SUPPÉ, Franz von: Sein Lebenslauf - seine Operetten

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    Franz von Suppé


    geboren am 18.4.1819 in Split
    gestorben am 21.05.1895 in Wien



    LEBENSLAUF


    Seine Mutter war eine Wienerin, die einen Belgier heiratete, daher der französisch klingende Familienname. Geboren ist Franz von Suppé an den Gestaden der Adria in der Stadt Split - damals hieß sie noch Spalato. Dalmatiner ist er nur, weil er dort zur Welt gekommen ist, sein Herz schlägt eher im italienischen Takt. Der vollständige Namenszug verrät es, denn dieser lautet: Francesco Ezechiele Ermengildo Cavaliere Suppé Demelli. Der Musikfreund muss sich mit dieser umständlichem Bezeichnung nicht vertraut machen, es genügt die Kurzform. Ebenfalls muss er sich nicht merken, dass Spalato zeitweilig unter Kaiser Diokletian Hauptstadt des römischen Reiches war. Die Ruinen des Palastes zeugen von der einstigen Bedeutung, während die schmucke Allee aus Dattelpalmen den Touristen von heute erfreut. In der Tat ist Split die vielleicht schönste Stadt an der östlichen Adria, in der Franz seine Kindheit verbrachte und im Chor der Kathedrale sang. Der Chorleiter Giovanni Cigalla und der Kapellmeister Giuseppe Ferrari übermittelten dem Begabten die ersten musikalischen Impulse. Die Flöte war sein Lieblingsinstrument und der Jugendliche befasste sich bereits mit dem Gedanken, selbst zu komponieren.


    Mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität von Padua versuchte er den Vorstellungen des Vaters zu genügen. Häufige Aufenthalte in Italiens Musikmetropolen föderten die Wertschätzung der Opernwerken Rossinis und Donizettis, deren persönliche Bekanntschaft er machte. Mit der später so genannten 'Missa Dalmatia' versuchte Franz mit einer eigenen Komposition sich selbst zu genügen. Aufgeführt wurde das geistliche Werk erst vierzig Jahre später.


    Das Jurastudium behagte ihm nicht und nach dem Tod des Vaters zog er 1935 nach Wien, um sich der Medizin zuzuwenden. Doch der Sinn stand dem jugendlichen Freigeist nach musikalischem Ruhm. Um sein Studium am Wiener Konservatorium zu finanzieren, gab er Italienisch-Unterricht. Mit seiner Oper 'Viginia', die am Anfang seines Ehrgeizes aus der Wiener Zeit als Komponist stand, erzielte er keinen Beifall. Erfolg brachte ihm eine Tätigkeit als Kapellmeister an verschiedenen Wiener Theatern, darunter befanden sich das Theater an der Wien und das Carlstheater. Franz Pokorny förderte sein Talent und aus Dankbarkeit widmete Souppé ihm sein Requiem in d-moll, welches am 22. November 1855 uraufgeführt wurde.


    Angeregt durch Jacques Offenbach fand Franz von Suppé endlich seinen Stil und schuf ab 1860 eine Operette nach der anderen. Neben dem Walzerkönig wurde er der Begründer der Wiener Operette und läutete ihr Goldenes Zeitalter ein. 'Fatiniza', 'De schöne Galathée' und vor allem 'Boccaccio' stehen in auch in heutiger Zeit auf den Spielplänen der großen Häuser. Die Wiener trällerten „Florenz hat schöne Frauen, doch die schönste bist du“. Von der Beliebtheit seiner Ouvertüren zeugen weltweit deren Aufnahme in die Wunschkonzerte der Rundfunkanstalten. Der 21. Mai 1895 beendete eine von Erfolg gekrönte Laufbahn in seinem geliebten Wien.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

  • WERKVERZEICHNIS (in Auswahl)


    * Pique Dame (1864)
    * Die schöne Galathée (1865)
    * Leichte Kavallerie oder Die Töchter der Puszta (1866)
    * Banditenstreiche (1867)
    * Lohengelb oder die Jungfrau von Dragant (1870)
    * Fatinitza (1876)
    * Boccaccio (1879)

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    Franz von Suppé (1819-1895)
    Die schöne Galathee


