Allgemeine Gedanken zur "Klassischen Musik"

  • Heute in der Straßenbahn (ich oute mich hiemit als Jahreskartenbesitzer)
    habe ich ein wenig über das Thema "Klassische Musik" nachgedacht und was es wohl ist, daß ein kleiner Kreis geradezu fanatisch zu ihr steht, während die Mehrheit ihr gleichgültig bis ablehnend gegenübersteht.


    Und weil ich grade nichts besseres zu tun hatte, ließ ich all die Aussagen, die ich zu diesem Thema schon gehört hatte, Revue passieren - allesamt sind sie nicht haltbar.


    Da wäre die Bemerkung über die Komplexität, welche den Einstieg so schwer machte, man müsse sich diese Musik erst "erarbeiten".


    Ich habe immer den Standpunkt vertreten, daß man Musik, die man sich erst "erarbeiten" muß, wenig taugt und man sie am besten links liegen lassen sollle - Allenfalls kann man sich eines Tage in späteren Jahren damit befassen..


    Die meiste klassische Musik bedarf nämlich solch eines Prozesses nicht.
    Natürlich kann man - bei Interesse - die Strukturen analysieren, die Hintergründe des Enstehens ergründen, Zeitströmungen beobachten und sich mit Interpretationsvergleichen befassen - notwendig ist derlei zum Genuss von klassischer Musik jedoch nicht.


    Wollen wir uns mal vor Augen führen, daß diese Musik - wie Volks- und Schlagermusik auch - zur Unterhaltung, Freude, Ergötzung, Zeitvertreib der jeweiligen Klientel , sei sie nun Bürgertum Adel oder Herrscherhaus -
    komponiert wurde.


    Die Oberschicht vergangener 'Jahrhunderte gab die Musik in Auftrag, hielt sich - so sie es sich leisten konnte (was nicht immer der Fall war) eigene Hofkomponisten und Orchester. Dies geschah weder aus dem Grunde, der Nachwelt wertvolle Musik zu hinterlassen, noch um sich mit dem Innenleben der Komponisten, die ursprünglich lediglich Lakaien waren zu befassen - sondern einfach zum Vergnügen,


    Ein weiterer Punkt, der angeblich abschreckend wirken soll ist die sogenannte Kleiderordnung in Konzert- und Opernhäusern: Krawattenzwang und die hohen Eintrittspreise hielten die jugendlichen Hörer fern.


    Ich halte dies für Nonsens, denn zum einen ist die Kleiderordnung nur noch virtuell existent - im Gegensatz zu früher, wo man ohne Krawatte in die Wiener Staatsoper gar nicht hinein durfte. (Man konnte jedoch eine bei Garderobe oder Billeteur leihen)
    Wenn man eine CD im trauten Heim hört ist jegliche Kleiderordnung ohnedies nicht existent....
    Zum anderen sind die Eintrittspreise auch nicht wesentlich höher als die zu POP-Konzerten.


    Und schon sind wir bei Punkt 3 angelangt: Der CD
    CDs gibt es heutzutage zu Preisen, von denen man heute nur träumen kann.


    Es muß also andere Gründe geben, daß - auch in Akademikerkreisen - relativ wenig "klassische Musik gehört wird.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vielleicht liegt es ja doch daran, dass klassische Musik anspruchsvoll ist. Der Anspruch stellt sich dabei nicht unbedingt hinsichtlich Intelligenz und Wissen des Publikums, aber klassische Musik erwartet doch vom Hörer, dass er/sie sich auf die Musik einlässt und Zeit und Muße zum Zuhören mitbringt. Ich kann mir viele der Werke, die wir hier diskutieren, nur schwer als Hintergrundberieselung vorstellen. Klassische Musik will die ungeteilte Aufmerksamkeit des Zuhörers bzw. dessen akkustischer Sinneswahrnehmung.


    Zum anderen scheint mir klassische Musik sehr wenig mit der Hektik und der Forderung nach permanenter Action und ständigem Amusement des heutigen Lebens kompatibel zu sein. Man braucht auch Geduld, denn schon allein einige Sätze klassischer Musik können länger sein, als die Einblendung des Spielfilms zwischen zwei Werbepausen. Schon öfter ertappte ich mich in Konzerten bei dem Gedanken, dass der Komponist das Ganze auch prägnanter hätte ausdrücken oder eher auf den Punkt hätte kommen können.


    Und andererseits lassen wir Taminos musikalische Präsentationen im Stile der Konzerte von André Rieu kaum als Hören klassischer Musik durchgehen. Aber auch diese Klassik-Potpourri Alben mit dem Besten der klassischen Musik sind ja verpönt. Insofern definieren wir auch einen Anspruch.


    Aber im Leben muss man ja stets irgendwo Abstriche machen. Ich komme z.B. wunderbar ohne den klassischen Literaturkanon aus. Wären Goethe und Schiller nicht hin und wieder vertont worden, wären sie mir total fremd, von ihren Denkmälern, die unweigerlich in jeder Stadt in Parks oder auf Plätzen zu finden sind, mal abgesehen. Von den vielen Angeboten, die unsere heutige Zeit bietet, kann man halt nicht alles wahrnehmen.


    Gruß enkidu

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • Ich weiß nicht, was "anspruchsvoll" sein soll. Aber ich bin der Meinung, dass der Genuss klassischer Musik (auch das wäre nochmal zu definieren) anspruchsvoller ist als der Genuss eines Hamburgers oder eines Videoclips. Alleine schon aufgrund ihrer Länge. Um sie zu genießen, muss ich mich hineinnehmen lassen in ihre Prozesse, muss den vom Komponisten vorgegebenen und vom Interpreten nachgezeichneten Weg mitgehen für die Dauer des Werkes.


    Das geht nicht beim Gebrauch als Hintergrundmusik. Das heißt, selbst Einsteigerkost wie eine späte Mozartsinfonie (was immer bei Mozart "spät" heißen könnte), eine Beethovensinfonie verlangt von mir eine gute halbe Stunde (oft mehr) weitgehend ungeteilte Aufmerksamkeit. Wieviele Menschen sind es gewohnt, sich so lange am Stück auf eine Sache zu konzentrieren?


    Und: Habe ich nicht mehr von einer Eroica, von einer Jupiter-Sinfonie, wenn ich etwas über Napoleon weiß und den Anlass der Komposition kenne und wenn ich ungefähr weiß, was eine Fuge ist, welche Rolle und welche Funktion ein erstes, ein zweites Thema in einem Sonatenhauptsatz haben?



    Zitat

    Ich habe immer den Standpunkt vertreten, daß man Musik, die man sich erst "erarbeiten" muß wenig taugt und man sie am besten links liegen lassen sollle - Allenfalls kann man sich eines Tage in späteren Jahren damit befassen..


    Das halte ich für ein großes Missverständnis. Je größer die Erarbeitungszeit, desto mehr Schönheiten werde ich entdecken. "Je größer das Wissen, desto größer das Staunen" - Alfred Brendel.



    Zitat

    Wollen wir uns mal vor Augen führen, daß diese Musik - wie Volks- und Schlagermusik auch - zur Unterhaltung, Freude, Ergötzung, Zeitvertreib der jeweiligen Klientel , sei sie nun Bürgertum Adel oder Herscherhaus - komponiert wurde.


