Persönliche kulturelle Höhepunkte


  • Ihr Lieben alle


    Als noch relativ neues Mitglied im Forum, erlaube ich mir ein neues Thema zu erstellen, von dem ich glaube, daß es für einige von uns interessant sein könnte. Ich denke, daß es bei jedem von uns,trotz mehr oder weniger vieler Theater-, Konzert- und anderer kulturellen Veranstaltungen, durch persönliches Erleben " Sternstunden " gibt, die man sein ganzes Leben dankbar nicht mehr vergißt und die Erinnerung daran für keinen Preis hergeben möchte. Wenn Ihr gestattet, würde ich mit einer meiner Sternstunden beginnen. Ich gebe meinem Bericht den Titel:



    PAVAROTTI - live erlebt


    Zum ersten mal live erlebte ich ihn im April 1993 in der Deutschlandhalle in Berlin. Er gab dort einen Solo- Arien- Abend. Das war in jedem Fall großartig. Negativ zu erwähnen wäre lediglich, für mich, aus meiner Platzposition, war er kaum sichtbar wahrzunehmen. Die Entfernung war einfach zu groß und eine Video- Wand gab es nicht. Dafür ließ die Tonübertragung keine Wünsche offen. Im Herbst desselben Jahres erfuhr ich zufällig, daß am 27. und 30. Juni nächsten Jahres Pavarotti in der Wiener Staatsoper in der Tosca auftritt. Ich rief in der W. St. Oper an und erfuhr, daß bereits jetzt, ein 3/4 Jahr vorher, alles ausverkauft ist. Ich bin telefonisch dann sogar bis zur Chefsekretärin durchgekommen. Wir hatten ein nettes Gespräch miteinander, aber helfen konnte sie mir auch nicht. Sie gab mir aber den Tip, auf gut Glück am Aufführungstag anzureisen und versuchen eine Stehplatzkarte zu ergattern. Dies habe ich dann, als es soweit war, auch gemacht. Am 30. Juni fuhr ich also nach Wien. Ich war ja mit dem Erwerb einer Karte völlig unerfahren. Die Aufzählung der glücklichen Umstände, die zum Erwerb einer Karte führten, hier aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Ich hatte jedenfalls unwahrscheinliches Glück. Begonnen hatte es schon damit, daß ich erfuhr, Pavarotti sollte ja schon am 27. singen, da hatte er aber abgesagt. Kurz vor Vorstellungsbeginn hatte ich meine Karte. Ich begab mich auf meinen Stehplatz, der von der Sicht und der Akustik absolut zufriedenstellend war. Dann ging es los.......... Die Anfangsakkorde, der Vorhang ging auf, Angelotti singt die ersten Takte und dann ist es endlich soweit: aus dem Bühnenhintergrund kommt Pavarotti. Für mich ging ein unglaublicher Traum in Erfüllung..... Er kommt, hat noch nicht den Mund aufgemacht, noch keinen Ton gesungen, sich nur gezeigt, da brauste ein Beifall auf, der mir vor Begeisterung einen Schauer über den Rücken rieseln ließ und Gänsehaut am ganzen Körper erzeugte. Ich schäme mich nicht zuzugeben, ich hatte vor Begeisterung Tränen in den Augen. Ihr dürft beim Lesen meines Berichtes nicht vergessen, ich komme ja aus der früheren DDR! Man fragt sich da tatsächlich, ist das jetzt wirklich wahr, was Du jetzt erlebst, oder ist das ein Traum. Ich war ja schon jahrelang ein ganz großer Fan von Pavarotti. Wenn mir aber einige Jahre vorher, noch in der DDR- Zeit jemand gesagt hätte, ich werde einmal Pavarotti in Wien live erleben, den hätte ich für verrückt erklärt. Es war eine großartige Vorstellung. Pavarotti war in Höchstform. Die Arie " E luccevan le stelle " mußte er als Da capo, nach nicht enden wollendem Beifall wiederholen. Am Schluß der Vorstellung wollten Bravo- Rufe und der Beifall kein Ende nehmen und führten zu -zig Vorhängen. Aber irgendwann fangen die Zuschauer dann doch an zu gehen. Ich konnte von meinem Platz oben sehen, wie sich das Parkett immer mehr leerte. Diese Gelegenheit nahm ich wahr, rannte runter und stand dann am Orchestergraben. Als die immer noch vorhandenen restlichen Zuschauer durch ihren Beifall weitere Vorhänge erklatschten, stand Pavarotti mir, nur durch den Orchestergraben getrennt, ganz nah gegenüber. Diesen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen und dafür ewig dankbar sein!!! Nach der Vorstellung fand auf dem Theaterplatz noch eine bunte Veranstaltung statt. Wenige Meter neben mir stand der damalige Direktor Ioan Holender mit Marcel Prawy. Auch der nächste Tag brachte mir einen kulturellen Höhepunkt. Ich fuhr zum Zentralfriedhof und stand an der monumentalen Grabstelle meines sinfonischen Lieblingskomponisten Ludwig van Beethoven. Natürlich habe ich mir auch die in unmittelbarer Nähe liegenden anderen Künstlergräber angesehen. War sehr interessant.