    Komisch-mythologische Operette in einem Akt
    Libretto von Poly Henrion (Leopold Kohl von Kohlenegg)
    Uraufführung am 9.9.1865, am Carl-Theater, Wien


    Personen:
    Pygmalion, ein Bildhauer
    Ganymed, sein Diener
    Mydas, ein Kunsthändler
    Galathee, eine Nymphe


    Das Geschehen spielt auf Zypern in alten Zeiten




    HANDLUNG


    Pygmalion ist ein begnadeter Künstler und arbeitet nur mit edelstem Material. Die Nymphe Galathee hat es ihm angetan und sie allein beschäftigt seine Gedanken. Eine Skulptur aus feinstem Marmor hat er als Ebenbild geschaffen - so vollkommen, dass sie nahezu lebendig wirkt. Sie ist es aber nicht! Pygmalion unterhält sich zwar mit ihr, bekommt aber keine Antwort. Er ist in sein Kunstwerk vernarrt und versteckt es hinter einem Vorhang, damit niemand auf die Idee kommen soll, sein Geschöpf sei käuflich zu erwerben. Auch hat der Skulpteur Angst, dass die Statue gestohlen werden könnte. Deshalb muss sein Diener Ganymed sie streng bewachen. Bedauerlich, dass das Plappermaul sein Geheimnis nicht für sich behalten kann, denn der Kunsthändler Mydas zeigt großes Interesse, nachdem er den Diener beschwatzt hat, ihm die Nymphe zu zeigen. Pygmalion fährt dazwischen, schlägt überheblich das lukrative Kaufangebot ab und jagt den aufdringlichen Kunstliebhaber aus der Werkstatt.


    Venus ist ausnahmsweise nicht eifersüchtig und weiß es zu schätzen, das Schönheit unter den Menschen einen hohen Stellenwert hat. Die Liebesgöttin zeigt sich auch nicht abgeneigt, als Pygmalion sie flehentlich bittet, der Statue Leben einzuhauchen. Er hat die Vorstellung, dass die Seele seiner Nymphe genau so schön sein muss wie der Körper. Schließlich hat er sich mit seiner Arbeit mächtig angestrengt.


    Auf Geheiß der Liebesgöttin steigt Galathee vom Sockel und stürzt sich liebeshungrig dem verzückten Pygmalion in die Arme. Noch ahnt er nichts von dem, was auf ihn zukommen wird. Eine Nymphe ist - wie der Name schon sagt - nymphoman veranlagt und hat mit Treue nicht viel im Sinn. Der übermäßige Genuss von Alkohol ist Galathee nicht fremd, weil sie den Gott Dionysos bei seinen nächtlichen Streifzügen regelmäßig begleitet hat. Trinklieder singt sie aus voller Kehle.


    Das zweite Opfer der Ausgehungerten ist natürlich der schöne Ganymed, den sie zu verführen trachtet. Den Pygmalion hat sie losgeschickt, das Abendessen einzukaufen und zwar für vier Personen. Der Kunsthändler hat sich auch eingeladen. Midas gefällt ihr als Kandidat für erotische Spielchen weniger, aber seine Zudringlichkeit wird durch kostbares Geschmeide, welches er ihr zum Geschenk macht, abgefangen.


    Galathee hat Allüren. Obwohl ständig untreu, spielt sie die Eifersüchtige. Als er das geliebte Wesen mit Ganymed in enger Umarmung erwischt, ist die Grenze seiner Geduld erreicht. Sein Stolz kann es nicht ertragen, etwas geschaffen zu haben, was nicht makellos ist. Körper und Seele bilden nun einmal eine Einheit und diese hat bei Galathee einen Riss. Zornig will er sie mit einem Hammer erschlagen und sie flüchtet ängstlich auf ihren angestammten Marmorsockel.


    Pygmalion bittet die Liebesgöttin, ihr Geschenk wieder zurückzunehmen und bereut seinen Frevel. Galathee vernimmt es mit Entsetzen, denn sie will nicht wieder zu Stein werden, weil das Leben bei freier körperlichen Entfaltung doch sehr amüsant sein kann. Vor ihr steht Pygmalion mit dem Hammer, so dass an Flucht nicht zu denken ist. Blitz und viel Theaterdonner begleiten Galathees Metamorphose zurück in den Block. Die Göttin hat entschieden und sich den geänderten Wünschen Pygmalions zugeneigt.