    Dieses Klischee, das immer wieder kolportiert wird, wird durch Wiederholung nicht richtiger. Sofern die Musik in feudalen Systemen entstanden ist, war sie elitär - ungefähr 4% der Bevölkerung hatten Zugang zu ihr. Mehr nicht, Ungefähr so viele, wie sich heute dafür interessieren.


    Und bei diesen 4% konnten die Komponsten voraussetzen, dass sie ein Instrument leidlich spielten, dass sie Tanzunterricht genossen hatten, Unterricht in Literatur, dass sie Kenntnisse des Lateinischen und Griechischen hatten samt der zugehörigen Mythologien.


    Das schließt ja nicht aus, dass die Musik unterhaltend war - ich finde Wagners Tristan auch unterhaltend. Vielleicht gebrauchen wir dieses Wort aber auch verschieden. Ich verstehe darunter nicht unbedingt "Zerstreuung" oder "Ablenkung", sondern auch "Anregung". Unterhaltend ist es, weil ich es in meiner Freizeit tue - nicht beruflich. Aus freien Stücken.



    Zitat

    Die Oberschicht vergangener 'Jahrhunderte gab die Musik in Auftrag, hielt sich - so sie es sich leisten konnte (was nicht immer der Fall war) eigene Hofkomponisten und Orchester. Dies geschah weder aus dem Grunde, der Nachwelt wertvolle Musik zu hinterlassen, noch um sich mit dem Innenleben der Komponisten, die ursprünglich lediglich Lakaien waren zu befassen - sondern einfach zum Vergnügen


    ... oder aus Prunksucht - die besten Kastraten, die größten Virtuosen, die berühmtesten Komponisten wollte man am eigenen Hof.


    Ich finde einige der Thesen, die in der Eröffnung des Threads genannt sind, doch reichlich sozialromantisch.


    Ich kann gut nachvollziehen, dass der Zugang zu klassischer Musik schwierig ist, wenn man kein Instrument spielt, wenn man die gängigen Formen der Instrumentalmusik nicht in ihren Grundzügen nachvollziehen kann, wenn man es nicht gewohnt ist, sich längere Zeit auf eine einzige Sache zu konzentrieren. Wenn man das ändern wollte, müsste man die Voraussetzungen dafür schaffen. Ich habe momentan wenig Hoffnung.

  • Zitat

    Original von Wolfram



    Dieses Klischee, das immer wieder kolportiert wird, wird durch Wiederholung nicht richtiger. Sofern die Musik in feudalen Systemen entstanden ist, war sie elitär - ungefähr 4% der Bevölkerung hatten Zugang zu ihr. Mehr nicht, Ungefähr so viele, wie sich heute dafür interessieren.


    Das ist der Punkt. Fast alle Musikliebhaber früherer Jahrhunderte haben auch selbst musiziert, gewiss auf recht unterschiedlichem Niveau, aber sie wollten sich eben in aller Regel nicht einfach berieseln lassen, sondern mit neuen, originellen Kompositionen unterhalten werden.



    Zitat


    Original von Alfred Schmidt
    Die Oberschicht vergangener 'Jahrhunderte gab die Musik in Auftrag, hielt sich - so sie es sich leisten konnte (was nicht immer der Fall war) eigene Hofkomponisten und Orchester. Dies geschah weder aus dem Grunde, der Nachwelt wertvolle Musik zu hinterlassen, noch um sich mit dem Innenleben der Komponisten, die ursprünglich lediglich Lakaien waren, zu befassen - sondern einfach zum Vergnügen


    Zitat

    Original von Wolfram
    ... oder aus Prunksucht - die besten Kastraten, die größten Virtuosen, die berühmtesten Komponisten wollte man am eigenen Hof.



    "Einfach zum Vergnügen" ist eben auch zu unpräzise. Repräsentationsmusiken oder die gesamte Kirchenmusik hatte durchaus auch andere Funktionen.
    Insbesondere hatte sich ungeachtet all dieser äußerlichen Funktionen die Musik schon im späten Mittelalter so weit emanzipiert, dass hochkomplexe hermetische L'art pour l'art möglich war. Auch wenn es gerade bei geistlicher Musik immer wieder Ärger mit den Autoritäten gab (Textverständlichkeit bei vielstimmigen Motetten, wo gar unterschiedliche Texte zugleich gesungen wurden usw.), so konnte man eben auch argumentieren, dass zum Lobe Gottes und zum Beeindrucken der Gemeinde aufwendige und hochkomplexe Kompositionen gerechtfertigt waren.


    Vor allem muss man sich auch vor Augen führen, dass es viel weniger Ablenkung und nicht annähernd so viele alternative Unterhaltungsmöglichkeiten gab wie heute. Die Schicht, die die Musik pflegte, hatte zum großen Teil relativ viel Freizeit und auch die, auf die das nicht zutraf, waren nicht von einer schnellebigen Häppchenkultur geprägt.
    Im 17. und 18. Jhd. wurden z.B. Predigten von einer Stunde und länger gehalten, komplexe theologische Argumentationen ausgebreitet und anscheinend gab es genügend unter der seinerzeitigen Oberschicht, die keine Schwierigkeiten hatten, dem zu folgen. Sicher waren rhetorische gewandte Prediger auch repräsentativ für eine Stadt, aber wenn die Leute alle eingeschlafen wären, wäre das schlicht kein gutes Feld für Wettstreit und Repräsentation gewesen.


    Diese Schwierigkeit, sich länger zu konzentrieren, insbesondere auf "abstrakte" Musik, die nicht unmittelbar mit "action" verknüpft ist, dürfte heute weit verbreitet sein. (Ich merke bei mir selbst, wie viel leichter ich mich ablenken lasse, z.B. durch Internet u.a., als in meiner Kindheit und Jugend)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Meine Lieben,


    Auch wenn ich naturgemäß nicht allem beipflichten kann, was ihr geschrieben habt - so freut mich das Interesse an diesem Thema, das ich sehr breit ausgelegt verstanden haben will.


    So interessiert mich beispielsweise Eure Meinung zur Breitenwirkung eines Klassikforums - vielleicht im Gegensatz zu Klassikzeitschriften, Klassiksendungen oder PR-Prospekten diverser Tonträgerfirmen.


    Gelingt es von hier aus, dafür prädestinierte "Kandidaten, für "unbekannte" Komponisten zu begeistern, hießen sie nun Ries, Rubinstein, Kreutzer, oder Weinberg ?


    Kann man Mainstream-Hörern Appetit auf Barockmusik oder gar solche der Renaissance machen ?


    Unsere neuen - wie ich meine - interessanten Liederthreads sind derzeit (noch ??) relativ schwach besucht. Woran mag das liegen ?


    Warum wendet ein Teil der Werbeindustrie stets Klassische Musik als musikalische Signatur an - wenn sie doch von der Mehrheit nicht geliebt wird ?


    Lohnt es sich überhaupt, Bereiche, die nur eine kleine Minderheit interessieren (alte Musik) zu "beackern" ? (Regietheaterthreads bringen etwa 50 mal mehr Mitleser)


    Dies nur eine kleine Anregung in welche Nebenthemen dieser Thread laufen soll und darf - entgegen meinem sonstigen Wunsch einen Thread zielgerecht zu führen.


