jedoch sollte uns das nicht stören. Hörenswert ist das Werk allemal, denn wie gut muß es sein, wenn sich nicht mal die Haydn-Forscher schlüssig sind....


    Achtung - Dies Naxos CD ist - aus welchen Gründen immer -
    mit verschieden Coverabbildungen im Handel


    Maria Kliegel, Violoncello
    Kölner Kammerorchester
    Helmut-Müller Brühl
    Naxos Budget-Price
    ------------------------------------------


    Es gibt von diesen Werken etliche gute Einspielungen


    Um eure Hörerfahrungen wird gebeten


    Freundliche Grüße


    aus Wien


    Alfred



    Dieser Beitrag vorde von mir im Feber 2004 für eine
    anderen Anlass geschrieben, jedoch auf Wunsch eines
    Mitglieds hierher übertragen
    (c) 2004 Alfred Schmidt Wien

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, Alfred!
    Ich höre die Haydn-Cellokonzerte ebenfalls gerne. So schwärmen wie Du von der du Pre- Aufnahme kann ich ich von meiner nicht, ich bin dennoch zufrieden:



    Als "Füller" gibts hier noch Haydns Sinfonia Concertante, ebenfalls ein hübsches Stück.


    Zitat


    Noch dramatischer ist die Geschichte des Cellokonzertes Nr1: Es galt seit Menschengedenken als verschollen.
    Aus Haydns "Entwurfskatalog" kannte man es, man wußte daß es existiert hat, aber die Noten waren verloren. 1961 tauchte eine Abschrift ab, die es möglich machte das Werk aufzuführen, bzw für die Platte einzuspielen. Wer die beiden Werke je gehört hat kann ermessen, welch unvergleichlicher Musikgenuss verloren gegangen wäre...


    Im booklet habe ich nachgelesen, daß die Noten in der Burg der Grafen Kolowrat-Krakowsky in einer abgelegenen Region der CSSR entdeckt wurden. Wie kamen sie nur dahin? Jedenfalls wirklich ein toller Fund! Das wiederentdeckte Konzert ist neben dem Trompetenkonzert mein Lieblingskonzert von Haydn.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ich hab mal irgendwo gehört,dass Haydn zuerst gar keine Konzerte für Cello komponieren wollte (weil er das Instrument nicht mochte). Aber er tat es dann letztendlich doch und ich bin ihm ziemlich dankbar dafür.
    Wer kann mir diese Geschichte bestätigen?


    Die von Alfred vorgestellte CD von EMI (Great Recordings) mit du Pré; und die Konzertsammlung CD Box von du Pré.
    Sind das die selben Aufnahmen oder wurde bei der Great Recordings CD technisch nachgebessert?
    Weiß das vielleicht jemand zufällig?

  • Also mir ist nichts darüber bekannt, daß Haydn kein Cellokonzert komponieren wollte und ich denke, er war in diesen Dingen eher ein Pragmatiker, denn als ihn gegen Ende seines Lebens jemand fragte, warum er denn kein Klarinettenkonzert komponiert habe, antwortete er:
    "Weil niemand eines bei mir bestellt hat" ! :D


    Von Dvorak jedoch, einem der berühmtesten Cellokonzert-Komponisten
    ist überliefert, daß er sagte: "Was soll man denn mit einem Instrument
    anfangen, das oben kreischt und unten brummt" ! :O
    Doch ich denke, der Komponist hat das "Problem" ganz gut gelöst ;)


    Aber zurück zu Haydn:
    Neben den bereits erwähnten Aufnahmen möchte ich noch meine "Referenz" in Sachen Haydn-Cello vorstellen, hier ergänzt durch das genialie Cellokonzert der frühvolledeten Georg Matthias Monn (1717-1750) J.G. Queyras spielt begleitet vom Freiburger Barockorechester unter Petra Müllejans derart hinreissend und auftrumpfend, daß für diese Werke damit ein neuer Maßstab gesetzt wurde, an dem sich "vorbeizuspielen" für alle, die sich in Zukunft disen Werken widmen wollen, nicht ganz einfach sein dürfte:



    [jpc]7147274 [/jpc]

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Aber zurück zu Haydn:
    Neben den bereits erwähnten Aufnahmen möchte ich noch meine "Referenz" in Sachen Haydn-Cello vorstellen, hier ergänzt durch das genialie Cellokonzert der frühvolledeten Georg Matthias Monn (1717-1750) J.G. Queyras spielt begleitet vom Freiburger Barockorechester unter Petra Müllejans derart hinreissend und auftrumpfend, daß für diese Werke damit ein neuer Maßstab gesetzt wurde, an dem sich "vorbeizuspielen" für alle, die sich in Zukunft disen Werken widmen wollen, nicht ganz einfach sein dürfte:


    @BBB,


    das nenne ich doch einmal eine sehr lobende Darstellung dieser Aufnahme.
    Habe mir erlaubt sie auf meinen Wunschzettel zu setzen vor alle das ich bisher von Queyras keine Aufnahme besitze!
    :D

  • Salut,


    Alfred, Du kannst jetzt sagen, was Du willst, die beste Darbietung hat für mich bis jetzt Bobby McFerrin als "gesungenes Cello" vollbracht. Auch ganz im Sinne des humorvollen Haydn. Es ist wirklich künstlerisch zu würdigen, was dieser Mann geleistet hat und noch tut - leider war es mir nicht möglich, sein kürzlich in Baden-Baden gewesenes Konzert zu besuchen.


    Ich würde mir übrigens eine CD zulegen, auf der diese Performation verewigt ist, wurde aber nicht - oder nur zweifelhaft - fündig. Bestimmt weiß jemand Abhilfe.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    ich habe mir neulich auch mal die Kliegel-CD besorgt: Sie lag irgendwo im Weg herum, und bevor sie in falsche Hände gerät...



    Joseph Haydn [1732-1809]
    Cellokonzerte Nrn. 1, 2 und 4


    Maria Kliegel, Violoncello


    Kölner Kammerorchester
    Helmut Müller-Brühl


    Ich finde Kliegels Spiel sehr, sehr gelungen: Das Instrument singt geradezu, beinahe manchmal etwas zu romantisch für mich. Im 3. Satz von Hob. VIIb:1 allerdings hat sie dazu keine Zeit :D [gibt es Vergleiche zu 6:43 ?].


    Die Konzerte finde ich ansonsten [von wem auch immer sie tatsächlich sind, die Ausfürhurngen dazu im Booklet sind sehr interessant!] eher langweilig, wie die meisten Cellokonzerte des 18. Jahrhunderts.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • :D :D
    Miklós Perényi (Cello); Listz Ferenc Chamber Orchestra; Ltg. János Rolla: 6'17" :D :D
    Leider sind meine beide andere Aufnahmen in Kartons.


    LG, Paul

  • 8o


    Oh, das sieht gut aus - ich fand Kliegel bereits "sehr schnell" :D


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Habe diese ältere Naxos-Aufnahme:



    und bin sehr zufrieden damit :yes:
    Das erste Konzert von Haydn ist mir auch wesentlich lieber als alle anderen zusammen (auch der Boccherini auf der CD) :D
    Das Rondo: :jubel:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Das erste Konzert hat gar kein Rondo, der Satz ist mit "Allegro molto" überschrieben. Kanta/Breiner brauchen in der Aufnahme 6:46 min.
    Ein Rondo findet man erst im 3. Satz des 2. Konzertes, das dauert in der Aufnahme 4:52 min.


    :hello:


    Gruß, Peter.

  • Hallo Haydn-Kenner,


    ich habe mir vor einigen Wochen diese VIRGIN-CD-Box preiswert bestellt.