    Ach, Mydas kommt und möchte Armreifen und Halskettchen zurück haben. Kleines Problem – der gesamte Schmuck ist versteinert.


    Anmerkungen:


    Parodien auf das mutmaßliche Liebesleben von Heroen der griechischen Antike waren das Gebiet, auf dem Jacques Offenbach seine Lorbeeren erntete und das Pariser Publikum in Begeisterungsstürme versetzte. La 'belle Hélène' hatte ihre Uraufführung nur ein paar Monate früher‚ bevor mit der schönen Galathee die Antwort aus der Donaumonarchie die musikalische Welt erreichte. Wenn auch nicht ganz so pompös und in den Ausmaßen ein bisschen bescheidener, gehört die komisch-mythologische Operette doch zum besten, was Franz von Suppé, ein gebürtiger Dalmatiner, zur leichten Muse beigetragen hat. Der Walzerkönig war sein berühmter Zeitgenosse.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

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    Franz von Suppé (1819-1895)
    Boccaccio

    Buffo-Oper in drei Akten
    Libretto von F. Zell und Richard Genée
    Quelle: Das „Decameron“ des Florentiner Dichters Giovanni Boccaccio (1313-1375)
    Uraufführung am 01.02.1879 im Carl-Theater zu Wien
    Weitere Aufführungen 1931 an der Metropolitan Oper in New York (mit Maria Jeritza als Fiametta)


    Charaktere:
    Giovanni Boccaccio, Verfasser von Geschichten unseriöser Art
    Fiametta, eine der schönsten Frauen von Florenz, verliebt in Boccaccio
    Pietro, Prinz von Palermo, abenteuerlustig
    Scalza, Barbier, erbost
    Beatrice, sein Weib, untreu
    Lotteringhi, Fassbinder, erbost
    Isabella, sein Weib, untreu
    Lambertuccio, Gewürzkrämer, erbost
    Peronella, sein Weib, untreu
    Leonetto, Student, locker
    Volk von Florenz


    Das Geschehen spielt in Florenz im Jahre 1331



    HANDLUNG


    Erster Akt:


    Das Volk von Florenz befindet sich im Freudentaumel, denn man feiert heute den Tag des Schutzheiligen Giovanni Battista. Vor der Kirche „Santa Maria Novella“ hat sich viel Volk eingefunden, denn die Bettler versprechen sich reichhaltige Ausbeute, weil die Spendefreudigkeit an heiligen Tagen etwas höher liegt, als gewöhnlich. Auch der stadtbekannte Poet Giovanni Boccaccio denkt an üppige Einnahmen aus dem Verkauf seiner frivolen Erzählungen. Er hat das Schriftgut – neueste Novellen aus den besten Quellen - auf einen kleinen Bollerwagen gepackt und ein Werbespruchband verrät, wer der tüchtige Geschäftsmann ist. Welche Geschichten sind heute gefragt? „Der Müller und der Abt“ oder „Die Freundin des Kardinals?“


    Immer wieder kommt der Klerus ins Gerede, der doch den Schäfchen in Sachen Moral ein Vorbild sein sollte! Der Freund des Poeten, ein Student, hilft dem Verfasser, die Broschüren loszuschlagen. Ist es nicht ein bisschen indiskret, wenn Leonetto den Leuten erzählt, dass ihn Frau Beatrice erwartet?


    Holdes Weibchen, ach wie schlau!
    ihr Gemahl ist noch auf Reisen und es langweilt sich die Frau.
    Drum gibt sie ihm den Schlüssel und er kennt den Weg genau.


    Kein Wunder, dass Boccaccio immer genügend Stoff für seine frivolen Reporte hat, wenn die Frauen untreu sind und die Männer den Mund nicht halten können. Völlig anderer Ansicht sind drei ehrbare Handwerker. Scalza, ein Barbier, meint, dass seine Frau Beatrice der Inbegriff der Treue sei und für die bösartigen Novellen Boccaccios niemals Stoff abgeben würde. Lotteringhi, ein Fassbinder, behauptet von seiner Frau das gleiche. Plötzlich ertönen Hilferufe aus dem Haus des Barbiers.