    "Freie Assoziation" und "Brainstorming" sind hier die Zauberwörter.


    Mit freundlichen Grüßen


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ups ... aha ... ??? ... lieber Alfred, danke für Deine Antwort ... sag doch bitte nochmal, worum es Dir in diesem Thread geht. Mir fällt es momentan schwer, Deine Threaderöffnung mit Deinem letzten, obenstehenden Beitrag inhaltlich zusammenzubringen. Vielleicht liegt es ja nur an der späten Stunde, dem hervorragenden Essen und dem köstlichen Wein. Vielleicht aber auch nicht

  • Zitat

    Mir fällt es momentan schwer, Deine Threaderöffnung mit Deinem letzten, obenstehenden Beitrag inhaltlich zusammenzubringen



    Das kann ich mir gut vorstellen.


    Weil ich hier in meinem zweiten Beitrag angedeutet habe, was eigentlich der Titel schon sagt: "allgemeine Gedanken" zum Thema "klassische Musik" - also ohne enge Leitlinie. Wenn ICH beispielsweise wieder das Thema "Forum" ins Spiel gebracht habe, dann ist das bloß Ausdruck MEINER Prioritäten - soll aber niemand dieses Unterthema aufzwingen.
    Man könnte (nur als Beispiel) auch über Hausmusik, deren Niedergang oder Wiederaufleben schreiben - etc etc.


    Der Thread ist absolut strukturlos angedacht - etwas wovon Forianer doch sonst immer träumen (Johannes Röhl natürlich ausgenommen )


    Ein Experiment


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    (Regietheaterthreads bringen etwa 50 mal mehr Mitleser)


    Sicher ist das so, aber die Diskussion dreht sich doch im Kreise ... Befürworter und Gegner dreschen aufeinander ein ... den Leuten gefällt das offenbar.


    Aus meiner Sicht ist mit ein wesentlicher Grund, dass "normale" Menschen, also der Durchschnitt der Bevölkerung, nicht mehr mit guter Musik in Berührung kommen, der Tatsache anzulasten, dass "Allerweltsprogramme" die tagtäglich konsumiert werden, nicht mehr durchmischt sind. Vor dreißig Jahren war da eben ganz selbstverständlich auch mal ein kleines Stück aus der klassischen Musik mit drin.
    Heute kommt auf solchen Sendern den ganzen Tag lang dieses Nudelgedudel einerseits oder KLASSIKRADIO (das Ottonormalverbraucher abschreckt).
    Das ist keine Vermutung, das sind Tatsachen, ich bin Zeitzeuge!

  • Das Problem ist oft, dass man denkt die Allgemeinheit ist so wie die Leute, die man kennt, mit denen man sich freiwillig umgibt, und dann wundert man sich natürlich über Vieles. Wie eben z. B. darüber, dass klassische Musik nicht eine große Masse an Menschen anspricht.
    Ich musste die Erfahrung machen, dass ein Gutteil der Menschen generell nicht fähig ist zuzuhören. Auch nicht im Gespräch, was sich in alltäglichen Situationen zeigt, wie auch im Verlust jeglicher Diskussions- und Streitkultur z. B. im politischen Sektor.
    Weiters - und das finde ich wirklich tragisch - bin ich zum Schluss gekommen, dass viele Menschen nur Geräusche wahrnehmen. Hiier kommt es zur Unterscheidung - unangenehmes Geräusch (i.e. Kreissäge) - angenehmes Geräusch (Musik). Das soll jetzt keinesfalls überheblich klingen, ich spreche diesen Leuten nicht die Fähigkeit ab Musik genießen zu können, lediglich ihr Umfeld und ihr Leben erschweren den Weg dahin.
    Beim Unterrichten habe ich gelernt, dass es keine Rolle spielt aus welcher sozialen Schicht, Umfeld oder auch Kulturkreis jemand stammt, alle konnten sich für klassische Musik begeistern. Selbstverständlich nicht alle für die gleiche, aber das herauszufinden ist auch spannend. Die einen bevorzugen zunächst Bach, weil er -Zitat einer 14-jährigen- "groovt wie Hölle", andere Genzmer. Grieg, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Vielleicht ist es einfacher als man zunächst denkt, Hörern Musik näher zu bringen, die ihnen fremd ist. Nötig ist sicher Ausdauer und die eigene, hoffentlich ansteckende Begeisterung für den jeweiligen Musikstil/Komponisten/Epoche.




    Aber vielleicht hat sich hier auch nur grenzenloser Optimismus oder Naivität (?) zu Wort gemeldet.


    Liebe Grüße aus dem momentan stürmischen Wien,
    LB

  • Hallo, liebe Forianer,


    ich kann Lili nur beipflichten. Ich habe in meiner mehr als vierzigjährigen Dienstzeit Heerscharen von Schülern in Musik unterrichtet, und das ohne ein Instrument spielen zu können, und meine Schüler kamen mehr aus den unteren Schichten (als Hauptschüler). Da ich, auch aus meinem eigenen Umfeld, wusste, dass sie aus der Familie heraus wenig bis gar nicht mit klassischer Musik in Berührung kamen, habe ich immer versucht, hier einen Ausgleich zu schaffen, nicht nur, weil es auf dem Lehrplan stand. Da musste man sich natürlich so Einiges einfallen lassen, und den Hinweis "Klassische Musik in der Werbung" habe ich mir auch zu Nutze gemacht.
    Ich will nur ein Besipiel anführen: " .. der Weltraum, unendliche Weiten, und plötzlich kommt aus den Tiefen des Weltraums ein Raumschiff auf den Betrachter zu, untermalt von einer geheimnisvollen, dunklen und leisen, dann anschwellenden Melodie. Das Raumschiff entpuppt sich nur einige Sekunden später als ein Tablett, gefüllt mit vollen Pilsgläsern, und in dem Moment erreicht die Musik ihren fulminanten ersten Höhepunkt, was einen Schüler zu dem spontanen Ausruf veranlasst. "Ah, das Warsteiner-Lied". Wer diese Werbung nicht kennt, es handelte sich natürlich um den Anfang des "Zarathustra" von Richard Strauss.
    Bestimmt wäre keiner auf die Idee gekommen, sich eine CD von Richard Strauss zu kaufen, aber das Warsteiner-Lied kannten sie alle. Das war doch schon mal was, auch wenn mein Thema nicht die Musik in der Werbung war, das wäre für die Klientel viel zu theoretisch gewesen, sondern die Instrumentenkunde. Ich wollte den Schülern demonstrieren, wie das Subkontra-"C" der Orgel klingt.
    Ich war auch in meinem Musikunterricht sehr hartnäckig, und so habe ich keinen Schüler entlassen, der nicht in seiner Schullaufbahn die komplette "Zauberflöte" kennengelernt hätte oder das Lied "Das Wandern" aus der "Schönen Müllerin" (mehr oder weniger schön) gesungen hätte.
    Ich hatte sogar einmal eine Klasse dabei, die wohl in der Grundschule einigermaßen fundierten Gesangsunterricht erfahren hatte, und mit dieser Gruppe habe ich die Volkslied-Version und die Version aus Schuberts "Schöner Müllerin" eingeübt, und sie mochten den Schubert lieber, weil er mehr rockte. Den etwas martialischen Marschrhythmus des Volksliedes mochten sie nicht so. Und so habe ich dieses Lied mit dieser Klasse (5. Schuljahr) so gut eingeübt, dass wir es auf der Schulentlassung aufführen konnten. Einige Kollegen wussten nicht einmal, dass es sich hier um die Kunstlied-Version handelte.
    Diese schönen Momente des Musikunterrichts, der sich bei mir viel um die klassische Musik drehte, sind das, was ich am meisten vermisssen werde, wenn ich jetzt bald in Pension gehe.
    Ich werde nie vergessen, wie vor etlichen Jahren eine ehemalige Schülerin, die nun als Mutter beim Elternsprechtag vor mir saß, mir eröffnete: "Ich denke immer gerne daran zurück, wie Sie mit uns damals die Zauberflöte durchgenommen haben". So etwas entschädigt einen doch für Vieles.
    Natürlich ist es, um auf einen Aspekt dieses Threads zurückzukommen, eine relativ überschaubarer Kreis, der sich so intensiv mit klassischer Musik beschäftigt wie z. B. die Mitglieder dieses Forums, und ich für meinen Teil bin Gott dankbar dafür, und vielleicht dem einen oder anderen elterlichen Gen, dass ich das kann und darf, weil es doch nichts Schöneres gibt. Leider erfahre ich in meiner Ehe dafür keine Zustimmung, wohl aber bei meiner Tochter, die mich schon oft zu Konzerten (am liebsten hört sie Mozart) begleitet hat.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Das "Problem" bei klassischer Musik ist m.E., dass sie einerseits Aufmerksamkeit bedarf, und dann auch noch 'zu lange' dauert.