    Truls Mork - Great Cello Concertos
    Haydn:Cellokonzerte Nr. 1 & 2
    +Dvorak:Cellokonzert op. 104
    +Tschaikowsky:Rokoko-Variationen op. 96
    +Prokofieff:Sinfonia concertante
    +Miaskowsky:Cellokonzert op. 66
    +Schostakowitsch:Cellokonzerte Nr. 1 & 2
    +Kernis:Cellokonzert "Colored Field";Musica Celestis;
    Air

    Truls Mork, Cello; Norwegian Chamber Orchestra, Oslo PO, London PO, City
    of Birmingham SO, Minnesota Orchestra, Brown, Jansons, Järvi,
    Oue

    VIRGIN, 1991-2001 DDD


    Die 5CD´s sind in sehr guter Klangqualität, doch gefallen mir die Interpretationen der Cellokonzerte die ich schon vorher in anderen Aufnahmen hatte nicht so 100% gut (Schostakowitsch, Dvorak). Die Aufnahmen klingen fast zu sachlich und scheinen mir nicht die jeweils landesspezifische Identifikation zu haben - sie klingen fremd.
    Gekauft hatte ich die Box (fast zum 1CD-Preis) wegen Miaskowsky, Tschaikowsky und Prokofieff (alles gut); den Rest sehe ich als Ergänzung.


    :hello: Wie sind die Haydn-Cellokonzerte Nr.1 und 2 in dieser Aufnahme zu beurteilen ???
    Auf den ersten Blick finde ich die Aufnahme gut ( kenne aber keine andere).
    Wie seht ihr das ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Meine beiden Favoriten und Schätze:


    Miklós Perényi (Cello); Listz Ferenc Chamber Orchestra; Ltg. János Rolla. (Hungaroton oder aber Brilliant Classics (Klassische Cellokonzerte-Box))
    (leider nur der Cellis hinreißend, nicht aber das Dirigat...)


    Daniil Shafran, USSR State Symphony Orchestra, Gennady Rozhdestvensky (BrilliantClassics Shafran Edition)
    (leider nur das D-dur-Konzert)

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear


    Aber zurück zu Haydn:
    Neben den bereits erwähnten Aufnahmen möchte ich noch meine "Referenz" in Sachen Haydn-Cello vorstellen, hier ergänzt durch das genialie Cellokonzert der frühvolledeten Georg Matthias Monn (1717-1750) J.G. Queyras spielt begleitet vom Freiburger Barockorechester unter Petra Müllejans derart hinreissend und auftrumpfend, daß für diese Werke damit ein neuer Maßstab gesetzt wurde, an dem sich "vorbeizuspielen" für alle, die sich in Zukunft disen Werken widmen wollen, nicht ganz einfach sein dürfte:


    [jpc]7147274 [/jpc]


    Ich kann nur uneingeschränkt zustimmen: eine absolut hinreissende Aufnahme!!

  • Viel Zeit ist seit dem Start des Threads ins Land gegangen, meine Haydn Sammlung ist nicht nur größer geworden, ich habe die Konzerte inzwischen auch öfter gehört. Und meine Hörgewohnheiten haben inzwischen auch gewisse Änderungen durchlaufen.
    Anlässlich einer Neuerwerbung habe ich mir die angenehme Mühe gemacht, zumindest den 1. Satz des Cellokonzertes Nr 1 kritisch vergleichend zu hören (durch gewisse Umstände sind es dann doch mehrere Sätze diverser Aufnahmen geworden)


    Normalerweise mach ich sowas nicht gerne, man "verdirbt sich die Ohren" damit, weil die verschiedenen Tempi und Eigenarten der Interpreten, gepaart mit den verschiedenen Instrumenten und deren spezifischem Klang, sowie verschiedener Aufnahmetechnik, ein Wechselbad der Eindrücke darstellen, was mitunter als unangenehm empfunden werden kann.


    Zudem hat man ohnedies zumeist seinen Favoriten bereits gekürt, BEVOR die Hörsitzung überhaupt beginnt - fast wie bei professionellen Musikwettbewerben....


    Zurzeit bin ich übrigens schon beim 2. Satz des Vergleichshörens angelangt, weil mich überraschenderweise das erste Konzert geradezu hypnotisch in seinen Bann gezogen hat.