    Das war doch Beatrice, was mag nur geschehen sein.
    Ihr zu helfen möchte Scalza eilen, doch es zittert sein Gebein.
    „Liebes Weib, wie bist du blass!
    Was geschah, so sag doch was?“


    Boccaccio eilt seinem Kumpel Leonetto, der in der Falle sitzt, wortreich zur Hilfe und tut so, als ob er ihn erstechen wolle. Ein wildes Getümmel entsteht. Doch Scalza wird misstrauisch: Man stößt und sticht gar wild herum und es fällt noch immer keiner um. Der Hausfriedensbruch kann nicht restlos aufgeklärt werden und man beruhigt sich.


    SZENENWECHSEL


    Pietro, seines Zeichens Prinz von Palermo, weilt in der Stadt, um den Herzog zu besuchen. Letzterer soll eine wunderschöne Tochter sein eigen nennen, die allerdings wegen ihrer illegalen Abstammung nicht im Palast wohnen darf. Fiametta lebt im Haushalt des Gewürzkrämers Lambertuccio und seiner Frau Peronella. Das Mädchen weiß nicht, wer ihre Eltern sind, doch die Alimente wurden von unbekannter Hand immer regelmäßig bezahlt und jetzt kümmert man sich sogar um eine angemessene Verheiratung. Vorgesehen ist der Prinz von Palermo.


    Von Boccaccio und seiner Novellenkunst hat Pietro schon gehört und von den leichtlebigen Frauen von Florenz auch. Der stadtbekannte Poet scheint ihm der Richtige zu sein, um an seiner Seite Liebesabenteuer in Fülle zu erleben. Dabei gerät er zunächst an Isabella, die Frau des Fassbinders und stößt sofort auf Zuneigung.


    Boccaccio selbst ist unsterblich in Fiametta verliebt und nähert sich ihr in Verkleidung. Aus Gründen der Frömmigkeit ist diese nicht zugänglich. Sie befindet sich mit ihrer Ziehmutter auf dem Weg zur Kirche.


    „Die Glocken läuten hell und rein
    und laden alle Frommen ein.
    Mit andachtsvollem keuschen Sinn
    geht man zur heiligen Messe hin
    und denket nur an Gott allein.“


    Er dürfte nicht Boccaccio heißen, wenn er verbal nicht ebenso vortrefflich schmeicheln, wie er schreiben kann. Es gelingt ihm tatsächlich, Flämmchen, die den stadtbekannten Fabulierer nicht erkennt, für sich zu erwärmen.


    Anlässlich eines Besuches bei Isabella hat der Prinz sich ungeschickt angestellt und die Aufmerksam der drei Ehemänner auf sich gerichtet. Diese denken, sie haben den rührigen Boccaccio auf frischer Tat ertappt und verabreichen dem Erwischten eine Tracht Prügel. Der Irrtum wird aufgeklärt und es bleibt den Voreiligen nichts anderes übrig, als sich zu entschuldigen.


    Wie kann man sich nur an dem Urheber allen Übels rächen? Vielleicht sollte man seine Bücher verbrennen. Hei, wie die Flammen knistern! Ein Bettler wurde gezwungen, das Feuer zu entfachen. Was sie verdammen, weiht er den Flammen. Was ihnen missfällt vernichtet er für die Welt


    Gezwungenermaßen war der Brandleger Boccaccio selbst, der es vorzog, seine Bücher zu vernichten, als aus gesundheitlichen Erwägungen seine Identität zu verraten.


    Zweiter Akt:


    Beim Liebchen, beim Liebchen, da ist man gern zu zwei'n, beim Weine, beim Weine, das sitzt sich’s gut zu drein. Doch mutterseelenallein, das soll der Mensch nicht sein.


    Die beiden Häuser Lambertuccios und Lotteringhis stehen dicht an dicht. Ihre Vorgärten sind ein magnetischer Anziehungspunkt für unsere drei Freunde: Boccaccio, Leonetto und Alessandro, wie der Herzog sich nennt, wenn er mit den beiden auf Abenteuer geht. Die Fassbinderin, die schöne Frau Lotteringhis, ist die Sehnsucht der beiden Letztgenannten, während die Ziehtochter Peronellas von Boccaccio umschwärmt wird.