    Ich weiss nicht, inwieweit die Lehrer das hier im Forum bestätigen können, aber ich habe schon oft gelesen oder gehört, auch von befreundeten Lehrern, dass die Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Kindes von heute, oft bedingt durch permanentet kurzatmige Reizüberflutung, einfach nicht mehr länger reicht als für Lenas "Satellite". Viele hätten, so hört und liest man, keine Aufmerksamkeit mehr für eine Schulstunde, manche nicht mal mehr für eine Viertelstunde.


    Ich muss zugeben: ich habe Musik, die ich auch nur 'nebenbei' höre, aber viele klassische Musik ist eben in dem Sinne anspruchsvoller, als das man sich ihr nur mit Aufmerksamkeit und Konzentration nähern kann.

  • Darf ich heute - einmal mehr - den advocatus diaboli spielen ?


    Ich bin der Meinung, daß ihr hier SYMPTOME beschreibt - nicht Ursachen. Ziemlich übereinstimmend schreibt ihr, daß der moderne Mensch nicht bereit sei, Zeit in eine Sache zu investieren.


    Da Frage ich mitch nur, welche Menschen sich dann im Fernsehen die täglichen "Seifenopern" ansehen, welche Klientel etliche zig und mehr Euro für ein Popkonzert ausgibt, und warum Leute stundenlang im Internet surfen bzw ein Computerpiel spielen, welches (nach Aussagen von Hersteller und Spielern ) "Kultstatus hat ?


    Ich frage mich ferner, wieso Zigtausende 90 Minuten dem (meiner Meinung nach) stumpsinnigen Spiel namens Fußball zuschauen können, wo 22 uninteressante Leute einem Ball nachlaufen um in ins jeweis gegenerische Tor zu bugsieren ? - Von jenen Millionen die zusätzlich vor der Glotze sitzen möchte ich gar nicht erst reden.....


    Wenn irgendwo ein "Ereignis" stattfindet, das nichts kostet, dann findet sich IMMER eine "gemischte Gesellschaft" (mehr gemischt als Gesellschaft) ein um gratis beizuwohnen - da darf es dann auch mal was Klassisches sein, das jährliche sommerliche GratisKonzert aus dem Schloßpark von Schönbrunn (der dabei natürlich verwüstet wird) sind ein gutes Beispiel.


    Meine These ist daher, daß die Leite mehrheitlich für "klassische Musik" ungeeignet sind - ebenso wie für hervorragende Küche, ausgezeichnete Weine, edles Konfekt, und bestes Parfüm, das von einer nach menschlichem Schweiß riechenden Menschheit teilweise sogar als "unangenehm" empfunden wird.
    Der Adel , und später das Bürgertum wussten schon, warum sie "klassische" Musik für sich "reservierten"


    Klassische Musik hat leider den Nachteil stets als gesellschaftspolitisches Werkzeug gesehen zu werden - und dementsprechend wird sie teilweise von Leuten benutzt, die in Wahrheit kaum etwas mit ihr anfangen können, und andrerseits aus "politischen oder weltanschaulichen Gründen gemieden, was für mich schon in den Bereich des Phänomens "Dummheit" fält.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Da frage ich mich nur, welche Menschen sich dann im Fernsehen die täglichen "Seifenopern" ansehen, welche Klientel etliche zig und mehr Euro für ein Popkonzert ausgibt, und warum Leute stundenlang im Internet surfen bzw ein Computerpiel spielen, welches (nach Aussagen von Hersteller und Spielern ) "Kultstatus" hat ?


    Was genau ist jetzt die Gemeinsamkeit von Seifenopern und Klassik? (außer den Opernplots)
    u.a. gerade weil die Leute sich mit trivialer Unterhaltung wie Seifenopern konditionieren, sinkt die Bereitschaft für Klassik.
    Computerspiele kann man damit nicht so gut vergleichen, weil man da selbst etwas macht und nicht nur passiv ist. Aufmerksamkeitsspanne wird dort aber auch nicht trainiert (auch wenn, vermutlich unter dem Druck von Lobbies, Medien usw. einige Pädagogen inzwischen sogar Computerspiele verteidigen).




    Zitat

    Ich frage mich ferner, wieso Zigtausende 90 Minuten dem (meiner Meinung nach) stumpsinnigen Spiel namens Fußball zuschauen können, wo 22 uninteressante Leute einem Ball nachlaufen um in ins jeweis gegenerische Tor zu bugsieren ? - Von jenen Millionen die zusätzlich vor der Glotze sitzen möchte ich gar nicht erst reden.....


    Wiederum, nicht viel Gemeinsamkeit. Außerdem haben viele Leute in ihrer Jugend mal eine Zeit lang selber Fußball gespielt, mehr jedenfalls als klassisch musiziert, das schafft sofort ein anderes Verhältnis dazu. Überdies glaube ich nicht, dass Fußball vor 50 Jahren weniger populär war als heute (im Gegenteil, heute gibt es mehr Konkurrenz durch anderen Sport).




    Zitat

    Meine These ist daher, daß die Leute mehrheitlich für "klassische Musik" ungeeignet sind - ebenso wie für hervorragende Küche, ausgezeichnete Weine, edles Konfekt, und bestes Parfüm....


    Edle Weine, Klamotten, Fressalien und Parfum leiden aber keineswegs unter einem Mangel an Popularität. Im Gegenteil, sie werden auf breiter Front von allen, die sie sich leisten können, konsumiert, so leer das Hirn auch sein mag.