    Ihr Lieben, ich hoffe ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt. Ihr müßt aber versuchen, meine Begeisterung zu verstehen unter den Umständen, daß in der ehemaligen DDR an soetwas nicht mal im Traum zu denken war.......
    Es gäbe auch noch von einem anderen kulturellen Höhepunkt, allerdings in einem völlig konträren Genre, zu berichten, aber das darf ich hier in diesem Forum nicht. Trotzdem erwähne ich es, in der Hoffnung, daß mir das keiner übel nimmt: am 27. Juli 1998 erlebte ich in Gelsenkirchen im alten Schalke- Stadion zum ersten mal live die " Rolling Stones ". Wie bereits erwähnt, hier gingen Träume in Erfüllung, die man wahrscheinlich nur so richtig als ehemaliger, in engen Grenzen Eingesperrter, nachvollziehen kann.


    Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit, Geduld und evtl. Interesse und Verständnis. Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere von Euch auch über einen persönlichen kulturellen Höhepunkt berichten würde.


    Gruß an alle


    CHRISSY


    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo Chrissy,


    ich habe Deinen Bericht mit Interesse gelesen und kann voll nachempfinden wie Du Dich damals gefühlt haben musst.


    Natürlich gibt es inzwischen viele kulturelle Höhepunkte in meinem Leben, aber an ein Ereignis erinnere ich mich noch besonders gern, denn es war mit Sicherheit ein besonderes Erlebnis für mich, weil ich, ähnlich wie Du, lange darauf warten musste. Seit 1978 mochte ich als Sänger am liebsten Domingo, hatte aber nie die Möglichkeit gehabt ihn live zu erleben. Im Sommer 1988 sollte nun Domingo im Gruga-Park auftreten mit einer spanischen Zarzuela-Truppe. Die entsprechende CD war schon in meinem Besitz bevor ich von diesem Konzert erfuhr und ich hörte sie ganz oft.


    Schon drei Tage vor diesem Konzert war ich wahnsinnig aufgeregt. Die Plätze waren unnummeriert und man musste sehr früh kommen, damit man möglichst weit vorne sitzen konnte. Auch das Wetter spielte mit, ca. 34°C an diesem Tag. Schon drei Stunden vor Einlass standen wir am Tor, um möglichst gute Plätze zu ergattern und es klappte dann mit der 8. Reihe. Die Musik kam allerdings vom Band, aber die Sänger sangen live. Als ich Domingos Stimme nun erstmalig nicht aus der Konserve hörte, war ich völlig fassungslos.


    Nach dem Konzert blieben wir noch ganz lange auf diesem Platz. Vor uns befanden sich einige Peruaner, die dann auch anfingen diese Zarzuelas zu singen. Das lockte nochmals Domingo aus seinem Umkleidezelt, er kam zu uns und begrüßte uns.