    Leonetto wird von den beiden anderen ausgenutzt. Er soll sich an die Mutter heranmachen, um sie zu beschäftigen, damit Fiametta ohne Aufsicht ist. Wenn der Student weiterhin des Dichters Freund bleiben will, muss er in den sauren Apfel beißen. Va bene, er beißt! Zum Fensterlein wird er gern blicken, aber hinein möchte er lieber einen anderen schicken.


    Und nun die Serenade:


    Ihr Schuh zu sein, welch Hochentzücken. Sollte sie schrei'n wird er sie drücken. Jeder singt seine Variante, um die Angebetete aufmerksam zu machen. Dann werden Briefchen ins Haus geschmuggelt. Welche Dame bekommt nicht gern ein Briefchen.


    „Wie pocht das Herz so ungestüm.
    Das Briefchen hier, es kommt von ihm.
    Was auf dem Blatt für sie mag steh'n?
    Bald ist er hier,
    sagt das Papier.
    In Verkleidung wird er kommen.
    Das Herz klopft freudig und ist doch ganz beklommen.
    Die Stunde ist nah,
    sicher ist er bald da.“


    Am Aufgeregtesten ist Peronella, denn sie hat keine Ahnung, wer der heimliche Anbeter ist.


    Der Prinz von Palermo ist gerade dabei, mit Isabella eine Novelle zu erleben, als ihr Mann an die Tür klopft. Kommt der Trunkenbold schon wieder aus dem Wirtshaus? Der Besucher wird als Kunde ausgeben, der ein Fass kaufen möchte. Aber die ungetreue Ehefrau hat ohnehin das Sagen und versteht es, ihren Mann an der Nase herumzuführen. Er kriecht in das Fass, auf dem die beiden sich vergnügen. Der Prinz freut sich, endlich die erste Verwicklung!


    Peronella hängt in der Warteschleife. Wo mag er nur bleiben? In ihrem Alter ist jede Minute kostbar. Endlich kommt er. Wie schön er ist und die Liebe führt ihn her! Keine Minute soll ungenützt verstreichen. Doch plötzlich taucht der Ehemann auf und fragt, ob der Bursche noch nicht gekommen sei, der bei der Ernte helfen soll. Natürlich, soeben ist er eingetroffen! Der glückliche Leonetto fühlt sich seinen Pflichtübungen enthoben, gibt sich als Erntehelfer aus und wird Oliven vom Baum schütteln.


    Boccaccio ist entzückt. Eine Heilige naht und er möchte ihr die Hände küssen. Peronella klärt auf, dass es sich um keine Heilige, sondern um ihre Ziehtochter handele. Der herbeikommende Lambertuccio soll verschwinden und auf einen Zauberbaum steigen, auf dem er untreue Liebespaare beobachten kann. Boccaccio klettert voran und will im Gipfel beobachtet haben, dass der Barbier seine eigene Pflegetochter auf unziemliche Art geküsst habe. Der Gescholtene klettert endlich selbst hinauf. Von seinem Hochsitz kann Lambertuccio wohlgefällig beobachten, wie die Ehemänner und das Operettenpublikum verschaukelt werden. Ha, wie sie schnäbeln und girren süß, wie das Pärchen im Paradies. Ein Hexenspiel ist das fürwahr. Jetzt küsst man seine Alte gar. Gemeint ist Leonetto, der sich mit seinem Schicksal angefreundet hat.


    Fiametta ist hellwach gewordene. Nun hat sie ein Alibi und versteht es, ihre Liebe zu Giovanni auf den Zauberbaum abschieben. In ihr keimen sanfte Triebe, sie ignoriert nicht länger mehr die Liebe. Es hagelt Küsse und Liebesgeständnisse.