    Bei klassischer Musik ist das offensichtlich anders. Welche Gemeinsamkeiten es zu Wein und Parfum auch geben mag, anscheinend kommt es hier auf die Unterschiede an, wenn man das Gefälle in der Popularität erklären möchte.
    Selbst wenn jemand den Unterschied zwischen Schokolade vom Supermarkt und handgemachten Pralinés nicht zu schätzen weiß, wird er letztere nur in seltenen Fällen verschmähen. Ganz anders ist es bezeichnenderweise mit dem Schlager-Konsumenten, dem man Mozart anbietet.
    Es war meines Wissens auch nur selten oder nie notwendig Köche oder Parfumeure zu subventionieren, während klassische Musik noch nie ohne Sponsoren oder Mäzene ausgekommen ist.


    Es mag ja unfair gegenüber den Konditoren, Winzern, Parfumeuren usw. sein, aber gemeinhin wird deren Tun auch nicht, wie im Falle von Musik, Dichtung, bildender Kunst als "Kunst" aufgefasst. Und ich glaube nicht, dass dies nur an der schnellen Vergänglichkeit dieser "Kunstwerke" oder an einer puritanischen Verachtung des Geschmackssinnes liegt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Klassikfreunde,


    ihr glaubt ja gar nicht, wie viele Leute klassische Musik als Kakophonie wahrnehmen! Sie haben keinerlei Zugang zu dieser Musik. Es fehlt der dumpfe Stampfbass, die Texte passen nicht in die Welt usw. bekommt man als Argumente zu hören. Meine Frau hat auch keine Zugang dazu, Beethoven nervt! Und wisst ihr was: Ich gehörte früher auch zu dieser Fraktion.


    ich habe mich auch einige Zeit mit Computerspielen beschäftigt. Der optische Reiz, die Herausforderung, ein Level zu schaffen, man kann völlig in einer Phantasiewelt absinken und die Realität verdrängen.


    Inzwischen mache ich mir keine Gedanken mehr über sowas. Mitmenschen, die Beethoven`s Musik um ihrer selbst willen lieben, wird es in Zukunft immer geben. Dafür war der Bursche einfach zu gut!


    Viele Grüße Thomas

  • Inzwischen mache ich mir keine Gedanken mehr über sowas. Mitmenschen, die Beethoven`s Musik um ihrer selbst willen lieben, wird es in Zukunft immer geben. Dafür war der Bursche einfach zu gut!

    Dacore! Deshalb ist er auch mein Lieblingskomponist!!!


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Ich würde Beethoven hier als 'pars pro toto' verstehen; andere werden so bei Mozart, Bach, Strauss (ja- gibt es auch) oder sonstwem empfinden. Aber die Aussage bleibt sicher richtig.


    Ich befürchte nur, dass diese Menschen nicht ausreichen werden, um zum Beispiel eine vernünftige Handelsversorgung zu gewährleisten. Selbst Saturn in Köln scheint eine Verkleinerung zu planen. Es gibt einfach nicht genug 'Irre' wie uns. Und dann ist da halt noch das Internet...


  • ihr glaubt ja gar nicht, wie viele Leute klassische Musik als Kakophonie wahrnehmen! Sie haben keinerlei Zugang zu dieser Musik. Es fehlt der dumpfe Stampfbass, die Texte passen nicht in die Welt usw. bekommt man als Argumente zu hören. Meine Frau hat auch keine Zugang dazu, Beethoven nervt! Und wisst ihr was: Ich gehörte früher auch zu dieser Fraktion.


    Und wie, warum, wodurch hat sich das bei Dir geändert?
    Dass es immer welche geben wird, die auch klassische Musik hören, ist vermutlich unbestritten. Nur ist es eben unter der Voraussetzung, dass klassische Musik so etwas ähnliches ist wie teure Pralinen oder Champagner eben sehr verwunderlich, warum es nur so wenige sind...
    Selbst wenn Alfred also recht haben sollte, dass "die meisten Menschen für klassische Musik ungeeignet sind" sind anscheinend nur sehr wenige für Schampus und Pralinen ungeeignet. Ergo ist klassische Musik in entscheidender Hinsicht anders. Da bin ich mir ziemlich sicher, allerdings glaube ich, dass die meisten Menschen im Prinzip auch klassischer Musik zugänglich wären. Nur die Verhältnisse, sie sind nicht so...


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Ich glaube, ein Problem ist die Dauer. Ich kenne (fast) niemanden, der sich stundenlang eine Symphonie anhören würde. Keine Bilder, keine Action, kein Video...


    Ich glaube, wenn Du Klassik vermarkten willst wie Pop, muss an der Darreichungsform etwas geändert werden.


    Allerdings haben viele Menschen, vor allem junge, wenn man der Statistik glauben darf, gar nicht mehr die Fähigkeit, sich so lange auf eine Sache zu konzentrieren. Popmusik kommt in leicht verdaulichen Häppchen, rhythmisch und harmonisch mit wenig Abwechslung daher, das ist 'mundgerecht'.


    Mahlers Symphonien sind eben eine Welt, das ist nicht mundgerecht.


    Am ehesten gehen vermutlich noch Sampler, bei denen die Einzelstücke nicht länger als ein durchschnittlicher Popsong sind - und nicht anspruchsvoller. Eben die Justus-Frantz-Klassik.


    Ich glaube auch, dass die Wahrnehmung in der breiten Masse eben nicht Champagner und Pralinen sind, sondern 'notwendige' Kultur, eher die Rizinustropfen.


    Ich wiederhole das oft, weil es mich nachhaltig erschüttert: wann immer junge Menschen in den üblichen Massenmedien mit einem klassischen Stück zu hören sind, ist der Journalist oder Moderator nicht weit, der wörtlich oder sinngemäß fragt: "Machst Du nur Klassik oder auch noch richtige Musik?"
    Die Wahrnehmung hat sich in den letzten Jahrzehnten umgekehrt: die tumbe Massenware ist die richtige Musik (wobei nicht jede Popmusik dieses Etikett verdient, versteht mich nicht falsch, da gibt es auch große Kunst, manches einer neuen Form des Kunstliedes verwandt), und die Klassik ist das Abwegige.

  • Hallo,


    Da gibt es sicher mehrere Begründungen/Ursachen, einige wurden schon erwähnt. Aber es ist nicht verwunderlich wenn man allgemein vor allem die Lebensphilosphien in vielen Industrieländern hernimmt wo die Mehrheit nach Modetrends und Hypes lebt und wie doch bei den meisten Mainstreamhörer nicht gerade gute Vorurteile über Klassik existieren, die ich hier ja denk ich mal nicht aufzählen muß. Zudem die Lebensweise des heutigen Zeitgeistes (Streß, Zeitmangel, Materialismus,...) die nicht förderlich ist sich mit einem Musikstück konzentriert für längere Zeit auseinanderzusetzen, da Unterhaltung (die eher in die seichte Richtung tendiert, oftmals auch vielleicht als Ausgleich zum sonstigen Alltag) in der Freizeit entspannend wirkend soll was es aber für Viele nicht wäre wenn sie sich erst in die klassische Musik konzentriert "einarbeiten" müßten, also ihre Höhrgewohnheiten in Hoffnung es würde irgendwann mal eine tiefere Leidenschaft daraus entstehn, zu konditionieren - wer macht das schon bis auf gewisse Ausnahmen?