    Mein Mann zieht mich heute noch damit auf, dass ich zwei Tage kein Wort gesprochen hätte, so beeindruckt sei ich gewesen :angel: .


    Übrigens habe ich auch zwei Mal Pavarotti im Konzert erlebt, einmal 1990 in Frankfurt, es war ein sehr gutes Konzert und einige Jahre später in Düsseldorf, da war er allerdings in schlechter Verfassung und musste sogar eine Arie (Pourquoi me reveiller) abbrechen.


    :hello:


    Jolanthe

  • Liebe Jolanthe
    danke für Dein Interesse und Deine eigene Erlebnisschilderung. Auch ich habe Domingo schon live erleben dürfen. Als wir 1990 das erste mal in Wien waren, fand auf dem Rathausplatz ein Konzert statt. Ein Tag vorher war am Nachmittag eine öffentliche und kostenlose Generalprobe. Es sangen Domingo und die amerikanische Sopranistin Kallen Esperian. Beide waren großartig. Nach der Probe lief Domingo ganz nah an uns vorbei. Auch das war ein Erlebnis, was man nicht vergißt.
    Gruß
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo, Ihr beiden,


    mein erster kultureller Höhepunkt ist schon sehr lange her. Herbert von Karajan gastierte, ich meine, es war 1963 in der Halle Münsterland mit seinen Berliner Philharmonikern und dem Geiger Henryk Szeryng. Nach der Ouvertüre "Don Juan" von Richard Strauss gab es das Violinkonzert D.dur op. 77 von johannes Brahms und nach der Pause dessen 2. Symphonie D-ur op. 73.
    Dieses Konzert wird mir unvergesslich bleiben.
    Mein zweiter kutureller Höhepunkt war das Eröffnungskonzert des Schleswig Holstein Musikfestivals 2001 in Lübeck. Damals trat Günter Wand zum letzen Mal in Lübeck auf und dirigierte die Symphonie Nr. 8 h-moll '"Unvollendete" von Franz Schubert und die Symphonie Nr. 9 d-moll Von Anton Bruckner, die ebenso unvollendet war. Aber in sich geschlossen gibt es kaum vollendetere Werke.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ich kann mich an keine besonderen musikalischen höhepunkte erinnern. besonders aufgeregt bin ich, wenn etwas von mir uraufgeführt wird, aber das wird allmählich besser, sprich, letztes mal war ich nicht mehr besonders aufgeregt und konnte mich besser auf die musik konzentrieren.

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  • Hallo chrissy,


    die Erlebnisse und Empfindungen zu schildern würde den Rahmen sprengen, aber gerne eine kurze Auflistung.


    Cosi und Idomeneo 1971 Salzburg mit Böhm, Prey, Schreier, Ludwig, Janowitz, Fischer-Dieskau, Ochmann. Die Jahrhundert-Cosi wurde später von der DG aufgenommen, anstelle von Fischer-Dieskau R. Panerai.


    Winterreise in Hannover einmal mit Fischer-Dieskau, einmal mit D. Henschel. Beides unvergessene Sternstunden. Dann Winterreise in Stade mit Hermann Prey.


    Mitte der sechziger Rudolf Schoclk und Anton de Ridder Opernarien in der Göttinger Stadthalle. Heinz Hoppe mit Jagdliedern aus dem Albun "Auf der Pirsch" in Nörthen-Hardenberg mit dem Duderstädter Jagdhornbläsercorps. In Göttingen auch Argerich und Michael Ponti mit Tschaikowski Klavierkonzerten. Der Flügel blieb ganz. Das Publikum, in Göttingen wahrlich nicht verwöhnt, war völlig aus dem Häuschen. Ich war einer von ihnen. Hinzu kamen noch eine Reihe von Theateraufführungen, die ich nicht mehr alle zusammen bekomme.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)