    Nicht lange bleibt das lustige Beisammensein der Liebenden ungestört. Scalza hat herausgefunden, dass Boccaccio und seine Gesinnungsgenossen sich verkleidet im Haus aufhalten. Die Studenten in der Schenke schwatzten die Geschichte aus, selber hat er’s dort vernommen und lief gleich zum Tor hinaus. Zu foppen wagte sie der Wicht. Ihm nach! Die Strafe schenken sie ihm nicht. Umzingelt ist das ganze Haus und aus der Sache kommt Boccaccio so leicht nicht heraus.


    Verprügelt wird allerdings wieder der Falsche. Es ist der Mann, der für Fiametta regelmäßig in einem versiegelten Umschlag das Kostgeld bringt. Er ist hier nicht von ungefähr, ihn führt ein hoher Auftrag her. Die Sänfte ist für sie bereit. Fiametta sagt Lebewohl, es drängt die Zeit. Lambertuccio weiß, von wem der Bote abgesandt und denkt auf keinem Fall an Widerstand.


    Plötzlich soll Fiametta scheiden. Die Heimat verlassen und alles was ihr lieb und teuer ist im Stich lassen. Die Eltern, die Freunde, sie alle. Den Teuren, dem ihr Herz gehört, ein Wiedersehen mit ihm ist ihr verwehrt. Ja, fort noch heut' in dunkler Nacht. Wer hätte das gedacht? Im allgemeinen Tumult können die drei Liebhaber entkommen. Boccaccio kann seinem Flämmchen noch zuflüstern, dass die Liebe wacht und er ihr nah sein wird.


    Dritter Akt:


    Die Eheleute Lambertuccio und Peronella sind mit ihrer Ziehtochter im herzoglichen Palast angekommen. Es stellt sich heraus, dass der Geldbote stets der verkleidete Herzog selbst war. Nun hat Lambertuccio ein schlechtes Gewissen, weil er ihn als Filou beschimpft und ihm einen Dukaten vor die Füße geworfen hat. “Um des Fürsten Zorn zu meiden, schickt er ihm sein Weib hinein. Muss schon einer Strafe leiden, sollte sie es lieber sein. Und müsst er am End’ erleben, dass sie’s nicht zurück ihm geben. Wie Gott will, er hält still!“ Wegen Fiametta ist man sich schnell einig. Der Prinz ist nicht mehr heiratslustig und zieht es vor, an der Seite Giovannis weitere Abenteuer zu erleben, als ihm die Geliebte wegzunehmen. Doch da hat Fiametta auch noch ein Wörtchen mitzureden. Bevor sie eine glanzvolle Position als Prinzessin aufgibt, muss Boccaccio Treue schwören. Er darf keine abscheulichen Novellen mehr schreiben und muss sie als seine einzige Muse akzeptieren. Er huldigt ihr auf der Stelle:“ Florenz hat schöne Frauen, doch die schönste bist du.“


    Anmerkungen:


    Der historische Giovanni Boccaccio (1313-1375) erzählt in seinem Novellenband DECAMERONE zehn Damen und Herren an zehn Tagen jeden Tag zehn amouröse Geschichten, um von der schrecklichen Pest abzulenken, die in Florenz wütet. Franz von Suppé findet diese Literatur so unterhaltsam, dass er einige Erzählungen von untreuen Ehefrauen und betrogenen Ehemännern aufgreift, um daraus eine Operette zu schmieden. Der Dichter Boccaccio erzählt aber nicht nur, sondern steht als Verliebter selbst im Mittelpunkt des Geschehens. Sein Wahlspruch war es, Liebesgeschichten, die nur erdichtet sind, taugen nichts. Man muss die Abenteuer selbst erlebt oder erlauscht haben. Seinem Charisma hat er es zu verdanken, dass die schöne Florentinerin Fiametta nur ihn liebt und sie seinetwegen sogar den Prinzen von Palermo ausschlägt. Sie singt „Hab ich nur deine liebe, die Treue brauch ich nicht“


    Die Melodien, die Suppé komponiert hat, gipfeln in den spritzigen Chor- und Ensemble-Szenen, Bonbons sind ebenfalls reichhaltig vorhanden:. „Florenz hat schöne Frauen, doch die schönste bist du“ klang sehr glaubwürdig, als die Arie noch von Hermann Prey geschmettert wurde.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

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  • Heute vor 150 Jahren:
    22. Juni 1864: Die zweiaktige Operette Pique Dame von Franz von Suppé hat ihre Uraufführung am Thalia-Theater in Graz.
    Sie basiert auf Suppés einaktiger Operette Die Kartenschlägerin, die erst zwei Jahre zuvor, am 26. April 1862, im Theater am Franz-Josefs-Kai uraufgeführt worden ist. Keiner der beiden Versionen ist ein Erfolg beschieden.
    Ob der Titel auf Alexander Puschkins 1834 erschienene gleichnamige Erzählung Bezug nimmt, ist nicht sicher, die Handlung tut es jedenfalls nicht.