    Was soll man - so werden viele fragen - über ein Haydn Cellokonzert überhaupt schreiben ?
    Kein Konfliktpotential vorhanden - einfach nichts


    Vor einigen Jahren, zu Threadbeginn war das wirklich noch eine Frage für mich - heute jedoch nicht mehr.


    ZUnächst möchte ich jedoch meine Neuerwerbung vorstellen:



    Unverständlicherweise wird die Aufnahme - vor kaum 7 Jahren auf den Markt gebracht -
    bei "Da Caruso" in Wien Operngasse um 9,90 Euro angeboten.


    Ich habe mir die Frage gestellt, was denn der Pferdefuß an dieser Aufnahme sei, konnte aber keinen entdecken, sieht man von den doch sehr präsent eingefangenen Atemgeräuschen des Solisten einmal ab.




    Ursprünglich war geplant, die Aufnahmen gegen jene von Jaqueline du Pré (mit Daniel Barenboim als Dirigent) antreten zu lassen, die mein erklärter Favorit ist - und weitere Aufnahmen auszuklammern, weil ansonsten die Gefahr besteht, daß man vor lauter Ähnlichkeiten und einm Überangebpt von Eindrücken letztlich zu überhaupt keinen Eindrücken kommt die man schriftlich artikulieren kann.


    Aber es sollte anders kommen. Auf Grund von besonderer Begeisterung einerseits, und einem Computerabsturz andrerseits (Das Bild war eingefroren- ich konnte nicht speichern - wohl aber den gesamten . nicht allzu kurzen Beitrag mit der Hand abschreiben) hatte ich Zeit und auch Laune weit mehr Versionen und Sätze des 1. Cellokonzertes zu hören als eigentlich geplant war.


    Somit sind die armen Leser mit betroffen, die hier den längsten Beitrag vor sich sehen, den ich je für Tamino geschrieben habe,,,


    Die Du Pré Aufnahme klang heute in meinen Ohren (auch ich werde nicht jünger) etwas dunkler und tendenziell ein wenig mulmiger und weicher als ich sie in Erinnerung hatte, eher moderat in den Tempi. recht romantisch mit klangschönem, leicht mittenbetontem Cello.


    Demgegenüber klang die Aufnahme Capucon/Harding völlig anders, leicht rhythmisch betont, was den Eindruck eines schnelleren Tempos vermittelt, aber das ist eine Täuschung, wie der Blick auf die Zeitangaben in den Booklets zeigt.


    Der erste Satz gerät hier sehr brillant, straff, und temperamentvoll. Gelegentlich stakkatoartig, jedoch durch das genüssliche Auskosten der lyrischen Stellen wirkungsvoll kontrastiert, mit relativ großen dynamischen Sprüngen.


    Das Cello scheint klanglich in tiefste Tiefen zu tauchen und weist mehr „Körper“ auf, als in der Referenzaufnahmen von 1967. Die Kadenz ist stellenweise ein wenig „schräg“, was meiner Meinung nach aber recht interessant klingt.


    Nun konnte ich der Versuchung nicht länger widerstehen, und ich legte die Aufnahmen mit Kliegel/Müller-Brühl auf. Hier wird in der Tat das Temp ein wenig forciert. Die Aufnahme klingt zwar schwungvoll, aber nicht so eindringlich suggestiv, wie jene von Capucon, dem seinerseits wieder feurige Ausbrüche gelingen, wie ich sie bei keiner anderen Aufnahme gefunden habe.


    Der dritte Satz bei Kliegel – weiter oben im Thread als zu schnell genommen bezeichnet ist mit Capucon fast deckungsgleich im Zeitmaß…….


    Kommen wir abschließend zu einzigen HIP-Aufnahme in meiner Sammlung, jene unter Christopher Hogwood – mit Christophe Coin als Solist. Es verwendet für diese Einspielung ein Cello nach M. Gafriller (ca 1750) nachgebaut 1982 von Reinhard Ochsenbrunner.