    Wie JR finde ich auch sollte man Klassik eigentlich nur mit anderen (populären) Musikstilen vergleichen da ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Konsumformen schwer möglich ist. Die Frage warum aber zB Popmusik populärer ist hatten wir ja hier schon mal an anderer Stelle.(und einige o.a. Punkte treffen hier natürlich ebenso zu)


    Die meisten Klassikhörer kamen ja entweder nur durch Zufall, irgendwann mal an ein Schlüsselwerk zu geraten das eine Art Initialzündung brachte, oder durch ein klassikinteressiertes Elternhaus, zur Klassik. Aufdrängen tut sich einem Klassik - im Gegensatz zur Popularmusik - in der heutigen Geselllschaft natürlich nicht und somit sozusagen für unseren Zeitgeist das logische Naheliegende. Und langvertraute Hörgewohnheiten lassen sich auch schwer wieder in eine ganz andere Richtung umstellen.


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Ja sicher, das sind alles wohl wichtige Aspekte. Hatten wir ja schon mehrfach. Mahlers Sinfonien als typisch zu nehmen ist allerdings auch eine eher einseitige Sichtweise von Klassik. ;) Es gibt ja massenhaft Stücke, die relativ kurz sind: Klavierstücke von Bach bis Schönberg, Lieder, Arien u.a. Besonders wenn man Einzelsätze betrachtet, sind viele mit 3-6 min. gar nicht länger als Popsongs und "normale" Sonaten und Sinfonien dauern eher 30min+- als eine Stunde oder mehr.


    Dass die Jugend- und Populärkultur in scharfem Gegensatz zu so etwas wie klassischer Musik steht, ist klar. Was aber in den letzten Jahren oder Jahrzehnten das Erstaunliche oder Erschütternde ist, ist eben, dass diese Art Umgang mit oder Konsum von Kultur nicht mehr nur auf 12-24jährige beschränkt ist, sondern die gesamte Gesellschaft dominiert. Klar, es gibt immer wieder welche, die auch ohne entsprechende Prägung in jungen Jahren noch zur Klassik kommen und es gibt ja auch gar nicht so wenige Klassikhörer insgesamt. Aber, auch dazu finden sich Diskussionen in den Tiefen des Forums, "ernste" Musik ist anscheinend die Kunst, wo der Zugang fast am Schwersten fällt. Bei den MOMA-Austellungen in Berlin musste man stundenlang Schlange stehen, ähnliches gilt für viele andere Kunstaustellungen. Filmkunst ist sowieso populär, nicht nur Hollywoodschinken und auch (Sprech-)Theater scheint mir unter Jüngeren eher oder breiter akzeptiert als klassische Musik.


    Vielleicht ist ein ganz trivialer Grund, was Thomas anzudeuten scheint, dass die meisten eben von Kind auf mit Popmusik beschallt worden sind, nicht aber mit Pop-Alternativen zu bildender Kunst oder Theater...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Vielleicht ist ein ganz trivialer Grund, was Thomas anzudeuten scheint, dass die meisten eben von Kind auf mit Popmusik beschallt worden sind, nicht aber mit Pop-Alternativen zu bildender Kunst oder Theater...


    Doch, ich meine Popalternativen gibt es in jedem Bereich, bei bildender Kunst war es früher der röhrende Hirsch über der Couch, heute sind es dekorative Bildchen aus dem Möbelhaus - beim Theater gab's früher die Popversion auf Jahrmärkten, heute ist das Fernsehen an deren Stelle getreten, eben z.B. mit den erwähnten Seifenopern.


    Bei der hier immer wieder erwähnten Länge stimme ich Johannes Röhl zu: das kann's ja wirklich nicht sein, sonst wären Weberns 1min30sec-Sätze ja der Renner, während "Vom Winde verweht"...


    Ich habe immer den Standpunkt vertreten, daß man Musik, die man sich erst "erarbeiten" muß, wenig taugt und man sie am besten links liegen lassen sollle - Allenfalls kann man sich eines Tage in späteren Jahren damit befassen..


    Die meiste klassische Musik bedarf nämlich solch eines Prozesses nicht.


    Das halte ich für einen großen Irrtum. Nur darf man unter "Erarbeiten" nicht verstehen, dass man unbedingt theoretische Hintergründe braucht (obwohl das nie schaden kann), aber ohne ein "hörendes Erarbeiten" geht es erstmal nicht. "Musik ist eine Sprache, die jeder versteht" habe ich immer für Quatsch gehalten, man findet sich hörend nur in der Musik zurecht, wenn man entsprechende Hörerfahrung hat. Kann sein, dass mancher von klein auf mit Klassik vertraut wurde und er sie tatsächlich unbewusst zu erfassen lernte, wie es auch beim Spracherwerb geschieht. Ich weiß aber noch, wie ich zu Beginn meines Klassikhörens Bachs Kunst der Fuge als völlig schreckliches ermüdendes Genudel, ohne Melodie und erkennbare Struktur empfand. Oder wenn ich denke wie modern mir Strawinskys "Le sacre" damals vorkam, während ich das heute als knackiges Zuckerstück höre. Dazwischen liegt eine Menge Hörerfahrung, durch die mein Gehirn gelernt hat, Zusammenhänge im Gehörten zu erkennen.


    Bei Popmusik ist die nötige Erfahrung, wie bei allen simplen Dingen leicht zu machen. Bei Klassik braucht man auch mal Durchhaltevermögen, bis sich ein "Erfolgserlebnis" einstellt. Ich meine, dass vielen Menschen heute die Erfahrung fehlt, dass der Genuss oft umso größer ist, wenn er durch Anstrengung erreicht wird. Warum ist dann bildende Kunst so viel beliebter? Ein Museumsbesuch zwingt sicher nicht so zur wirklichen Beschäftigung mit der Sache, wie ein Konzert. Bilder kann man sicher leichter an sich vorbeirauschen lassen, wenn sie einem wenig sagen - Musik ist da "penetranter", wenn man sie nicht hörend erfassen ("verstehen") kann, dann nervt sie oder langweilt.


    Den Vergleich mit anderen Bereichen finde ich gar nicht so unpassend. Die meisten würden einen Champagner nicht ablehnen, weil er den Ruf von luxoriösem Genuss hat, aber im Blindtest vielleicht den halbtrockenen Sekt von Aldi vorziehen. Ging's Euch nicht auch so, bei den ersten Versuchen mit Wein? Erst mochte man den süßen, den man heute nicht mehr runterkriegen würde. Hätte man sich nicht und nach an die trockenen gewöhnt, wären einem deren Vorzüge verborgen geblieben.