    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Franz von Suppé wäre unsterblich geworden, wenn er nur Ouvertüren komponiert hätte. Sie gehören instrumental und melodisch zu den schönsten und virtuosesten Kompositionen. So leicht und spritzig und gerade deshalb so schwierig zu spielen. Viele enthalten gefürchtete Vorspielstellen für Orchestermusiker.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Franz von Suppé wäre unsterblich geworden, wenn er nur Ouvertüren komponiert hätte


    Gerade aus dem Urlaub zurück kann ich erst heute antworten. Die Logik dieses Satzes erschließt sich mir nicht ganz. Heißt das im Umkehrschluss, Suppé ist nahezu in Vergessenheit geraten, weil er auch anderes komponiert hat?


    ?( Uwe

  • Hallo,


    Franz von Suppé ist natürlich weit mehr als nur ein Komponist großartiger Ouverturen. Leider ist er von anderen Operettenkomponisten, vor allem von Johann Strauß und Carl Millöcker, ins "Abseits geschoben" worden (was wohl auch für Carl Michael Ziehrer gelten muß). Suppès Boccaccio und Galathee sind zumindest auf Tonträgern gut dokumentiert, bei HAFG, walhall, Line Music und cpo findet man auch anderes wie "Fatinitza" , "Banditenstreiche",
    "Pique Dame", "Dichter und Bauer", "Zehn Mädchen und kein Mann", "Das Pensionat", "Der Teufel auf Erden" oder "Leichte Kavallerie". Die Ouverturen sind sehr häufig vertont worden. Aufführungsmäßig sieht es bei Suppé eher mau aus. Dass ich schon 5 seiner Werke auf der Bühne sehen konnte, ist sicher ein glücklicher Zufall in mehr als 40 Musiktheaterjahren.


    Schöne Grüße
    wega

  • Franz von Suppé wurde am 15. April 1819 geboren und starb am 21. Mai 1895. Zu diesem Anlass habe ich etwas ausgesucht, was man bei ihm vielleicht zuletzt gesucht hätte, ein Requiem:




    Heute ist Franz von Suppés 120. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Weiß jemand hier zufällig, wann und wo zuletzt "Boccaccio" von Suppé gespielt wurde? So die letzten fünf bis zehn Jahre würde mich interessieren. Danke für Antworten der Operetten-Experten hier! :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich bin zwar kein Operettenexperte, lieber Stimmenliebhaber und weiß auch nicht, wann und wo Boccacio zuletzt gespielt wurde, aber ich weiß, wann er demnächst gespielt wird, und zwar am 7. November in Herford und am 30. November in Fulda. Ausführend ist das Theater für Niedersachsen, Hildesheim.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    der Boccaccio lief in Hildesheim vor vielen Jahren schon einmal, eine sehr gute Inszenierung. Mal sehen, wie die neue wird. Vor ein paar Tagen lief hier in der Musikhochschule in Hannover "Zehn Mädchen und kein Mann", eine ganz großartige Inszenierung mit Klavierbegleitung mit nur einem Wermutstropfen: Nach 4 ausverkauften Vorstellungen war Schluß. Das ist schade.


    Schöne Grüße
    wega

  • weiß jemand hier zufällig, wann und wo zuletzt "Boccaccio" von Suppé gespielt wurde? So die letzten fünf bis zehn Jahre würde mich interessieren. Danke für Antworten der Operetten-Experten hier!


    Eine ausführliche, wenngleich sicherlich nicht vollständige Auflistung findest du hier, unter dem Menüpunkt Aufführungen. Auf der Startseite auch die Aufführungstermine in Hildesheim für 2015.


    :) Uwe