    Die Qualitäten dieser Aufnahme sind gänzlich andere, als die der bisher beschriebenen.
    Beim Kauf der CD , etwa 1983 oder 1984 vermisste ich den auftumpfenden vordergründigen Ton und die Wärme des Orchesters, sowie den Tiefbaß des Soloinstruments. (In dieser Disziplin ist übrigens die Capucon-Aufnahme unübertroffen)


    Heute sehe, bzw höre ich das alles anders.
    Silbrig und cantabel, spritzig und vornehm zurückhaltend zugleich, kommt das Konzert daher, das Cello ist nicht schreiend im Vordergrund (was allerdings auch seine Reize haben kann) sondern spielt seinen Solopart mit Noblesse und edlem, eher schlanken Klang. Erwähnenswert auch die geradezu betörende Kandenz von Coin im 1. Satz des Konzerts.


    Der geduldige geneigte Leser mag sich nun fragen, wo denn letztlich die Antwort auf die Frage nach einer allfälligen Kaufentscheidung bleibt:


    Eine solch gibt es leider hier nicht
    Wurde nie versprochen
    Und war auch nie von mir beabsichtigt


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine sehr lebendig und virtuos eingespielte Aufnahme, welche laut Gramophone Modellcharakter hat, ist folgende:


    Haydn - Pleyel
    Ivan Monighetti, Cello
    Akademie für Alte Musik Berlin



    Ich persönlich kann das nur bestätigen, wobei ich bei dieser Aufnahme ganz besonders auf die Kadenz des 2. Kozertes aufmerksam machen möchte, welche es durch ein Marseillaise-Zitat tatsächlich zu Wege bringt, so etwas ähnliches, wie schwarzen Humor in die Sache reinzubringen.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

  • Leider nützt es oft nur wenig, wenn eine Aufnahme "Modellcharakter " hat - gestrichen wird sie dennoch. OK - Ich gestehe das ist im konkreten Fall 11 Jahre her. Aber mich hätte die Marsaillaise -Kadenz in der Tat interessiert. Das problem ist, daß man mit Eindrücken, Threads und Aufnahmen derart überfüttert ist, daß gewisse Threads, aber auch andere Ereignisse oder Bekanntschaften dann im Sande verlaufen und in Vergessenheit geraten.

    In der Zwischenzeit sollten doch weitere interessante Neuaufnahmen der Cellokonzerte erschienen sein ?


    Typisch für mich, daß ich in der Zwischenzeit nichts davon gesucht oder gefunden habe, sondern an Stelle desse eine CD mit 3 Haydnkonzerten aus den sechziger Jahren erworben habe. Darunter auch das soeben gehörte Cellokonzert Nr 2

    Als Dirigent fungiert der 1967 verstorbene Karl Rustenpart, als Orchester das

    "Orchestre de Chambre de la Radiodiffusion Sarroise"

    was lediglich der französische Name für das

    "Kammerorchester des Saarländischen Rundfunks"

    ist. Solist dieser Aufnahme war André Navarra, neben Pierre Fournier und Paul Tortelier ein wichtiger Vertreter der französischen Cellistenschule.

    Weit entfernt von jeglicher HIP-Manie bietet diese Aufnahme einen wunderbaren füllig-singenden Celloklang - einfach traumhaft

    Leider ist inzwischen auch diese Aufnahme gestrichen. Mir wird dadurch bewusst, wie langsam ich lebe: Ich habe sie heute beim Umordnen des Stoßes "noch nicht gehörter Aufnahmen herausgekramt um sie zu hören und in die "Normalsammlung" einzureihen.

    Wie auch immer: Die CD ist besitzenswert, trotz - oder gerade wegen ihres ein wenig "unzeitgemäßen" Interpretationsstils...


    Irgendwann kommt sicher eine Neuauflage - Zudem gibt es ja einen "Second Hand" Markt.....