    Beste Grüße aus Freiburg
    Byron (der sich jetzt einen leckeren Wein aufmacht :) )

    non confundar in aeternum

  • Ich gehöre auch zu denen, die der Auffassung sind, klassiche Musik sei nicht leicht und fliege einem nicht so unvermittelt zu. Alfred nannte es "sich erarbeiten müssen", und in einem anderen Beitrag hieß es, dass man bei klassicher Musik schon einmal Stehvermögen benötige.
    So ist es, und außerdem gab es eine Zeit, nämlich die der Klassik und auch noch die der Romantik, wo klassiche Musik so ziemlich konkurrenzlos war und wo "Schlager", die man auf der Straße pfiff, aus Opern stammten wie z. B. der "Zauberflöte" und dem "Freischütz".
    Heute ist die Klassiche Musik auch wegen der massiven Konkurrenz an den Rand gedrängt worden und der Mehrzahl der Bevölkerung auch nie bekannt und nahegebracht worden, z.B. durch Familie und Schule.
    Noch vor vierzig, fünfzig Jahren gab es im Fernsehen regelmäßig Opernübertragungen zu sehen (z.B. 1959 den legendäre "Barbier von Sevilla" mit Fritz Wunderlich und Hermann Prey), später in den 80er-Jahren konnte man in den Anfängen des Kabelfernsehens jeden Sonntagvormittag eine Matinee aus dem Amsterdamer Concertgebouw mit Bernhard Haitink oder Edo de Waart sehen und Bruckner und Mahler bis zum Abwinken.
    Spätestens, als jedoch die Fernsehinhalte nach Quoten berechnet wurden, war damit Schluss.
    Das Anhören eines klassischen Konzertes erfordert in der Tat mehr Konzentration und Anstrengung als z. B. das Anhören eines Rock- oder Pop-Konzertes, und das hat eben auch sehr viel mit den musikalischen Inhalten zu tun wie auch mit der Form, wie diese Konzerte durchgeführt werden, mit den "ungeschriebenen" Regeln z.B. .
    Dass sogar bei Rock- und Pop-Konzerten das TamTam der Zuschauer den Musizierenden zu viel werden kann, zeigt z. B. die Tatsache, dass die Beatles Ende der 60er-Jahre ihre Live-Konzerte einstellten, weil sie wegen des Krachs der Zuschauer auf er Bühne ihre eigenes Wort und ihre Musik nicht mehr hören konnten.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo freunde,




    Bei mir ist es ein langer Reifeprozeß gewesen. Als Kind wurde uns vom Vater James Last als ultimative Musik vorgedudelt! Vielleicht wäre ich schon als Kind in die Kassik "eingebogen", hätte man sie mir näher gebracht. Aber dann wäre mir ein wunderbarer Streifzug durch all die Jahre PoP und Rock verloren gegangen!


    Versucht es doch mal von einer anderen Warte: Popmusik ist Tanz, Bewegung auch der Hörer, Gemeinschaftserlebnis im Mitsingen (gröhlen :D ), anbandeln in der Disco ( komm lass uns hoppeln gehn, ich latsch dir auch nicht auf die Füße...natürlich gelogen 8| ), ein flüchtiges Erlebnis, mit dem man sich nicht auseinander setzen muss. Emotionen! Ein Gitarrensolo, das einem Gänsehaut den Rücken runter jagt, oder eine Schnulze, die einen traurig macht. Einfache, klare Strukturen. Schlagzeug, Bass, die man spürt und nicht nur hört.


    Leben spüren!


    Viele Grüße Thomas

  • Filmkunst ist sowieso populär, nicht nur Hollywoodschinken und auch (Sprech-)Theater scheint mir unter Jüngeren eher oder breiter akzeptiert als klassische Musik.


    Na, ich weiß nicht - wenn die Klassiker des experimentellen Films der 20er Jahre am Programm stehen, kommen weniger Leute als zu Webern und Varèse. Filmkunst scheint nur dann viel Publikum anzuziehen, wenn sie noch keine 20 Jahre alt ist.

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  • Na, ich weiß nicht - wenn die Klassiker des experimentellen Films der 20er Jahre am Programm stehen, kommen weniger Leute als zu Webern und Varèse. Filmkunst scheint nur dann viel Publikum anzuziehen, wenn sie noch keine 20 Jahre alt ist.


    Das gilt auch für modernes Kino. Vieles läuft bei uns gerademal in kleinen Programmkinos, deren Publikum vermutlich auch in der Tonhalle zu finden wäre.
    DAS KINO an sich wird von UCI, Multiplex und wie diese Kinomonstren heissen definiert, und da findet sich leichtes oder mittelschweres - letzteres dann auch nur eine oder zwei Wochen lang.

  • So ist es, und außerdem gab es eine Zeit, nämlich die der Klassik und auch noch die der Romantik, wo klassiche Musik so ziemlich konkurrenzlos war und wo "Schlager", die man auf der Straße pfiff, aus Opern stammten wie z. B. der "Zauberflöte" und dem "Freischütz".


    Das höre ich immer und immer und immer und immer wieder... Das ist dieses Klischee, klassische Musik sei die populäre Musik der Vergagenheit. Leute wie kommt ihr nur darauf??? Glaubt denn jemand im Ernst die einfachen Leute wären damals in ein Konzert gegangen? Oder irgendein Bauer hätte damals jemals Mozarts Figaro gehört? Sicher gab es vielleicht ein paar Ausnahmen, daß mal eine bestimmte Melodie aus der Kunstmusik populär wurde. Da hörte man in der Stadt vielleicht mal "Der Vogelfänger bin ich ja" auf dem Leierkasten. Aber das war ja im Prinzip auch nichts anderes als wenn heute eben jeder die Zarathustra Fanfare aus der Werbung oder aus "Odysee im Weltraum" kennt. Die "klassische" Musik war auch damals nicht konkurenzlos. Natürlich gab es damals neben der Kunstmusik eine populäre Unterhaltungsmusik in Form von Tanzmusik und Liedern. Bei der Hochzeit auf dem Dorf hat man doch nicht nach Haydn-Menuetten getanzt, sondern einen schmissigen Volkstanz gefidelt.


    Der Unterschied heute ist, daß zu einer höheren Bildung wohl Klassik nicht mehr automatisch dazugehört. Es gibt eine Menge ansonsten sehr gebildeter Menschen, die aber im musikalischen Bereich Pop bevorzugen, bzw. sogar von Klassik nicht die geringste Ahnung haben. Das wäre damals wohl kaum vorgekommen.


    Gruß aus Freiburg
    Byron

    non confundar in aeternum

  • Das höre ich immer und immer und immer und immer wieder... Das ist dieses Klischee, klassische Musik sei die populäre Musik der Vergagenheit. Leute wie kommt ihr nur darauf??? Glaubt denn jemand im Ernst die einfachen Leute wären damals in ein Konzert gegangen? Oder irgendein Bauer hätte damals jemals Mozarts Figaro gehört? Sicher gab es vielleicht ein paar Ausnahmen, daß mal eine bestimmte Melodie aus der Kunstmusik populär wurde. Da hörte man in der Stadt vielleicht mal "Der Vogelfänger bin ich ja" auf dem Leierkasten. Aber das war ja im Prinzip auch nichts anderes als wenn heute eben jeder die Zarathustra Fanfare aus der Werbung oder aus "Odysee im Weltraum" kennt. Die "klassische" Musik war auch damals nicht konkurenzlos. Natürlich gab es damals neben der Kunstmusik eine populäre Unterhaltungsmusik in Form von Tanzmusik und Liedern. Bei der Hochzeit auf dem Dorf hat man doch nicht nach Haydn-Menuetten getanzt, sondern einen schmissigen Volkstanz gefidelt.


    Die klassische Musik war nicht die populäre Musik der Vergangenheit. Aber es ist richtig, dass einzelne Arien u.ä. tatsächlich beinahe zu "Schlagern" wurden, die sich weit auch im "einfachen Volk" verbreiteten.
    Und durch ihre Allgegenwärtigkeit so manchem auf die Nerven gingen (Hilf Samiel! ;)):
    "http://de.wikisource.org/wiki/Der_Jungfernkranz"


    Ähnlich dürften bei etlichen Tanzsätzen die Grenzen durchaus fließend gewesen sein (zumal sich Haydn u.a. ja auch bei den schmissigen Volkstänzen bedient haben). Aber das kann man sicher nicht auf alle Werke und alle Epochen verallgemeinern.


    Und was William über die 50er-80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts schreibt, ist ebenfalls richtig. Meinen Eltern in den 1960ern wäre eine Wagneroper (außer evtl. Holländer) vermutlich "zu schwer" gewesen. Aber "Freischütz", "Fledermaus" und "My Fair Lady" gehörten "zum guten Ton" bzw. wurden gleichermaßen enthusiastisch genossen, wenngleich das Theatererlebnis als Ganzes vermutlich wichtiger war als die Musik allein. In den späten 1980ern habe ich alle Beethoven-Sinfonien inklusive kurzer Werkeinführung mit Bernstein aus Wien im TV gesehen und zwar nicht im Privatfernsehen. Konzertaufzeichnungen ohne Kommentar/Einführung gab es fast jeden Sonntag in ARD oder ZDF und Opern wurden nicht nur auf die ganz späte Schiene verbannt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Und was William über die 50er-80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts schreibt, ist ebenfalls richtig. Meinen Eltern in den 1960ern wäre eine Wagneroper (außer evtl. Holländer) vermutlich "zu schwer" gewesen. Aber "Freischütz", "Fledermaus" und "My Fair Lady" gehörten "zum guten Ton" bzw. wurden gleichermaßen enthusiastisch genossen, wenngleich das Theatererlebnis als Ganzes vermutlich wichtiger war als die Musik allein. In den späten 1980ern habe ich alle Beethoven-Sinfonien inklusive kurzer Werkeinführung mit Bernstein aus Wien im TV gesehen und zwar nicht im Privatfernsehen. Konzertaufzeichnungen ohne Kommentar/Einführung gab es fast jeden Sonntag in ARD oder ZDF und Opern wurden nicht nur auf die ganz späte Schiene verbannt.


    Tja, da ist schon was dran... Mit dem Aufstieg des Bürgertums ist wohl im 19.Jahrhundert Musik (klassische) zum festen Bestandteil bürgerlicher Allgemeinbildung geworden. Davon haben wir bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gezehrt. Zwar hat die Beschäftigung mit Kunst, Literatur, Musik allgemein nachgelassen, aber warum davon ausgerechnet die Musik am meisten betroffen war verstehe ich auch nicht so ganz. Erstaunlich z.B. welchen Erfolg das "Literarische Quartett" im Fernsehen hatte - ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Diskussion von vier Leuten auf relativ hohem Niveau über klassische Musik annähernd hohe Einschaltquoten erreicht hätte. Aber wer weiß, vielleicht wenn jemand mit dem Charisma von Reich-Ranicki...? Bisherige Versuche im Fernsehen wie Justus Franz "Achtung Klassik" waren ja eher ;( . Ganz zu schweigen von Peinlichkeiten, wie der "Echo"-Verleihung.


    Weiter abwärts wird's meiner Meinung nach aber nicht gehen. Wir sind jetzt wohl bei so ca. 4-5% Klassikhörern angelangt, und das ist imo der "harte Kern". Dafür ist die Musik einfach zu gut und eine kleine Anzahl Menschen wird noch lange darauf "anspringen". Allem Kulturpessimismus zum Trotz ist ja Niveau nicht auszurotten, auch wenn das ständig so aussieht. Irgendwo kriecht es immer wieder hervor und ich staune manchmal über "Klassikhörkarrieren", wie ich sie zum Teil persönlich, zum Teil aus "Mitglieder stellen sich vor" erfahren habe. Da kommen doch immer wieder auch Leute ohne Einfluss von Elternhaus oder Umgebung zur Klassik, teilweise sogar nachdem sie jahrelang reine Pop/Rock/Jazz-Hörer waren (wobei es bei letzteren sicher am naheliegendsten ist).


    Gruß aus Freiburg
    Byron

    non confundar in aeternum

  • Zitat

    Zwar hat die Beschäftigung mit Kunst, Literatur, Musik allgemein nachgelassen, aber warum davon ausgerechnet die Musik am meisten betroffen war verstehe ich auch nicht so ganz. Erstaunlich z.B. welchen Erfolg das "Literarische Quartett" im Fernsehen hatte - ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Diskussion von vier Leuten auf relativ hohem Niveau über klassische Musik annähernd hohe Einschaltquoten erreicht hätte.


    Aber das ist doch ganz einfach zu verstehen - und man sieht es hier im Forum immer wieder.
    Über Musik kann man immer dann trefflich schreiben, bzw sich mit ihr befassen, wenn sie entweder ideologich gebunden ist - oder (Oper) an Geschichten gebunden ist.


    Schwieriger wird es mit Kammermusik und mit Klaviersonaten. Man kann sie hören und geniessen -Aber es ist schwierig - wenn nicht Sender undEmfänger Noten lesen und interpretieren können - jemandem anderen seine Begeisterung mitzuteilen.


    Irgendwie aber habe ich den Eindruck, daß gewisse Kreise sogar interessiert daran sind, diese "bürgerliche Musik "auszurotten" - die Einführung des Regietheaters war da wohl eine geeignete Waffe, ebenso wie die extrem ruppige Wiedergabe klassischer Werke, was viel potentiellen Hörer abschreckte.


    Von der Konditionieruing zur Pop-Musik will ich errst gar nicht reden. Es stimmt ja nicht, daß der Niedergang nur die klassische Musik betrifft, er ist ja überall vorhanden - nur bemeren wir es kaum mehr, weil wir davon andauernd umgeben sind.
    Ich erinnere nur an Fast-Food - Lebensmittelkonserven, Jeans und T-Shirt als Alltagskleidung, Wohnbauten aus Fertigteilen, Comic- und Schundliteratur, Kunstwerke, die diesen Begriff kaum mehr verdienen und Kunstoffen überall. Dazu kommt noch ein Mangel an Allgemeinbildung, die als nutzloser Ballast abgetan wird, weil man damit kein Geld verdienen kann., Ehre, Elite, Strebsamkeit. Vaterlandsliebe - all das was dereinst als positiver Begriffe in unserer Kultur existierte ist nun an den Rand der Gesellschaft gedräng, bzw verpönt.
    Warum bittesehr, soll die "Klassische Musik" davon verschont bleiben ?


    Zitat

    Aber wer weiß, vielleicht wenn jemand mit dem Charisma von Reich-Ranicki...?


    Das wäre sicherlich nicht ganz unmöglich - aber wer will das schon - Mit Alternativprodukten lässt sich bei unverhältnismäßig wenig Aufwand sehr viel mehr Gewinn machen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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