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 9100

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Joseph Haydn: Cellokonzert Nr 3 Hob VIb:3 in C.dur


    Natürlich sind die "unechten" Haydnschen Cellokonzerte auch wert, daß man sie hier erwähnt - auch wenn wir die meisten von ihnen nie hören werden. Sie müssen aber doch recht gut gewesen sein, insgesamt hat 4 von ihnen Hoboken als "echt" betrachtet. Datüber hinaus gab es weitere, deren Spur bestenfalls für MUWIS verfolgbar sein dürfte. Beginnen wir aber mit dem was wir bis heute wissen, oder WIKIPEDIA weiß:


    Zitat

    Hob. VIIb:3 C-Dur

    ist verloren oder (wahrscheinlicher) mit Hob VIIb:1 identisch.

    Für letzteres gibt gibt es etliche Indizien. zum einen gibt es einen kurzen Ausschnitt des ersten Satzes, der weitgehend mit jenem von Nr 1 identisch ist, zum anderen wurde das Werk von Haydn zuerst bei den Werken für die Barytontrios eingetragen, später aber wieder ausgestrichen. Vermutlich beruht seine "Existenz" auf einer Reihe von Eintragsfehlern - von Haydn selbst verursacht. Gewissermaße also ein Phantom, das von Hoboken für existent und echt gehalten wurde.

    Genaueres findet man hier:


    https://www.henle.de/blog/de/2…e-bei-henle-3-8-5-oder-2/


    Fortsetzung folgt...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Joseph Haydn: Cellokonzert Nr 4 Hob VIb:4 in D-dur


    Das Konzert erfreute sich jahrelang großer Beliebtheit. Es gibt 4 Abschiften, wie bei dreien der Name Haydns vermerkt ist, bei einer ist "Sig. Constanzi"

    als Autor vermerkt. Gemeint ist hier Giovanni Baptista Constanzi (1704-1778), ein italienischer Komponist und Cellist. Es wird argumentiert, daß es damals üblich war, Kompositionen anderer Komponisten unter dem Namen Haydn zu drucken - der besseren Vermarktung wegen.

    Auch diese Zuschreibung ist ungewiss. Bekannt wurde das Konzert indes durch den Cellisten und Komponisten Friedrich Grützmacher (1832-1903) der es in einem seiner Lehrbücher veröffentlichte. Grützmacher wurde durch seine radikale Bearbeitung und Verfälschung von Boccherinies Cellokonzert Nr 9 berühmt und (je nach Standpunkt) berüchtigt.Ungeachtet dessen sind beide Konzerte beim Puiblikum beliegt - so sie aufgeführt werden.

    Haydns - vermutliches Cellokonzert Nr 4 wurde allerdings bis in die jüngeste Vergangenheit immer wieder aufgenommen. (siehe Muster CD)

    Der Zweifel an der Authenzität (eigentlich ist es SICHER nicht von Haydn) mindern indes nicht die Qualität des Werkes und die Schönheit seiner Musik



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Joseph Haydn: Cellokonzert Nr 5 - FAKE


    Das 1899 vom böhmisch-jüdischen Cellisten und Komponisten David Popper (1843-1918) angeblich nach Skizzen von Joseph Haydn zusammengestellte und veröffentlichte Werk ist nach heutigen Erkenntinssen eine Fälschung. Es ist der Haydn Forschung trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen irgendeine Skizze Haydns aufzutreiben, und so geht man heute davon aus, daß die gesamte Komposition von Popper stammt. (4 weitere Cellokonzerto wurden unter dessen Namen veröffentlicht)


    Ob man solche Stücke als Scherz oder Fälschung klassifiziert ist wohl eine Frage des persönlichen Standpunkts.

    Ich bin in dieser Hinsicht eher intolerant, denn hier liegt IMO ein Fall arglistiger Täuschung vor - noch dazu von einem Musiker der in seiner Lebenszeit von zahlreichen Kollegen geschätzt und geachtet wurde.


    Das Konzert wurde übrigens 1963 von Rostropovich gespielt und auf Video aufgezeichnet.

    Ich finde, daß es überhaupt nicht nach Haydn klingt (im Gegensatz zur Nr 4) sondern eher noch nach beliebiger Spätromantik.


    Die Musikwelt scheint Popper aber verziehen zu haben, es wird gelegentlich als Haydn-Popper-Konzert bezeichnet

    IMO ein Euphemismus



    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 9200

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !